Staatsanwaltschaft Aschaffenburg erhebt Anklage gegen BürgerInnenAsyl-Aktivisten Hagen Kopp!
Dossier
„Am 16. Juli 2020 soll vor dem AG Alzenau gegen den kein-mensch-ist-illegal-Aktivisten Hagen Kopp verhandelt werden. Ihm wird zur Last gelegt, dazu aufgerufen zu haben, „von Abschiebung bedrohten Menschen BürgerInnenasyl zu gewähren und sie auch notfalls (…) zu verstecken“. Hintergrund: Hagen Kopp wird im Impressum der Website https://aktionbuergerinnenasyl.de genannt. „Schütze Menschen vor Abschiebung – Mach mit.“ Unter diesem Motte wirbt die bundesweite Kampagne auf der Webseite für praktische Solidarität mit Menschen, die in „Armut, Verfolgung oder gar Krieg“ abgeschoben werden sollen. (…) Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erklärt sich mit Hagen Kopp solidarisch, dessen menschenrechtliches Engagement mit diesem Prozess kriminalisiert werden soll. Hagen Kopp steht für zahlreiche Menschen, die nicht tatenlos zusehen wollen, wie Menschenrechte mit Füßen getreten werden. So kann die Anklage auch nicht anders als ein Einschüchterungsversuch gegen Menschenrechtsaktivist_innen verstanden werden.“ Meldung vom 3. Juli 2020 beim Flüchtlingsrat Niedersachsen – auch wir erklären uns solidarisch mit unserem langjährigen Kooperationspartner! Siehe dazu:
- Hagen Kopp: Freispruch im Prozess am 6. Mai 2021 in Aschaffenburg
„… Der Menschenrechtsaktivist steht am Donnerstag auf dem Aschaffenburger Schlossplatz, vor ihm eine kleine grüne Couch mit der Aufschrift „Aktion Bürger:innenasyl“, weiter hinten Leute mit Transparenten, auf denen Leitworte der Kundgebung zu lesen sind: „Abschiebungen stoppen – Schutzräume schaffen.“ „Heute haben wir einen Punkt gemacht. Wir bleiben dran“, fügt der vor allem in Hanau aktive 60-Jährige hinzu. Er ist erleichtert: Gerade hat ihn das Landgericht vom Vorwurf des Aufrufs zu Straftaten, genauer gesagt zur Beihilfe zum illegalen Aufenthalt, klar freigesprochen. (…) Richter Jürgen Köhler, der den gesamten Inhalt der Webseite berücksichtigte, bestätigte jetzt das Alzenauer Urteil: Demnach handelt es sich um einen allgemein gehaltenen Aufruf. Daraus ließen sich verschiedene Formen der Unterstützung für Geflüchtete ableiten. Ob sie strafbar seien, müsse immer im Einzelfall geprüft werden, betonte Köhler. Die allermeisten Hilfen sind es nicht, etwa Spenden, medizinische Versorgung und die Aufnahme Schutzsuchender, die eine „Duldung“ oder Anspruch darauf haben. Ein Grund, weshalb die Unterzeichner:innen der Asylinitiative nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht zu bestrafen wären. Darüber hinaus bezog sich Köhler auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart: Mit der strittigen Passage würden Leser:innen nicht unmittelbar zu etwas aufgefordert, vielmehr zu einem eigenständigen, zukünftigen Entschluss „angereizt“. Wer den Aufruf unterschreibt, entscheidet selbst, was er unter welchen Voraussetzungen macht. Und nicht zuletzt stellte der Richter klar: Menschen, die die Abschiebepraxis ändern wollen, müssten – auch im Sinne der Meinungsfreiheit und der politischen Debatte – das Recht haben, auf einer Asylseite zu unterschreiben und ein Zeichen zu setzen, ohne Angst vor Strafe. (…) Kopp will alles dafür tun, um solche Fälle zu verhindern: Er sei zuversichtlich, dass das aktuelle Urteil Bestand haben wird, aber notfalls bereit, bis nach Karlsruhe und Straßburg vor Gericht zu ziehen. Statt sich „freizukaufen“, würde er eher ins Gefängnis gehen.“ So der Artikel „Aktivist in Hanau erneut freigesprochen“ von Gregor Haschnik vom 6.5.2021 in der Frankfurter Rundschau online - Schutzräume schaffen – Abschiebungen verhindern – Kriminalisierung der Solidarität stoppen: Berufungsverfahren und Kundgebung am 6. Mai in Aschaffenburg
„Charterabschiebungen nach Afghanistan und nun sogar nach Sri Lanka, Einzelabschiebungen nach Somalia oder Äthiopien. Die Verantwortlichen kennen keine Tabus mehr. Die Politik der Ausgrenzung eskaliert weiter auf allen Ebenen: der Länder, des Bundes und auf europäischer Ebene insbesondere durch die Grenzschutzagentur Frontex. Abschiebungen um jeden Preis: in Krieg, in Verfolgung, in Armut und Perspektivlosigkeit. Nach Pakistan oder Nigeria, nach Tunesien und vor allem in die Balkanländer. (…) Wir werden gegen dieses Unrecht weiter kämpfen. Mit Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden. In Solidarität mit den Betroffenen bei Last-Minute-Protesten im Flugzeug. Mit Kampagnen gegen die Kollaboration der beteiligten Fluggesellschaften. Und mit dem Auf- und Ausbau von Schutzstrukturen. (…) „Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ lautet die Anklage am 6. Mai in Aschaffenburg im Berufungsverfahren gegen Hagen Kopp von kein mensch ist illegal in Hanau. Weil er mit seinem Namen im Impressum der Webseite https://aktionbuergerinnenasyl.de steht. Nachdem es im Juli 2020 vor dem Amtsgericht in Alzenau einen glatten Freispruch gab, hatte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg u.a. mit folgender Begründung Berufung eingelegt: „Durch den Aufruf ´von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger:innenAsyl zu gewähren und sie auch notfalls in ihren Wohnungen zu verstecken` wird zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen. Dies wurde in der Öffentlichkeit auch objektiv so verstanden. Die Argumentation des Gerichts überzeugt nicht, zumal Menschen, die sich mit einer Duldung in der Bundesrepublik aufhalten, eben gerade derzeit nicht von Abschiebung bedroht sind und demzufolge nicht versteckt werden müssen, das sie aufgrund der Duldung gar nicht abgeschoben werden können.“ Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich keine Ahnung vom Asylrecht oder davon, wie Abschiebungen ablaufen. Dennoch sollte erwartet werden können, dass sie sich zumindest bei kompetenten Stellen erkundigt, bevor sie Berufung gegen ein immerhin sachliches erstes Urteil einlegt. Das obige Zitat aus der Begründung ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. (…) Wir werden das Berufungsverfahren in Aschaffenburg zum Anlass nehmen, die rassistische Gewalt der Abschiebungen und deren Eskalation in den letzten Monaten zu kritisieren und zu skandalisieren. Auf der Kundgebung im Anschluss an den Prozess werden wir deutlich machen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, sondern weiter kämpfen: für die offene Gesellschaft der Vielen. Für eine Zukunft mit gleichen Rechten für Alle, in der das tödliche Grenzregime und die brutale Abschiebepraxis als verbrecherisches Kapitel der Geschichte erscheinen werden…“ Aufruf von und bei BürgerInnenAsyl zu: Donnerstag, 6. Mai in Aschaffenburg – Prozess wegen Aufruf zu Bürger:innenAsyl: 9.00 Uhr Prozessbeginn im Landgericht und 11.00 Uhr Kundgebung auf dem Schlossplatz- Siehe ebd. Hintergrundinformationen zum Prozess
- Kein Aufruf zu Straftaten: Gericht weist Klage wegen Bürgerasyl ab und spricht Flüchtlingsaktivisten frei
„Hagen Kopp trägt ein besonderes T-Shirt, als er am Donnerstag auf der Anklagebank Platz nimmt: „saytheirnames“ steht auf seiner Brust, in Gedenken an die Hanauer, die während des rassistischen Anschlags im Februar ermordet wurden. Kopp muss sich in der Alzenauer Zweigstelle des Amtsgerichts Aschaffenburg verantworten, weil er im Impressum einer Webseite für Bürgerasyl stand. Der 59-Jährige habe dazu aufgefordert, „von Abschiebung bedrohten Menschen Bürgerinnenasyl zu gewähren und sie auch notfalls in ihren Wohnungen zu verstecken“. Damit habe er zu Straftaten aufgerufen – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Kopp ist es wichtig, auch auf den größeren Kontext der Anklage einzugehen. Er betont, dass Tobias R., der Attentäter von Hanau, von den Sicherheitsbehörden hätte gestoppt werden können, etwa weil er sein „Manifest“ 14 Tage vorher ins Netz stellte. Dann spannt er den Bogen zu seinem Fall: Für den war anfangs die Schwerpunktabteilung „zur Bekämpfung von Computer- und Datennetzkriminalität“ sowie „gewaltdarstellender, pornografischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften“ der Staatsanwaltschaft Cottbus federführend. Kopp fragt kritisch, ob diese nichts Besseres zu tun habe. Es sei traurig, dass sich die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg die Cottbusser Sicht einfach zu eigen mache, fügt er hinzu. Am Ende spricht Richter Torsten Kemmerer Kopp vom Vorwurf des Verstoßes gegen Paragraf 111 des Strafgesetzbuches frei und folgt in wesentlichen Teilen der Argumentation von Verteidiger Markus Künzel. (…) Künzel hatte weitere Argumente genannt – etwa dass Kopp den Aufruf höchstens als Angebot für andere zur Verfügung gestellt habe. Staatsanwalt Franz Stoiber hingegen hatte beantragt, Kopp schuldig zu sprechen und zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 35 Euro zu verurteilen. Er vertrat die Ansicht, es werde klar, worauf die Aufforderung hinauslaufe, nämlich auf Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt. Die Aussage sei mit der notwendigen Bestimmtheit getroffen worden. Die Staatsanwaltschaft werde prüfen, ob sie in Berufung gehe. Hagen Kopp äußerte sich zufrieden über das Ergebnis und freute sich, dass Unterzeichner der Hanauer Bürgerasyl-Initiative in Alzenau ihre Solidarität zeigten. Er kritisierte aber, dass der Richter nicht auf den von ihm angesprochenen Paragrafen 34 eingegangen sei. Demnach können ansonsten strafbare Hilfeleistungen im Notfall gerechtfertigt sein, zum Beispiel bei Lebensgefahr…“ Artikel von Gregor Haschnik vom 16.7.2020 in der FR online (Rhein-Main) – wir gratulieren! - [Gerichtsverhandlung am 16. Juli] Wir fordern Freispruch für Hagen Kopp! Das Bürger*innen-Asyl ist menschenrechtlich geboten. Keine Kriminalisierung von praktischer Solidarität!
„Das Grundrechtekomitee fordert Freispruch für Hagen Kopp. Das Bürger*innen-Asyl ist menschenrechtlich geboten. Keine Kriminalisierung von praktischer Solidarität! „Die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Intervention des Zivilen Ungehorsams in Form des Bürger*innen-Asyls ist so lange menschenrechtlich geboten, wie das unmenschliche Abschiebesystem fortbesteht. Davon sind wir auch heute noch überzeugt“, begründet Britta Rabe, Referentin des Komitees für Grundrechte und Demokratie, die Forderung nach einem Freispruch. Am 16. Juli steht Hagen Kopp in Bayrischen Alzenau vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, dazu aufzurufen „von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger*innen-Asyl zu gewähren und sie auch notfalls (…) zu verstecken“. Hagen Kopp steht im Impressum der Webseite: www.aktionbuergerinnenasyl.de : „Schütze Menschen vor Abschiebung – Mach mit.“ Die bundesweite Kampagne wirbt dort für die praktische Solidarität mit Menschen, die in Armut, Verfolgung oder gar Krieg abgeschoben werden sollen, – unter anderem dadurch, dass man ihnen Unterschlupf gewährt. Sie ruft ferner dazu auf, lokale Initiativen von Bürger*innen-Asyl zu unterstützen…“ Pressemitteilung des Grundrechtekomitees vom 15.7.2020 – wir schließen uns an! - Anklage gegen Bürgerasylaktivisten
Bayerischer Flüchtlingsrat erklärt sich solidarisch mit dem angeklagten Menschenrechtsaktivisten Hagen Kopp. Solierklärung vom 8. Juli 2020