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TU München untersagt die Anstellung des Geowissenschaftlers wegen Kapitalismuskritik: Benjamin Ruß klagt mit ver.di und breiter Solidarität
Dossier
„Wie frei ist Bayerns Wissenschaft? Ein aktueller Fall zeigt: Die Zeit der Berufsverbote ist nicht vorbei. Die TU München geht sogar soweit, Menschen, die Kritik an der bestehenden Gesellschaft äußern, als Verfassungsfeinde abzustempeln. Und spricht so Berufsverbote aus! Dagegen klagt nun ein ver.di-Mitglied mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz vor dem Münchner Arbeitsgericht. (…) Ein aktueller Fall zeigt: Die Zeit der Berufsverbote ist nicht vorbei. Eine Professorin der TU München wollte einen Geowissenschaftler als wissenschaftlichen Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl anstellen. Die Personalabteilung der TUM verbot dem Geowissenschaftler, wegen seiner marxistischen Weltanschauung die Stelle anzutreten. (…) Die Universität übernimmt dabei die Argumentation des bayerischen Verfassungsschutzes…“ Aus der Einladung der Roten Hilfe München zur Veranstaltung darüber am 30. November 23. Siehe auch Infos zum 1. Gerichtstermin am 1.12.23 (verschoben!) und Hintergründen:
- Arbeitsgericht München hat die Klage von Benjamin Ruß auf Einstellung an der TU München abgelehnt: Ziel einer neuen Gesellschaftsordnung widerspreche der „Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“
„Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat am 14.08.2024 entschieden, dass ein Bewerber keinen Anspruch hat im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, wenn er nicht die erforderliche Gewähr für die von ihm für die konkrete Stelle zu fordernde Verfassungstreue bietet. (…)
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, die ablehnende Entscheidung über seine Bewerbung behaupte unrichtigerweise Zweifel an seiner Verfassungstreue. Auch sei faktisch nicht erkennbar, welchen relevanten Einfluss der Kläger auf die politische Einstellung von Studenten an einem Lehrstuhl für Kartographie nehmen könne. Er habe nirgends die Absicht erkennen lassen, die Studenten marxistisch oder linksradikal beeinflussen zu wollen. Gesellschafts- und Systemkritik seien rechtlich zulässig und politisch notwendig. Der erhobene Vorwurf der Gewaltbereitschaft treffe nicht zu.
Der beklagte Freistaat als Träger der Technischen Universität München ist der Auffassung, der Einstellung des Klägers stünden nicht ausgeräumte Zweifel an seiner Verfassungstreue entgegen. Der Kläger sei der linksextremistischen Szene zuzuordnen.
Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat die Klage des Klägers auf Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgewiesen, da die Voraussetzungen des Art. 33 Abs.2 GG als Anspruchsgrundlage für seine Klage auf Einstellung nicht erfüllt waren. (…)
Geht es um eine Einstellung, genügt es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind. Ausreichend sei jedoch nicht die bloße Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe e.V.. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue seien nicht schon dann anzunehmen, wenn man Anhänger einer verfassungsfeindlichen Organisation sei. Die nicht ausräumbaren Zweifel des Beklagten an der Verfassungstreue des Klägers begründen sich auf die vom Kläger verfassten Artikel, in denen er die Idee vertritt, mit rechtswidrigen Mitteln gegen den Staat vorzugehen, um eine neue Gesellschaftsordnung zu erreichen. Auch seine Äußerungen als Sprecher und Mitorganisator der Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 begründen die Zweifel an seiner Verfassungstreue. Der Kläger wäre im Rahmen seiner angestrebten Tätigkeit auch für die Betreuung von Studenten zuständig. Aufgrund des Verhaltens des Klägers durfte der Beklagte annehmen, dass der Kläger keine ausreichende Gewähr für die funktionsbezogene Verfassungstreue bietet.“ Pressemitteilung des Arbeitsgerichts München vom 14.08.2024 zu 33 Ca 1352/23 („Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“) – eine ausführliche Begründung steht noch aus - Prozess von Benjamin Ruß am 26.7. am Münchner Arbeitsgericht: Urteil am 7. August erwartet
„… Eine Entscheidung im Verfahren steht gegenwärtig noch aus. Diese ist für den 7. August angekündigt. Im großen und ganzen habe es aber auch keine neuen Entwicklungen bei der Verhandlung gegeben, sagte Ruß am Freitag gegenüber junge Welt. Statt dessen stütze sich das Gericht auf die bisherigen Verfahrensschriftsätze. Während es allerdings in der ersten Verhandlung zunächst um die arbeitsrechtlichen Fragen und Bewertungen des Vorgangs an der TUM ging, bestätigte die Richterin bei der Verhandlung am Freitag diesbezüglich das Klagerecht des Wissenschaftlers. »Was wir in Gang getreten haben, braucht also einen Richterspruch«, erklärte der Geoinformatiker. Das Vorgehen der TUM sei nicht rechtens gewesen. Allerdings betonte die Richterin, dass nach dieser Feststellung – die noch kein Urteil ist – noch die »Verfassungstreue« von Ruß im Raum stehe. Die Frage nach der Eignung eines Bewerbers, für den Freistaat Bayern zu arbeiten, habe der Anwalt der Gegenseite, der das Bundesland vertritt, schnell aufgegriffen. Der Anwalt habe sich auf von Ruß verfasste Text bezogen, in denen es etwa um die volle Ausnützung des Streikrechts oder um Kritik an einer Militarisierung Bayerns gehe. Dies sei laut dem Anwalt des Bundeslandes ein Rückschluss auf eine Verfassungsfeindlichkeit. »Wenn man in Bayern die demokratischen Grundrechte bis zur Grenze ausreizt, ist man anscheinend schon Verfassungsfeind. Man muss diese Grenze gar nicht überschreiten«, äußerte sich Ruß schlussfolgernd über die Auslassungen des bayerischen Rechtsvertreters. (…) Von dem möglichen Urteil am 7. August erwartet sich Ruß vor allem, dass das Verfahren in die nächste Instanz gehen wird. Es sei je nach Urteilsspruch davon auszugehen, dass weder Bayern noch Ruß selbst das Ergebnis akzeptieren werden. So sei auch ein von der Richterin am Freitag in den Raum gestellter Vergleich nicht akzeptabel. Man wolle festgestellt haben, dass Unrecht passiert, wenn jemand, der seine demokratischen Rechte wahrnimmt, in Bayern als Verfassungsfeind gebrandmarkt werde. Zudem gehe es Ruß auch um die Stelle, die die Möglichkeit zur Promotion vorsah.“ Artikel von Fabian Linder in der jungen Welt vom 27.07.2024 („»Verfassungsfeind« abgewiesen. Bayern: Geoinformatiker wird von TU München abgelehnt und klagt dagegen“) - Kapitalismuskritik kostet Uni-Job? Nächster Prozess von Benjamin Ruß steht am 26. Juli am Münchner Arbeitsgericht an, am 19.7. spricht er über seinen Fall in Passau
- Der nächste Prozesstag von Benjamin Ruß: am 26. Juli 2024 ab 11:00 Uhr am Münchner Arbeitsgericht
- 19.7. ab 16 Uhr an der Uni Passau, Hörsaal 5 (Wiwi)
Auf Einladung der GEW Passau, der DGB-Jugend Niederbayern und dem AKJ Passau spricht Benjamin Ruß gemeinsam mit seiner Anwältin, Prof. Dr. Däubler-Gmelin, an der Uni Passau über seinen Fall, über Wissenschaftsfreiheit und politische Repression gegen Gewerkschaftsmitglieder. Infos gibt es bei akj Passau auf Instagram , bei der GEW Passau auf Instagram oder der DGB Jugend Niederbayern auf Instagram - Wer den Kapitalismus nicht ehrt… Solidarität mit Benjamin Ruß – Nein zu Berufsverboten!
„… Andererseits zeigt sich beim Fall von Benjamin Ruß, wie es um die angebliche Unabhängigkeit der Wissenschaft und der Universitäten im Kapitalismus bestellt ist. Anstatt sich ein ernsthaftes und unabhängiges Bild auf einer faktenbasierten Grundlage zu machen, was einem wissenschaftlichen Umgang entsprechen würde, übernimmt die Unileitung die Hetze des Verfassungsschutzes unkritisch. So hieß es vonseiten der TUM auch, es bestehe die Sorge, dass Ruß seine marxistischen Ansichten in Lehrveranstaltungen verbreiten würde. Dabei verkennt sie, dass der Marxismus eine Wissenschaft ist, die an unabhängigen Universitäten und Bildungseinrichtungen stark unter- und nicht überrepräsentiert ist. Insbesondere im Fach Geographie spielen marxistische Wissenschaftler*innen wie beispielsweise David Harvey oder Bernd Belina eine wichtige Rolle und haben einen besonderen Verdienst zur wissenschaftlichen Analyse von Gentrifizierung, Wohnraum oder Entwicklung und Beziehungen zwischen der neokolonialen Welt und imperialistischen Staaten geleistet. Das Berufsverbot gegen Benjamin Ruß zeigt, dass die Unileitung eigentlich keine neutrale Haltung einnimmt, auch wenn sie vorgibt dies zu tun, sondern die bürgerliche Hetze gegen linke Ideen einfach übernimmt. So wurden dem Wissenschaftler die Worte im Mund umgedreht und Kritik am bestehenden System wird mit dem ominösen Vorwurf der Gewaltbereitschaft bedacht. Was das in diesem Staat bedeuten soll, dessen Grundpfeiler die militärische Gewalt nach außen und die polizeiliche nach innen ist, führen Verfassungsschutz und Unileitung nicht weiter aus. Das ist zugleich nicht überraschend – Universitäten und Bildung im Kapitalismus sind nicht frei, sondern letztlich Mittel der Herrschenden. Nötig wäre eigentlich, dass Ämter wie die einer Unikanzler*in durch Mitarbeiter*innen und Studierende demokratisch gewählt – und auch abgewählt werden können, und zwar mit einer gleichwertigen Stimme pro Person und nicht in einem feudal anmutenden System, in dem auf Professor*innen viel mehr Entscheidungsgewalt pro Kopf entfällt als auf die anderen Beschäftigten und die Studierenden (…) Die Sol steht solidarisch hinter dem Kollegen Benjamin Ruß! Wir stehen für ein Ende aller Repressionen und Berufsverbote ein! Die Befragung zur Verfassungstreue an bayerischen Universitäten sowie anderen staatlichen Einrichtungen muss sofort enden! Für wirklich demokratische Strukturen an Universitäten und Bildungseinrichtungen! Für eine wirklich unabhängige Wissenschaft und Lehre! Wir fordern daher alle auf zur Kundgebung zu Benjamins nächstem Prozesstermin am 26.07. zu gehen und sich solidarisch zu zeigen!…“ Beitrag von Chiara Stenger vom 25. Juli 2024 in solidaritaet.info - Job-Nachteile nach Klimaprotest: Wenn die Uni den Vertrag auflöst
„Wer sich als Lehrkraft oder Uni-Mitarbeiter*in politisch engagiert, muss mit beruflichen Nachteilen rechnen. Wie viel Radikalität ist erlaubt?
Vor dem Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität Jena steht eine Gruppe von 70 Personen. Sie halten Schilder hoch, auf denen steht: „Klima schützen ist kein Verbrechen“ und „Solidarität mit Eli – Wiedereinstellung jetzt“. Es ist Ende Mai 2024. Sie protestieren dagegen, dass die Uni kurzfristig den Vertrag einer Person, die öffentlich nur Eli genannt werden will, wieder aufgelöst hat – wegen Vorstrafen aus dem Klima-Aktivismus. (…) Eli möchte wieder eingestellt werden, am 18. Juli beginnt dazu der Prozess vor dem Arbeitsgericht Gera. Die Universität Jena möchte sich im Hinblick auf das laufende Verfahren nicht zu den Vorwürfen äußern. (…) Das Vorkommnis in Jena ist kein Einzelfall. Ähnliche Fälle gibt es auch in München und Frankfurt. Anfang 2022 etwa hatte Benjamin Ruß sich auf eine Stelle am Lehrstuhl für Kartografie und visuelle Analytik der Technischen Universität München beworben. In Bayern und Baden-Württemberg müssen Bewerber:innen auf eine Stelle im öffentlichen Dienst einen Fragebogen zur Mitgliedschaft in verschiedenen Vereinigungen beantworten, die vom den Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet werden. Darunter fallen auch Organisationen wie die Jugendorganisation der Partei Die Linke, SDS und die Rote Hilfe, in denen Ruß Mitglied war beziehungsweise ist. Deswegen und wegen seiner marxistischen Weltanschauung sei er für den Job abgelehnt worden, sagt er der taz. Er hat gegen diese Entscheidung geklagt. Die Technische Universität München wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall äußern. In Frankfurt wiederum verbiete die hessische Lehrkräfteakademie es einem Lehramtsstudenten, ein Referendariat zu absolvieren, so die GEW Hessen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt klagte Luca S. für tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Landfriedensbruch an, weil er bei einer Demonstration zum 1. Mai 2021 einen Rauchtopf in Richtung eines Polizeibeamten geworfen haben soll. Deswegen wurde er zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Auch Luca S. möchte öffentlich nicht mit ganzem Namen genannt werden, er ist der Redaktion bekannt. Gegen das Urteil hat er Revision eingelegt, auch dieses Verfahren läuft noch. Die GEW fordert, dass er, unabhängig vom Ergebnis der Verhandlung, zum Referendariat zugelassen wird. Aus diesem Konflikt ergibt sich der paradoxe Umstand, dass er zwar kein Referendariat absolvieren darf, aber im vergangenen Schuljahr als angestellter Lehrer an einer Frankfurter Schule weiterarbeiten konnte. Nun wurde sein Vertrag aber nicht verlängert. Luca S. sieht in dem Verfahren und der Höhe der Strafe gegen ihn eine Kriminalisierung eines linken politischen Aktivismus: „Das ist ein Berufsverbot, man muss das auch so benennen.“ Das hessische Bildungsministerium äußerte sich auf Nachfrage der taz nicht zu dem Fall, sieht den Vorgang aber als abgeschlossen an. (…) Während die Geschichten von Benjamin Ruß, Luca S. und Eli unterschiedliche Anfänge haben, sind die Folgen für alle leider gleich: berufliche Nachteile und laufende Gerichtsverfahren.“ Artikel von Alexandra Kehm vom 16.7.2024 in der taz online , siehe dazu auch:
- Benjamin Ruß zur Unabhängigkeit der Wissenschaft: »Man will Kritik der Verhältnisse fernhalten«
Im Interview von Annuschka Eckhardt in der jungen Welt vom 17. Februar 2024 erklärt Benjamin Ruß wie und warum ihn beim Anstellungsverfahren bei der TU München seine Systemkritik zum Verhängnis wurde: „… In Bayern ist es ja so, dass man, wenn man sich an öffentlichen Institutionen, also an Institutionen des Staates bewirbt, nach wie vor eine Abfrage zur Verfassungstreue vorgelegt bekommt. Dort muss man wahrheitsgemäß beantworten, ob man in einer oder mehreren der dort aufgeführten Organisationen Mitglied war oder ist. Und das war bei mir halt der Fall. Zum einen war ich während des Studiums im Studierendenverband der Linkspartei, SDS, organisiert, zum anderen bin ich Mitglied in der Roten Hilfe. Das habe ich dann an die Personalabteilung weitergeschickt, mit der Bitte, den Arbeitsvertrag zuzuschicken. (…) Ende August 2022 kam dann die Absage der Personalabteilung, dass sie mir die Stelle nicht geben könnten, weil ich nicht glaubhaft in meiner Stellungnahme dargestellt hätte, kein Verfassungsfeind zu sein. Daraufhin haben wir Widerspruch eingelegt. Als wir im Nachgang dann mitbekommen haben, dass die Stelle noch während meiner Frist für die Stellungnahme neu besetzt worden war, ohne dass mir die Personalabteilung davon Mitteilung gemacht hat, entschieden wir uns, zu klagen. Vor dem Münchner Arbeitsgericht fand vergangene Woche der erste Verhandlungstag statt. (…) In der Begründung meiner Ablehnung warf man mir vor, dass ich mich in der Stellungnahme, die sie von mir gefordert hatten, ausführlich mit Begriffen wie Faschismus, Klasse, Kapitalismus, Polizeigewalt und Rassismus auseinandergesetzt habe. Das allein ließe schon auf eine verfassungsfeindliche Haltung schließen.[Frage:] Wie bewerten Sie die Befragung zur Verfassungstreue an bayerischen Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen? [Antwort Ruß:] Das ist reine Gesinnungsschnüffelei und gehört abgeschafft! Der Verfassungsschutz, der sich in Bayern vor allem dadurch einen Namen gemacht hatte, dass er im Zusammenhang mit seinem Beitrag zum NSU Tausende Akten vernichtete, soll so jegliche Kritik der Verhältnisse von der Uni fernhalten. Mit Institutionen, wie dem Inlandsgeheimdienst, sollte keine wissenschaftliche Einrichtung zusammenarbeiten, da wissenschaftliche Unabhängigkeit so nicht gewahrt werden kann.“ - Arbeitsgericht: Zu links für die Uni?
„Benjamin Ruß will eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität. Doch er bekommt sie nicht – vermutlich wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue. Das lässt er nicht auf sich sitzen und verklagt nun den Freistaat. Etwa 25 Unterstützerinnen und Unterstützer von Benjamin Ruß haben sich vor dem Arbeitsgericht versammelt. (…) In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht geht es dann jedoch weder um Ruß‘ politische Einstellung noch um mögliche Ansichten des Verfassungsschutzes oder der TU dazu. Die Frage ist vielmehr: Auf welche Stelle hat sich Ruß Anfang 2022 genau beworben und wurde ihm mitgeteilt, dass er sie nicht bekommen würde? Antworten darauf soll ein weiterer Termin vor Gericht bringen.“ Artikel von Ana Maria März vom 9. Februar 2024 in der Süddeutschen Zeitung online - Prozess und Kundgebung am 9. Februar 2024 vor dem Münchner Arbeitsgericht wegen Nichtanstellung des Kollegen B. Ruß
„… Im Rahmen eines Anstellungsverfahrens 2022 wurde dem ver.di-Kollegen und TUM-Absolventen Benjamin Ruß seine Systemkritik zum Verhängnis. Der TUM-Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik hatte sich für ihn als Angestellten entschieden. Nach dem Einreichen der notwendigen Unterlagen bei der Personalabteilung, u.a. dem in Bayern üblichen Fragebogen zur Mitgliedschaft in sogenannten „extremistischen Organisationen“, folgte die Prüfung auf Verfassungstreue durch ebendiese. Dazu gehörte auch eine Anfrage zur Person des Kollegen beim bayerischen Verfassungsschutz. Soweit, so normal und Teil des tariflich festgelegten Vorgehens bei Neueinstellungen in öffentlichen Einrichtungen in Bayern. Zwei Monate später forderte die Personalabteilung in Absprache mit den Beamten des Verfassungsschutzes den Kollegen dann zur Stellungnahme in sechs Punkten auf. Ihm wurden Umsturzabsichten, Gewaltorientierung und die Ablehnung des Kapitalismus zum Vorwurf gemacht. Es befanden sich unter den Vorhaltungen vermeintlich verurteilende Zitate aus veröffentlichten Texten und Beobachtungen des Anzustellenden bei politischen Veranstaltungen. Besonders problematisch sei seine wissenschaftlich-marxistische Weltanschauung. Der Kollege organisierte sich daraufhin mit Unterstützung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes unter anderem die ehemalige Bundesjustizministerin und Rechtsprofessorin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin als anwaltliche Vertretung. In einem sechsseitigen und umfassenden Schreiben an die Personalabteilung widerlegte der Kollege sämtliche Vorwürfe. Ihm wurden von Seiten des Verfassungsschutzes zusätzlich strafrechtliche Vorwürfe gemacht. Vorwürfe, die sich nach Akteneinsicht durch die Anwälte als völlig haltlos und frei erfunden erwiesen. Im Gegenteil: aus den Videos in den Akten ging eindeutig hervor, dass Polizeibeamte während einer Demonstration den Kollegen zu Boden gestoßen und ihn am Boden liegend mit Morddrohungen („Bleib unten, sonst schlag ich dir den Schädel ein!“) und Beleidigungen („Bringt‘s ih weg, den Arsch!“) bedacht hatten. Aus einem Angriff auf ein ver.di-Mitglied konstruierte die TU München in Komplizenschaft mit dem bayerischen Verfassungsschutz so die angebliche Gewaltbereitschaft von Benjamin Ruß. Das grenzt quasi schon an Rufmord. Auf alle Fälle sollte auf diese Art ein möglichst erschreckendes und falsches Bild des Kollegen gezeichnet werden. (…) Wie sich im Verlauf dieser Auseinandersetzung außerdem herausstellte, ließ die TU München die ausgeschriebene Stelle im Juni 2022 mit einer anderen, bis dato unbekannten Bewerberin besetzen, ohne den Kollegen Ruß von diesem Vorgang in Kenntnis zu setzen. Diese Art der Konkurrenzverdrängung ohne Information des verdrängten Konkurrenten ist arbeitsrechtlich unzulässig. Ihm wurde so das Recht auf Rechtsschutz bewusst verunmöglicht. Benjamin Ruß hatte daher Ende Februar 2022 gemeinsam mit Ex-Bundesjustizministerin Prof. Däubler-Gmelin Klage gegen die TU München vor dem Münchner Arbeitsgericht eingereicht. (…) Die Angriffe der TU München auf Positionen der Gewerkschaften, die Angriffe auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in unserer Gesellschaft, sind Teil des politischen Rechtsrucks sowie der sich entwickelnden Wissenschaftsfeindlichkeit in weiten Teilen der Bevölkerung. Diese Tendenzen müssen aus gewerkschaftlicher und klassenkämpferischer Perspektive entschieden bekämpft werden. Daher ist es begrüßenswert, dass ver.di München den Kollegen Benjamin Ruß entschiedenst unterstützt, sowohl durch ihren Rechtsschutz, als auch durch Veranstaltungen und Veröffentlichungen…“ VKG-Stellungnahme vom 26. Januar 2024 – Prozessbeginn um 11:15, zuvor um 10:00 stationäre Versammlung vor dem Gerichtsgebäude (es ist der vom 1.12.23 verschobene Termin), siehe auch:- Berufsverbot an der TU München – Kapitalismuskritik unerwünscht
„Benjamin Ruß wurde von der Personalabteilung der Technischen Universität (TU) München als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgelehnt. Grund dafür waren unter anderem kritische Äußerungen über das kapitalistische Wirtschaftssystem und seine Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe. Nun befindet er sich in einem Rechtsstreit mit der Universität. (…) Die Rote Hilfe e.V. Ist ein Verein, der politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Dabei ist er keiner politischen Strömung oder Partei zuzuordnen. Die Personalabteilung kopiert auch in der Klageerwiderung anstelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Antworten des Kollegen einfach den Wortlaut des bayerischen Verfassungsschutzberichts. Auf die Erklärung des Gewerkschaftsmitglieds wird weder im Bescheid der Personalabteilung noch in der Klageerwiderung der TU München eingegangen. Währenddessen wurde die Rote Hilfe in verschiedenen Bundesländern sogar als Sachverständigen-Organisation hinsichtlich Neuerungen der Polizeigesetze angehört, prominente Mitglieder der Gesellschaft gehören dem Verein an. Gleichzeitig hatte Benjamin Ruß klargestellt, dass er nicht jeden Prozess der Roten Hilfe e.V. politisch gutheiße. Bei DIE LINKE.SDS, der Studierendenorganisation der Linkspartei, stößt sich die Personalabteilung an der Formulierung in der Präambel zur „Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung“. Eine weitergehende Auseinandersetzung wird jedoch auch hier vermieden. Vielmehr kann aus der Argumentation der TU München unter Kanzler Albert Berger geschlussfolgert werden, dass das bestehende kapitalistische Gesellschaftssystem unantastbar ist. (…) Der Personalabteilung missfällt u.a. die Verwendung der Begriffe „Polizeigewalt und -willkür“, „Monopolmacht“, „Rassismus“, „Kapitalismus“ und „Faschismus“. Diese würden staatliches Handeln delegitimieren und hätten einen „verfassungsfeindlichen, umstürzlerischen Horizont“. (…) Die Personalabteilung ignoriert dabei, dass es sich hier um politikwissenschaftliche Zentralbegriffe handelt, die unumgänglich in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen sind. Gleichzeitig wird Ruß angelastet, sich zu diesen Begriffen geäußert zu haben, obwohl er von der Personalabteilung gerade dazu aufgefordert wurde. (…) Während der G7-Proteste 2015 in Garmisch-Partenkirchen und München war Benjamin Ruß Sprecher und Mitorganisator der Proteste. Von Seiten der Personalabteilung und des Verfassungsschutzes wird ihm ein Vorgehen mit Gewalt gegen die Verfassung unterstellt, das weder mit Aussagen noch in sonstiger Weise belegbar ist. Stattdessen setzte sich das Gewerkschaftsmitglied für das grundrechtlich verbürgte Versammlungsrecht und dessen Durchsetzung ein. (…) Das Einstellungsverbot von Benjamin Ruß steht in der Kontinuität von Berufsverboten in der Bundesrepublik Deutschland…“ Beitrag vom 23. Januar 2024 bei Perspektive Online - Ein politischer Mensch
„Berufsverbot — Benni Ruß ist ver.di-Mitglied und hat einen Master in Urbanistik. Allerdings verweigert ihm die TU München eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Der Grund: Er strebe einen Systemwechsel an. Seine Verteidigerin, die Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, hält dagegen Benni Ruß hat in seinem Leben eine ganze Menge für seine Überzeugungen getan (…)
Der Kampf, den er ausficht, ist mühsam. Mal, erzählt er, wurde er von einem Polizisten zu Boden gerissen, mal hat man seine Wohnung durchsucht und Computer beschlagnahmt. „Ich habe genug Erfahrungen mit Repression gemacht, aber man verändert nichts, wenn man sich Repression beugt“, sagt er. (…) Klar ist: Benni Ruß, Master in Urbanistik, ist ein durch und durch politischer Mensch. Natürlich ist er links. Aber verstößt er darum gegen die Verfassung? Und wenn das der Fall sein sollte: Wäre das wirklich Grund genug, ihm die bescheidene Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters im Bereich Geografie vorzuenthalten? Genau das nämlich hat die TU München getan. Benni erhob dagegen Klage, am 9. Februar ist Prozessauftakt vorm Münchner Arbeitsgericht. Für Benni wird es dabei auch generell darum gehen, im öffentlichen Dienst in Bayern arbeiten zu dürfen. „Ich kämpfe zwar für größere, gesellschaftliche Verbesserungen, aber trotz allem auch immer für mich.“ Die TU äußert sich auf Anfrage nicht zu dem Fall, der entsprechende Schriftverkehr, in dem sich die Hochschule auf Recherchen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz beruft, liegt der Redaktion vor. (…)
Benni wiederum wirft der Universität vor, sich Positionen des Verfassungsschutzes zu eigen zu machen und „Aussagen aus dem Kontext zu reißen, um mich als gewalttätigen Umstürzler darzustellen. Der Versuch, mich zu diffamieren, ist hanebüchen.“ Er vermutet: „Dadurch, dass ich mich in den letzten 14 Jahren häufig widersetzt habe, reagieren die Institutionen und Behörden sehr empfindlich auf mich, die Reaktion der TUM ist ein Beispiel dafür.“ Für Herta Däubler-Gmelin ist der Fall klar: Begründete Zweifel an Bennis Verfassungstreue bestünden nicht, die TUM sei verpflichtet, ihn einzustellen. „Die Vorwürfe lassen sich nicht bestätigen und sind zu großen Teilen entkräftet“, so Däubler-Gmelin. „Die Behauptung, Benni Ruß habe aktiv an irgendwelchen Aktionen gegen Polizeibeamte teilgenommen, ist einfach falsch.“
Dass Däubler-Gmelin die Verteidigung von Benni übernimmt, kommt nicht von ungefähr: Die ehemalige Bundesjustizministerin ist seit über sechzig Jahren ver.di-Mitglied und befasst sich schon seit einem halben Jahrhundert mit dem Thema Berufsverbot. Für sie bestätigt der Fall Ruß einen alten „Linksdrall“: „Seit den Siebzigerjahren ist es Tradition, nach rechts die Augen zu verschließen und nach links so zu tun, als sei da eine große Gefahr“, sagt sie. „Dass man Berufsverbote auf jemanden im Wissenschaftsbereich anwendet, muss sehr empören. Die Tatsache, dass es solche Einzelfälle gibt, frustriert einen. Sowas geht nicht in einem Rechtsstaat!“ (…)
Statt an der Uni zu forschen und zu lehren, ist Benni inzwischen als Geoinformatiker in einem Museum in Luxemburg angestellt, wo er archäologische Funde digitalisiert. Er mag Deutschland vorläufig den Rücken gekehrt haben, seine politische Haltung allerdings ist unverändert. (…) „Ich fühle mich sehr wohl damit, aufrecht durchs Leben zu gehen und kann mir nicht vorwerfen, mich wegzuducken. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein Erfolg.““ Artikel von Monika Goetsch in ver.di-publik Ausgabe 01/2024
- Berufsverbot an der TU München – Kapitalismuskritik unerwünscht
- [Audio] TU München untersagt Anstellung von Kapitalismus-Kritiker – ver.di klagt
Mitschnitt von Radio Lora 92.4 der Diskussionsveranstaltung: „Wie frei ist Bayerns Wissenschaft?“ vom 30. November 2023 mit den Gästen Annette Müller und Münir Derventli von der Roten Hilfe, Lothar Letsche (u.a. aktiv bei berufsverbote.de) und Hans E. Schmitt-Lermann, Simon Ellmann von der ver.di Betriebsgruppe sowie Benjamin Ruß: „Ein aktueller Fall zeigt: „Die Zeit der Berufsverbote ist noch nicht vorbei“. In jüngster Zeit hat sich ein brisanter Fall an der TU München ereignet, der aufhorchen lässt: Eine Professorin der TU München wollte einen Geowissenschaftler als wissenschaftlichen Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl anstellen. Die Personalabteilung der TUM verbot dem Geowissenschaftler, wegen seiner marxistischen Weltanschauung die Stelle anzutreten. (…) Gegen diese Vorgehensweise klagt nun das ver.di-Mitglied Benjamin Ruß mit der Unterstützung des ver.di -Rechtsschutzes vor dem Arbeitsgericht München. In der Diskussionsveranstaltung am 30.11.2023 im Fatcat ging es um diesen aktuellen Fall, aber auch um andere…“ (enthalten sind der Mitschnitt der Veranstaltung (79:33 Min.) und der anschließende Diskussionrunde (41:44 Min.)) - Gerichtstermin am Freitag, 1. Dezember 12:15 Uhr, Winzererstr. 106, 80797 München
- TU München untersagt Anstellung wegen Kapitalismuskritik – Diskussionsabend zur ver.di Klage
„Die Freiheit der Wissenschaft steht in Bayern auf dem Prüfstand: Die Technische Universität (TUM) untersagt einem Geowissenschaftler die Anstellung…“ Pressemitteilung vom ver.di-Bezirk München & Region
Siehe auch unser Dossier: „Disziplinarrechtliche Konsequenzen“ bei „extremistischen Bestrebungen“? Berufsverbot gegen Rechte zielt auf die Linke – nun z.B. in Brandenburg