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Hilfe und Asyl für russische und ukrainische Deserteure!
Dossier
„… Wir müssen die Truppenaufstockung, die Anhäufung von Waffen und militärischer Ausrüstung in der und um die Ukraine stoppen, das irrsinnige Werfen von Steuergeldern in den Ofen der Kriegsmaschinerie, anstatt akute sozioökonomische und ökologische Probleme zu lösen. Wir müssen aufhören, den grausamen Launen von Militärkommandanten und Oligarchen, die vom Blutvergießen profitieren, nachzugeben. (…) Gewährleistung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (…) Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb sind wir entschlossen, jede Art von Krieg nicht zu unterstützen und uns für die Beseitigung aller Kriegsursachen einzusetzen.“ Aus dem (engl.) Statement und Forderungen der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung vom 1.2.2022 bei „World BEYOND War“, siehe seitdem:
- Massenhafte Fahnenflucht in der ukrainischen Armee – mehr als 100.000 Soldaten nach den ukrainischen Desertionsgesetzen angeklagt
„Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden seit dem Einmarsch Russlands im Jahr 2022 mehr als 100.000 Soldaten nach den ukrainischen Desertionsgesetzen angeklagt. (…) Zehntausende von ukrainischen Soldaten, die mit jedem erdenklichen Mangel konfrontiert sind, haben sich nach Angaben von Soldaten, Anwälten und ukrainischen Beamten müde und erschöpft von ihren Kampf- und Frontpositionen entfernt und sind in die Anonymität abgetaucht. Ganze Einheiten haben ihre Stellungen verlassen, so dass die Verteidigungslinien verwundbar sind und die Gebietsverluste zunehmen, wie Militärkommandeure und Soldaten berichten. Einige nehmen Krankenurlaub und kehren nie wieder zurück, geplagt von den Traumata des Krieges und demoralisiert durch die düsteren Aussichten auf einen Sieg. Andere geraten mit Kommandanten aneinander und weigern sich, Befehle auszuführen, manchmal mitten im Feuergefecht. „Dieses Problem ist kritisch“, sagt Oleksandr Kovalenko, ein Militäranalyst aus Kyjiw. „Wir befinden uns im dritten Jahr des Krieges, und dieses Problem wird nur noch größer werden“. (…) „Es ist klar, dass wir jetzt, offen gesagt, bereits das Maximum aus unseren Leuten herausgeholt haben“, sagte ein Offizier der 72. Brigade, der darauf hinwies, dass die Desertion einer der Hauptgründe dafür war, dass die Ukraine im Oktober die Stadt Wuhledar verlor. (…) Wenn Soldaten erst einmal angeklagt sind, ist es schwierig, sie zu verteidigen, sagen zwei Anwälte, die sich mit solchen Fällen befassen. Sie konzentrieren sich auf den psychologischen Zustand ihrer Klienten, als sie die Armee verließen. „Die Menschen sind psychisch nicht in der Lage, mit der Situation umzugehen, in der sie sich befinden, und es wird ihnen keine psychologische Hilfe angeboten“, sagte die Anwältin Tetyana Ivanova. Soldaten, die wegen Desertion aus psychologischen Gründen freigesprochen werden, schaffen einen gefährlichen Präzedenzfall, denn „dann ist fast jeder berechtigt (zu gehen), weil es fast keine gesunden Menschen mehr (in der Infanterie) gibt“, sagte sie. Soldaten, die eine Desertion erwägen, haben ihren Rat eingeholt. Mehrere wurden in die Nähe von Vuhledar geschickt, um dort zu kämpfen. „Sie hätten das Gebiet nicht eingenommen, sie hätten nichts erobert, aber niemand wäre zurückgekehrt“, sagte sie.“ Ein ursprünglich auf Englisch veröffentlichter Beitrag von Daniel Bellamy vom 9. Dezember 2024 bei EuroNews online - Wehrpflicht ab 18? Ukrainische Jugend rebelliert gegen US-Forderung
„… Ende November drängte ein US-Beamter die Ukraine, eine Herabsetzung des Einberufungsalters von 25 auf 18 Jahre in Erwägung zu ziehen. Heute sind die Ukrainer von dieser Idee nicht begeistert. (…) In einem Interview mit Al Jazeera sagte der 20-jährige ukrainische Soldat Vladislav, die Senkung des Einberufungsalters sei eine „schlechte Idee“. Er hat sich freiwillig zur Armee gemeldet und ist der Meinung, dass 18-Jährige die Möglichkeit haben sollten, zu dienen, aber es sollte keine Pflicht sein. „Ich würde mich lieber hier in Kiew erschießen lassen, als an die Front zu gehen“, sagte der 17-jährige Serhiy (Al Jazeera nannte keine Nachnamen). Serhijs Mutter teilte die Meinung ihres Sohnes und fügte hinzu, dass junge Menschen „geistig nicht entwickelt sind, sie springen auf (feindliche) Waffen, ohne nachzudenken, ohne zu verstehen“. Sie fügte hinzu: „Sie haben noch keinen Sinn für Selbsterhaltung, sie stürzen sich einfach in die Schlacht. Das wird die Vernichtung des ukrainischen Volkes sein“. Diese Ansichten spiegeln sich in den jüngsten Umfragen in der Ukraine wider. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup fand heraus, dass mehr als 50 Prozent der Ukrainer ein Ende des Krieges befürworten, wobei viele die Möglichkeit territorialer Zugeständnisse unterstützen. (…) Der Krieg hat vor allem in der Ostukraine zu Zerstörungen geführt und die Bevölkerung um mindestens 25 Prozent dezimiert. Nach Angaben des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen sind seit 2014 etwa 10 Millionen Menschen getötet worden oder haben das Land verlassen. Die Ukraine steht auch vor einer demografischen Krise. Eine Studie prognostiziert, dass die erwerbsfähige Bevölkerung in der Ukraine bis 2040 um ein Drittel zurückgehen wird. (…) Dieser Mobilisierungsversuch ist nach Angaben ukrainischer Offizieller weitgehend gescheitert, da die zunehmende Fahnenflucht für Kiew zu einem größeren Problem geworden ist. Seit der russischen Invasion im Februar 2022 wurden laut Associated Press mehr als 100.000 Menschen wegen Desertion angeklagt. Ein ukrainischer Abgeordneter behauptete, dass die Zahl der Deserteure bis zu 200.000 betragen könnte. (…) [Mark Episkopos vom Quincy Institute:] „Der Widerstand gegen diesen Vorschlag aus Selenskyjs Büro, trotz des anhaltenden Drucks aus den USA, deutet darauf hin, dass die Unzufriedenheit innerhalb der Ukraine einen kritischen Punkt erreichen könnte“. „Das Schweigen über ein riesiges Problem schadet nur unserem Land“, sagte Serhii Hnezdiliv, ein Soldat, der offen über seine Entscheidung zu desertieren sprach, gegenüber AP. „Wenn es keine Endzeit (für den Militärdienst) gibt, wird er zu einem Gefängnis – es wird psychologisch schwierig, Gründe zu finden, um dieses Land zu verteidigen.“ Gastbeitrag von Aaron Sobczak vom 6. Dezember 2024 bei Telepolis - Zu russischen Verweiger*innen: Klare Forderung auf Asyl bei Verweigerung eines Angriffskrieges
„Connection e.V. forderte heute die aktuelle und eine zukünftige Bundesregierung dazu auf, aus Russland geflohenen Militärdienstpflichtigen Asyl zu gewähren. „Sie haben sich an das Völkerrecht gehalten“, so Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V. „Diese klare Haltung gilt es zu unterstützen.“ Seit Februar 2022 haben etwa 5.400 russische Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren in Deutschland Asylanträge gestellt, das teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im November 2024 mit. Nur ein kleiner Teil von ihnen wurde anerkannt. Das deutsche Bundesinnenministerium hatte im Mai 2022 zugesagt, dass Deserteure aus Russland in der Regel Schutz erhalten sollen. Alle anderen, die sich rechtzeitig den Rekrutierungen entzogen haben, werden jedoch abgelehnt und darauf verwiesen, dass eine Einberufung in den Krieg „nicht beachtlich wahrscheinlich“ sei. (z.B. Bundesamt vom 24. September 2024, AZ 10114310-160)
„Wir sehen, dass lediglich 6,3% von insgesamt etwa 3.300 Entscheidungen zu russischen Militärdienstpflichtigen seit Februar 2022 positiv entschieden wurden. Mehr als 40% wurden für ihr Asylverfahren auf andere Länder verwiesen. 32,6% wurden abgelehnt.“, erläutert Rudi Friedrich. „Das ist ein Armutszeugnis. Letztlich droht den Betroffenen damit eine Abschiebung nach Russland und damit eben genau der Einsatz in einem Angriffskrieg.“…“ Pressemitteilung vom 28.11.2024 von Connection e.V. - Zwei Jahre nach Teilmobilmachung: Weiter kein Asyl für russische Kriegsdienstverweiger*innen, obwohl Russland den Druck auf die Militärdienstpflichtigen noch steigert
„Auch zwei Jahre nach der am 21. September 2022 von Präsident Putin erklärten Teilmobilmachung wird russischen Verweiger*innen des Ukrainekrieges in Deutschland in aller Regel kein Asyl gewährt. Connection e.V. liegen inzwischen mehr als ein Dutzend ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. Wesentliches Argument ist, dass keine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ für eine Einberufung in den Krieg bestehe. „Es sind Menschen, die sich gegen eine Teilnahme an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg entschieden haben“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V. „Statt ihre Entscheidung zu unterstützen, werden sie mit den Bescheiden aufgefordert, nach Russland zurückzukehren. So wird dem russischen Militär das menschliche Kriegsmaterial zur Verfügung gestellt.“ In den letzten Monaten wurden in Russland die Rekrutierungsbemühungen verschärft. (…) Gesetz wurde dahingehend geändert“, erklärt Artyom Klyga, „dass russischen Staatsbürgern, die nicht von Geburt an Staatsbürger Russlands sind, der Pass entzogen werden kann, wenn sie sich nicht militärisch registrieren lassen.“ „Jeden Tag finden in den Gebieten, wo Migrant*innen leben, Razzien statt“, ergänzt Sofia Zelenkevich. „Sie werden unter Druck gesetzt oder mit falschen Behauptungen dazu gebracht, Verträge beim Militär zu unterschreiben. Damit können sie in das Kriegsgebiet in die Ukraine geschickt werden.“
„Es ist davon auszugehen,“ so Rudi Friedrich, „dass der Druck auf die Militärdienstpflichtigen noch steigen wird. Vor wenigen Tagen hat Präsident Putin angekündigt, die Armee um weitere 180.000 Soldaten aufzustocken.“ Wie die unabhängige russische Nachrichtenplattform Mediazona berichtete, sollen ab Dezember 2024 weitere 180.000 Soldat*innen die Armee auf fast 1,5 Millionen bringen. Das ist bereits die dritte Erhöhung der Truppenstärke seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022.
Erneut fordert Connection e.V. die deutsche Bundesregierung auf, Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen, Militärdienstentzieher*innen und Deserteur*innen zu garantieren…“ Pressemitteilung vom 20. September 2024 von Connection e.V. mit allen Infos - „Zumutbar in die Ukraine zu reisen“: Hessen verweigert ukrainischen Wehrpflichtigen Ersatzpässe – sie sollen Ukraine verteidigen. Einziger Ausweg: Asylantrag
- „Zumutbar in die Ukraine zu reisen“: Hessen verweigert ukrainischen Wehrpflichtigen Ersatzpässe
„Hessen stellt ukrainischen Männern zwischen 18 und 60 Jahren keine Ersatzpapiere mehr aus. Es sei zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen, auch wenn dort dann Wehrdienst geleistet werden muss. „Hessische Ausländerbehörden werden ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen. Es ist ihnen zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen“, antwortete das hessische Arbeits- und Sozialministerium auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Wiesbadener Landtag. Wenn Ukrainer mit abgelaufenen Pässen in ihre Heimat zurückkehren, unterliegen sie dort dem derzeit geltenden Kriegsrecht und dürfen nicht wieder ausreisen. Die Landesregierung geht laut ihrer Antwort auf die Anfrage von knapp 20.000 ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren in Hessen aus. (…) Die Landesregierung verfolge das Ziel, die im Land lebenden ukrainischen Flüchtlinge bestmöglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dennoch sei es grundsätzlich „das nachvollziehbare Interesse der Ukraine, Menschen für den Verteidigungskampf gegen Russland zu rekrutieren und sie deshalb anzuhalten, in ihr Heimatland zurückzukehren“. (…) Um Ukrainern, die nicht einberufen werden wollen, weiter einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen, könnte die Bundesrepublik dieser Personengruppe Passersatzpapiere ausstellen. Rudi Friedrich von der Kriegsdienstverweigerer-Organisation „Connection“ in Offenbach zweifelte jedoch daran, dass die deutschen Behörden dazu bereit sind. Als legaler Ausweg für wehrpflichtige Ukrainer ohne gültige Papiere bliebe künftig schlimmstenfalls nur ein Asylantrag. „Die Ukraine erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an“, sagte Friedrich. „Das ist ganz klar ein Menschenrechtsverstoß.“ Der Erfolg solcher Asylgesuche in der jetzigen Situation bleibe allerdings fraglich.“ epd-Meldung vom 31.07.2024 im Tagesspiegel online - Ukrainer sollen kämpfen: Hessen verweigert ukrainischen Wehrpflichtigen Ersatzpässe
„In Hessen leben etwa 20.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Altem. Wer nicht in den Militärdienst einberufen werden möchte, benötigt deutsche Passersatzpapiere. Die verweigert Hessen jedoch. Sie sollen Ukraine verteidigen. Einziger Ausweg für die Betroffenen: Asylantrag.
Ukrainische Männer im wehrfähigen Alter bekommen in Hessen keine Ersatzreiseausweise. „Hessische Ausländerbehörden werden ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen. Es ist ihnen zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen“, antwortete das hessische Arbeits- und Sozialministerium auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Wiesbadener Landtag…“ Meldung vom 01.08.2024 im Migazin
- „Zumutbar in die Ukraine zu reisen“: Hessen verweigert ukrainischen Wehrpflichtigen Ersatzpässe
- Unpopuläre Mobilisierungsmaßnahmen. Rückkehrpflicht für ukrainische Männer: Die Ukraine verhandelt mit EU-Ländern über Rücksendung
„Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU über eine Rückführung von Ukrainern, die die Grenze illegal überquert haben, werden weiter fortgeführt“, titeln die führenden ukrainischen Portale Berichte über ein Interview des ukrainischen Innenministers Ihor Klymenko gegenüber dem vom US-Kongress finanzierten Radio Svoboda am Donnerstag. Jeden Tag nehme man Dutzende Männer im grenznahen Bereich fest, die offensichtlich die Ukraine verlassen wollten, so der Minister in dem Interview über die anhaltende Fluchtbewegung. Allein nach Rumänien, so Radio Svoboda unter Berufung auf die rumänische Grenzpolizei, seien nach Beginn der russischen Großinvasion in die Ukraine 12.700 ukrainische Männer geflohen. Und Rumänien täte gut daran, so Klymenko, diese wieder an die Ukraine auszuliefern. Gleichzeitig räumt er ein, dass „die meisten“ europäischen Länder illegal eingereiste Ukrainer nicht zurückschicken. Direkt an den Grenzen und an den Checkpoints in Grenznähe nehme man täglich Dutzende Männer fest. „Mal 10, mal 20, mal 30“. (…) Möglicherweise liegt die Zahl derer, die fliehen, weil sie nicht an die Front wollen, über den von Klymenko genannten Zahlen. Die internationale Wochenzeit The Economist zitiert am 29. Mai dieses Jahres einen Fluchthelfer, der an der rumänisch-ukrainischen Grenze lebt. Dieser spricht von 30 bis 40 Männern, die er täglich auf die andere Seite des Flusses bringe. Man kann davon ausgehen, dass er nicht der einzige Fluchthelfer an dieser Grenze ist. Was wiederum bedeutet, dass wahrscheinlich deutlich mehr als 40 Ukrainer pro Tag aus dem Land fliehen. Derzeit leben in Deutschland 256.000 männliche Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren, berichtet die Wochenzeitung Die Zeit unter Berufung auf das Ausländerzentralregister. (…) Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die einer Rückführung der geflohenen Ukrainer das Wort reden. Nach Ansicht des CDU-Verteidigungspolitikers Roderich Kiesewetter sollte Deutschland die ukrainischen Bemühungen unterstützen, in Deutschland lebende Ukrainer für den Kriegsdienst zu rekrutieren. Deutschland könnte das Bürgergeld für diese Gruppe aussetzen und bei der Erfassung und Zustellung von Bescheiden mithelfen, so Kiesewetter gegenüber der Zeit.“ Artikel von Bernhard Clasen vom 22.6.2024 in der taz online - Verweigerte Hilfe für russische Deserteure aus der Ukraine und Kriegsgegner: Wenn Russland für deutsche Behörden auf einmal zum Rechtsstaat wird
„Skandalöse Ablehnungspraxis deutscher Behörden: Verweigerte Hilfe für russische Deserteure aus der Ukraine und Kriegsgegner. Hier ein besonders brisanter Fall. (…) „Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland willkommen“, versprach Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) damals [2022] vollmundig, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) stießen ins gleiche Horn. (…) Etwa zu dieser Zeit hörte der gerade in Polen arbeitende 27-jährige Russe Nikita R. sowohl von einem am russischen Wohnort eingetroffenen Einberufungsbescheid als auch von den Angeboten aus Deutschland. Er wollte nicht für die Eroberung der Ukraine kämpfen, reiste zu seiner in Berlin lebenden Mutter und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde 2023 abgelehnt und Nikita R. zur Ausreise nach Polen aufgefordert, obwohl das dortige Asylverfahren nach deutscher Rechtsprechung „systemische Schwachstellen“ aufweist, wie das Verwaltungsgericht Hannover befand. Das bedeutet: Dem jungen Russen droht ohne ausreichende Prüfung seines Begehrens dort eine Folgeabschiebung nach Russland.
„Nikita R. muss demnach davon ausgehen, dass er bereits bei der Rückkehr nach Russland verhaftet und dann an die Front geschickt würde“, schlussfolgert die Berliner Zeitung, die über den Fall berichtete. Diesen Monat gab es dann auch den ersten aktiven Abschiebungsversuch. (…) Das juristische Tauziehen ist damit nicht ausgestanden und das Asylverfahren des Russen noch vor Gericht anhängig. Interessanterweise schildern die deutschen Behörden die russischen Verhältnisse für Männer, die nicht im Krieg kämpfen wollen, laut der Berliner Zeitung in einem erstaunlich positiven Licht. Offenbar lassen sie sich dabei von dem Ziel leiten, diese Schutzsuchenden loszuwerden. Ihnen könne offenbar nach den Bescheiden des zuständigen Bundesamtes gar nichts Schlimmes passieren. Russland scheint in den deutschen Amtsbescheiden „ein lupenreiner Rechtsstaat zu sein“, so die Berliner Zeitung. (…) Gegen die Behördenentscheidung hat die Rechtsanwältin des Russen, Christiane Meusel, Klage erhoben. Sie weist in ihrer Begründung, die Telepolis vorliegt, darauf hin, dass in einem öffentlichkeitswirksamen Fall einer Asylsuchenden aus Russland, der nach dort abgeschoben werden würde, mit harten Repressionen der russischen Behörden zu rechnen sei. (…) Die Kritik, die Nikita R. im Rahmen des Asylverfahrens an den russischen Behörden geäußert hat, ist nach dortigem Recht strafbar als „Diskreditierung der russischen Armee“. (…) Nikita R. ist kein Einzelfall. Vom Kriegsausbruch bis Ende 2023 haben 9.000 militärdienstpflichtige Russen in einem EU-Staat Asyl beantragt. Bei den deutschen Fällen wurden bei Entscheidungen im Jahr 2022 noch 40 % der Antragsteller politisches Asyl bewilligt, 2023 fiel die Quote auf 25 %. Nach Meinung der Hilfsorganisation für internationale Arbeit zu Kriegsdienstverweigerung und Desertation Connect e.V. zeigt die Praxis der deutschen Behörden, dass die Ankündigungen der Politik für eine Anerkennung russischer Kriegsgegner nicht viel wert seien. Hierbei ist die Abschiebung ankommender Russen in andere EU-Staaten nach der Dublin-III-Verordnung die häufigste Methode für die deutschen Behörden, Asylantragsteller, die im Ukrainekrieg nicht kämpfen wollen, wieder loszuwerden. Nach dieser entscheidet der erste Einreisestaat in die EU über den Asylantrag jedes Flüchtlings. In den ersten acht Monaten 2023 wurden von 904 behandelten russischen Asylanträgen von Männern im wehrfähigen Alter 836 dadurch beendet, dass die Flüchtlinge wieder in EU-Grenzstaaten zurückgeschickt wurden…“ Beitrag von Roland Bathon vom 15. Juni 2024 bei Telepolis - Russland: Razzien und Inhaftierungen von Militärdienstpflichtigen in Moskau müssen gestoppt werden!
„Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. verurteilen aufs Schärfste die Razzien, Verhaftungen und Zwangsrekrutierungen, die von den russischen Behörden vom 25. bis 27. Mai 2024 in Moskau durchgeführt wurden. Wir fordern die russischen Behörden auf, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung voll und ganz zu respektieren. Dieses Recht ist Bestandteil des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird und daher auch in Zeiten des öffentlichen Notstands unabdingbar ist, wie in Artikel 4(2) des ICCPR festgelegt.
Vom 25. bis 27. Mai 2024 führten Polizeibeamt*innen in Moskau unter Beteiligung der Moskauer Einberufungsbehörde und des „Unified Draft Office“ Razzien durch und nahmen schätzungsweise 40 bis 60 Personen im Einberufungsalter fest. Nach ihrer Festnahme wurden die Betroffenen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren zur Sammelstelle in der Ugreshskaya-Straße 3, Gebäude 6, gebracht. Sowohl die Moskauer Einberufungsbehörde als auch das „Unified Draft Office“ betrachteten diese Personen als Militärdienstpflichtige. Die meisten der inhaftierten Personen waren nicht nur als bedingt militärdiensttauglich (Kategorie B) eingestuft, sondern hatten zudem Beschwerden bei der Moskauer Einberufungskommission oder bei Gerichten eingereicht, die noch anhängig sind.
Das Verfahren zur Militärdienstpflicht wurde von den Mitarbeitenden der Sammelstelle grob verletzt, ebenso wie das verfassungsmäßige Recht der Bürger*innen auf gerichtlichen Schutz ihrer Rechte und Freiheiten.
Die Militärdienstpflichtigen wurden im wahrsten Sinne des Wortes in die Räumlichkeiten der Sammelstelle eingesperrt, unter Zwang rasiert, in Militäruniformen gekleidet und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie nun den Status von Militärdienstpflichtigen hätten. Außerdem durften Rechtsvertreter*innen, Anwält*innen und Bevollmächtigte das Gelände der Sammelstelle nicht betreten. Anschließend wurden einige Personen in das Gebiet der Militäreinheit „Mosrentgen“ gebracht, vermutlich in das Gebiet der 27. Garde-Motorschützenbrigade. Seit dem ersten Tag der Razzien hat die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland (MCO) den Militärdienstpflichtigen und ihren Eltern beratend zur Seite gestanden. MCO sagte: „Unsere Kolleg*innen, Anwält*innen und Jurist*innen arbeiten rund um die Sammelstelle in Moskau“…“ gemeinsame Pressemitteilung vom 04.06.2024 bei Connection - Das Recht zu bleiben: PRO ASYL und Connection e.V. fordern Ersatzreisepässe für ukrainische Kriegsdienstverweiger*innen
„Zum heutigen Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung fordern PRO ASYL und Connection e.V. die Innenminister*innen der Länder und den Bund auf zu beschließen, dass die Rückkehr Militärdienstpflichtiger in die Ukraine als unzumutbar erachtet wird und ihnen daher als Passersatz Reiseausweise für Ausländer*innen ausgestellt werden. Seit dem 23. April stellt die Ukraine im Ausland befindlichen Staatsbürger*innen im militärdienstpflichtigen Alter keine Reisepässe mehr aus. Dadurch können ukrainische Militärdienstpflichtige im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die sich in Deutschland aufhalten, Reisepässe nur noch in der Ukraine erhalten. “Ohne den gültigen Pass droht nicht nur zahlreichen derzeit aufenthaltsberechtigten, seit Jahren in Deutschland lebenden Militärdienstpflichtigen aus der Ukraine der Verlust ihrer Aufenthaltstitel. Auch braucht man Pässe für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, zur Eheschließung, bei der Geburt eines Kindes, bei einer Kontoeröffnung und vielem mehr”, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Und selbst, wenn der Aufenthaltstitel auch ohne Pass bestehen bleibt, wie bei den Menschen, die seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs nach Deutschland kamen, sind die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt. Denn sie können ohne Pass das Land nicht verlassen, um zum Beispiel Verwandte zu besuchen”, so Alaows weiter. Gerade militärdienstpflichtigen Männern droht bei einer Reise in die Ukraine die Rekrutierung in den Krieg. Das ist angesichts des dort fehlenden Rechts auf Kriegsdienstverweigerung nicht hinnehmbar. „Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, auch im Falle eines Krieges“, ergänzt Rudi Friedrich von Connection e.V. „Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich aber nicht daran, schickt Verweigerinnen und Verweigerer an die Front oder unterwirft sie langen Haftstrafen.“ Angesichts dessen und angesichts der grundsätzlich auch für Ukrainer*innen bestehenden ausweislichen Pflicht, in der Regel in Form eines Passes, bleibt nur der Weg der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer*innen durch deutsche Ausländerbehörden. Dieser wird bei einer Unzumutbarkeit der Passbeschaffung ersatzweise ausgestellt. Diese Unzumutbarkeit ist hier eindeutig gegeben.“ Pressemitteilung vom 15. Mai 2024 bei Pro Asyl - Aktionswochen vom 7.5. bis 1.6. 2024 zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai zum Schutz der Kriegsdienstverweigerer*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine
- Kriegsdienstverweigerer*innen aus der Ukraine brauchen Schutz
„Connection e.V., die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und die Evangelische Arbeitsstelle für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) wenden sich entschieden gegen eine drohende Ausweisung ukrainischer Männer, die keinen gültigen Pass mehr haben. „Die Ukraine erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V. „Am 2. Mai erst hatte der Oberste Gerichtshof der Ukraine das Urteil gegen den Kriegsdienstverweigerer Mykhailo Yavorsky bestätigt. Damit verstößt die Ukraine gegen die Menschenrechte. Es sind bereits mehrere Urteile zu mehrjährigen Haftstrafen gegen Kriegsdienstverweigerer bekannt geworden.“ „Die gestrige Erklärung des hessischen Innenministers, die Ukraine sei kein Unrechtsstaat, ist zumindest in Bezug auf Kriegsdienstverweigerung falsch, wie die aktuellen Urteile zeigen“, so Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK: „Kriegsdienstverweigerer*innen brauchen Schutz und somit auch einen Passersatz, wenn ihr Reisepass nicht mehr gültig ist.“ „Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, auch im Falle eines Krieges“, ergänzt Rudi Friedrich von Connection e.V. „Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich nicht daran, schickt Verweiger*innen an die Front oder unterwirft sie langen Haftstrafen. Das ist nicht hinnehmbar.“ „Allen, die sich dem Krieg verweigern, muss Schutz gewährt werden – sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland und Belarus“, so die Geschäftsführerin des BSV, Dr. Christine Schweitzer: „Deutschland darf keine Geflüchteten, denen Zwangsrekrutierung droht, abschieben. (…) „Bestrebungen aus der deutschen Politik, der Ukraine militärdienstpflichtige Männer zuzuführen und damit gegen die Menschenrechte zu verstoßen, lehnen wir entschieden ab. Die morgige Innenministerkonferenz muss eine Entscheidung treffen, die Kriegsdienstverweiger*innen schützt. Angesichts der Lage der Kriegsdienstverweiger*innen aus der Ukraine ist es notwendig, ihnen dauerhaften Schutz zu gewähren.“ Gemeinsame Pressemitteilung von Connection e.V., DFG-VK, BSV und der EAK vom 6. Mai 2024 - Aktionswochen vom 7. Mai bis 1. Juni 2024 zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai
„Rund um den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, dem 15. Mai, wird es Veranstaltungen und Aktionen in mehreren Ländern weltweit geben. Mit den Veranstaltungen fordern wir echten Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, gerade auch im Krieg. Verfolgte Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen brauchen Asyl! #ObjectWarCampaign: Ein Bündnis von mehr als 120 Organisationen europaweit setzt sich insbesondere für den Schutz all derjenigen ein, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Mehr dazu unter www.objectwarcampaign.org. #RefuseWar: Zugleich starten wir zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung die Global Action #RefuseWar. Machen Sie mit! Tragen Sie auf einer interaktiven Karte ihre Verweigerungserklärung ein. Sie sind herzlich zum Mitmachen eingeladen. Mehr dazu unter www.refusewar.org…“ Ausführliche Liste der Aktionen und Veranstaltungen bei Connection e.V. vom 6. Mai 2024 , siehe auch: - 30 Organisationen rufen auf: Aktionswoche zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung (15. Mai)„Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine: Rund dreißig Organisationen aus Deutschland rufen zu einer Aktionswoche zum Schutz für all diejenigen auf, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Die Aktionswoche wird rund um den 15. Mai, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, stattfinden…“ Aufruf und alle Infos bei der #ObjectWarCampaign
- Kriegsdienstverweigerer*innen aus der Ukraine brauchen Schutz
- Wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland: Zwischen Schutzrecht und Kriegsdienstzwang
„… Die Unionsparteien wollen wehrfähige Männer, die aus der Ukraine geflohen sind, zur Rückkehr bewegen – und damit an die Front. Als Druckmittel soll dabei der Entzug von Bürgergeld dienen. Die ukrainische Regierung habe wehrfähige Männer zur Rückkehr aufgerufen, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), diese Woche der Berliner Zeitung. „Gleichzeitig haben die wehrfähigen Ukrainer in Deutschland vollständigen Anspruch auf Bürgergeld und über 125.000 beziehen dieses.“ Seit dem Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 sind laut Ausländerzentralregister (AZR) 252.692 Männer aus der Ukraine nach Deutschland eingereist, die zum Stichtag 31. Januar 2024 im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren waren. (…) Auf Asyl in Deutschland dürfen bisher aber nicht einmal russische Wehrdienstflüchtige hoffen – Ukrainer, deren Regierung von westlichen Nato-Staaten unterstützt wird, hätten es auf diesem Weg in individuellen Asylverfahren vermutlich eher noch schwerer als leichter. (…) Das deutsche Grundgesetz schützt in Artikel 4 die Gewissensfreiheit auch in Bezug auf das Recht, den Dienst an der Waffe zu verweigern: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“, heißt es in Artikel 4, Absatz 3. Im Präzedenzfall des US-Deserteurs André Shepherd, der sich in den Nullerjahren dem weiteren Einsatz im Irak-Krieg entzogen hatte, haben deutsche Gerichte allerdings entschieden, dass die Abschiebung eines wehrdienstflüchtigen Ausländers trotz Berufung auf Artikel 4, Absatz 3 möglich ist. Es sei denn, ihm droht Folter oder unmenschliche Behandlung. Der Wehrdienstzwang alleine oder eine drohende Freiheitsstrafe aufgrund der Gewissensentscheidung zählen demnach nicht als unmenschliche Behandlung und gelten somit nicht als Asylgrund. (…) Der UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht davon aus, dass ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Gewissensfreiheit vorliegt, wenn jemand wider sein Gewissen zum Kriegsdienst gezwungen wird. Die Verpflichtung zum Ableisten eines Ersatzdienstes stelle dabei keine Bestrafung dar, heißt es. Staaten müssten ein Verfahren zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen garantieren und einen alternativen Dienst ermöglichen, heißt es in den Richtlinien des UNHCR. Eine Verpflichtung zum Ersatzdienst erlaubt auch das Grundgesetz…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 22. März 2024 bei Telepolis- Anm.: Grundsätzlich gilt die Entscheidung des Europäischer Gerichtshofs für Menschenrechte (Antrag Nr. 23459/03 vom 7. Juli 2013), dass eine Verletzung des Artikels 9 (Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) vorliegt, wenn ein Kriegsdienstverweigerer bestraft wird. In sofern besteht für alle Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründe sowohl der Ukraine als auch Russland durchaus ein Asyl-Anspruch – kann nicht oft genug erinnert werden!
- Zwei Jahre nach Kriegsbeginn: PRO ASYL und Connection e.V. kritisieren Asyl-Ablehnungen russischer Verweiger*innen – und auch der Ton gegenüber geflohenen Wehrpflichtigen aus der Ukraine wird rauer
- Zwei Jahre nach Kriegsbeginn: PRO ASYL und Connection e.V. kritisieren Asyl-Ablehnungen russischer Verweiger*innen
„Zwei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiterhin russische Verweiger*innen des Krieges ab und verpflichtet sie, nach Russland zurückzukehren. Connection e.V. und PRO ASYL sind alarmiert über die ihnen vorliegende Begründung des BAMF, die das Risiko für die russischen Verweiger*innen, in einem völkerrechtswidrigen Krieg rekrutiert zu werden, ignoriert.
Die Quote der Asyl-Anerkennungen hat sogar abgenommen, wie Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen. „Nach unseren Erkenntnissen trifft dies vor allem diejenigen Militärdienstpflichtigen, die sich schon rechtzeitig vor einer Rekrutierung dem Zugriff des Militärs entzogen hatten. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass deutsche Behörden russische Verweiger*innen dem russischen Militär zur Rekrutierung in einen völkerrechtswidrigen Krieg ausliefern werden“, so Rudi Friedrich, Geschäftsführer des Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerks Connection e.V.
EU verschärft Visaregelungen
Zuletzt hatte Connection e.V. im September 2023 eine Analyse vorgelegt, wonach mindestens 250.000 Militärdienstpflichtige aus Russland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine das Land verlassen haben und Schutz in anderen Ländern suchen. Der größte Teil floh in südliche Nachbarstaaten wie Kasachstan oder Georgien. Oft ist ihre Situation dort prekär, weil sie häufig nur einen zeitlich befristeten Aufenthaltsstatus haben.
„Die Europäische Union hat zugelassen, dass Visaregelungen gegenüber militärdienstpflichtigen Russ*innen noch verschärft wurden statt ihre Entscheidung gegen eine Teilnahme im Krieg zu unterstützen“, sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL. Laut Eurostat konnten daher zwischen Februar 2022 und Ende 2023 nur etwa 9.000 militärdienstpflichtige Männer aus Russland Asyl in einem Staat der Europäischen Union beantragen.
Asylanerkennungen haben abgenommen
Das Bundesinnenministerium legte im September 2023 detaillierte Zahlen zu männlichen Asylantragstellern in Deutschland zwischen 18 und 45 Jahren aus Russland vor. Für die ersten acht Monate 2023 kommt das Bundesinnenministerium zu dem Schluss, dass von 904 behandelten Anträgen lediglich elf positiv entschieden wurden, 33 wurden abgelehnt, in mehr als 800 Fällen wurden die Betroffenen auf das Asylverfahren in anderen Ländern wie Polen, Kroatien oder Finnland verwiesen. Damit ist die Anerkennungsquote von 2022 auf 2023 sogar noch gefallen. (…)
Connection e.V. und PRO ASYL sind insbesondere alarmiert darüber, mit welchen Begründungen das BAMF Asylanträge von Militärdienstentzieher*innen ablehnt. In einem Bescheid vom 29. September 2023 führt das Amt bei einem Reservisten, der bereits einen Einberufungsbescheid erhalten hatte, aus, er ergebe sich „alleine aus der Verweigerung der Teilmobilisierung keine Verfolgungshandlung“. Es sei zwar nicht auszuschließen, „dass im Rahmen des Ukrainekrieges und im weiteren Verlaufe des Kriegsgeschehens härtere Bestrafungen gegen Mobilisierungsentzieher ausgesprochen werden. Eine konkrete Durchsetzung ist nach aktueller Rechtslage jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich.“…“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 21.02.2024 bei Connection mit weiteren Informationen – siehe auch: - Wer nicht für Russland in den Krieg ziehen will, hat schlechte Chancen auf Asyl in der BRD – und auch der Ton gegenüber geflohenen Wehrpflichtigen aus der Ukraine wird rauer
„Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland herzlich willkommen.« Das hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP im Frühjahr 2022, kurz nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, behauptet. Als dann einige Monate später in Russland die Teilmobilmachung verkündet wurde und Zehntausende Russ*innen das Land verließen, äußerten sich aus diesem Anlass Politiker*innen aller Regierungsparteien ganz ähnlich wie Buschmann. Gefolgt ist den warmen Worten allerdings nichts. Nur 92 »wehrfähige« Personen aus Russland haben – Stand November 2023 – in der Bundesrepublik Asyl erhalten. An der Nachfrage liegt es nicht: 3.500 Asylanträge von solchen, die nicht für Putin in den Krieg ziehen wollen, hatte es bis Herbst 2023 gegeben. Die Hälfte dieser Anträge war laut Bundesinnenministerium, das diese Zahlen auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hin preisgab, noch nicht bearbeitet. Von den anderen wurde die überwältigende Mehrheit nicht bewilligt. Oft aus formalen Gründen – mit Verweis auf die Dublin-Regelung. Der zufolge müssten die Betroffenen ihren Asylantrag dort stellen, wo sie die EU betreten haben. Das wiederum ist hochproblematisch, da in einigen der Staaten, in denen der Asylantrag bearbeitet werden müsste – konkret Polen, Litauen und Kroatien – das Risiko für eine Ablehnung und sogar Abschiebung nach Russland groß ist. (…)
Was auf den ersten Blick paradox wirkt – dass Deutschland und die EU zwar Russ*innen auffordern, Putin nicht zu unterstützen, ihnen aber zugleich sichere Fluchtwege versperren und keinen großzügigen Schutz bieten – folgt dabei einer inneren Logik. Zum einen dürfte es wenig Interesse an einem Präzedenzfall geben: Denn, wenn Verweigerer aus Russland leicht Asyl erhalten, könnten ja auch Staatsbürger*innen anderer kriegführender Länder auf die Idee kommen, in Deutschland Schutz zu suchen. Hinzu kommt: Auch die Bundesrepublik, in der die Wehrpflicht zwar ausgesetzt, aber nach wie vor aktivierbar ist, behält sich vor, ihre Bürger*innen potenziell zum Töten und Sich-Töten-Lassen verpflichten zu können – Stichwort »Kriegstauglichkeit«. Ein zu lockerer Umgang mit Desertion und Wehrdienstentzug könnte sich (aus dieser Sicht) zukünftig negativ auf den grundsätzlich beanspruchten staatlichen Zugriff auswirken.
Gegenüber ukrainischen Militärdienstpflichtigen, von denen sich nach Schätzungen von Connection e.V. etwa 100.000 nach Deutschland und 325.000 in die EU geflüchtet und die damit das mit Kriegsbeginn verhängte Ausreiseverbot für Männer zwischen 18 und 60 Jahren gebrochen haben, wird dieser Zugriffsanspruch bereits immer deutlicher formuliert. (…)
Mit Sorge blicken Friedrich und seine Gefährt*innen unter anderem auf das neue Mobilisierungsgesetz, das derzeit dem ukrainischen Parlament vorliegt, dort am 7. Februar in erster Lesung beschlossen wurde und 500.000 neue Soldaten beschaffen soll, unter anderem durch eine drastische Registrierungspflicht und die Erhöhung von Strafen bei Wehrdienstentzug. In der Beratungspraxis hat der Verein es nun öfter auch mit Ukrainern zu tun, die an der Front waren und sich beim Besuch der nach Deutschland geflüchteten Familie absetzen, also nicht in die Ukraine zurückkehren, weil sie einfach nicht mehr können…“ Artikel von Nelli Tügel im ak 701 vom 20. Februar 2024 („Kanonenfuttermaschinerie“)
- Zwei Jahre nach Kriegsbeginn: PRO ASYL und Connection e.V. kritisieren Asyl-Ablehnungen russischer Verweiger*innen
- Aktivistin aus Belarus: Schwere Zeiten für Kriegsgegner und Verweigerer in ganz Europa
„Männer, die nicht für Russland und Belarus kämpfen wollen: Vorbild oder Sicherheitsrisiko? An der Nato-Ostflanke hat man sich entschieden.
Die belarussische Menschenrechtsaktivistin Olga Karach hat sich auf der zivilgesellschaftlichen Münchner Friedenskonferenz desillusioniert über den Umgang mit Kriegsdienstverweigerern aus Russland und Belarus in westlichen und osteuropäoischen Nato-Staaten gezeigt.
Milliarden für Waffen statt Asyl für Deserteure?
„Verweigerern aus Gewissengründen zu helfen, kostet weniger als jede Rakete, aber aus irgendeinem Grund tut es niemand“, sagte Karach am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion mit dem früheren UN-Diplomaten Michael von Schulenburg und der irischen Europa-Abgeordneten Clare Daly in der Freiheitshalle München. Karach setzt sich auch für das Recht aller Menschen, also ukrainischer Männer auf Kriegsdienstverweigerung ein, aber im Fall der Wehrdienstflüchtigen aus Russland und Belarus hob sie den besonderen Widersinn hervor: Die Staatschefs der beiden verbündeten Länder, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko, die als Feinde der westlichen Demokratien gelten, bräuchten schließlich Soldaten, um Krieg zu führen.
Unwillkommen: Männer, die nicht kämpfen wollen
Insofern wäre es in ihrem Interesse ihrer Gegner, zumindest den kriegsunwilligen Männern aus diesen Ländern Schutz und Asyl zu bieten. Aber: „Sie sind nicht willkommen“, so Olga Karachs bitteres Fazit. In Litauen, wo auch Karach selbst erfolglos politisch Asyl beantragt hatte, wird ein russischer Angriff befürchtet, sofern die Kreml-Truppen in der Ukraine die Oberhand gewinnen. Gerade das dient aber an der Nato-Ostflanke als Argument gegen die Aufnahme von wehrfähigen Männern aus Russland und Belarus – sie gelten als Sicherheitsrisiko. Karach betonte, dass Deserteuren in Belarus die Todesstrafe drohe und Verweigerer mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen müssen.
Kriegsmentalität und Beschimpfung von Friedensbewegten
Die Aktivistin nimmt in großen Teilen Europas eine ähnliche Mentalität wie in Belarus wahr: Friedensbewegte würden beschimpft – und wer als Mann nicht kämpfen wolle, gelte nicht als „echter Mann“, sagte sie bei der Podiumsdiskussion auf der Friedenskonferenz. Damit einher geht eine Erosion des Internationalen Rechts, wie der nächste Podiumsdiskutant verdeutlichte…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 17. Februar 2024 in Telepolis - Ukraine: Verschärfte Rekrutierung, aber kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung – Connection e.V. und DFG-VK protestieren gegen Gesetzentwurf
„Mit dem gestern vom ukrainischen Parlament in 1. Lesung beschlossenen Entwurf zur Änderung des Militärdienstgesetzes wird die Rekrutierungspraxis im Land geändert. Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) wenden sich gegen diese Verschärfung und fordern sowohl die ukrainische Regierung wie auch die Europäische Union auf, den Schutz von Kriegsdienstverweiger*innen sicherzustellen.
„Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“, erklärt Rudi Friedrich von Connection e.V. „Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich nicht daran, schickt Verweiger*innen an die Front oder unterwirft sie langen Haftstrafen. Das ist nicht hinnehmbar.“ „Allen, die sich dem Krieg verweigern, muss Schutz gewährt werden – sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland“, ergänzt der politische Geschäftsführer der DFG-VK, Michael Schulze von Glaßer: „Deutschland darf keine Geflüchteten, denen Zwangsrekrutierung droht, abschieben“
Mit der Gesetzesänderung soll eine umfassende Meldepflicht im Militärregister eingeführt werden, die auch für Frauen in medizinischen Berufen gilt. Über eine elektronische Datenbank soll es möglich sein, Musterungs- und Einberufungsbescheide auch online verbindlich zuzustellen, um damit auch auf im Ausland lebende Ukrainer*innen zuzugreifen. Zugleich drohen Militärdienstpflichtigen, die Vorladungen nicht folgen, der Entzug des Führerscheins und das Einfrieren ihrer Konten.
Der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinets, hatte im Vorfeld den Entwurf kritisiert, unter anderem weil dort kein Recht auf einen alternativen Dienst vorgesehen ist. Später zog er diese Kritik zurück. „Der Druck des Militärs ist enorm“, sagte Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung dazu. Die Gruppe setzt sich in der Ukraine für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ein. Da das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt ist, werden Kriegsdienstverweiger*innen seit Beginn des Krieges zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, zum Teil auf Bewährung. In einigen Fällen wurden Kriegsdienstverweiger*innen ohne Verfahren ins Kriegsgebiet geschickt. (…)
Die Ukrainische Pazifistische Bewegung weist darauf hin, dass in der Ukraine die Zahl der Strafverfahren wegen Militärdienstentziehung, Unerlaubter Abwesenheit und Desertion zwischen 2022 und 2023 erheblich gestiegen ist. So wurden zwischen Januar und September 2023 fast 19.000 Strafverfahren wegen Militärstraftaten durchgeführt. Nach Schätzungen von Connection e.V. befinden sich über 325.000 militärdienstpflichtige Ukrainer*innen in der Europäischen Union, davon etwa 100.000 Personen in Deutschland. Sie erhalten durch die Anwendung der Massenzustromrichtlinie bis zum 4. März 2025 einen befristeten humanitären Aufenthalt. Unklar ist, ob ukrainische Geflüchtete anschließend zurückkehren müssen. In diesem Fall würde Militärdienstpflichtigen die Rekrutierung oder Strafverfolgung drohen…“ Pressemitteilung vom 8. Februar 2024 von Connection e.V. und Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) - Ukraine: Eklatante Verletzung der Menschenrechte von Kriegsdienstverweigerern und Friedensaktivisten
„Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. sind sehr besorgt über die anhaltenden Schikanen gegen Friedensaktivisten und Kriegsdienstverweigerer, einschließlich willkürlicher Verfolgungen und ungerechter Urteile, sowie über die unangemessenen Bestimmungen des neuen Mobilisierungsgesetzes Nr. 10378 vom 25.12.2023, das von der ukrainischen Armee vorgelegt wurde. (…) Die Organisationen fordern die Ukraine auf, die Aussetzung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung unverzüglich rückgängig zu machen, den aus Gewissensgründen inhaftierten Dmytro Zelinsky freizulassen, Andrii Vyshnevetsky ehrenhaft zu entlassen, Vitaly Alekseenko und Mykhailo Yavorsky freizusprechen und die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen zu lassen. Sie fordern die Ukraine außerdem auf, das Ausreiseverbot für alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren und andere Praktiken zur Durchsetzung der Militärdienstpflicht aufzuheben, die mit den Menschenrechtsverpflichtungen der Ukraine unvereinbar sind, einschließlich der willkürlichen Inhaftierung von Militärdienstpflichtigen und der Auferlegung der militärischen Registrierung als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit jeglicher ziviler Beziehungen wie Ausbildung, Beschäftigung, Heirat, Sozialversicherung, Registrierung des Wohnorts usw. Die Organisationen sind sehr besorgt über das Mobilisierungsgesetz Nr. 10378 vom 25.12.2023, das schwere Strafen für „Militärdienstentzieher“ vorsieht, ohne Ausnahmen für Kriegsdienstverweigerer. Die Organisationen fordern Russland auf, unverzüglich und bedingungslos alle Hunderte von Soldaten und mobilisierten Zivilisten freizulassen, die sich weigern, am Krieg teilzunehmen, und die illegal in einer Reihe von Zentren in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine festgehalten werden. Berichten zufolge setzen die russischen Behörden Drohungen, psychologischen Missbrauch und Folter ein, um die Inhaftierten zur Rückkehr an die Front zu zwingen. Die Organisationen fordern sowohl Russland als auch die Ukraine auf, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu schützen, gerade auch in Kriegszeiten, und dabei die europäischen und internationalen Standards, unter anderem die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, vollständig einzuhalten…“ Gemeinsame Erklärung von EBCO, WRI, Internationaler Versöhnungsbund und Connection e.V. vom 29. Dezember 2023 - Erste Verhaftung und Abschiebung eines russischen Kriegsdienstverweigerers aus Armenien
„Unsicherheit verbreitet sich in der russischen Exil-Gemeinschaft in Armenien nach der Festnahme und Auslieferung eines geflüchteten Soldaten durch die russische Militärpolizei in der armenischen Stadt Gyumri. Dmitry Setrakov, 20 Jahre, war nach Armenien geflohen, um dort im Exil zu leben. Am 6. Dezember wurde er von russischer Militärpolizei festgenommen und in ein Militärgefängnis der russischen 102. Militärgarnison gebracht. Zunächst wurde er wegen Unerlaubter Entfernung von der Truppe zu 27 Tagen Arrest verurteilt, nun hat ihn das russische Militär nach Rostov-on-Don in den südlichen Militärbezirk Russlands ausgeliefert. In Armenien glaubte sich Setrakov sicher vor dem Zugriff durch den russischen Staat, so wie Tausende andere russische Bürger, die seit dem Kriegsausbruch nach Armenien geflüchtet sind. Bis jetzt konnten sie dort ohne Visum und ohne die Androhung der Abschiebung nach Russland leben. Kriegsdienstverweigerer fühlten sich zwar grundsätzlich nicht sicher, denn der russische Geheimdienst ist in dem Land stark präsent. Doch bis jetzt weigerte sich die armenische Regierung irgendwelchen Auslieferungsgesuchen aus Russland nachzukommen. (…) Dagegen wandte sich Helsinki Citizens Assembly Armenia und forderte von der Regierung den Schutz des Kriegsdienstverweigerers. Die Organisation bot ihm rechtsanwaltlichen Beistand und versuchte zu ihm Kontakt zu halten und seinen Fall zu vertreten. In einer ersten Öffentlichkeitskampagne machten sie auf seinen Fall aufmerksam und forderten die Einhaltung seines Rechtsschutzes. Denn formal ist es der russischen Militärpolizei nicht erlaubt, Menschen die sich in Armenien aufhalten, festzunehmen und nach Russland ohne Zustimmung Armeniens auszuliefern. Und da Setrakov nicht zur in Armenien stationierten Einheit gehörte, seien sie widerrechtlich gegen ihn vorgegangen. Eine zwangsweise Ausreise nach Russland wäre nur über ein Auslieferungsgesuch möglich gewesen. (…) Das von act for transformation initiierte Caucasian Conscientious Objectors Network sieht in dem Fall einen kritischen Wendepunkt in der Bewertung der Sicherheit von russischen Kriegsdienstverweigerern in Armenien. „Wenn russische Kriegsdienstverweigerer“, so Jürgen Menzel von act for transformation, „jederzeit Gefahr laufen können, von russischer Militärpolizei in dem Land festgenommen und in die Kaserne gebracht zu werden, kann sich kein Russe, der zur Fahndung ausgeschrieben ist, in Armenien mehr sicher fühlen.“ (…) „Umso dringender ist es“, so Rudi Friedrich von Connection e.V., „dass endlich die Möglichkeit humanitärer Visa für russische Kriegsdienstverweigerer in der EU und in Deutschland ermöglicht wird.“ Die Kampagne #ObjectWarCampaign setzt sich für dieses Recht ein und fordert die Politik auf, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung auch in Kriegszeiten endlich zu schützen.“ Meldung von Connection e.V. und act for transformation gem eG vom 20. Dezember 2023 - Aktionswoche vom 4. bis 10. Dezember 2023 für den Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigernde aus Russland, Belarus und der Ukraine und eine entsprechende Bundestagspetition bis zum 8. Dezember
- Aktionswoche 4. bis 10. Dezember 2023: Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine
„Über 40 Friedensgruppen aus ganz Europa rufen vom 4. Dezember bis zum „Internationalen Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember 2023 zu Aktionen auf: Sie fordern Aufnahme und Schutz für alle, die sich dem Krieg in der Ukraine entziehen. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 haben mehr als 250.000 Militärdienstpflichtige Russland verlassen – sie wollen nicht im Krieg gegen die Ukraine kämpfen. Die meisten sind nach Kasachstan, Serbien, Armenien oder Georgien geflohen. 3.500 junge Russ*innen haben in Deutschland Asyl beantragt. Das Bundesinnenministerium teilte im September 2023 mit, dass nur bei 400 Anträgen das Asylbegehren geprüft worden sei. 90 davon wurden anerkannt. Aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn mindestens 175.000 Militärdienstpflichtige vor der Einberufung geflohen – teilweise nach Deutschland, wo ihnen aktuell nur bis März 2025 Schutz gewährt wird. Auch in Belarus gibt es tausende Militärdienstentzieher. (…)Um ein Ende der Verfolgung von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen in ihren Herkunftsstaaten zu fordern und den Druck auf die Bundesregierung und die EU zu erhöhen, Militärdienstpflichtige aufzunehmen, wird es in der Woche vor dem „Internationalen Tag der Menschenrechte“ – vom 4. bis zum 10. Dezember 2023 – zahlreiche Protestaktionen geben:
– Am 6. Dezember 2023 wird in Frankfurt am Main eine kreative Aktion stattfinden.
– In Lübeck werden Aktivist*innen am 7. Dezember 2023 von 12 bis 18 Uhr am zentralen Kohlmarkt ein etwa 5m hohes aufblasbares zerbrochenes Gewehr aufbauen.
– Vor dem Brandenburger Tor in Berlin wird am 9. Dezember ab 11 Uhr eine Kundgebung mit Redner*innen aus Belarus und Russland stattfinden. Auch eine bildstarke Straßentheater-Aktion ist geplant.
– Am 10. Dezember, dem „Tag der Menschenrechte“ wird um 11 Uhr das Denkmal für den unbekannten Deserteur in Potsdam, Platz der Einheit, mit Blumen geschmückt. Gewürdigt werden Deserteur*innen und Kriegsdienstgegner*innen, insbesondere in Bezug auf den aktuellen Krieg in der Ukraine.
Auch in Herford, Bremen, Göttingen, Halle (Saale), Kassel, Löbau, Mainz, Naumburg (Saale), Rostock, Schwerin und weiteren Städten sind Aktionen geplant. Zudem wird es in den Niederlanden, in Finnland, Belgien, Großbritannien und Griechenland Aktionen und Veranstaltungen geben…“ Pressemitteilung des Bündnisses für die ObjectWar-Aktionswoche vom 17. November 2023 , siehe auch:- Aufruf zur Aktionswoche vom 4. bis 10. Dezember 2023: Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigernde aus Russland, Belarus und der Ukraine
„Für den 10. Dezember 2023, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, rufen mehr als 30 Organisationen aus Europa zu Aktionswochen zum Schutz für all diejenigen auf, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern….“ Pressemiteilung des GrundrechteKomitees vom 7. September 2023 - Eine Liste mit allen geplanten Aktionen, den vollständigen Aufruf und Hintergrundmaterial gibt es auf: www.objectwarcampaign.org
- und ein Mobi-Video auf youtube
- Aufruf zur Aktionswoche vom 4. bis 10. Dezember 2023: Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigernde aus Russland, Belarus und der Ukraine
- Bundestagspetition bis zum 8. Dezember unterzeichnen: Schutz von Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine
„Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. Wir fordern daher alle Politiker *innen des Bundestages auf sich für den Schutz und das Asyl von Kriegsdienstverweigern und Deserteuren*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine einzusetzen. Es gilt die Menschen zu unterstützen, die sich für ein Nein zum Töten und gegen diesen Krieg entschieden haben. Zugleich fordern wir den Bundestag auf sich solidarisch zu erklären mit Aktivisten der Friedensbewegung aus den drei Ländern…“ Bundestagspetition : Schutz von Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine – Auf Initiative der Grünen Alternative e.V. wurde eine Petition im Bundestag eingereicht. Wenn bis zum 8. Dezember 50.000 Unterschriften zusammenkommen, befasst sich der Petitionsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Sitzung mit dem Anliegen.
- Aktionswoche 4. bis 10. Dezember 2023: Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine
- „Kriegsmüdigkeit“ in der Ukraine: Selenskyj verstärkt Druck auf ins Ausland geflohene Ukrainer und will Frauen für das Militär heranziehen
„Selenskyj will härter gegen Bürger vorgehen, die sich dem Kriegsdienst gegen Russland entziehen. Hohe Verluste im Kampf müssen ausgeglichen werden. Was die Ukraine gegen Unwillige unternimmt. (…) Gingen zu Beginn des Krieges noch viele ukrainische Soldaten voller Begeisterung in den Abwehrkampf gegen die russische Invasion, hat sich dieses Bild inzwischen geändert und selbst äußerst Ukraine-patriotische deutsche Medien sprechen von einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit. Dieser Umstand und die zahlreichen Gefallenen oder schwer Verwundeten im privaten Umfeld vieler Ukrainer führen dazu, dass immer mehr ukrainische Männer nicht kämpfen wollen. Selbst führende Kiewer Militärs geben das zu, wie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Walerij Saluschnyi in der US-Zeitschrift The Economist . Er sieht auch die zunehmend begrenzten Möglichkeiten, Fronttruppen mit frischen Einheiten auszuwechseln als Motivationshemmschuh. Daran ändert auch der Kampf mit moderner westlicher Ausrüstung nichts, wenn sie von abgekämpften Einheiten dauerhaft bedient werden müssen.
Druck auf ins Ausland geflohene Ukrainer
Da die Ukraine von der Bevölkerungsgröße nur ein Drittel des Potenzials an rekrutierbaren Frontkämpfern wie der Kriegsgegner besitzt, gibt es immer mehr radikale Maßnahmen, um die Gefallenen im Kampfgebiet zu ersetzen. So wollte Präsident Selenskyj im September männliche Kriegsflüchtlinge, die sich im Ausland aufhalten, durch Auslieferungsverfahren wieder in die Ukraine verbringen lassen. Ein Problem dabei ist, dass nach dem Europäischen Auslieferungsabkommen Militärstrafvergehen ausgenommen sind. Jedoch können ukrainische Konsulate Druck aufbauen, wenn sich etwa Kriegsflüchtlinge neue Ausweispapiere beschaffen wollen. Ohne diese ist wiederum die Aufrechterhaltung der aktuellen Aufenthaltsberechtigung nicht möglich. (…)
Doch die Freiwilligkeit ist weiter nicht die Regel. Straßenkontrollen versuchen Wehrpflichtige aufzuspüren, die den Behörden bisher entgangen sind. Wer sich der Einberufung entzieht, dem droht im schlimmsten Fall ein Strafverfahren.
Selenskyj forderte erst in dieser Woche eine Verschärfung der Maßnahmen des ukrainischen Innenministeriums, Wehrpflichtige notfalls zwangsweise dem Militär zuzuführen, wenn sie sich auf Aufforderung nicht zum Kriegsdienst melden. Ein Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen besteht in der Ukraine nicht, von der Wehrpflicht ausgenommen sind nur gesundheitlich untaugliche Männer oder alleinerziehende Väter. Ein ziviler Ersatzdienst wurde nur bis zum Kriegsausbruch angeboten.
Auch Frauen werden verstärkt für das Militär aktiviert
Männer von 18 bis 60 Jahren können die Ukraine nur noch illegal verlassen, wer den Kriegsdienst verweigert, dem droht strafrechtliche Verfolgung bis zur Inhaftierung oder die Zwangsrekrutierung. Seit Oktober müssen sich auch ukrainische Frauen mit medizinischer oder pharmazeutischer Ausbildung für die Wehrpflicht registrieren. Diese Maßnahme ist in der Bevölkerung äußerst unpopulär, war ursprünglich schon im ersten Kriegsjahr geplant und wurde dann verschoben. In den Streitkräften der Ukraine gibt es aktuell 42.000 Soldatinnen. Vor einer Ausweitung von Rekrutierungen von Frauen schreckt Kiew noch zurück, da das Land ebenso wie Kriegsgegner Russland ein massives Geburtendefizit hat. Wenn Frauen kämpfen, dann meist nicht aus feministischen Motiven, die oft in deutschen Medien dargestellt wird , sondern eher aus finanzieller Not. Feminismus ist in den ukrainischen Streitkräften weniger verbreitet, realistische Presseberichte gibt es eher über Diskriminierung und sexuelle Belästigung…“ Beitrag von Roland Bathon vom 27. November 2023 in Telepolis („Kriegsmüde Ukrainer: Ohne Begeisterung an die Front“) - Kriegsdienstverweigerer: Kein Asyl – trotz Flucht vor Putins Krieg
„Andrej Boldenkov will nicht in Putins Krieg kämpfen. Er flieht nach Deutschland, bekommt aber kein Asyl. Dabei hatte die Bundesregierung russischen Kriegsdienstverweigerern Hoffnung gemacht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte russischen Soldaten, die sich nicht am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligen wollen, Hoffnung gemacht: „Wenn wir die Chancen haben, diejenigen, die sich von diesem furchtbaren Angriffskrieg Putins abwenden, eine vorübergehende Heimat zu gewähren, ist das mehr als angemessen“, erklärte sie vor mehr als einem Jahr. Doch eine Statistik vom Bundesinnenministerium zeigt: So willkommen sind russische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland nicht. Rund 3.500 russische Männer im wehrfähigen Alter haben seit dem Kriegsbeginn Asyl in der Bundesrepublik beantragt. Bisher wurde nur mehr als die Hälfte der Anträge entschieden. Schutz wurde nur 92 Männern bewilligt. (…)
Abschiebung nach Russland angedroht
Boldenkov wohnt jetzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Oberbayern. Das Zimmer teilt er sich mit drei Männern. Er selbst schläft auf einer Couch. Er hat schnell Arbeit als Verpackungsentwickler gefunden und träumt davon, seine Frau und seine Töchter aus St. Petersburg nachzuholen. Zwei Einberufungsbefehle sind dort mittlerweile für ihn angekommen. Doch sein Asylantrag in Deutschland wurde abgelehnt. „Man listet 19 Seiten lang auf, wie gefährlich es in Russland ist. Mit dem für mich unlogischen Schluss, dass ich dorthin zurückgehen muss.“ Er sei aufgefordert Deutschland binnen von 30 Tagen zu verlassen, so steht es in der Entscheidung, sonst wird er nach Russland abgeschoben. Boldenkov klagt gegen diese Entscheidung…“ Beitrag von Irina Chevtaeva vom 21.11.2023 in tagesschau.de - Ukraine setzt Drohnen gegen Landesflucht von Wehrpflichtigen ein
„Der ukrainische Grenzschutz setzt nach eigenen Angaben auch Drohnen zur Verhinderung der Flucht von Wehrpflichtigen ins Ausland ein. Im südlichen Gebiet Odessa an der Grenze zur Republik Moldau seien am Freitag 14 Männer an der illegalen Ausreise gehindert worden, teilte der Grenzschutz am Samstag mit. In vier Fällen sei dabei zur Aufklärung aus der Luft auch eine Drohne eingesetzt worden, hieß es. Die Grenzschützer veröffentlichten dazu ein Video. Die Männer versuchten demnach, unrechtmäßig die Grenze zu überqueren.“ Ukraine-News vom 28. Oktober 2023 beim MDR - Russische Organisationen rufen zu Schutz und Asyl für über 250.000 vor dem Kriegseinsatz Geflüchtete – und auch Kiew sucht 650.000 in Europa verschwundene Wehrpflichtige
- Russland: Mehr als 250.000 flüchten vor Einsatz im Krieg – Russische Organisationen rufen zu Schutz und Asyl für alle Verweigerer auf
„Ein Jahr nach der Teilmobilmachung legt heute Connection e.V. aktuelle Zahlen zur Flucht militärdienstpflichtiger Männer aus Russland vor. Auf Grundlage einer Studie des unabhängigen Netzwerks für Analyse und Politik RE: Russia kommt Connection e.V. zu dem Schluss, dass mindestens 250.000 militärdienstpflichtige Männer aus Russland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine das Land verlassen haben und Schutz in anderen Ländern suchen. Connection e.V. und die Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden fordern, dass endlich Schritte unternommen werden, um diese Personen zu schützen. „Der größte Teil von ihnen ging nach Kasachstan, Armenien, Türkei oder Serbien“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V.. „In der Europäischen Union haben insgesamt wohl nur knapp 10.000 um Asyl nachgesucht. Und sie müssen in vielen Fällen erleben, dass ihr Asylantrag abgelehnt wird. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“ Das Bundesinnenministerium in Deutschland hat sich zwar im Mai 2022 bereit erklärt, russischen Deserteuren Flüchtlingsschutz zu gewähren, weil „davon auszugehen sei, dass eine Desertion – als aktives Bekunden gegen die Kriegsführung – als Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung gewertet“ werde. Zudem sei eine hohe Bestrafung zu erwarten, was sich inzwischen aufgrund der Bericht bestätigt. Mediazona berichtete am 19. Juli 2023, dass seit Anfang 2023 jede Woche einhundert Verfahren eröffnet werden würden. Bekannt geworden sind Verurteilungen zu bis zu 13 Jahren Haft wegen Nichtbefolgung der Einberufung (FAZ, 15.9.2023) (…)Viele Politiker*innen hatten sich in den vergangenen Monaten dafür ausgesprochen, Verweigerern aus Russland Schutz zu geben, so auch Bundeskanzler Scholz oder Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Der Großteil der russischen Verweigerer wird jedoch in den Asylverfahren abgelehnt. So ergeht es vor allem denen, die rechtzeitig vor einer möglichen Rekrutierung geflohen sind. In einem uns kürzlich zugegangenen Schreiben vom 6. September 2023 heißt es vom BAMF dazu beispielsweise: „eine Einziehung zum Militärdienst ist (…) nicht beachtlich wahrscheinlich. (…) Zwar wird vorgetragen, dass der Kläger Fahrer der Gruppe 2 und damit von besonderem Interesse für das russische Militär ist. Der Beklagten (dem BAMF) ist derzeit jedoch nicht bekannt, dass diese Behauptung zutrifft.“ Dazu erklärt Wolfgang Max Burggraf von der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK). „Hunderttausende haben sich entschieden, nicht am Krieg Russlands teilzunehmen. Sie wollten sich nicht der Gefahr aussetzen, direkt an die Front gebracht zu werden. Sie wollen nicht kämpfen und nicht töten. Der größte Teil der militärdienstpflichtigen Asylantragsteller aus Russland hat sich deshalb schon vorzeitig einer möglichen Rekrutierung entzogen. Das wird ihnen nun im Asylverfahren zum Verhängnis.“…“ Beitrag von Connection e.V. und EAK vom 20. September 2023 - In der EU untergetaucht: Kiew sucht 650.000 verschwundene Wehrpflichtige
„Während ein Teil der ukrainischen Bevölkerung gegen die Invasoren kämpft und einen hohen Blutzoll zahlt, haben sich Hunderttausende Wehrpflichtige in den Westen abgesetzt. Kiew erhöht den Druck auf die EU, diese Landsleute auszuliefern. Doch es gibt keine rechtliche Handhabe dafür. (…) Der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge sind in den 27 EU-Staaten und in Norwegen, Schweiz und Liechtenstein mehr als 650.000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren als Flüchtlinge registriert. In der Ukraine diskutieren Öffentlichkeit und Politik nun eifrig, wie diese zurückgeholt werden können. (…) Als erste Maßnahme hatte Kiew den Grenzschutz verstärkt. „Insgesamt haben die Grenzer seit dem 24. Februar vorigen Jahres etwa 14.600 Personen festgenommen, die illegal die Ukraine verlassen wollten“, sagte Grenzschutzsprecher Andrij Demtschenko am 5. September im ukrainischen Fernsehen. Zusätzlich seien rund 6200 Männer mit gefälschten Ausreisegenehmigungen erwischt worden. (…) In erster Linie geht es dabei um Kriegsdienstverweigerer, die mithilfe von gekauften ärztlichen Bescheinigungen als wehrunfähig eingestuft wurden und deshalb ausreisen konnten. Der Verkauf von Dokumenten für eine Freistellung vom Wehrdienst floriert in der Ukraine. Nach einer von Präsident Wolodymyr Selenskyj angeordneten Welle von Razzien mit Festnahmen in den Einberufungsstellen liegt der Preis für derartige Papiere nach Justizangaben inzwischen bei über 10.000 Euro. (…)
Nach Angaben des Bundesamts für Migration sind seit dem 24. Februar 2022 insgesamt 214.263 männliche ukrainische Staatsangehörige nach Deutschland eingereist, die zum 31. Juli dieses Jahres zwischen 18 und 60 Jahre alt waren. Davon halten sich noch 184.272 in Deutschland auf, berichtete die Deutsche Welle (DW). Hinzu kommen laut Schätzungen bis zu 100.000 Ukrainer unter 60, die sich in Deutschland illegal, das heißt nicht erfasst, aufhalten. Bisher hat Kiew die deutschen Behörden noch nicht gebeten, Männer im wehrpflichtigen Alter abzuschieben, die die Ukraine illegal verlassen haben oder nach ihrer legalen Ausreise nicht in die Ukraine zurückgekehrt sind, berichtet die Deutsche Welle unter Berufung auf Maximilian Kall, Sprecher des Bundesinnenministeriums. (…)
Falls sich die Ukraine ans Ausland wendet, um Fahnenflüchtige mit gefälschten Dokumenten ausliefern zu lassen, dann besteht die theoretische Möglichkeit einer Auslieferung nur im Rahmen eines Strafverfahrens, bei dem eine Straftat nachgewiesen werden müsse, erklärt die Charkiw Human Rights Group. Praktisch gebe es aber keine Aussicht auf Ermittlungen und Feststellungen der Schuld.
Soweit die juristischen Grundlagen. „Ich bin entschieden dagegen, sollte es solche Auslieferungsanträge geben, diesen nachzukommen“, sagt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Und begründet das ebenfalls mit dem „in Deutschland verbrieften Recht auf Wehrdienstverweigerung“.“
Artikel von Harald Stutte vom 18.09.2023 bei RND , siehe dazu:- „Sag mir, wo die Männer sind“: Die Sorgen einer kriegführenden Nation
„Ganz unabhängig vom Streit, ob nun Deutschland im Krieg gegen Russland ist oder nicht, beschäftigen die deutsche Öffentlichkeit Themen, die auf die Frage nach der Kriegspartei eine eindeutige Antwort geben – auch wenn bei diesen Themen der Krieg nicht unmittelbar Gegenstand sein muss.
Damit übertitelt Ronen Steinke in der Süddeutschen Zeitung vom 9/10.9.2023 seinen Kommentar. Gefragt wird nach den ukrainischen Männern, die sich angesichts des Krieges ins Ausland abgesetzt haben, weil sie nicht bereit sind, ihren Kopf für ihr Land hinzuhalten. Allein dieses Thema dementiert das Bild, das alle Medien von der ukrainischen Bevölkerung gemalt haben: ein ganzes Volk ständig voller Kampfesmut und Kampfbereitschaft. Ein Bild, an dem die SZ munter mit gemalt hat. Geflohen waren demnach nur Frauen und Kinder, die als Opfer russischer Aggression unsere Hilfsbereitschaft verdient haben. Wenn nun festgestellt wird, dass sich auch unter den Geflohenen Männer befinden, die eigentlich an die Front gehören und sich einer Zwangsverpflichtung entzogen haben, dann wirft das für einen moralisierenden Journalisten Fragen auf, zum Beispiel, ob diese Männer nicht als Kriegsdienstverweigerer gelten könnten: „Wer Pazifist ist oder auch aus anderen religiösen Gründen keine Waffe in die Hand nehmen mag, verdient Achtung. Den lassen wir in Ruhe. Den zwingen wir nicht. So steht es in Artikel 12a der Verfassung. Sollte das jetzt auch für Ukrainer gelten? Das ist keine bloss theoretische Frage, sondern zunehmend eine praktische.“ (R.S.)…“ Kommentar von Suitbert Cechura vom 21. September 2023 beim untergrund-blättle.ch
- „Sag mir, wo die Männer sind“: Die Sorgen einer kriegführenden Nation
- Russland: Mehr als 250.000 flüchten vor Einsatz im Krieg – Russische Organisationen rufen zu Schutz und Asyl für alle Verweigerer auf
- Aufruf zu Solidaritätsaktionen und Protest-eMails an die ukrainische Regierung: Stellen Sie das Verfahren gegen den Pazifisten Yurii Sheliazhenko ein!
„Yurii Sheliazhenko, Kriegsdienstverweigerer, Pazifist, Menschenrechtsaktivist und Exekutivsekretär der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung , wurde am 15. August in Kyiv unter teilweisen Hausarrest gestellt, da ihm vorgeworfen wird, „die russische Aggression zu rechtfertigen“. Als einziger „Beweis“ für diese Anschuldigung wurde eine Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung vorgelegt, die auf dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 angenommen wurde und den Titel „Friedensagenda für die Ukraine und die Welt“ trägt. Diese Erklärung verurteilt ausdrücklich die russische Aggression.
Senden Sie eine eMail zur Unterstützung von Yurii an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, indem Sie diese Briefvorlage verwenden.
Yurii Sheliazhenko ist ein politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine aufrichtigen pazifistischen Ansichten geäußert hat. Er sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen und alle Anklagen gegen ihn sollten fallen gelassen werden. Die ukrainischen Behörden sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und das harte Vorgehen gegen Yurii Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung einstellen, welche ihre wachsende Intoleranz gegenüber Andersdenkenden offenbart.
Solidarität
Yuriis erster Prozess nach seinem teilweisen Hausarrest findet am Mittwoch, den 20. September statt. Internationale Solidarität ist entscheidend für ihn. Unterstützen Sie Yurii:
– Senden Sie eine Protest-eMail an den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskyy an die folgende eMail-Adresse: letter@apu.gov.ua.
– Kopieren Sie diesen Text in eine neue eMail. Am Ende des Textes fügen Sie anschließend Ihren Namen und Nachnamen hinzu (und Ihre Organisation, falls Sie einer Organisation angehören) und klicken Sie auf die Schaltfläche „Senden“. Bitte schreiben Sie „Stop the proceedings against Yurii Sheliazhenko“ in die Betreffzeile Ihrer eMail und senden Sie eine Kopie Ihrer eMail an office@Connection-eV.org.
– Organisieren Sie Solidaritätsaktionen vor der ukrainischen Botschaft in Ihrem Land…“ Aufruf vom 15. September 2023 bei Connection von War Resisters’ International (WRI), das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), Connection e.V. und dem Internationalen Versöhnungsbund (IFOR) – siehe erste Infos zum Fall hier weiter unten - Die Ukraine hat 20.000 Wehrpflichtige an der Flucht gehindert
„Ukrainische Grenzschützer gehen resolut gegen Fahnenflucht vor. Präsident Selenskyj will nach einem Truppenbesuch Forderungen seiner Soldaten nach besserer Ausrüstung erfüllen. Das deutsche Luftabwehrsystem Iris-T arbeitet hocheffektiv. Der Überblick…“ Beitrag vom 06.09.2023 in der FAZ – leider hinter Paywall - Antikriegstag: Es braucht besseren Schutz für russische Kriegsdienstverweiger*innen – Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht – überall und auch im Krieg
„Russ*innen, die sich einem Militärdienst im Ukraine-Krieg entziehen, sollten ohne Wenn und Aber in Deutschland Zugang zu Schutz erhalten – dies ist bisher nicht der Fall. Zum Antikriegstag am 1. September fordern Connection e.V., die Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) und PRO ASYL von der Bundesregierung und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Verbesserungen ein.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilte vor zwei Wochen gegenüber der Deutschen Welle mit, dass seit Beginn des Ukraine-Krieges in Deutschland bisher nur 83 russischen Flüchtlingen im wehrpflichtigen Alter Schutz gewährt wurde. Das sind gerade einmal knapp 38 Prozent von insgesamt 221 inhaltlich entschiedenen Anträgen aus der Gruppe von russischen Männern im Alter von 18 bis 45 Jahre. 138 Anträge wurden abgelehnt.* Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum 24. Februar 2022 bis 31. Juli 2023.
Den Kenntnissen von Connection, EAK und PRO ASYL zufolge, erfolgten die Ablehnungen vor allem bei Asylsuchenden, die zwar vor ihrer wahrscheinlichen Einberufung geflohen sind, aber noch keine Einberufung erhalten hatten. Nach Auskunft des Innenministeriums vom 11. Mai 2022 sollen Deserteur*innen vor allem nur dann Flüchtlingsschutz erhalten, wenn sie ihre Desertion nachweisen können, weil diese „als aktives Bekunden gegen die Kriegführung als Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung gewertet“ werde. (…) „Seit vielen Monaten wird vom Innenministerium und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf hingewiesen dass eine Regelung für Militärdienstentziehende kommen soll“, so Rudi Friedrich von Connection e.V. „Währenddessen aber geht die Praxis weiter, sie in ihren Asylverfahren abzulehnen. Hier werden Fakten zum Nachteil der Geflüchteten geschaffen, statt anzuerkennen, dass sie sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entzogen haben und daher Flüchtlingsschutz erhalten sollten.“
Es braucht sichere Fluchtwege für russische Kriegsdienstverweiger*innen
Die Organisationen mahnen zudem an, dass es keine sicheren Einreisewege für russische Militärdienstentziehende und Kriegsdienstverweiger*innen nach Deutschland gibt. Die derzeitigen Regelungen für eine Visavergabe hindern viele daran, sichere Länder zu erreichen…“ Pressemitteilung von Connection e.V., PRO ASYL und EAK vom 31.8.2023 - Pazifismus ist kein Verbrechen: Proteste und Petitionen gegen Razzia und Verhaftung des Pazifisten Yurij Sheliazhenko durch den ukrainischen Sicherheitsdienst
- Ukraine: Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko zu Hausarrest verurteilt
„Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. verurteilen auf das Schärfste die Verurteilung von Yurii Sheliazhenko, einem bekannten Kriegsdienstverweigerer, Pazifist und Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Der Menschenrechtsverteidiger und Anwalt wurde am 15. August 2023 vom Solomyanskyi Bezirksgericht in Kiew unter teilweisen Hausarrest gestellt.
Yurii Sheliazhenko ist ein politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine aufrichtigen pazifistischen Ansichten geäußert hat. Er sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen, alle Anklagen gegen ihn sollten fallen gelassen werden. Die ukrainischen Behörden sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und das harte Vorgehen gegen Yurii Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung einstellen.
Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus in demokratischen Staaten kein Verbrechen ist. (…) Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen Yurii Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung. Wir verurteilen ebenso scharf alle Fälle von Zwangsrekrutierung und sogar Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen in Russland, Belarus, der Ukraine und anderswo…“ Pressemitteilung vom 18.8.2023 bei Connection e.V. - Wir protestieren gegen die rechtswidrige Durchsuchung und die Beschlagnahme der Wohnung von Yurij Sheliazhenko in Kiew
„Heute wurde in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko eingebrochen – offenbar durch den nationalen Sicherheitsdienst der Ukraine. Yurii Sheliazhenko, PhD, ist Mitglied des Vorstandes von World BEYOND War. Er wohnt in Kiew in der Ukraine. Yurii ist Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, Vorstandsmitglied des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung und Ratsmitglied des Internationalen Friedensbüros. Er schloss 2021 einen Master of Mediation and Conflict Management ab, nachdem er bereits 2016 einen Master of Laws an der KROK-Universität in Kiew erworben hatte. Neben seinem Engagement in der Friedensbewegung ist er Journalist, Blogger, Menschenrechtsverteidiger, Rechtswissenschaftler, Autor wissenschaftlicher Publikationen und Dozent für Rechtstheorie und Rechtsgeschichte. Außerdem moderierte er Online-Kurse von World BEYOND War. Yurii ist Preisträger des Sean-MacBride-Friedenspreises 2022 des Internationalen Friedensbüros. Yurii und die Ukrainische Pazifistische Bewegung haben sich stets gegen beide Seiten des aktuellen Krieges gestellt. Nun werden sie offenbar beschuldigt, die russische Seite zu unterstützen. Es ist sehr üblich, dass Kriegsbefürworter die Möglichkeit leugnen, gegen beide Seiten eines Krieges zu sein, und daraus fälschlicherweise schließen, dass jeder, der dies tut, in Wirklichkeit die Seite unterstützt, die der entsprechende Kriegsbefürworter ablehnt. Sie werden jedoch keine tatsächlichen Beweise dafür finden, dass Yurii je eine der beiden Seiten unterstützt hat. Wir fordern, dass Yuriis Rechte auf Kriegsdienstverweigerung und freie Meinungsäußerung von einer Nation respektiert werden, die behauptet, einen Krieg für Demokratie und Menschenrechte zu führen…“ Protest von World BEYOND War vom 3. August 2023 bei Connection e.V. mit Link zu einer Solidaritätspetition - Siehe auch die engl. Petition von World Beyond War : Tell the Ukrainian Government to Drop Prosecution of Peace Activist Yurii Sheliazhenko
- An die ukrainische Regierung: Lassen Sie die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen – Pazifismus ist kein Verbrechen
„Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. (Deutschland) verurteilen aufs Schärfste die Tatsache, dass Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, von der ukrainischen Regierung formell des Verbrechens der „Rechtfertigung der russischen Aggression“ angeklagt wurde. Als einziger „Beweis“ wird dafür die Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung angeführt, die auf dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 mit dem Titel „Friedensagenda für die Ukraine und die Welt“ beschlossen wurde. Darüber hinaus wird in der Erklärung die russische Aggression ausdrücklich verurteilt (…) Wir sind alle schockiert darüber, dass der ukrainische Sicherheitsdienst am 3. August 2023 in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko eingebrochen ist und eine illegale Durchsuchung durchführte. (…) Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus kein Verbrechen ist. Wir fordern, dass die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko unverzüglich fallen gelassen wird und dass die Menschenrechte in vollem Umfang geschützt werden, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit innewohnt, das unter anderem in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird und das auch in Zeiten des öffentlichen Notstands nicht außer Kraft gesetzt werden kann, wie in Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR festgelegt. Yurii Sheliazhenko ist ein bekannter Kriegsdienstverweigerer, Pazifist, Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwalt. Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen ihn und die Ukrainische Pazifistische Bewegung sowie alle Fälle von Zwangsrekrutierung und Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen…“ Stellungnahme von Connection e.V., EBCO, WRI und Internationaler Versöhnungsbund (IFOR) vom 5. August 2023 - „Friedensorganisationen protestieren gegen die Verfolgung von Yurii @Sheliazhenko, der nach einer Wohnungsdurchsuchung wohl vom ukrainischen Geheimdienst verhaftet wurde. Yurii ist Sekretär des Ukrainian Pacifist Movement & setzt sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein…“ Thread von IPPNW Germany vom 4. Aug. 2023
- zur Petition von World Beyond War : „Tell the Ukrainian Government to Drop Prosecution of Peace Activist Yurii Sheliazhenko“
- und Offenem Brief des European Bureau for Conscientious Objection (engl.)
- Ukraine: Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko zu Hausarrest verurteilt
- EU-Abgeordnete fordern EU-Schutz für russische Kriegsdienstverweigerer
„EU-Abgeordnete mehrerer Parteien fordern von der EU-Kommission mehr Einsatz für russische Kriegsdienstverweigerer. »Wir sind der Ansicht, dass es die Pflicht der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten ist, russische Kriegsdienstverweigerer zu schützen und ihnen Asyl zu gewähren«, schrieben Parlamentarier von SPD, Liberalen, Linken und Grünen am Montag in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und den Außenbeauftragten Josep Borrell. Man rufe zu Beratungen über die gemeinsame Visumpolitik auf, um die Leitlinien und Asylverfahren entsprechend anzupassen. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören auch die deutschen Abgeordneten Udo Bullmann, Dietmar Köster und Matthias Ecke von der SPD, Cornelia Ernst von der Linkspartei sowie Hannah Neumann und Erik Marquardt von Bündnis 90/Die Grünen.“ Online Extra vom 24.07.2023 in der jungen Welt - Russland: Bewegung für Kriegsdienstverweigerung offiziell als „ausländischer Agent“ eingestuft
„Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. (Deutschland) verurteilen aufs Schärfste die Einstufung der russischen Bewegung für Kriegsdienstverweigerung als „ausländischer Agent“. Dieser Beschluss wurde am 23. Juni 2023 gefasst. Die Maßnahme ist eine weitere offenkundige Menschenrechtsverletzung und eine grundlegend diskriminierende Entscheidung, die den allgemein anerkannten Menschenrechten und Freiheiten widerspricht.
Das Justizministerium der Russischen Föderation beschuldigt die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, sie verbreite angeblich falsche Informationen über die Taten, Entscheidungen und die Politik der Regierung und stelle sich außerdem gegen die militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine. Für die derzeitige Regierung der Russischen Föderation sind diese Anschuldigungen ausreichend, um die Stigmatisierung der Organisation zu rechtfertigen.
Die vier Organisationen fordern Russland auf, die Stigmatisierung von Menschenrechtsorganisationen und Menschenrechtsverteidiger*innen zu beenden und all die Hunderte von Soldaten und Einberufenen, die sich dem Krieg verweigern und rechtswidrig inhaftiert oder sogar misshandelt werden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist Teil des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert ist und das auch in Zeiten des öffentlichen Notstands nicht angetastet werden darf, wie in Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR festgelegt. Kriegsdienstverweigerung ist ein konkreter Beitrag zum Frieden; daher ist der Schutz dieses Menschenrechts gerade in Kriegszeiten umso wichtiger.
Trotz dieser zunehmenden Bedrohungen setzt sich die russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung weiterhin für diejenigen ein, die sich dem Krieg und einer zwangsweisen Einberufung widersetzen. In einer Stellungnahme schreibt sie: „Wir möchten versichern, dass die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung dem eigenen Auftrag weiter treu bleibt. Wir stehen fest zu unseren Grundsätzen und Werten und klären Menschen über ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung auf.“ Sie unterstreicht, wie wichtig es ist, in diesen schwierigen Zeiten weiterhin Unterstützung zu leisten, durch Bewusstseinsbildung, Netzwerkarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Spenden (https://stoparmy.org/en ).
Die vier Organisationen verurteilen die russische Invasion in der Ukraine aufs Schärfste und fordern Russland als auch die Ukraine auf, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu schützen und dabei die europäischen und internationalen Standards, unter anderem die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in vollem Umfang einzuhalten. Die vier Organisationen prangern auch alle Fälle von Zwangsrekrutierung und gewaltsamer Rekrutierung für die Armeen beider Seiten an sowie alle Fälle von Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern, Deserteur*innen und gewaltlosen Kriegsgegner*innen…“ Meldung vom 30.06.2023 von Connection e.V., EBCO, WRI und Internationaler Versöhnungsbund (IFOR) - 30 Organisationen rufen am 15. Mai zu Aktionswochen auf – für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine
- „Für den 15. Mai 2023, den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, rufen 30 Organisationen aus Europa zu Aktionswochen zum Schutz für all diejenigen auf, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Eine zentrale Aktion mit öffentlichkeitswirksamer Performance gibt es am 15. Mai 2023, 11 Uhr, vor der Europäischen Kommission in Berlin, Unter den Linden 78. Im Rahmen dieser Aktion werden über 34.000 Unterschriften an die Europäische Kommission übergeben. Es gibt mehr als 150.000 russische Militärdienstpflichtige und Deserteure, die den Angriffskrieg ablehnen. Schätzungsweise 22.000 belarussische Militärdienstpflichtige haben ihr Land verlassen, weil sie sich nicht am Krieg in der Ukraine beteiligen wollen. Sie alle müssen wegen ihrer Haltung gegen den Krieg eine mehrjährige Verfolgung befürchten. Sie hoffen auf Schutz in den Zufluchtsländern. „Angesichts des Krieges in der Ukraine brauchen wir eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und der europäischen Institutionen“, so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V., „dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland Flüchtlingsschutz garantiert wird. In bisherigen Asylverfahren werden die Betroffenen nach wie vor abgelehnt, ein unzumutbarer Zustand. Ein echter Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern, ist schon lange überfällig.“ Pressemitteilung von Connection e.V. vom 24. April 2023 („30 Organisationen rufen zum 15. Mai zu Aktionswochen auf“), siehe dazu:
- Mai 2023, internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung: Aktionswochen bis zum 21. Mai samt e-mail-Aktion und Petition für Schutz und Asyl für alle aus Russland, Belarus und der Ukraine, die den Kriegsdienst verweigern
- Senden Sie ein eMail an führende Politiker*innen der Europäischen Union!
- Mitte Mai 2023 werden Friedensorganisationen aus ganz Europa der EU-Kommission eine Petition übergeben, damit Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine Schutz und Asyl erhalten. Bislang konnten über 34.000 Unterschriften dafür gesammelt werden. Diese Unterschriften sollen in einer öffentlichkeitswirksamen Aktionen am 15. Mai in Berlin übergeben werden.
- Um mehr Druck zu erzeugen, brauchen wir auch Ihre Hilfe. Senden Sie schon vorab eMails an Ursula von der Leyen, an Roberta Metsola und Charles Michel. Sie sind dafür verantwortlich, auf Ebene der Europäischen Union Regelungen umzusetzen, damit Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine sichere Wege erhalten, damit sie vor Verfolgung, Inhaftierung und der Rekrutierung zum Krieg geschützt werden. Wir haben dafür bereits ein eMail vorbereitet, das Sie einfach über das Formular https://de.connection-ev.org/eMailAktion-form absenden können.
- Mehr und aktuelle Informationen auf der Kampagnenseite von Connection
- Russische Deserteure erhalten noch immer kein Asyl in Deutschland
„… Kirill ist dem Krieg in der Ukraine gerade noch so entkommen. Wenige Tage, bevor der 21-Jährige den Einberufungsbescheid in die russische Armee bekam, obwohl er nie gedient hatte, verließ er seine Heimatstadt St. Petersburg und floh über Finnland nach Berlin. »Am Flughafen bin ich zu den Polizisten gegangen und habe ›Asyl‹ gesagt, dann erst ›Guten Tag‹«, erzählt Kirill. Viele seiner Freunde haben es dagegen nicht geschafft und befinden sich momentan in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk oder auf der Krim. Der Kontakt mit ihnen ist schwierig, aber wenn es doch einmal Nachrichten gibt, dann keine guten, sagt Kirill. Kirill ist einer von 2851 Russen, die nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr in Deutschland Asyl beantragt haben. Von Januar bis April 2023 erreichten das BAMF bereits 2946 Asylgesuche. Eine verschwindend geringe Zahl angesichts der Massen, die Russland nach Kriegsbeginn und insbesondere nach Beginn der Mobilisierung im vergangenen September verlassen haben und seitdem überwiegend in den Nachbarländern ausharren. Denn anders als ukrainische Kriegsdienstverweigerer erhalten Russen keinen automatischen Schutz in der Europäischen Union. (…) Das will Rudi Friedrich vom Offenbacher Verein Connection e.V. ändern. Er setzt sich seit längerem dafür ein, Deserteuren aus Russland und auch Belarus in Deutschland Asyl zu gewähren. Am Montag übergab er deshalb mit Mitstreitern in Berlin fast 50 000 Unterschriften an die Europäische Kommission. Es wäre einfach, russischen Kriegsdienstverweigerern dieselben humanitären Visa auszustellen, wie sie etwa Aktivisten bekommen, sagt Maria von der Bewegung der Kriegsdienstverweigerer, die sich seit 2014 für Männer einsetzt, die nicht in die Armee wollen. Das wäre ein außerordentlich wichtiges Signal an russische Kriegsdienstverweigerer. (…) Doch schon im September 2022 gab es laute Stimmen, russischen Männern die Tür vor der Nase zuzuknallen. Im Deutschlandradio nannte der Geschäftsführer der Bündnisgrünen, Omid Nouripour, alle russischen Männer geschichtsvergessen »KGB-Agenten« und begrub die humanistische Außenpolitik seiner Partei endgültig. Vor einem Monat legte CDU-Hardliner Roderich Kiesewetter in einem Deutsche-Welle-Interview noch einmal nach. Deutschland dürfe keine Kriegsdienstverweigerer aufnehmen, da Putin die Visa zum Einschleusen von Agenten nutzen würde, so der Bundestagsabgeordnete. Dass die Botschaft in Moskau kaum noch Visa ausstelle, findet Kiesewetter »absolut richtig«. Tatsächlich ist es für russische Männer nahezu unmöglich, ein deutsches Visum zu bekommen. Das deutsche Konsulat in Moskau begründet die Ablehnung mit Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft, da sie mobilisiert werden könnten. Ein entsprechendes Schreiben liegt »nd« vor. (…) Kirill, Oleg und Pawel sind mit französischen und finnischen Visa nach Deutschland gekommen. In Berlin haben sie bis Anfang 2024 eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Wie es um ihre Asylanträge steht, wissen sie nicht. Gemäß Dublin-Verfahren müsste Kirill eigentlich nach Frankreich und Oleg nach Finnland, doch da will der 28-Jährige nicht hin. Die Stimmung sei dort ziemlich aufgeheizt, sagt er. Außerdem ist Russland zu nah und eine Abschiebung daher sehr leicht. »Die müssen mich einfach nur über den Zaun werfen, das war’s«, meint er. In Finnland selbst warten momentan 1109 Russen auf ihr Asylverfahren, gab die Migrationsbehörde Migri am Donnerstag bekannt. Eine Entscheidung habe man noch nicht treffen können, sagte die Leiterin der Einwanderungsbehörde, Sanna Sutter, weil man die Anweisungen der EU abwarten will. Die kann aber noch dauern. Auch Rudi Friedrich glaubt nicht, dass sich in Brüssel schnell etwas tun wird.“ Artikel von Daniel Säwert vom 19. Mai 2023 in Neues Deutschland online - Auf welcher Seite auch immer … Menschen töten will ich nicht
Vierseitige Beilage in der Wochenzeitung „der Freitag“ und in der „graswurzelrevolution“ auch bei Connection e.V. - Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Urkaine ausgesetzt
„… Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und die Grenze für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Mehr als 170.000 Männer haben sich der Kriegsbeteiligung in der Ukraine entzogen und sind ins Ausland geflohen. Derzeit haben ukrainische Staatsbürger einen befristeten Aufenthalt in der Europäischen Union. In der Ukraine wurden bereits mehrere Kriegsdienstverweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Michi von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ergänzt: „Wir erleben, dass in der Ukraine Woche für Woche Kriegsdienstverweigerer vor Gericht stehen. Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss aber für alle jederzeit Gültigkeit haben, gerade auch im Krieg.“ Mehr als 1.100 Personen haben im vergangenen Jahr laut Bundesverteidigungsministerium auch in Deutschland einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, Soldatinnen und Soldaten, Reservisten und junge Menschen, die nicht in der Bundeswehr sind. 2021 waren es etwas mehr als 200. „Das spiegelt die große Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg wider“, so Wolfgang M. Burggraf, Geschäftsführer der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK). Hier sei die Sorge vor einer Ausweitung des Krieges spürbar…“ Pressemitteilung von Connection e.V. vom 24. April 2023 (per e-Mail)
- Mai 2023, internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung: Aktionswochen bis zum 21. Mai samt e-mail-Aktion und Petition für Schutz und Asyl für alle aus Russland, Belarus und der Ukraine, die den Kriegsdienst verweigern
- „Für den 15. Mai 2023, den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, rufen 30 Organisationen aus Europa zu Aktionswochen zum Schutz für all diejenigen auf, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Eine zentrale Aktion mit öffentlichkeitswirksamer Performance gibt es am 15. Mai 2023, 11 Uhr, vor der Europäischen Kommission in Berlin, Unter den Linden 78. Im Rahmen dieser Aktion werden über 34.000 Unterschriften an die Europäische Kommission übergeben. Es gibt mehr als 150.000 russische Militärdienstpflichtige und Deserteure, die den Angriffskrieg ablehnen. Schätzungsweise 22.000 belarussische Militärdienstpflichtige haben ihr Land verlassen, weil sie sich nicht am Krieg in der Ukraine beteiligen wollen. Sie alle müssen wegen ihrer Haltung gegen den Krieg eine mehrjährige Verfolgung befürchten. Sie hoffen auf Schutz in den Zufluchtsländern. „Angesichts des Krieges in der Ukraine brauchen wir eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und der europäischen Institutionen“, so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V., „dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland Flüchtlingsschutz garantiert wird. In bisherigen Asylverfahren werden die Betroffenen nach wie vor abgelehnt, ein unzumutbarer Zustand. Ein echter Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern, ist schon lange überfällig.“ Pressemitteilung von Connection e.V. vom 24. April 2023 („30 Organisationen rufen zum 15. Mai zu Aktionswochen auf“), siehe dazu:
- Kein Asyl – zynischer Umgang mit Wehrdienstflüchtigen aus Russland
- Kein Asyl – zynischer Umgang mit Wehrdienstflüchtigen aus Russland
„Eine unblutige Möglichkeit, die russischen Truppen in der Ukraine zu schwächen, wird nicht genutzt. Kritik an „doppeltem Spiel“ deutscher Behörden. Regierungsparteien versprachen anderes.
Solidarität mit der Ukraine ist offiziell das Gebot der Stunde. Vor allem Kritik an Waffenlieferungen an das Land wird oft als Mangel an Solidarität oder sogar als Unterstützung der russischen Invasion dargestellt. An einer unblutigen Möglichkeit, die russische Kriegsmaschinerie zu schwächen, haben deutsche Behörden aber scheinbar kein Interesse. Das zeigt der Umgang mit russischen Asylsuchenden, die sich der Einberufung an die Front entziehen wollen. Nach Informationen von Connection e.V., einer internationalen Organisation zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern, lehnt das Bundesamt für Migration russische Asylsuchende mit der Begründung ab, dass deren Rekrutierung „nicht beachtlich“ wahrscheinlich sei – eine deutsche Botschaft lehne dagegen Visumsanträge junger russischer Männer ab, weil sie zu dem Personenkreis gehören, „der in Russland potentiell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist“. Deshalb liege in absehbarer Zeit keine Rückkehrbereitschaft vor, heißt es dann zur Begründung. Im Klartext: Wer tatsächlich damit rechnen muss, in den Krieg geschickt zu werden, den werden wir so schnell nicht wieder los, er soll also gar nicht erst kommen. (…) Der Umgang mit ihnen entspricht eher dem Wunsch des damaligen ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk, der im vergangenen Jahr Asyl für junge Russen, die sich dem Militärdienst entziehen, als „falschen Ansatz“ bezeichnet hatte. In einem Tweet hatte er gefordert, sie sollten lieber das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin stürzen, „anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen“. Diesen Umsturz stellt sich Melnyk wohl etwas einfacher vor, als er in Ermangelung einer Organisation, die alle Kriegsunwilligen vereint, tatsächlich ist; und deren Vernetzungsarbeit wird durch Repression behindert, sofern sie überhaupt gemeinsame Vorstellungen vom „Wie weiter“ hätten. Stattdessen gab es bereits Suizide junger Russen, die keine bessere Möglichkeit sahen, sich dem Töten und der Knochenmühle an der Front zu entziehen. Der russische Rapper Ivan Petunin wollte damit im Herbst des vergangenen Jahres wohl auch ein Zeichen setzen: „Ich möchte für immer in die Geschichte eingehen, als ein Mann, der das Geschehen nicht unterstützt hat“, hatte der 27-Jährige laut einem Bericht des Portals Hiphop.de in seinem Abschiedsvideo erklärt. Vor der Teilmobilmachung flohen damals laut deutschen Medienberichten rund 700.000 Russen, zum Teil in arme Nachbarländer und perspektivlose Situationen…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 19. April 2023 in Telepolis , siehe auch: - Asylsuchende aus Russland: Mobilmachung als Fluchtgrund. Die Zahl russischer Asylsuchender in Deutschland steigt. Tun die Behörden hierzulande genug, um deren Einberufung zu verhindern?
Als vor mehr als einem Jahr Russlands Angriffskrieg begann, sind in der Folge vor allem Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Doch inzwischen steigt hierzulande auch die Zahl russischer Asylsuchender. Unter den fast 81.000 Erstanträgen auf Asyl, die von Januar bis März gestellt wurden, machen die 2.381 russischen Staatsbürger*innen zwar nur einen kleinen Teil aus. Doch ist die Zahl schon jetzt beinahe so hoch wie im gesamten Jahr 2022 (…) So habe es einen deutlichen Anstieg in der Altersgruppe der 19- bis 30-jährigen Männer und Frauen aus Russland gegeben, ebenso sei der Anteil männlicher Asylsuchender aus Russland von 59 auf 64 Prozent gestiegen. Die Behörde führt die Zunahme auf Moskaus Mobilmachung im Krieg gegen die Ukraine zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatten ebenso wie viele andere deutsche Politiker*innen im vergangenen Jahr betont, jenen helfen zu wollen, die nicht in Russlands Krieg kämpfen wollen. Entsprechend erklärte das Bundesinnenministerium (BMI): „Deserteure, die sich an Putins Krieg nicht beteiligen wollen“, erhielten „im Regelfall internationalen Schutz“. Deutlich schwieriger aber ist die Situation für Militärdienstentzieher, die nicht als Soldat fliehen, sondern nach Erhalt ihrer Einberufung – oder sogar davor, aus Sorge, danach das Land nicht mehr verlassen zu können. Im Dezember erklärte das BMI auf taz-Anfrage, für diese Personengruppe überprüfe das Bamf derzeit die Entscheidungspraxis. Diese Prüfung dauere noch immer an, erklärte das Bamf auf Nachfrage. (…) Tatsächlich sind die Aussichten auf Asyl für russische Staatsangehörige gestiegen – auf geringem Niveau. Demnach bekamen 2023 bislang rund 27 Prozent der russischen Asylsuchenden Schutz. Im Vorjahr waren es rund 18 Prozent. Das zeigt die bereinigte Schutzquote, die nur jene Asylgesuche berücksichtigt, bei denen der Antrag inhaltlich geprüft wurde. Gelöst ist das Problem der Kriegsdienstentzieher aber nicht. So berichtet der Verein Connection vom Fall eines Russen, dessen Asylantrag Ende Januar abgelehnt wurde. Es sei „nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller gegen seinen Willen zwangsweise zu den Streitkräften eingezogen würde“, zitiert der Verein, der Kriegsdienstverweigerer weltweit unterstützt, aus dem Bescheid. Der Mann sei über 40 Jahre alt, Russland berufe aber Männer bis 27 Jahre ein. Connection weist jedoch darauf hin, dass seit einer Gesetzesänderung vom Mai 2022 auch Männer bis 65 eingezogen würden. Zudem berichtet der Verein vom Fall eines Russen, dessen Antrag auf ein Visum von einer deutschen Botschaft abgelehnt wurde. Er gehöre zu dem Personenkreis, „der in Russland potentiell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist“, daher sei seine „Rückkehrbereitschaft“ gering. „Die einen sagen, es drohe keine Rekrutierung, die anderen erklären, es drohe eine Rekrutierung“, kritisiert Rudi Friedrich von Connection. Und alles nur mit dem Ziel, russische Kriegsdienstverweigerer „außer Landes zu halten“.“ Artikel von Dinah Riese vom 19.4.2023 in der taz online
- Kein Asyl – zynischer Umgang mit Wehrdienstflüchtigen aus Russland
- Neuer Flyer zum Ostermarsch: #ObjectWarCampaign zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Russland, Belarus und der Ukraine Der Kampagnenflyer im Format DIN 6 lang aktualisiert und neu gestaltet, mit Informationen zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Russland, Belarus und der Ukraine und zur Frage des Asyls. Ergänzt wird dies durch eine kurze Übersicht über die derzeitigen Aktivitäten der #ObjectWarCampaign. Der Flyer kann kostenfrei bestellt werden über https://de.Connection-eV.org/shop . Eine Ansicht ist möglich über https://de.connection-ev.org/pdfs/flyer-get-out2023.pdf – siehe auch:
- Für welche Seite auch imm … Menschen töten will ich nicht
„Für welche Seite auch immer … Menschen töten will ich nicht“ Auf sechs Seiten A4 stellen wir die Kampagne vor, präsentieren Interviews von Verweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine und stellen die Arbeit des Europäischen Netzwerkes vor. Auch ein Aufruf für die Unterschriftensammlung ist dabei. Das Leporello kann kostenfrei bestellt werden über https://de.Connection-eV.org/shop . Eine Ansicht ist möglich über https://de.connection-ev.org/pdfs/2022-12-02_BeilageWeb.pdf - Unterschriftensammlung Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer
Bis Mai läuft noch die Unterschriftensammlung „Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer“, die inzwischen über 33.000 Unterschriften erhalten. hat. Eine Vorlage für die Unterschriftensammlung kann eingesehen und heruntergeladen werden unter https://de.Connection-eV.org/pdfs/ObjectWarCampaign-de.pdf
- Für welche Seite auch imm … Menschen töten will ich nicht
- Ein Jahr Ukraine-Krieg: Wer die Waffen niederlegt, braucht legalen Weg zu Asyl
„Auch nach einem Jahr des verbrecherischen Angriffskrieges durch Russland auf die Ukraine gibt es für Menschen, die das Kämpfen und Töten in dem Krieg verweigern, keine legalen Zugangswege zu Asyl in Europa und Deutschland. PRO ASYL und Connection e.V. fordern deutsche Politiker*innen auf, ihren vollmundigen Versprechungen Taten folgen zu lassen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine versuchen sich Hunderttausende Menschen einer Beteiligung an diesem Krieg zu entziehen. Nach aktuellen Schätzungen von Connection e.V. haben mittlerweile 150.000 militärdienstpflichtige Männer Russland verlassen, wegen der restriktiven Visapolitik der Länder im Schengen-Raum vor allem in die Nachbarstaaten. Bei Belarus geht die Organisation von 22.000 und bei der Ukraine von 175.000 Männern aus, die das Land verlassen haben.
Prekäre Situation für Kriegsdienstverweigerer und Militärdienstentzieher
PRO ASYL und Connection e.V. kritisieren, dass für Menschen, die sich in Russland oder Belarus dem Krieg entziehen, bis heute keine legalen Zugangswege zum Recht auf Asyl geschaffen wurde. Weder wurden mehr humanitäre Visa für solche Menschen erteilt, noch wurden die Grenzen geöffnet, wie dies für fliehende Ukrainer*innen der Fall war, noch ist eine Änderung der BAMF-Entscheidungspraxis bei Asylanträgen von Russen erkennbar. Connection e.V. und PRO ASYL sind bis dato keine BAMF-Bescheide bekannt, in denen Russen, die vor einem Kriegsdienst geflohen sind, Schutz zuerkannt wurde. Stattdessen liegt ihnen ein negativer BAMF-Bescheid eines russischen Militärdienstentziehers von Ende Januar 2023 (also bereits nach der Ankündigung einer Teilmobilmachung in Russland) vor. In diesem Bescheid wird einem Mann, der sich der Rekrutierung in Russland entzogen hatte, sein Schutzbegehren mit dem unverständlichen Argument abgelehnt, dass nicht davon auszugehen sei, dass er im Rahmen einer Mobilmachung zu den Streitkräften eingezogen würde. Diese Einschätzung verkennt völlig die derzeitige reale Gefahr für alle wehrfähigen Männer in Russland, als Akteur in den Krieg einberufen zu werden. Die Zahl russischer Militärdienstpflichtiger, die in Deutschland Asyl beantragt haben, ist zwar gestiegen, ist aber mit schätzungsweise 600 Asylerstanträgen in dem Zeitraum März bis Dezember 2022 immer noch auf einem niedrigen Niveau. Grund dafür ist, dass die meisten keinen sicheren Fluchtweg in die Europäische Union und nach Deutschland sehen. Die Situation für geflohene Russen und Belarussen in Staaten wie Kasachstan, Georgien, Armenien, Türkei oder Serbien aber ist zum Teil prekär. Die Türkei – und seit Ende Januar auch Kasachstan – gewährt russischen Staatsbürger*innen nur einen begrenzten Aufenthaltsstatus von drei Monaten, der nicht beliebig verlängerbar ist. Ihnen droht eine Abschiebung zurück nach Russland. PRO ASYL und Connection e.V. schließen sich daher der Forderung des Forum Menschenrechte an: „Für Kriegsdienstverweigerer dürfen die EU-Grenzen nicht verschlossen sein.“ Eine zusätzliche Hürde stellt das Dublin-Abkommen dar, wonach das EU-Land für einen Asylantrag zuständig ist, über das der Flüchtling eingereist ist bzw. das ein Visum ausgestellt hat. Auch diesbezüglich liegt den Organisationen ein BAMF-Bescheid vor, mit dem ein russischer Militärdienstentzieher in Deutschland zur Ausreise nach Polen aufgefordert wird. Polen hingegen steht russischen Verweigerern sehr negativ gegenüber, so dass dem Betroffenen eine Kettenabschiebung nach Russland droht.
Worte, denen keine Taten folgen
Dabei wurde den sich dem Kriegsdienst entziehenden Menschen von deutschen Politiker*innen wiederholt Schutz und Asyl in Deutschland angeboten. In dem Bundestagsbeschluss zur Unterstützung der Ukraine vom 28.4.22 stand der Appell an russische Soldaten, die Waffen niederzulegen und der Hinweis, dass ihnen „der Weg ins deutsche und europäische Asylverfahren offensteht“. In einer Stellungnahme erklärt das Innenministerium im Mai 2022, dass „bei glaubhaft gemachter Desertion eines russischen Asylantragstellenden derzeit in der Regel von drohender Verfolgungshandlung für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation ausgegangen“ werde. Dieses Schutzversprechen gelte jedoch nicht für Militärdienstentzieher, die sich bereits einer Rekrutierung entzogen haben. Bundeskanzler Olaf Scholz: „Ich bin dafür, diesen Menschen [Russen, die die Einberufung zum Militär verweigern] Schutz anzubieten.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen.“ FDP-MdB Konstantin Kuhle: „Es wird vorkommen, dass jetzige oder ehemalige Angehörige des russischen Sicherheitsapparats oder staatlicher Behörden entscheiden, das Land zu verlassen. Diesen Menschen sollte die EU in Aussicht stellen, dass eine bevorzugte Bearbeitung ihrer Asylverfahren in Betracht kommt. Wer den Mut hat, sich in Russland gegen Putins Regime zu stellen, der muss Asyl in der Europäischen Union bekommen.“ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit Blick auf das deutsche Asylrecht: „Das zählt für jeden Bürger auf dieser Welt und das zählt natürlich auch für Russen, die um Leib und Leben Sorge haben.“ Es ginge jetzt darum, „das Asylrecht hochzuhalten.“ Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen Irene Mihalic: „Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden.“
Wer sich einem Krieg entzieht, verdient Schutz
PRO ASYL und Connection e.V. fordern von der deutschen Bundesregierung, Möglichkeiten zu schaffen, Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer, Militärdienstentzieher und Deserteure zu garantieren. Dazu gehört:
Russische Staatsbürger*innen müssen auch von Ländern außerhalb Russlands, wo ihnen eine Abschiebung nach Russland droht, Anträge zur Aufnahme in die Europäische Union stellen können. Ihnen sollte der Weg zu humanitären Visa ermöglicht werden.
Öffnung der Grenzen! Eine Aufnahme Schutzsuchender kann nur gelingen, wenn die illegalen Pushbacks gestoppt werden und die Menschen Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhalten. Aber die derzeitigen Regelungen für eine Visavergabe hindern viele daran, sichere Länder zu erreichen.
Mit Blick auf Asyl oder einen anderen Aufenthaltsstatus müssen die EU-Länder nicht nur Kriterien für Deserteure entwickeln, sondern vor allem Lösungen für die größere Zahl der Militärdienstentzieher finden. Sie wären bei einer zwangsweisen Rückkehr nach Russland einer Rekrutierung für einen völkerrechtswidrigen Krieg unterworfen.
Die EU sollte ein Aufnahmeprogramm beschließen, damit diejenigen russischen Staatsbürger*innen, die sich unter großem Risiko von der Regierung ihres Landes abgewandt haben, Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung erhalten.
Ukrainische Kriegsdienstverweigerer, die in der Ukraine mehrjährige Haftstrafen befürchten müssen, verdienen ebenfalls die Unterstützung der EU und müssen Schutz erhalten. Die Ukraine ist aufzufordern, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen…“ Pressemitteilung von Pro Asyl und Connection e.V vom 24. Februar 2023 bei Connection - Bundesamt für Migration lehnt Asyl für russischen Verweigerer ab. Russland, Belarus, Ukraine: Wie steht es um den Schutz der Verweigerer?
„Ende Januar 2023 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag eines russischen Verweigerers ab, der sich einer möglichen Rekrutierung entzogen hatte, und schrieb in dem Bescheid: »Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller gegen seinen Willen zwangsweise zu den Streitkräften eingezogen würde.« Wie kann das sein? Noch im September 2022 gab es in Deutschland eine seltene parteiübergreifende Einigkeit , dass russische Militärdienstentzieher, Verweigerer und Deserteure geschützt werden sollen. Das BAMF aber schafft Fakten, lehnt einen Verweigerer ab und bezieht sich dabei auf längst überholte Argumente. Es stellt sich die Frage, wie viele derartige Bescheide vom Bundesamt für Migration ausgestellt wurden, die in so eklatanter Weise die Rechte der Antragsteller verletzen. (…) Ausführlich lautet die Begründung des Bundesamtes: »Allerdings ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller, ein (über 40-jähriger) Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der nach seinen Angaben keinen Wehrdienst abgeleistet hat und damit nicht über militärische Vorkenntnisse und auch sonst nicht über (militärisch relevante) Spezialkenntnisse verfügt, überhaupt gegen seinen Willen zwangsweise zu den Streitkräften eingezogen würde. Gemäß § 22 des föderalen Gesetzes ‚Über die Wehrpflicht und den Militärdienst‘ werden alle männlichen russischen Staatsangehörigen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren zur Stellung für den Pflichtdienst in der russischen Armee einberufen. Aus den vorliegenden Erkenntnismittel ergibt sich nicht, dass die Russische Föderation aus Anlass des Krieges mit der Ukraine über die genannte Altersgruppe hinaus im Rahmen einer Teil- oder Generalmobilmachung weitere Jahrgänge zu den Streitkräften einziehen würde oder eine solche Mobilmachung in absehbarer Zeit bevorstehen würde. Eine solche Mobilmachung wird auch sonst für unwahrscheinlich gehalten, insbesondere, da sie nicht mit dem russischen Narrativ einer nach Plan verlaufenden, begrenzten ‚Spezialoperation‘ zu vereinbaren und innenpolitisch kaum zu vermitteln wäre.« Dieser Bescheid erging im Januar 2023, also vier Monate nach der Verkündung der Teilmobilmachung in Russland. Auch die weitere Faktenlage wird von Organisationen, die sich seit vielen Jahren mit diesen Themen beschäftigen, ganz anders eingeschätzt. Der Internationale Versöhnungsbund führte Mitte Oktober 2022 in einer Expertise für die Vereinten Nationen aus: »In der Praxis werden Vorladungen an Wehrpflichtige ohne Unterschrift in den Briefkasten gesteckt. Das Datum des Erscheinens kann außerhalb der Einberufungsfristen angegeben werden. Und anstelle des spezifischen Zwecks des Aufrufs enthält die Vorladung die allgemeine Formulierung ,Klärung von Daten‘. Wenn ein Wehrpflichtiger in einer solchen Situation ein Militärkommissariat aufsucht, kann er sofort am Tag des Besuchs zum Militärdienst einberufen werden.« Formal, dem Gesetz nach, sind für Erfassung, für Musterung und die Einberufung amtliche, persönlich zugestellte, Schreiben notwendig. Der Wehrpflichtige muss den Empfang mit seiner Unterschrift bestätigen. Dieser formale Weg wird aber in Russland nicht mehr eingehalten. Anders als vom BAMF behauptet, ist eine Rekrutierung auch über das 27. Lebensjahr hinaus möglich. Am 25. Mai 2022 verabschiedete die Duma ein Gesetz , womit auch Männer bis zu 65 Jahren zur Armee eingezogen werden können. (…) Die Praxis des BAMF entspricht nicht der dramatischen und lebensbedrohlichen Situation, in der sich die Schutzsuchenden befinden. Mit Blick auf die aktuellen Fluchtbewegungen aus Russland, Belarus und der Ukraine fordern PRO ASYL und Connection e.V. deshalb: Russische Staatsbürger*innen sollten auch von Ländern außerhalb Russlands Anträge zur Aufnahme in die Europäische Union stellen können. (…) Die Grenzen müssen geöffnet werden! Flüchtlinge müssen die Möglichkeit haben, Länder zu erreichen, die ihnen einen sicheren Aufenthalt gewähren können. (…) Die EU sollte ein Aufnahmeprogramm beschließen, damit diejenigen russischen Staatsbürger*innen, die sich unter großem Risiko von der Regierung ihres Landes abgewandt haben, Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung erhalten. Ukrainische Kriegsdienstverweigerer, die aufgrund ihrer Entscheidung mehrjährige Haftstrafen befürchten müssen, wenn sie einmal in die Ukraine zurückkehren, verdienen ebenfalls die Unterstützung der EU und müssen hier die Chance auf Schutz erhalten. Die Ukraine ist aufzufordern, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen.“ Beitrag von Rudi Friedrich vom 17. Februar 2023 bei Connection e.V. , siehe auch:- Bundesamt für Migration lehnt Asyl für russischen Verweigerer ab
„Im Herbst 2022 waren sich viele deutsche Politiker*innen einig, dass russische Deserteure, Militärdienstentzieher und Verweigerer geschützt werden sollen. Doch das BAMF schafft andere Fakten. PRO ASYL und Connection e.V fordern deutliche Verbesserungen für Verweigerer aller Seiten, die nicht in diesem Krieg kämpfen wollen…“ Meldung vom 18.02.2023 bei Pro Asyl
- Bundesamt für Migration lehnt Asyl für russischen Verweigerer ab
- Russen fliehen nach Deutschland: Angst vor der Einberufung
„Nach der von Putin verkündeten Teilmobilisierung haben rund 150.000 junge Männer Russland fluchtartig verlassen. Die meisten von ihnen sind in die Türkei, nach Georgien oder Kasachstan geflohen. Die wenigsten haben es nach Deutschland geschafft. Doch Kriegsverweigerung und Desertation allein sind in Deutschland kein Grund für Asyl, so bislang die Entscheidungen deutscher Gerichte. Dennoch hatte im Mai 2022 die deutsche Bundesregierung zugesagt, dass Soldaten, die aus der russischen Armee desertiert sind, einen Flüchtlingsschutz bekommen sollen. Dieser Schutz gilt jedoch nicht für Reservisten, die noch nicht aktiv an Kampfhandlungen beteiligt waren. „frontal“ hat russische Kriegsverweigerer in Berlin getroffen, die dennoch auf Asyl hoffen.“ Video des Beitrags von Eleni Klotsikas, Melissa Nüßle und Christoph Söller in der Sendung frontal vom 14. Februar 2023 beim ZDF (9 min, Video verfügbar bis 14.02.2025) - #ObjectWarCampaign – Ein Update
Ein aktueller Bericht über die #ObjectWarCampaign sowie Vorschläge für die weitere Arbeit vom 14.02.2023 von und bei Connection e.V. - Nein zu Putins Krieg: Russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure suchen Unterstützung
„Sie wollen nicht im Krieg gegen die Ukraine kämpfen. Viele wehrdienstfähige Männer aus Russland sind nach Deutschland geflohen. Hilfsorganisationen unterstützen sie dabei, Schutz und Asyl zu finden. (…) Auch für Dmitrij P. bricht am 24. Februar 2022 eine Welt zusammen: Russische Truppen überfallen die Ukraine. „Ich hätte niemals gedacht, dass mein Heimatland Russland einen unabhängigen Staat angreifen würde“, sagt der 41-Jährige aus Moskau. An Putins völkerrechtswidrigem Krieg gegen das Nachbarland will er sich nicht beteiligen. Gemeinsam mit zwei Freunden und einem Hund ist er mit dem Auto über die finnische Grenze geflohen und mit dem Zug weiter über die dänische Hauptstadt Kopenhagen nach Deutschland zu Freunden nach München gefahren. (…) Er flüchtete aus Russland – auch, um sich einer möglichen Einberufung zum Kriegsdienst zu entziehen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat drohen ihm und allen anderen russischen Männern, die den Waffendienst verweigern, Haftstrafen. Beratung und Hilfe erhält der Russe von dem Verein „Connection“ im südhessischen Offenbach. Die Organisation fordert ein Aufenthaltsrecht für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, aber auch aus der Ukraine und Belarus. Dieser Forderung schließt sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) mit Sitz in Bonn an. „Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“, sagt auch Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung der Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ in Frankfurt am Main. (…) Rund 150.000 Männer im wehrfähigen Alter von 18 bis 60 Jahren seien seit Kriegsbeginn aus Russland nach Westeuropa geflohen, schätzt Rudi Friedrich, Geschäftsführer von „Connection“. Rund 145.000 seien es aus der Ukraine. Mehr als 1.000 Hilfsanfragen von Männern aus Russland, die nicht in den Krieg in der Ukraine ziehen wollen, hat „Connection“ seit der russischen Teilmobilisierung erhalten. Dmitrij P. hatte gehofft, in Deutschland als Kriegsflüchtling aufgenommen zu werden und hier in seinem Job arbeiten zu können, wie er sagt. Doch die Situation für geflüchtete Männer aus Russland habe sich verschlechtert, beklagt er. Diese hätten hierzulande nur geringe Chancen auf Asyl, glaubt er. Auch habe Deutschland damit begonnen, Männer aus Russland in jene europäischen Länder zurückzuschicken, in die sie zuerst eingereist seien. (…) Das Bundesinnenministerium in Berlin betont, dass russische Deserteure, also Soldaten, die nicht kämpfen wollen, sowie Männer, die eine Einberufung in die Armee verweigern, in Deutschland Asyl beantragen können. „Sie erhalten im Regelfall internationalen Schutz“, sagt Pressesprecher Sascha Lawrenz. Dennoch bleibe das Erteilen von Asyl eine Einzelfallentscheidung, jeder Antrag werde individuell geprüft. Wer in Deutschland Asyl beantragen möchte, muss allerdings erstmal nach Deutschland einreisen können. „Was bislang fehlt, sind Fluchtwege für Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und Militärdienstentzieher“, sagt Europareferent Kopp von „Pro Asyl“. Die Bundesregierung sollte deshalb die deutschen Botschaften in Nicht-EU-Ländern anweisen, vermehrt humanitäre Visa für eine sichere Einreise nach Deutschland zu erteilen, fordert er. (…) „Diese Menschen haben sich einer etwaigen Rekrutierung entzogen, weil sie nicht bereit sind, sich an einem völkerrechtswidrigen Krieg zu beteiligen“, sagt Kopp. „Deutschland darf sie nicht im Stich lassen.“…“ Beitrag von Alexander Lang vom 16. Januar 2023 bei MiGAZIN - Bedrohung für jeden Nationalismus: Kriegsdienstverweigerung
„Der Umgang mit Verweigerern zeigt: Neben dem russischen ist auch der ukrainische Nationalismus ein Problem für eine Friedenslösung. Dennoch wird er weiter auch von Liberalen unterstützt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trifft sich mit Wladimir Putin – und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zumindest mit dem russischen Präsidenten telefoniert. Sollten das erste Anfänge eines Auswegs aus der Eskalationsspirale sein? Schon warnen die engsten Freunde des ukrainischen Nationalismus, man dürfte der Kiewer Regierung auf keinen Fall Verhandlungen aufdrängen. So meldete sich im Deutschlandfunk der Politwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in München, Carlo Masala zu Wort. Er erklärte, Verhandlungen könne es erst geben, wenn die Ukraine sämtliche Gebiete, womit er auch die Krim meinte, zurückerobert habe. Solche Töne stoßen bei Pazifisten berechtigterweise auf Kritik. Deren Postionen könnte man am Mittwochabend in Berlin hören. Ein Plakat mit einem zerbrochenen Gewehr vor dem Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin wies den Interessierten den Weg zu der Solidaritätsveranstaltung mit den Menschen, die verfolgt werden, weil sie sich weigern, eine Waffe in die Hand zu nehmen und in einen Krieg zu ziehen. Der 1. Dezember ist der wenig bekannte Internationale Tag der Gefangenen für den Frieden, wie die verfolgten Militärdienstverweigerer genannt werden. Hauptreferent auf der Veranstaltung war Franz Nadler. Der langjährige Antikriegsaktivist ist Vorsitzender von Connection e. V.. Nadler hat den Verein vor fast 30 Jahren in Offenbach mit dem Ziel gegründet, Kriegsdienst- und Militärverweigerer auf allen Seiten zu unterstützen. In seinem Referat zeigte Nadler auf, dass sich die Situation der Militär- und Kriegsdienstverweigerer in Russland und der Ukraine gar nicht so sehr unterscheidet: Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sei in beiden Ländern in der Verfassung verankert, in der Praxis werde es aber nicht umgesetzt. (…) In Russland würden verstärkt ethnische Minderheiten aus wirtschaftlich schwachen Regionen Asiens als Kanonenfutter im Krieg verheizt, so Nadler. Sein Verein hat Kontakt zu einem Exilverein vor Burjaten, die in der Nähe des Baikalsee leben. Eine größere Gruppe dieser Ethnie hätte sich nach der Rekrutierung an sie gewandt und um Unterstützung gebeten, weil sie nicht in einem Krieg sterben wollen, mit dem sie nichts zu tun haben. Auch in anderen fernöstlichen Regionen Russlands sei die Stimmung gegen den Krieg und die Zwangsrekrutierungen gewachsen. Aber auch Menschen, die den Krieg der Ukraine unterstützen, seien oft nicht bereit, an die Front zu gehen. Hierin sieht Nadler auch eine große Chance. Schließlich könne kein Krieg geführt werden, wenn viele Menschen nicht mitmachen. Daher fordert Connection auch gemeinsam mit anderen pazifistischen Organisationen die uneingeschränkte Einreisemöglichkeit für Kriegs- und Militärverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine nach Deutschland. Ein gleichlautender Antrag der Linksfraktion sei von allen anderen Parteien, auch den Grünen, abgelehnt worden, moniert Nadler. Auch die ukrainische Regierung ist über russische Deserteure und Militärdienstverweigerer gar nicht erfreut. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU-Länder aufgefordert, keine russischen Deserteure aufzunehmen. Das zeigt eben sehr deutlich die Logik des Nationalismus. Da ist jeder Deserteur und Militärverweigerer eine Bedrohung, weil diese Bewegung ja auch Nachahmer finden könnte – und dann gäbe es nirgends mehr Kanonenfutter für den Krieg. Was für Pazifisten in aller Welt eine Hoffnung ist, sehen Nationalisten aller Couleur als Gefahr. Denn sie wollen, wie es Nadler ausdrückte, keinen Krieg gewinnen, sondern alles tun, um ihn sofort beenden…“ Beitrag von Peter Nowak vom 2. Dezember 2022 bei Telepolis - [Protestaufruf] Ukraine: Kriegsdienstverweigerer Vitaliy Alekseienko verurteilt zu einem Jahr Haft – Connection e.V. und Ukrainische Pazifistische Bewegung bitten um Unterstützung
Der Kriegsdienstverweigerer Vitaliy Alekseienko wurde am 15. September 2022 vom Stadtgericht Iwano-Frankiwsk nach Artikel 336 des ukrainischen Strafgesetzbuches wegen „Verweigerung des Militärdienstes während der Mobilmachung“ zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. Er legte Widerspruch gegen das Urteil ein, über die am 12. Dezember vom Berufungsgericht in Iwano-Frankiwsk verhandelt werden wird.
„Das Urteil zeigt, „so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V., „dass in der Ukraine verschärft gegen Kriegsdienstverweigerer vorgegangen wird. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wurde ausgesetzt, Verweigerern drohen jahrelange Haft oder der Einsatz an der Front. Es ist ein unerträgliche Vorstellung, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in solch einer Art und Weise verletzt wird.“ (…)
Bekannt geworden sind bereits vier weitere Verurteilungen von Kriegsdienstverweigerern, wie die Ukrainische Pazifistische Bewegung vor wenigen Tagen in einer Stellungnahme an den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ausführte. Der 32-jährige Kucherov Dmytro Mykolayovych wurde zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt, Kucher Andrii Volodymyrovych zu vier Jahren auf Bewährung, Kapats Maryan Vitaliyovych zu drei Jahren auf Bewährung und Korobko Oleksandr Olehovych zu drei Jahren auf Bewährung.
Connection e.V. forderte heute die Ukraine auf, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. „Das bedeutet“, so Rudi Friedrich, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung jederzeit für Männer wie Frauen zu garantieren ist, gerade auch in Kriegszeiten.“…“ Pressemitteilung vom 25.11.2022 von Connection mit der Bitte um Protestschreiben an das Gericht in Iwano-Frankiwsk - Einfach abhauen? Hunderttausende sind vor dem Krieg aus Russland geflohen – Wege in die EU bleiben ihnen verschlossen
„… Die Fantasie von übermorgen wurde im September in Jakutien/Sacha zur Realität von heute – ein bisschen zumindest. In Jakutsk, der Hauptstadt dieser Teilrepublik im Fernen Osten Russlands, kreiste ein großer Pulk von Frauen eine Gruppe von Polizisten ein. Mutmaßlich waren es Mütter, Schwestern, Ehefrauen und Freundinnen von Reservisten, denen die Rekrutierung drohte. Videos davon zogen in Sozialen Medien weite Kreise. Laute Wortgefechte zwischen Sicherheitsbeamten und aufgebrachten Frauen, die auf den Krieg schimpften und seine Gründe offen infrage stellten, ebenso wie tumultartige Szenen wurden auch in Chassawjurt in Dagestan gefilmt. In Grosny, der Hauptstadt Tschetscheniens, gerieten 130 Frauen, viele davon Mütter von (potenziellen) Rekruten, in Haft, nachdem sie zu Protesten gegen die Mobilmachung aufgerufen hatten.
Diese betrifft bisher 300.000 – dem Recht nach männlichen – Reservisten; Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sie am 21. September verkündet. Die Verantwortung für die Organisation der Einberufungen liegt bei den Gouverneuren der Regionen und Kreiswehrersatzämtern vor Ort. Etlichen Berichten zufolge erfolgt(e) die Einberufung dabei einerseits recht willkürlich – sie könnte im Prinzip jeden der 25 Millionen Reservisten treffen und traf bisher schon mehrfach auch Menschen, die eigentlich (noch) unter Ausnahmeregelungen fallen müssten, etwa weil sie viele Kinder haben. Andererseits gibt es offenbar einen, auch rassistisch begründeten, Gap zwischen den westrussischen Metropolen wie Moskau und St. Petersburg und den Regionen.
Dass spontane Proteste von Angehörigen in jenen Teilrepubliken, in denen Minderheiten leben, stattfanden, war daher kein Zufall: Viele Berichte legen nahe, dass die Einberufungen überproportional Männer, die diesen Minderheiten angehören, betreffen. Auch unter den bisherigen Toten in dem Krieg gegen die Ukraine sind sie unverhältnismäßig stark vertreten. Die Journalistin und ak-Autorin Anastasia Tikhomirova verwies am 23. September unter Berufung auf die Free Buryatia Foundation darauf, dass »auf einen im Krieg gefallenen Moskauer 87,5 Dagestaner, 275 Burjaten und 350 Tuviner (Republik Tuva)« kämen. Die Bewegung Feministischer Widerstand gegen den Krieg aus Russland sprach diesbezüglich in einem am 22. September veröffentlichten Statement von »ethnischer Säuberung«.
Doch nicht nur in Dagestan, Tschetschenien oder Jakutien kam es zu spontanen, oft weiblich geprägten Protesten. Überall in Russland gingen in den Tagen nach Verkündung der Mobilmachung Menschen, wenn auch oft kleinere Gruppen, auf die Straßen – zum ersten Mal seit dem Frühjahr. Und noch eine weitere, vermutlich sehr viel größere Gegenbewegung zum Krieg setzte sich mit der Mobilmachung in Gang: Zehntausende potenzielle Rekruten verließen fluchtartig das Land…“ Artikel von Nelli Tügel vom 18. Oktober 2022 in Analyse und Kritik online - Russische Männer, die sich dem Kriegsdienst entziehen, tun Europa einen Gefallen. Doch die Bereitschaft, sie aufzunehmen, hält sich in Grenzen – auch in Deutschland
„Verlässliche Zahlen, wie viele Russen aktuell auf der Flucht vor dem Einberufungsbefehl sind, gibt es nicht. Es könnten Hunderttausende sein. Aber die Informationen ändern sich von Tag zu Tag. Allein in die EU sollen bis Ende September 60.000 wehrpflichtige Männer eingereist sein, wie die Grenzschutzagentur Frontex mitteilt. Wie viele davon nach Deutschland gekommen sind, ist unklar. Dazu hat das Bundesinnenministerium noch keine belastbare Statistik, wie es betont. Sicher ist: Auch wenn es immer schwieriger wird, aus Russland auszureisen, finden die Verzweifelten Mittel und Wege: Manche täuschen einen Urlaub in der Türkei vor, wo sie ohne Visa einreisen können. Andere fliehen vor allem in Russlands Nachbarstaaten. 100.000 wehrpflichtige Männer sollen nach offiziellen Angaben bereits in Kasachstan angekommen sein, in Georgien schätzungsweise sogar doppelt so viele. Die wenigen verbliebenen Direktflüge von Russland in die Türkei und nach Serbien sind voll – in Serbien sollen sich nach offiziellen Angaben inzwischen mindestens 10.000 junge Männer aufhalten. Wahrscheinlich sind es deutlich mehr. Doch ausgerechnet die Europäische Union verschließt sich der Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern (…) Die Haltung der osteuropäischen Staaten ist klar: Russische Kriegsdienstverweigerer sind nicht willkommen. „Die Russen sollten bleiben und kämpfen. Gegen Putin“, sagte zum Beispiel der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis. Sowieso hatten die EU-Staaten schon vor der Teilmobilisierung ihre Visapolitik für Russen verschärft: Seit Mitte September ist es für sie deutlich schwerer, an ein Touristenvisum zu kommen. (…) Doch auch in Deutschland reagiert die Bundesregierung sehr zurückhaltend auf das Schicksal der wehrpflichtigen Männer. Innenministerin Nancy Faeser verwies lediglich auf das Grundrecht auf Asyl, das für jeden Menschen gelte: „Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen“, sagte sie. Ihre Formulierung enthält gleich mehrere Einschränkungen: Haben wirklich alle, die aktuell das Land verlassen, sich vorher dem Regime „mutig“ entgegengestellt und sich deshalb in „größte Gefahr“ begeben? Das wird nun im Zweifel das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entscheiden. Laut einem Sprecher werde jeder Antrag individuell geprüft und im Einzelfall abgewogen. Allein der Hinweis auf den Einzugsbefehl reiche nicht (…) Zwar erkennt das Bamf Desertion seit einigen Monaten als Schutzgrund an. Allerdings weist Pro Asyl darauf hin, dass viele Russen ja noch gar nicht an der Front waren (…) Die größte Hürde, die russische Kriegsdienstverweigerer überwinden müssen, um hier Asyl zu erhalten, ist sowieso erst mal, einen Weg nach Deutschland zu finden. Denn Asyl kann nur beantragen, wer es mindestens bis an die Landesgrenze geschafft hat. Und selbst dann gibt es weitere Einschränkungen…“ Artikel von Katharina Schuler und Lisa Caspari vom 8. Oktober 2022 in der Zeit online („Wie groß ist das Sicherheitsrisiko?“) - Pro Asyl & RAV: Fluchtwege nicht weiter einschränken! EU-Kommission verschärft Lage für aus Russland fliehende Menschen
„In einer Pressekonferenz am Freitag kündigt Kommissarin Ylva Johansson neue Verschärfungen für die Einreise von russischen Staatsangehörigen an. Insbesondere sollen Mitgliedstaaten laut dem neuen Leitfaden der Kommission weiterhin keine Visumsanträge von Russ*innen annehmen, die bereits in einen Drittstaat geflüchtet sind. Damit verlangt die Kommission, dass die Menschen in Russland in der Falle warten sollen bis über einen Visumsantrag entschieden ist, kritisieren PRO ASYL und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein. Während Johansson mehrfach in der Pressekonferenz wiederholt, dass der neue Leitfaden nicht das Recht auf Asyl beeinträchtigt, so geht dies am Kern des Problems vorbei. Wenn kein Zugang zur EU besteht, dann können Kriegsdienstverweiger*innen, Oppositionelle oder Journalist*innen auch keinen Asylantrag stellen. Viele Kriegsgegner*innen scheitern bislang an einer Flucht. Die Hürden, um Schutz in Deutschland und Europa zu bekommen, sind hoch. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Organisationen deswegen tatsächliche Fluchtwege und Schutz der Menschen, die sich dem verbrecherischen Regime und Krieg entziehen wollen: Lasst sie rein! Für ein Recht zu kommen und zu bleiben. Den Kriegsgegner*innen in Russland muss jetzt und ohne Ausreden Schutz gewährt werden! (…) Es darf kein zweites Afghanistan geben, kein erneutes Versagen der bundesdeutschen und europäischen Asyl- und Aufnahmepolitik. Es ist dringend notwendig, entschlossen zu handeln und russischen Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und Menschen, die gegen den Krieg sind, jetzt Schutz zu bieten, wie es auch bei Ukrainer*innen geschehen ist. Die Bundesregierung muss entsprechend ihrer humanitären Verantwortung und den menschenrechtlichen Verpflichtungen handeln. Den Ankündigungen von Regierungsmitgliedern, denen Schutz zu gewähren, die sich dem Krieg entgegenstellen, müssen effektive Taten folgen. (…) Wir fordern von der Bundesregierung und den Landesregierungen: – Eine umgehende Weisung, wonach jede deutsche Auslandsvertretung zur Annahme von Visaanträgen zuständig ist und diese umgehend und prioritär zu bearbeiten sind; einschließlich einer sofortigen Aufstockung der personellen und sachlichen Ressourcen an den Botschaften insbesondere der Nachbarstaaten Russlands und der Türkei sowie Armenien; – Die schnelle Erteilung von humanitären Visa für alle gefährdeten Menschen in geregelten Verfahren; – Die Aussetzung der Dublin-Verfahren; – Die Aufnahme von Schutzsuchenden aus den Nachbarstaaten; – Einen sofortigen und von der IMK und dem BMI zu beschließenden, unbefristeten Abschiebestopp für die Russische Föderation, Georgien und Moldawien; – Grundsätzlich formelle Abschiebestopps in akute Krisengebiete wie derzeit den Iran und Irak…“ Gemeinsame Pressemitteilung von Pro Asyl und RAV vom 30. September 2022 - 30. September – Tag des Flüchtlings: Deserteure, Militärdienstentzieher und Kriegsdienstverweigerer unterstützen, egal aus welchem Land!
- Zum Tag des Flüchtlings: Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine sagen Nein zum Krieg
„Zum Tag des Flüchtlings am 30. September präsentieren PRO ASYL und Connection e.V. Stimmen von Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine. Sie alle sind in ihren Herkunftsländern von Strafverfahren bedroht und brauchen Schutz vor Verfolgung. Die Bundesregierung sollte großzügig Gebrauch machen von der Möglichkeit, humanitäre Visa zu erteilen…“ Pressemitteilung vom 29.09.2022 - „Solch ein System will ich nicht unterstützen“
„… um Tag des Flüchtlings am 30. September lassen wir drei Männer aus diesen Ländern selbst zu Wort kommen. Mark aus Russland, Vlad aus Belarus und Ilja aus der Ukraine erzählen, warum sie den Dienst an der Waffe verweigern und welche Probleme das mit sich bringt. Die Drei haben es geschafft, sie sind in Sicherheit – doch viele andere nicht. PRO ASYL und Connection e.V. fordern die Bundesregierung daher auf, sichere Zugangswege zu schaffen und mehr humanitäre Visa zu vergeben, etwa an Kriegsdienstverweigerer, die sich in Nachbarländern aufhalten…“ Artikel von Rudi Friedrich vom 28. September 2022 auf Pro Asyl - „Sie wollen nicht töten“
„Immer mehr Männer verlassen Russland, um nicht im Ukraine-Krieg kämpfen zu müssen. Die Bundesregierung hat ihnen Schutz zugesagt, doch für die Mehrheit ist es unmöglich, das in Anspruch zu nehmen, weil sie gar nicht erst an die deutschen Grenzen gelangt. Ein Überblick zur Situation russischer Kriegsdienstverweigerer und Militärdienstentzieher (…) Fest steht in jedem Fall, dass die Mehrheit der russischen Flüchtlinge in Länder geflohen ist (und dies auch aktuell tut), in denen es keine Visapflicht gibt oder wo es relativ einfach möglich ist, ein Visum zu erhalten. Nach Schätzungen von Connection e.V. unter Einbeziehung aktueller Informationen sind das vor allem die Türkei mit rund 24.000 russischen Geflüchteten, Georgien mit 36.000, Kasachstan mit 45.000, Armenien mit 12.000, Serbien mit 7.300 und Israel mit 2.300 Menschen. Ein Teil dieser Länder bietet den Flüchtlingen keinen sicheren Aufenthalt. In der Türkei gilt das Asylrecht nur extrem eingeschränkt, zudem kommt es immer wieder zu Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete. Die Regierungen der Türkei und Armeniens stehen Russland politisch relativ nahe, sodass Abschiebungen auch nach Russland durchaus in Betracht gezogen werden müssen…“ Artikel von Rudi Friedrich, Connection e.V., Elisa Rheinheimer, PRO ASYL vom 28. September
- Zum Tag des Flüchtlings: Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine sagen Nein zum Krieg
- Scheindebatte um Asyl für Deserteure aus Russland: Sie kommen gar nicht hierher – die Grenzen sind dicht
- „… Nach der Teilmobilmachung in Russland diskutiert die deutsche Politik über die Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Freitag in Berlin, Deutschland wolle den Menschen helfen und strebe Lösungen im Rahmen der Europäischen Union (EU) an. Es zeichne sich ab, dass es eine Fluchtbewegung aus Russland in Richtung Westen geben könne, sagte Hebestreit, weil viele Russen sich nicht an dem Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollten. Das sei „erstmal ein gutes Zeichen“. Flüchtlingsorganisationen forderten die Regierung auf, russischen Deserteuren Wege zu öffnen, auf denen sie Deutschland oder EU-Länder überhaupt erreichen können. Politikerinnen und Politiker aus der Ampel-Koalition und der Opposition sprachen sich für eine erleichterte Aufnahme aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Deserteure erhielten im Regelfall Schutz in Deutschland. „Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Erteilung von Asyl sei jedoch eine Einzelfallentscheidung, in deren Rahmen auch eine Sicherheitsüberprüfung erfolge. Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der „Rheinischen Post“: „Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden.“ SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die verschärften Strafen, die Menschen drohten, die sich der Einberufung entzögen, halte er nach geltender Rechtslage für einen Asylgrund. (…)
Auch Menschenrechtler des Vereins „Connection“ in Offenbach forderten die Bundesregierung erneut auf, russischen Kriegsdienstverweigerern Schutz zu gewähren. „Bislang sollen nur Deserteure und Oppositionelle aus Russland geschützt werden“, kritisierte der Geschäftsführer von „Connection“, Rudi Friedrich. Der Verein setzt sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure ein. Friedrich schätzt, dass sich in den letzten sechs Monaten etwa 100.000 militärdienstpflichtige russische Männer einer möglichen Rekrutierung entzogen haben.“ Migazin-Meldung vom 25. September 2022 („Debatte über Aufnahme von russischen Deserteuren“) - Siehe dazu auch die beiden Stellungnahmen von ProAsyl:
- „Teilmobilisierung in Russland: PRO ASYL fordert Fluchtwege statt Lippenbekenntnisse!“ vom 23. September 2022 – „Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, kritisiert die in Deutschland geführte Diskussion über Schutz für russische Deserteure. „Entscheidend ist jetzt, Wege zu öffnen, wie diese Menschen europäisches oder deutsches Hoheitsgebiet erreichen können. Asyl kann nur bekommen, wer deutschen oder europäischen Boden betreten hat. Die politisch geführte Debatte ist eine Scheindebatte, da genau diese Frage des Zugangs zu Asyl nicht thematisiert wird. Solange die EU-Staaten hermetisch ihre Grenzen abriegeln und mit Pushbacks den Zugang zum EU-Gebiet verhindern, haben auch die angeblich erwünschten Kriegsdienstverweigerer und Deserteure keine Chance. Viele Menschen flüchten in Staaten wie die Türkei oder in andere Länder, die sie visumfrei erreichen können. Die Möglichkeit, mit Touristenvisa ins EU-Gebiet einzureisen, haben die EU-Staaten ihnen vor kurzem versperrt.“ Die Entscheidung, Touristenvisa in den Schengenraum auszusetzen, war ein Fehler; sie muss auf EU-Ebene korrigiert werden. Die EU-Grenzen müssen für schutzsuchende Menschen geöffnet werden. Wenn Deutschland selbst Oppositionelle aufnehmen will, muss ein Verfahren ausgebaut werden, das humanitäre Visa (§22 Absatz Satz 2 Aufenthaltsgesetz) ermöglicht…“
- „Flucht aus Russland: Was wir aktuell sagen können“ vom 23. September 2022 – „… Für Kriegsdienstverweigerer, die noch nicht eingezogen wurde, gibt es keine vergleichbaren Aussagen der Bundesregierung bezüglich des Schutzes in Deutschland. Auch wer bisher nur einen Einberufungsbefehl bekommen hat, sollte diesen im Asylverfahren vorlegen, um zu belegen, dass die Einberufung kurz bevorstand. Auch wer nachweisen kann, zur Gruppe derjenigen zu gehören, die von der Teilmobilmachung erfasst sind, sollte entsprechende Nachweise im Asylverfahren vorlegen. Ob auch diese Personen im Asylverfahren anerkannt werden, können wir noch nicht absehen. Die politischen Zeichen sprechen dafür. Die bisherige Praxis des BAMF sah aber anders aus. Das BAMF könnte aufgrund der oben genannten Punkte also in diesen Fällen auch ablehnen. Es gibt Berichte, dass auch jenseits der offiziellen Kriterien der Teilmobilmachung Männer im wehrpflichtigen Alter zum Wehrdienst eingezogen werden. Ob auch diese einen Schutzstatus im Asylverfahren bekommen können ohne bereits einen Einberufungsbefehl zu haben, ist derzeit noch nicht abzusehen. Das wird davon abhängen, ob das BAMF die Gefahr zur Einberufung als ausreichend wahrscheinlich einschätzt…“
- „… Nach der Teilmobilmachung in Russland diskutiert die deutsche Politik über die Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Freitag in Berlin, Deutschland wolle den Menschen helfen und strebe Lösungen im Rahmen der Europäischen Union (EU) an. Es zeichne sich ab, dass es eine Fluchtbewegung aus Russland in Richtung Westen geben könne, sagte Hebestreit, weil viele Russen sich nicht an dem Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollten. Das sei „erstmal ein gutes Zeichen“. Flüchtlingsorganisationen forderten die Regierung auf, russischen Deserteuren Wege zu öffnen, auf denen sie Deutschland oder EU-Länder überhaupt erreichen können. Politikerinnen und Politiker aus der Ampel-Koalition und der Opposition sprachen sich für eine erleichterte Aufnahme aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Deserteure erhielten im Regelfall Schutz in Deutschland. „Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Erteilung von Asyl sei jedoch eine Einzelfallentscheidung, in deren Rahmen auch eine Sicherheitsüberprüfung erfolge. Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der „Rheinischen Post“: „Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden.“ SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die verschärften Strafen, die Menschen drohten, die sich der Einberufung entzögen, halte er nach geltender Rechtslage für einen Asylgrund. (…)
- Nancy Faeser für Asylrecht von Deserteuren aus Russland – aber was ist mit allen, die noch vor (!) dem Einzug fliehen?
„Angesichts des Krieges in der Ukraine brauchen wir eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und auch der europäischen Institutionen, dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland Flüchtlingsschutz garantiert wird.“ Das sagte heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. mit Blick auf die aktuellen Erklärungen von verschiedenen Mandatsträger*innen aus der Bundesregierung. „Bislang sollen nur Deserteure und Oppositionelle aus Russland geschützt werden“, so Rudi Friedrich weiter. „Militärdienstentzieher sind von den Schutzversprechen jedoch ausdrücklich ausgenommen. Ein echter Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern, ist schon lange überfällig.“ Etwa 100.000 militärdienstpflichtige russische Männer , so schätzt Connection e.V., haben sich bereits in den letzten sechs Monaten einer möglichen Rekrutierung entzogen. „Viele haben schon damit gerechnet“, so Rudi Friedrich, „dass es nicht nur bei einem begrenzten Einsatz bleiben würde und haben vorsorglich das Land verlassen. Sie haben richtig gehandelt, die Politik jedoch unterstützt diese Abstimmung mit den Füßen nur sehr halbherzig.“ Im Mai hatte das Bundesinnenministerium erklärt, dass „bei glaubhaft gemachter Desertion eines russischen Asylantragstellenden derzeit in der Regel von drohender Verfolgungshandlung für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation ausgegangen“ werde. Damit könnten sie als Flüchtling anerkannt werden, sofern sie ihre Desertion nachweisen können. In der Mitteilung des Innenministeriums wird jedoch ausdrücklich weiter ausgeführt, dass „Wehrdienstflüchtlinge von den Ausführungen nicht umfasst“ sind. „Es ist ein untragbarer Zustand, dass Menschen, die sich rechtzeitig den Rekrutierungen zu Militär und Krieg entziehen, von der Regelung ausgeschlossen werden.“, erklärt Rudi Friedrich dazu. „Wir brauchen eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und auch der europäischen Institutionen, dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland in Zeiten des Krieges in der Ukraine als oppositionelle politische Haltung gewertet wird und diese Menschen damit auch den notwendigen Schutz erhalten. Es braucht darüber hinaus offene Fluchtwege, damit diese Menschen überhaupt die Europäische Union erreichen können. Eine Verschärfung der Visapflicht war das völlig falsche Signal.“
Teilmobilmachung betrifft alle Reservisten – Kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung
„Die jetzt beschlossene Teilmobilmachung in Russland betrifft im Wortlaut alle Reservisten. Ankündigungen der russischen Regierung, dass lediglich kampferfahrene Reservisten einberufen werden, sind offenbar vorgeschoben. „Uns erreichen Berichte“, berichtet Rudi Friedrich aus der Beratungsarbeit, „dass auch junge Reservisten, die kurz zuvor ihren Militärdienst abgeleistet hatten, einberufen werden.“ In Russland besteht eine Wehrpflicht für Männer, die 12 Monate Dienst abzuleisten haben. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung kann nur vorher beantragt werden. Das bedeutet, dass allen Soldaten und Reservisten die Antragstellung zur Kriegsdienstverweigerung verwehrt ist. (…) Connection e.V. setzt sich aktuell gemeinsam mit weiteren Organisationen auf europäischer Ebene für einen asylrechtlichen Schutz russischer sowie belarussischer Deserteure und Verweigerer ein. Mit der Petition wird zudem eine Unterstützung auch ukrainischer Kriegsdienstverweigerer eingefordert, die mehrjährige Haftstrafen befürchten müssen. „Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist als Menschenrecht anerkannt“, schließt Rudi Friedrich ab. „Internationale Regelungen weisen deutlich darauf hin, dass es nicht aufgrund eines Krieges eingeschränkt werden darf. Insofern verstößt die Ukraine mit der Entscheidung, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung auszusetzen, gegen internationales Recht…“
Connection e.V. bittet um Unterstützung der Petition , die in verschiedenen Sprachen auf der Plattform WeMove.eu vorliegt…“
Spendenkonto zugunsten Deserteuren und Verweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine:
DE47 5055 0020 0006 0853 77 bei der Sparkasse Offenbach BIC HELADEF1OFF. Spenden sind steuerlich absetzbar…“ Per E-Mail von Connection e.V. vom 23. September 2022 - Russischsprachige Petition gegen die Mobilmachung hat am ersten Tag über 330.000 Unterschriften erreicht
“Am 21. September 2022 kündigte Wladimir Putin den Beginn der Teilmobilisierung in ganz Russland an. Nur die Bürgerinnen und Bürger, die in der Reserve sind, und vor allem diejenigen, die in den Streitkräften gedient haben und bestimmte militärische Berufe ausüben, werden zum Wehrdienst einberufen. Wir, die Bürgerinnen und Bürger Russlands, Frauen und Männer, sind gegen eine allgemeine und partielle Mobilisierung. Präsident Wladimir Putin hat keinen legitimen Grund für seine Ankündigung und kann ihn auch nicht haben. In der aktuellen Situation der Unsicherheit sind wir nicht bereit, die Männer unseres Landes – Brüder, Söhne, Ehemänner, Väter und Großväter – in moralische, sittliche oder körperliche Gefahr zu bringen. Diese Petition wird während der gesamten Dauer der militärischen Sonderoperation auf dem Territorium der Ukraine bis zu deren Abschluss aktuell sein. Unterschreibe die Petition!“ Unterschriftenliste von „Мягкая сила“ vom 21. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung) – bis Stand 22. September 2022 haben bereits über 334.000 Menschen unterschrieben.- Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle
- [Petition] Russland, Belarus, Ukraine: Schutz von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern gefordert / Was tun gegen Putins Mobilmachung? Aktivist:innen verbreiten Tipps um dem Schicksal als Kanonenfutter zu entgehen
- „Anlässlich des Internationalen Friedenstages am 21. September rufen Connection e.V., der Internationale Versöhnungsbund, das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung und War Resisters’ International zu einer Unterschriftenaktion für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine auf. „Zehntausende haben sich auf allen Seiten des Krieges in der Ukraine den Kämpfen entzogen“, so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. „Auf der Seite Russlands und Belarus wollen sie sich nicht an einem Angriffskrieg beteiligen. Auf der Seite der Ukraine entziehen sie sich dem Zwang zum Kriegsdienst.“ Am 6. April 2022 hatte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, russische Soldaten zur Desertion aufgerufen und ihnen Schutz nach dem Flüchtlingsrecht versprochen. Dieses Versprechen wurde bis heute nicht eingelöst. Im Rahmen der Kampagne *#ObjectWarCampaign* liegt nun eine Petition vor, die sich wendet an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola. Sie betont die Notwendigkeit, Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren in Russland, Belarus und der Ukraine Schutz und Asyl zu gewähren. Die Petition, die auf der Website WeMove.eu gestartet wurde, kann nun auf Deutsch , Englisch , Französisch , Italienisch , Griechisch unterzeichnet werden.
Es gibt schätzungsweise 100.000 russische Wehrpflichtige und Deserteure, die den Angriffskrieg ablehnen. Schätzungsweise 22.000 belarussische Wehrpflichtige haben ihr Land verlassen , weil sie sich nicht an einer möglichen Beteiligung am Krieg in der Ukraine beteiligen wollen. Sie alle müssen wegen ihrer Haltung gegen den Krieg eine mehrjährige Verfolgung befürchten. Sie hoffen auf Schutz in den Zufluchtsländern. Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und die Grenze für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Mehr als 100.000 Männer haben sich der Kriegsbeteiligung in der Ukraine entzogen und sind ins Ausland geflohen. Derzeit haben ukrainische Staatsbürger einen befristeten Aufenthalt in der Europäischen Union. Mit der Petition fordern wir, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in der Ukraine uneingeschränkt garantiert wird. Die Unterschriften, die durch die Petition der *#ObjectWarCampaign* gesammelt werden, sind eine wichtige Unterstützung für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, die nicht am russischen Angriffskrieg teilnehmen wollen. Diese Kampagne unterstreicht, wie wichtig es ist, die Grenzen für diejenigen zu öffnen, die sich in ihren Ländern unter großem persönlichen Risiko dem Krieg widersetzen, und ruft alle Menschen in der Welt auf, diejenigen zu unterstützen, die sich weigern zu kämpfen und zu töten.
Jeder Rekrut kann ein Kriegsdienstverweigerer sein, jede Soldatin eine Deserteurin. Unterstützen wir diejenigen, die sich weigern zu töten. Sie brauchen unsere Solidarität!
#ObjectWarCampaign – #StandWithObjectors
Die Petition folgt einem Appell , der im Juni 2022 an das Europäische Parlament und die Parlamentarische Versammlung des Europarates geschickt wurde – unterstützt von 60 Organisationen aus 20 Ländern – und in dem ausführlich dargelegt wird, warum Schutz und Unterstützung für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer auf allen Seiten des ukrainischen Krieges notwendig sind und dass dies ein Menschenrecht ist. Im Europäischen Parlament wurde dieser Appell bereits von mehreren Europaabgeordneten aufgegriffen.
Mehr Informationen
Der Appell an die europäischen Institutionen ist hier zu finden.
Hintergrundinformationen finden Sie hier .“ Per E-Mail von Connection e.V. vom 21. September 2022 - Was tun gegen Putins Mobilmachung? Aktivist:innen verbreiten Tipps und Tricks dem Schicksal als Kanonenfutter zu entgehen
„Was ist Mobilisierung? Die Versetzung eines Landes in den militärischen Modus. Die Mobilisierung kann vollständig oder teilweise erfolgen, zum Beispiel in bestimmten Regionen. Während der Mobilisierung beginnen Menschen aus der Reserve zu kämpfen. Kann jemand, der nicht gedient hat, während der Mobilmachung in den Krieg geschickt werden? – Ja, nach 4 Monaten Ausbildung. Was passiert, wenn ich nicht zum Einberufungsbüro gehe, wenn ich dazu aufgefordert werde? – Nichts. Es gibt kein Gesetz über die Haftung.
Was ist zu tun? Studiert eure Liste der Krankheiten, studiert eure medizinischen Unterlagen. Macht es euch zur Gewohnheit, jede Woche zum Arzt zu gehen und über die Krankheiten auf der Liste, Kopfschmerzen und Blutdruck, zu klagen. Wenn sie im Krankenhaus den Blutdruck messen, sollten Sie Ihre Bauchmuskeln anspannen. Das Wichtigste ist, dass ein Arzt eine Krankheit diagnostiziert, mit der man nicht in die Armee eintreten kann. Es gibt keine absolut gesunden Menschen.
Was tun ihr, wenn ihr eine Vorladung im Briefkasten habt? – Nichts. Es muss euch persönlich ausgehändigt und unterschrieben werden. Wenn ihr mit einer Vorladung aus der Box zum Einberufungsbüro geht, wird euch eine echte Vorladung zugestellt. Wie erhalte ich einen dringenden Aufschub, wenn ich nicht studiere und meine medizinische Vorgeschichte (bisher) nicht für eine Befreiung vom Wehrdienst ausreicht? – Ihr ruft einen Krankenwagen oder geht persönlich in die Notaufnahme. Ihr klagt über Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlaf- und Appetitmangel, Desorientierung im Raum. Ihr meldet einen Sturz auf den Hinterkopf. Berichtet der Patient über solche Symptome, lautet die Diagnose „Gehirnerschütterung ersten Grades“ und ein Aufschub der Einberufung um 6 Monate. Wenn sich der „Vorfall“ innerhalb von 6 Monaten wiederholt, könnt ihr die Befreiung vom Wehrdienst beantragen. Kann ich aus einem anderen Land eingezogen werden? – Sie können es verlangen, aber nicht wegnehmen. Außerdem dürfen Sie nicht zum Militärdienst einberufen werden, wenn Sie die Grenzen eines Drittlandes überschreiten… Wo kann man sich kostenlos beraten lassen?
@army_help – Pavel Chikov Rekrutierungs-Helpline
@netprizyvu – Alexey Tabalovs Hotline
@peaceplea – Anruf bei der Gewissens-Hotline
@pavel_kiselev_telegram – Pavel Kiselev-Hotline
Aufgrund der Arbeitsbelastung der Anwält:innen kann die Beantwortung einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn Sie bereit und in der Lage sind, sich selbst damit zu befassen, finden Sie hier alle nötigen Informationen:
https://netprizyvu.ru/
https://soldiersmothers.ru/
http://vk.com/stoparmy“ Telegram Post von Protest Russland vom 21. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung) - Mehr zu den Protesten gegen die Mobilmachung im Dossier: Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle
- „Anlässlich des Internationalen Friedenstages am 21. September rufen Connection e.V., der Internationale Versöhnungsbund, das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung und War Resisters’ International zu einer Unterschriftenaktion für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine auf. „Zehntausende haben sich auf allen Seiten des Krieges in der Ukraine den Kämpfen entzogen“, so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. „Auf der Seite Russlands und Belarus wollen sie sich nicht an einem Angriffskrieg beteiligen. Auf der Seite der Ukraine entziehen sie sich dem Zwang zum Kriegsdienst.“ Am 6. April 2022 hatte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, russische Soldaten zur Desertion aufgerufen und ihnen Schutz nach dem Flüchtlingsrecht versprochen. Dieses Versprechen wurde bis heute nicht eingelöst. Im Rahmen der Kampagne *#ObjectWarCampaign* liegt nun eine Petition vor, die sich wendet an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola. Sie betont die Notwendigkeit, Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren in Russland, Belarus und der Ukraine Schutz und Asyl zu gewähren. Die Petition, die auf der Website WeMove.eu gestartet wurde, kann nun auf Deutsch , Englisch , Französisch , Italienisch , Griechisch unterzeichnet werden.
- Ukraine setzt Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus / Grenze zu Rumänien: Wo Männer aus der Ukraine fliehen
- Grenze zu Rumänien: Wo Männer aus der Ukraine fliehen
„Nach acht Kriegsmonaten fliehen offenbar immer mehr ukrainische Männer im wehrfähigen Alter über die grüne Grenze nach Rumänien. Anwohner berichten der ARD: Manche Männer riskierten dabei ihr Leben.
In den rumänischen Karpaten bildet der Fluss Theiß die Grenze zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine gilt das Kriegsrecht, Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen seitdem das Land nicht mehr verlassen. Doch immer mehr ukrainische Männer im wehrfähigen Alter nutzen die Route, um vor einer möglichen Einberufung zum Kriegsdienst in die EU zu fliehen – so berichten es übereinstimmend Anwohner und rumänische Grenzbeamte. Die ukrainische Grenzpolizei meldet regelmäßig auf ihrer Internetseite Festnahmen Fahnenflüchtiger entlang der grünen Grenze zu Rumänien und stellt bei ihren Kontrollen aber auch Zigaretten, Drogen und Waffen sicher. Die Routen über die Karpaten sind bei den Fahnenflüchtigen beliebt, weil das dicht bewaldete Gebiet schwer zu überwachen ist. Dabei müssen sie den Grenzfluss Theiß überwinden – einige ertrinken, andere schaffen es mit schweren Verletzungen auf die rumänische Seite, so berichten Anwohner und Grenzbeamte in der Region. (…)Igor berichtet, viele Männer seien verzweifelt und verließen wie er das Land, um vor der Armut und dem Kriegsdienst zu fliehen: „Sie kommen jeden Tag, denn die Leute haben kein Geld, viele haben nichts mehr zu essen. Wenn das Militär Männer auf der Straße findet, werden sie eingesammelt und in den Krieg geschickt.“
Er zeigt ein Video auf seinem Handy. Die Aufnahmen sollen von einer Überwachungskamera stammen und wenige Wochen alt sein. Sie zeigen offenbar einen jungen Ukrainer auf der Straße, neben dem plötzlich ein ziviles Fahrzeug hält. Männer springen aus dem Pkw und nehmen den jungen Mann mit. „Sie nehmen dich einfach mit und bringen dich in den Krieg, wo die Schlachten sind“, sagt Igor mit leiser Stimme. Er habe keinen Wehrdienst abgeleistet und wisse deshalb nicht mit einer Waffe umzugehen und beklagt: „Ob du weißt, wie man ein Gewehr benutzt oder nicht – ob du das kannst oder nicht kannst, das ist ihnen egal.“ Nach einer zehntägigen Ausbildung würde man an die Front gebracht. (…)
Igors Grenzüberquerung hat funktioniert, weil er, wie er sagt, Grenzsoldaten bestochen habe. Ob Jurii wiederum tot ist, ist unbekannt, seine Leiche wurde bis heute nicht gefunden. Ebenso unbekannt ist, wie viele Männer diese illegale Grenzüberquerung versuchen, dabei scheitern und umkommen. (…) Seit der Gegenoffensive der ukrainischen Armee im Donbass sei die Zahl der Männer, die aus der Ukraine fliehen wollen, noch gestiegen, berichten die Grenzbeamten. Sie gehen davon aus, dass die meisten Männer Deserteure der ukrainischen Armee sind. Ob sich darunter womöglich auch Angehörige der russischen Streitkräfte befinden, wissen sie nicht.“ Reportage von Florian Barth und Ahmet Şenyurt, SWR, am 11.09.2022 bei tagesschau.de - Ukraine setzt Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus
„Wie das ukrainische Verteidigungsministerium vor wenigen Tagen der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung mitteilte, wurde aufgrund des Kriegsrechts das in der Ukraine bestehende Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt: Nach dem Gesetz stelle der alternative Dienst ein Ersatz für den befristet abzuleistenden Militärdienst dar. Weiter schreibt das Verteidigungsministerium: „Aufgrund des Kriegsrechts wird seit dem 24.02.2022 der befristete Militärdienst in der Ukraine nicht mehr durchgeführt. Daher ist die Umsetzung des alternativen Dienstes nicht anwendbar.“ (Originaldokument mit Übersetzung ) „Die Aussetzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine stellt einen groben Verstoß gegen internationales Menschenrecht dar“, so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. „Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte in der Vergangenheit klar gestellt, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht aus Gründen der nationalen Sicherheit eingeschränkt werden darf. Daran hat sich die Ukraine zu halten.“…“ Pressemitteilung vom 05.09.2022 bei Connection
- Grenze zu Rumänien: Wo Männer aus der Ukraine fliehen
- [Connection-Flyer aktualisiert zum Antikriegstag] Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine brauchen unsere Unterstützung
„Zum Weiterverteilen haben wir unseren Flyer zur Kampagne für Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine aktualisiert und neu gestaltet. Wir stellen darin mit Stand vom September 2022 die Arbeit für die Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus diesen Ländern vor. Darüber hinaus geben wir Hintergrundinfos zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion sowie zu Kriegsdienstverweigerung und Asyl.“ Der Flyer kann eingesehen werden bei Connection und kostenfrei bestellt werden über den Shop - Ukraine: Kriegsdienstverweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt
„Im Mai und Juni 2022 wurden in der Ukraine zumindest zwei Kriegsdienstverweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Dies wurde bekannt durch die Veröffentlichung der Urteile im staatlichen Register über Gerichtsurteile in der Ukraine. Beide Verweigerer hatten vor dem Militärkommissariat ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt. In einem Fall erfolgte eine Verurteilung zu drei Jahren Haft auf ein Jahr Bewährung, im anderen Falle zu vier Jahren Haft auf zwei Jahre Bewährung. Da beide erneut einberufen werden können, droht ihnen somit die Verbüßung der bereits ausgesprochenen langen Haftstrafe und eine erneute Verurteilung.
„Es zeigt sich,“ so heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerung-Netzwerk Connection e.V., „dass die Ukraine scharf gegen Militärdienstentzieher und Kriegsdienstverweigerer vorgeht, selbst in Fällen, in denen das in der Ukraine bestehende eingeschränkte Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gültigkeit haben müsste. Wir verurteilen aufs Schärfste diese Vorgehensweise und fordern die ukrainische Regierung auf, unverzüglich ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht und muss gerade auch in Kriegszeiten Gültigkeit haben.“ In der Ukraine gibt es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Dies wird aber nur Angehörigen von zehn kleineren religiösen Gemeinschaften zugestanden. Auch Soldaten und Reservisten haben keine Möglichkeit ihre Kriegsdienstverweigerung zu erklären. Einer der beiden Verurteilten gehört der Source of Life an, Teil der Adventisten, und sollte daher unter die in der Ukraine bestehende Regelung zur Kriegsdienstverweigerung fallen. Die Ukrainische Pazifistische Bewegung machte in einer Stellungnahme darauf aufmerksam, dass „der erst kürzlich entlassene Kommissar für Menschenrechte des ukrainischen Parlamentes die Unvereinbarkeit der aktuellen Gesetzgebung mit internationalen Menschenrechtsstandards in Bezug auf das Recht auf Kriegsdienstverweigerung festgestellt hat.“ Einer Auswertung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung zufolge verzeichnet das staatliche Register der Gerichtsentscheidungen auch eine Reihe weiterer Fälle von Verurteilungen nach Artikel 336 des ukrainischen Strafgesetzbuches wegen Militärdienstentziehung. Die meisten Urteile lauten auf 3 Jahre Haft auf ein Jahr Bewährung. Von Januar bis April 2022 wurden mehr als 2.500 Verfahren wegen Artikel 336 und ähnlicher Straftaten eröffnet.“ Pressemitteilung vom 5. Juli 2022 von und bei Connection e.V. mit weiteren Informationen - Europaweiter Aufruf für Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine an Europäisches Parlament und Parlamentarische Versammlung des Europarates
„In einem gemeinsamen Appell an die Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus über 20 Ländern die europäischen Regierungen auf, russischen und belarussischen sowie ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren.
Soldaten und Soldatinnen, die in diesem Krieg für Russland kämpfen, sind nach internationalem Recht Teil eines illegalen Angriffskrieges. Weiterhin ist es möglich, dass Belarus auf der Seite Russlands in den Krieg eintritt. Wer sich der Teilnahme am Krieg verweigert, muss mit Strafverfolgung rechnen. Damit sind sie nach der EU-Qualifikationsrichtlinie schutzberechtigt. In den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat die überwiegende Mehrheit der Betroffenen allerdings bisher keine Garantie für diesen Schutz erhalten. Die unterzeichnenden Organisationen fordern mit ihrem Appell, ihnen Schutz und Asyl zu gewähren.
Es wird davon ausgegangen, dass unter den 300.000 Menschen, die Russland wegen des Krieges verlassen haben, viele Männer sind, die sich im Ausland in Sicherheit bringen wollen, um nicht in den Krieg geschickt zu werden. In den letzten Monaten haben etwa 20.000 Männer aus Belarus das Land verlassen, um der Rekrutierung zu entgehen.
Es gibt auch ukrainische Kriegsdienstverweigerer, die nicht in diesem Krieg kämpfen wollen; etwa 3.000 Männer haben allein in Moldawien Asyl beantragt. Jedem Bürger, der bis zum 24. Februar 2022 in der Ukraine registriert ist, wird derzeit ein humanitärer Aufenthalt in der Europäischen Union gewährt. Das ist ermutigend. Wir müssen uns jedoch ernsthaft bedenken, was mit den ukrainischen Kriegsdienstverweigerern geschehen wird, wenn diese Regelung ausläuft. Die europäischen Länder sollten diese Menschen, die vor dem Krieg fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht gewähren.
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung wurde unter anderem von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und dem Europäischen Parlament anerkannt. Es muss für alle Menschen auf allen Seiten garantiert werden, auch für Soldaten und Soldatinnen. Tatsächlich ist das Recht in allen betreffenden Ländern eingeschränkt. Die europäischen Länder müssen dafür sorgen, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung vollständig anerkannt wird.
„Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus den am Krieg in der Ukraine beteiligten Staaten sofortigen Schutz und Asyl erhalten“, heißt es in dem Brief an die Parlamentarier*innen. Der Brief, der auch einen Resolutionsentwurf enthält, wurde vom Internationalen Versöhnungsbund (IFOR), der War Resisters’ International (WRI), dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) und Connection e.V. (Deutschland) initiiert und wird von rund 60 weiteren Friedens-, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen aus ganz Europa unterstützt.“ Meldung vom 09.06.2022 bei Connection zum Appell von Connection e.V., WRI, IFOR und EBCO - [Russland] Angriff mit einer Axt auf ein Büro für Rekrutierung und Einberufung von Soldat*innen
„Jasnogorsk. Russland. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai wurde das Gebäude des Rekrutierungs- und Einberufungsbüros in der Schtscherbina-Straße in Jasnogorsk (Tula Kreis) angegriffen. Ein Unbekannter Person schlug das Fenster mit einer Axt ein, um das Rekrutierungsbüro von innen anzuzünden. Normalerweise erweist sich diese Taktik (erst das Fenster einschlagen, dann das brennbare Gemisch ausgießen und in Brand setzen) als die effektivste, aber in diesem Fall gelang es den Mitarbeiter*innen der Einrichtung leider, die Flammen schnell zu löschen, bevor die EMERCOM-Beamten zu Hilfe kamen. Der Angreifer*in konnte fliehen, ließ aber eine Axt vor dem Büro für Rekrutierung und Einberufung zum Militär zurück. Wir hoffen, dass er frei bleibt und seinen Kampf fortsetzen kann.“ Meldung vom 2. Juni 2022 bei Enough14D - Wenn Russen nicht in der Ukraine kämpfen wollen
„… Es gibt keine Statistik, wie viele russische Soldaten, Nationalgardisten oder Verbündete sich genau weigern, an der Invasion der Ukraine teilzunehmen. Oder wie viele auf eigene Faust ihre Beteiligung am Feldzug abbrechen. Geschildert werden vor allem in Sozialen Netzwerken wie Telegram Fälle mit insgesamt etwa 1.000 Beteiligten – einige sind gut belegt, andere weniger. Darüber berichten dürfen noch zugelassene russische Medien in Folge der Militärzensur kaum, weshalb sich zu diesem Thema vor allem in der oppositionellen Presse, die in Russland bereits gesperrt wurde, Artikel finden. Am spektakulärsten war im Mai die Verweigerung von 115 Kämpfern der Rosgwardija, der russischen Nationalgarde, aus der zur Föderation gehörigen Republik Kabardino-Balkarien. Sie weigerten sich – der Fall wurde als einer von wenigen auch in der regierungsnahen Nachrichtenagentur Interfax aufgegriffen – dem Befehl zum Abrücken ins Nachbarland Folge zu leisten und blieben an ihrem normalen Dienstort. Gegen die Gardisten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit ihrer Kündigung bei der Nationalgarde endete, wogegen sie erfolglos vor Gericht zogen. Spektakulär war dieser Fall vor allem durch die große Anzahl der Verweigerer. Im südrussischen Krasnodar kam es im März bereits unter ähnlichen Umständen zur Kündigung von zwölf Gardemitgliedern der OMON-Sondereinheit, die ebenfalls auf Wiedereinstellung klagten. (…) Solche gerichtlichen Klagen sind möglich, aber wenig erfolgversprechend. Günstiger sind aber die Aussichten, strafrechtliche Folgen für die Verweigerung zu verhindern. Anwaltlich vertreten werden mehrere Dutzend Verweigerer von dem Moskauer Rechtsanwalt Maxim Grebenjuk, den die lettische Onlinezeitung Meduza dazu interviewte. Sonst vertritt er aktive Soldaten bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Seine Tätigkeit ist für ihn nicht ungefährlich. Er selbst gibt zu, dass auch er Angst hat, zum Opfer eines Strafverfahrens zu werden, wie es bereits Anwälten bekannter Oppositioneller ergangen ist. Während beim russischen Feldzug in Syrien die Rechte russischer Soldaten laut Grebenjuk kaum verletzt wurden, hat er seit Beginn der Ukraine-Invasion eine Vielzahl von Mandanten. Gerade die Tatsache, dass die russische Regierung diese Invasion nicht als Krieg betrachten will, eröffnet dem Anwalt die Möglichkeit, juristisch gegen strafrechtliche Folgen einer Befehlsverweigerung seiner Mandanten vorzugehen. Denn ein formelles Verbrechen ist der militärische Ungehorsam eben nur in einem Krieg, der bisher von russischer Seite nicht erklärt wurde. Vielmehr ist es in Russland ja sogar verboten, die Ukraine-Invasion als solchen zu bezeichnen. (…) Dass die Kampfmoral der russischen Truppen in der Ukraine generell sehr niedrig sei, lässt sich jedoch aus den Befehlsverweigerungen vor allem zu Beginn der Ukraine-Invasion nicht schließen. Auch gegenüber dem ZDF gab ein Anwalt, der Verweigerer vertritt, auf Fragen der Journalisten an, er könne aus seiner Tätigkeit keinerlei Aussagen zur generellen Kampfmoral treffen. Diese steht und fällt – wie in jedem Krieg – mit Erfolg und Misserfolg des eigenen Feldzugs und der persönlichen Lage der kämpfenden Soldaten. Und weniger damit, ob für eine wirklich „gerechte Sache“ gefochten wird.“ Beitrag von Bernhard Gulka vom 30. Mai 2022 bei Telepolis - Bundesinnenministerium sichert russischen Deserteuren Schutz zu – Militärdienstflüchtige aus Russland von Schutzzusage ausgeschlossen
„Das Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. und PRO ASYL begrüßen die Erklärung des Innenministeriums, dass russischen Deserteuren Schutz zugesichert wird. Zugleich weisen die Organisationen auf immer noch fehlende Schutzzusagen hin: Für Militärdienstflüchtige aus Russland, für Kriegsdienstverweigerer und Militärdienstentzieher aus Belarus und der Ukraine. In einer Stellungnahme an den Innenausschuss des Bundestag hatte das Innenministerium am 17. Mai 2022 erklärt, dass „bei glaubhaft gemachter Desertion eines russischen Asylantragstellenden derzeit in der Regel von drohender Verfolgungshandlung für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation ausgegangen“ werde. Ergänzend schreibt das Innenministerium: „Da bereits die Bezeichnung ‚Krieg‘, bezogen auf den Angriff auf die Ukraine, in der Russischen Föderation als oppositionelle politische Darstellung geahndet werden kann, kann eine Desertion – als aktives Bekunden gegen die Kriegsführung – als Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung gewertet werden.“ „Dass russischen Deserteuren Schutz im Asylverfahren angeboten wird, ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt heute Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. „Bislang gab es für Deserteure trotz ihrer Entscheidung gegen eine Kriegsteilnahme im deutschen Asylverfahren viele Hürden. Die aktuelle Stellungnahme des BMI führt hoffentlich zu einer schneller Zuerkennung eines Schutzstatus für russische Deserteure.“ Connection e.V. und PRO ASYL weisen zugleich daraufhin, dass in der Mitteilung des Innenministeriums ausdrücklich „Wehrdienstflüchtlinge von den Ausführungen nicht umfasst“ sind. „Es ist ein untragbarer Zustand, dass Menschen, die sich rechtzeitig den Rekrutierungen zu Militär und Krieg entziehen, von der Regelung ausgeschlossen werden.“, erklärt Rudi Friedrich von Connection e.V. „Wir brauchen eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung, dass auch die Militärdienstentziehung in Russland in Zeiten des Krieges in der Ukraine als oppositionelle politische Haltung gewertet wird und diese Menschen damit auch den notwendigen Schutz erhalten.“
Die Organisationen bedauern zudem, dass auch die drohende Rekrutierung und die mittelbare Kriegsbeteiligung von Belarus nicht in die Aussage des Innenministeriums einfließt. PRO ASYL und Connection e.V. fordern gemeinsam mit 40 weiteren Organisationen in einem im März 2022 veröffentlichten Appell an den Bundestag, auch belarussischen Soldaten und Soldatinnen, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Asyl zu gewähren.
Darüber hinaus fehlt ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, gerade bezüglich der Ukraine. „Es hat sich gezeigt“, so Rudi Friedrich, dass sowohl in Russland als auch in Belarus und insbesondere in der Ukraine die Regelungen zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung völlig unzureichend sind. Es ist kein Wunder, dass auch Tausende Militärdienstpflichtige aus der Ukraine ins Ausland geflohen sind. Ihnen wird im Herkunftsland das Recht auf Kriegsdienstverweigerung verwehrt. Auch sie brauchen nach dem Auslaufen der momentanen Aufenthaltsregelung für Geflüchtete aus der Ukraine Schutz.“ Pressemitteilung vom 19.5.2022 von PRO ASYL und Connection e.V. - Zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai: Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer des Ukraine-Krieges
„Zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung ruft Connection e.V. zur Unterstützung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine auf. „Es wird immer offensichtlicher“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V., „dass Tausende aus diesen Ländern vor Rekrutierung und Kriegseinsatz fliehen. Wir wollen heute, anlässlich des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung, dem 15. Mai, Stimmen gegen den Krieg in den Vordergrund stellen. Sie zeigen uns, dass täglich Widerstand gegen Militarismus und Krieg geleistet wird.“
Russland – Die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung berichtete heute: „Es werden auch Wehrpflichtige im Kriegsgebiet eingesetzt. Die Behörden erklären zwar, dass dies nicht der Fall ist. Aber faktisch werden viele Wehrpflichtige gezwungen, Verträge als Berufssoldaten zu unterzeichnen. In einem Fall geschah das einer ganzen Einheit in einem Zug auf ihrem Weg in die Ukraine.“ Die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung wird in Kürze in Estland eine online-Beratungsstelle eröffnen. (…mehr )
Belarus – Olga Karatch von der Organisation Nash Dom, die die Kampagne „No Means No“ ins Leben gerufen hatte, berichtete heute: „Seit dem Start der Kampagne haben wir über 2 Millionen Menschen erreicht. Mit Hilfe unserer Partnerorganisation Connection e.V. haben wir eine Hotline eingerichtet, um Kriegsdienstverweigerern aus Belarus zu helfen. Seit Beginn des Krieges haben mehr als 20.000 Männer, die einen Einberufungsbescheid erhalten hatten, Belarus verlassen. 35 Männer haben bislang in Litauen Asylanträge gestellt. Ich bitte Europa um Hilfe und politisches Asyl für belarussische Männer, die nicht in den Krieg ziehen wollen.“ (…mehr )
Ukraine – In einem Interview erklärte Jurij Scheliashenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung Ende April 2022: „Dies ist ein Kampf der Aggressoren auf allen Seiten, ihre Opfer sind friedliebende Menschen, die von Gewaltakteuren gespalten und beherrscht werden, Menschen, die durch Zwang und Täuschung gegen ihren Willen in den Krieg hineingezogen werden, die durch Kriegspropaganda getäuscht werden, die als Kanonenfutter eingezogen und ausgeraubt werden, um die Kriegsmaschinerie zu finanzieren.“…“ Pressemitteilung von Connection e.V. mit Veranstaltungshinweisen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung - Bundestagsbeschluss weckt Hoffnungen für russische Deserteure, die nicht erfüllt werden
„… In dem gestrigen Beschluss zur umfassenden Unterstützung der Ukraine findet sich unter Punkt 31 auch der Appell an russische Soldaten, die Waffen niederzulegen. Zugleich verweist der Bundestag darauf, dass ihnen der Weg ins deutsche und europäische Asylverfahren offen stünde. Das Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. und PRO ASYL warnen, dass nach derzeitiger Praxis russische Soldaten und Soldatinnen, die sich auf diesen Beschluss verlassen, mit großer Wahrscheinlichkeit in den Asylverfahren abgelehnt werden. „Der Bundestag erweckt hier Hoffnungen“, so Rudi Friedrich von Connection e.V., „die aufgrund der bisherigen repressiven Praxis nicht erfüllt werden. Der Bundestag fordert zur Desertion auf, garantiert aber keinen Schutz und gefährdet damit die Deserteure.“ Günter Burkhardt fordert: „Das Bundesministerium des Innern und das Bundesamt für Migration müssen umgehend ihre Entscheidungspraxis ändern, so dass der Beschluss des Bundestags praktisch wirksam wird. Der Zugang zum Schutz ist so zugemauert worden, dass die Hürden kaum überwunden werden können. Der Beschluss des Bundestages droht ins Leere zu laufen.“ Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg. Und deshalb gilt für russische Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Artikel 9 der Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union: Denjenigen Menschen wird flüchtlingsrechtlicher Schutz zugesagt, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen Bestrafung fürchten müssen (Artikel 9 Abs. 2e). Doch die Erfahrung sieht anders aus: Bisherige Asylverfahren, die sich auf Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie bezogen, haben gezeigt, dass deutsche Behörden und Gerichte sehr hohe Beweisanforderungen stellen, die viele der Betroffenen nicht erfüllen können. So fordern deutsche Behörden und Gerichte von den betroffenen Personen unter anderem den Nachweis der Einberufung und Einsatzbefehle, die den Einsatz im Kriegsgebiet oder anstehende völkerrechtswidrige Handlungen belegen – was in der Praxis aber schier unmöglich ist. Zudem wird von den Behörden und Gerichten verlangt, dass betroffene Personen bereits in Russland einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt haben. Damit verliert die vom Bundestag versprochene Schutzzusage ihre Essenz. Kaum einer der Antragsteller bzw. Antragstellerinnen wird in der Lage sein, die notwendigen Nachweise zu erbringen. In der Konsequenz würden sie also asylrechtlich schutzlos gestellt. PRO ASYL, Connection e.V. und weitere 40 Organisationen forderten bereits Ende März in einem Appell an den Deutschen Bundestag, sowohl russischen und belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren…“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 29. April 2022 von Connection e.V. und Pro Asyl - Dienstverweigerung russischer Soldaten in der Ukraine
„Schon am ersten Kriegstag, am 24. Februar, verweigerten 60 Fallschirmjäger aus Pskow, die in Belarus stationiert waren, die Teilnahme am Krieg in der Ukraine. Die Einheit wurde daraufhin nach Pskow in Russland zurückbeordert und Teile der Gruppe wurden wegen „Fahnenflucht“ angeklagt. Die anderen wurden entlassen. Das berichtete die russische Zeitung Pskowskaja Gubernija („Das Pskower Gouvernement“) am 7. April. Die Pskowskaja Gubernija und andere Quellen berichten über weitere Beispiele von Dienstverweigerung…“ Korrespondenz-Meldung aus Esslingen vom 25.04.2022 in den Rote-Fahne-News mit einer erfreulich langen Liste - Aktivitäten für Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine – Ein Bericht
„Aus der Ukraine, aus Russland und Belarus gibt es Berichte über Desertionen, Militärdienstentziehungen und Verweigerung. Die Soldatenmütter St. Petersburg hatten deutlich darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gibt, den Dienst zu verweigern. Nash Dom, eine nun in Litauen ansässige Organisation aus Belarus, rief belarussische Männer auf, sich den Rekrutierungen zu entziehen. Diesem Aufruf sind bereits Hunderte gefolgt. Und auch in der Ukraine gibt es Männer und Frauen, die sich nicht am Krieg beteiligen wollen. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt allen, die sich dem Kriegseinsatz verweigern oder desertieren. Sie müssen geschützt werden. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt auch allen, die auf welcher Seite auch immer gegen den Krieg aufstehen, zivilen Widerstand leisten und das sofortige Ende des Krieges einfordern…“ Bericht vom 22.04.2022 von Connection e.V. - Kriegsdienstverweigerung und Ukraine-Krieg: »Nur sehr wenige erhalten den notwendigen Schutz«
„Wer den Dienst an der Waffe verweigert, bekommt in der BRD nicht automatisch Asyl“, erklärt Rudi Friedrich von Connection e.V. im Gespräch mit Kristian Stemmler in der Jungen Welt vom 16. April 2022 : „… Bislang gibt es nur Hinweise dazu, dass es eine größere Zahl von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren auf allen Seiten gibt. So gab die belarussische Organisation Nash Dom bekannt, dass mindestens 3.000 belarussische Militärdienstpflichtige nach Litauen geflohen seien. Und die von Georgien angegebene Zahl von etwa 30.000 Emigranten aus Russland deutet darauf hin, dass darunter eine bedeutende Zahl von Militärdienstpflichtigen sein könnte. Zur Ukraine gibt es keinerlei Schätzung, da nicht klar ist, wie viele militärdienstpflichtige Männer sich unter den Flüchtlingen aus dem Land befinden. (…) Russische Deserteure und Verweigerer des Militärdienstes müssen normalerweise ins Asylverfahren gehen, um hierzulande die Chance auf einen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Dort ist dann vor allem die Frage relevant, ob sie sich konkret einem völkerrechtswidrigen Krieg entzogen haben. Ukrainische Männer erhalten dagegen wie alle anderen Flüchtlinge aus der Ukraine einen einjährigen humanitären Status. Erst wenn dieser ausläuft, wird die Frage relevant sein, ob ihnen aufgrund ihrer Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine Verfolgung droht. (…) Die Qualifikationsrichtlinie der EU definiert, wann ein Flüchtling einen Schutz nach der Genfer Konvention erhält. In Artikel 9 wird unter anderem festgelegt, dass Personen, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen mit Verfolgung rechnen müssen, einen Flüchtlingsschutz erhalten sollen. Soweit ist das eigentlich eindeutig, aber Behörden und Gerichte haben die Anforderungen an die Flüchtlinge so hoch gesteckt, dass vielen trotzdem die Ablehnung droht. Das entscheidende Problem dabei ist: Behörden und Gerichte erwarten, dass die Betroffenen belegen können, dass sie im Kriegsgebiet eingesetzt wurden oder eingesetzt worden wären. Militärdienstentzieher, also Wehrpflichtige, die bereits vor der Einberufung flüchten, werden diesen Nachweis nicht führen können. Und selbst Deserteure, die außerhalb der Ukraine aus dem Militär flüchten, werden dies nur selten aufzeigen können. All dies wird zur Folge haben, dass nur sehr wenige wirklich den notwendigen Schutz erhalten…“ - Connection: Beratungshotline für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure des Ukraine-Krieges eingerichtet
„Das Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. hat zur Unterstützung russischer, belarussischer als auch ukrainischer Kriegsdienstverweigerer und Deserteure eine Beratungshotline „Get out“ in russischer Sprache eingerichtet. Diese wird von PRO ASYL finanziell unterstützt.
„Wir erleben, dass sich sowohl aus Belarus und Russland als auch aus der Ukraine Männer dem Kriegseinsatz verweigern und aus dem Land flüchten. Wer aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnt und dafür verfolgt wird, braucht Schutz und Asyl“, sagt Rudi Friedrich von Connection e.V. Er ergänzt: „Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, das hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt. Dieses Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss in allen Ländern, gerade auch in denen, die sich im Krieg befinden, geschützt werden.“
Während ukrainische Geflüchtete durch die Regelung der Europäischen Union für zunächst ein Jahr einen sicheren Aufenthalt haben, ist das für geflüchtete Deserteure und Verweigerer aus Russland und Belarus anders. Sie müssen nach derzeitigem Stand alle ins Asylverfahren gehen. Und das mit ungewissem Ausgang. Denn die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung und Desertion gilt in Deutschland nicht ohne weiteres als Asylgrund. (…) Auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern, denen die Anerkennung in der Ukraine versagt worden ist, und ukrainische Soldatinnen und Soldaten, die sich auf der Seite der Ukraine völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen, muss Deutschland Asyl gewähren. Das ist bisher nicht geschehen. In den vergangenen Jahren waren bereits mehrere Hundert Verweigerer aus allen Teilen der Ukraine nach Deutschland gekommen, um hier Schutz zu finden. „Die meisten wurden aber in den Asylverfahren abgelehnt und stehen nun erneut vor der Gefahr eines Kriegseinsatzes. Das muss ein Ende haben“, fordert Rudi Friedrich…“ Connection-Meldung vom 6. April 2022 , siehe auch deren Sonderseite „Get out! Уходи! Steig Aus! Уходи!“- Steig aus! Eine Information für unzufriedene Soldaten aus Russland
„Schon mal darüber nachgedacht? Warum soll ich in einem Land kämpfen, das Russland nicht angegriffen hat? Warum kämpfe ich gegen Menschen, die mit meiner Familie verwandt sind? Warum müssen wir auf Zivilisten schießen? Hier geben wir Ihnen einige Tipps, was Sie und Ihre Familie machen können. Wenn Sie sich aus der Truppe entfernen… In Russland gibt es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Es wurde in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend eingeschränkt. So schrieb die inzwischen verbotene Organisation Citizen. Army. Law 2020: „Regelmäßig wurden Anträge von Bürgern auf Ableistung eines Alternativen Dienstes mit unzumutbaren Begründungen abgelehnt oder der Antragsteller unberechtigterweise überwiesen zu einer psychiatrischen Untersuchung.“ Es gibt verschiedene Möglichkeiten, der Einberufung zu entgehen. Eine Anleitung dazu hat die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung erstellt…“ Information für Rekruten und Soldaten aus Russland, veröffentlicht am 19.3.2022 bei Connection e.V. - Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung – Ukraine und weltweit
Informatonen von Ukrainische Pazifistische Bewegung am 21.03.2022 bei Connection e.V.
- Steig aus! Eine Information für unzufriedene Soldaten aus Russland
- Aus dem Krieg desertieren. Warum um es sich beim Krieg in der Ukraine um einen Krieg um die Weltordnung handelt.
„… Der Kampf gegen den Krieg wird heute vor allem von denjenigen geführt, die in den Straßen der russischen und ukrainischen Städte demonstrieren und dabei Gefängnis und Tod riskieren. Und dann wird er von jenen geführt, die aus dem Krieg desertieren, dessen Logik ablehnen und an Orte fliehen, die als sicher gelten. Aber er wird auch von den Zehntausenden von Menschen geführt, die in Europa und anderswo auf der Welt auf die Straße gehen. Gewiss gibt es dabei unterschiedliche und oft gegensätzliche Perspektiven, von „Nein zu Putin, Nein zur Nato“ bis „Waffen für den ukrainischen Widerstand“. Gerade Letzteres ist nicht nur eine Parole der Stahlhelmfraktion in Politik und Medien, von Kriegsbegeisterten und militaristischen Kommentator:innen: Auch Menschen, die uns politisch nahe stehen, haben sich so positioniert, und in der ukrainischen Diaspora in Italien (der größten in Europa, mit vielen Beschäftigten in der Pflege und in tausend anderen Berufen) ist es sicherlich das vorherrschende Schlagwort. Auch wenn eine solche Position meiner Meinung keine ist, die es zu unterstützen gilt, geht es dabei nicht ums Prinzip: Es geht darum festzustellen, dass alles getan werden muss, um die Ausweitung des Krieges zu verhindern. Dass Verhandlungsräume eröffnet und vervielfacht werden müssen und dass die Antikriegsbewegung selbst dabei eine wichtige Rolle spielen kann, vor allem durch „Diplomatie von unten“, durch materielle Hilfe und Unterstützung, durch die Unterstützung von Geflüchteten und das Erweitern von Begegnungsräumen. Zugleich ist es notwendig, sich von der, zunächst verständlichen, Allgemeinheit der Schlagworte zu lösen. Gewiss sind wir gegen Putin und denken, dass die Nato Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Doch in dem turbulenten Prozess einer Neudefinition internationaler Ordnung und Unordnung, vor dessen Hintergrund sich der Krieg abspielt, müssen wir es wagen, etwas mehr zu tun. Nach den großen weltweiten Demonstrationen am 15. Februar 2003 gegen den Krieg im Irak schrieb die New York Times, dass die Friedensbewegung (jene globale Bewegung, die Seattle, Porto Alegre und Genua hinter sich hatte) die „zweite Weltmacht“ sei. Damals haben wir diese Zuschreibung kritisiert, weil sie die Bedeutung der Bewegung auf die Ebene einer „Meinung“ zu beschränken schien. (…) Die Aufrüstungsdynamik, die durch den Krieg beschleunigt wurde, ist ebenfalls global und wird sich in Europa sehr stark auf die Haushaltspolitik auswirken, zumal der Aufbau einer europäischen Armee jetzt auf der Tagesordnung steht. Aus dem Krieg desertieren ist heute ein Gebot der Stunde, doch können Praktiken der Desertion nur dann Wirkung entfalten, wenn sie in einen globalen Rahmen eingebettet sind. Wenn sie durch einen neuen Internationalismus getragen werden, der nicht am Reißbrett geschaffen werden kann und der zwar anders heißen mag, sich aber auf den Geist seines historischen Vorläufers bezieht. In den vergangenen Tagen kam aus Russland und der Ukraine der Aufruf zu einem „neuen Zimmerwald“, einer Konferenz im Geiste jener, die im September 1915 in der Schweiz Sozialistinnen und Sozialisten zusammenführte, die sich dem Weltkrieg widersetzten. Wir wissen nicht, wie konkret dieser Aufruf ist, und sicherlich ist die Situation heute eine völlig andere als vor über einem Jahrhundert. Es ist jedoch ein starker Vorschlag, den es aufzugreifen gilt.“ Beitrag von Sandro Mezzadra in der Übersetzung von Thomas Atzert bei medico (Veröffentlicht am 17. März 2022, erschien zuerst am 11. März 2022 auf dem Portal EuroNomade ) - Breites Bündnis fordert Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine
„In einem gemeinsamen Appell an den Deutschen Bundestag fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis den Bundestag und die Bundesregierung auf, sowohl russischen und belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren. Deutschland und alle anderen EU-Länder müssen diese Menschen, die vor dem Kriegseinsatz fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen – und auch dafür sorgen, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt wird. „Unser Ziel ist es, dass Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus dem Ukraine-Krieg unkompliziert Schutz und Asyl gewährt wird“, heißt es in dem Brief an die Bundestagsabgeordneten, der von Connection e.V., der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL und rund 40 weiteren Friedens‑, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen aus ganz Deutschland unterstützt wird. Das Bündnis bittet die Bundestagsabgeordneten eindringlich, mit einem entsprechenden Antrag – möglichst überfraktionell – die Bundesregierung mit diesem Schutz für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer zu beauftragen. Leider ist dieser Schutz bisher nicht garantiert. (…) Nach derzeitigem Stand müssen geflüchtete Deserteure und Verweigerer aus der Russischen Föderation und Belarus ins Asylverfahren gehen – mit ungewissem Ausgang. Denn die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung und Desertion gilt in Deutschland nach der Praxis von BAMF und Gerichten nicht ohne weiteres als Asylgrund. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg, unterstützt durch Belarus. Und deshalb gilt für russische und belarussische Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Artikel 9 der Qualifikationsrichtline der Europäischen Union: Denjenigen Menschen wird flüchtlingsrechtlicher Schutz zugesagt, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen Bestrafung fürchten müssen (Artikel 9 Abs. 2e). (…) Auch in der Ukraine wird nur ein kleiner Teil der Kriegsdienstverweigerer anerkannt – zu ihnen zählen Mitglieder von kleinen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise den Zeugen Jehovas. Wer nicht einer solchen Religionsgemeinschaft angehört, dem wird eine Anerkennung versagt. Auch Reservisten und Soldaten haben keine Möglichkeit der Antragstellung. Zudem widerspricht das derzeit geltende Ausreiseverbot für Männer zwischen 18 und 60 Jahren dem 4. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach es jeder Person „freisteht, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 feststellte…“ Pressemitteilung vom 29. März 2022 von und bei Pro Asyl , siehe auch:- Hintergrundinformationen und Appell an den Deutschen Bundestag bei Connection e.V.
- Aufruf zahlreicher Organisationen: Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine
„Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von der Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter, über DFG-VK Verbände, verschiedene Flüchtlingsräte, die Informationsstelle Militarisierung, die IPPNW, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, Pro Asyl und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein fordert Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine. Initiiert wurde der Aufruf von Connection. Connection setzt sich für ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein und unterstützen verfolgte Kriegsdienstverweigerer und -verweigerinnnen in Zusammenarbeit mit Gruppen und Organisationen, die sich in ihren Ländern gegen Krieg, Militär und Wehrpflicht engagieren. Über den Aufruf und den damit verbundenen Antrag an den Bundestaghaben wir mit Rudi Friedrich von Connection gesprochen.“ Audio des Interviews vom 1. April 2022 beim Radio Dreyeckland - Asyl für Deserteure erleichtern: Pro Asyl und Connection fordern Schutz und Asyl für russische, belarussische und ukrainische Deserteure. Der Weg aus dem Krieg ist juristisch kompliziert
„In einem Brief an die Bundestagsabgeordneten haben die Vereine Pro Asyl und Connection unkomplizierten Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigernde aus Russland, der Ukraine sowie aus Belarus gefordert. Für ukrainische Soldat*innen sollte eine Verweigerung derzeit eigentlich leichter möglich sein. »Den aus der Ukraine geflohenen Menschen kann durch den am 4. März einstimmig getroffenen EU-Beschluss zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und die entsprechende Umsetzung in Deutschland über den Paragrafen 24 Aufenthaltsgesetz schnell und unbürokratisch geholfen werden«, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Bamf auf »nd«-Anfrage mit. Nach den Erfahrungen von Connection wird aus der Ukraine aber nur ein kleiner Teil der Kriegsdienstverweigerer anerkannt, zu denen die Mitglieder von kleinen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise den Zeugen Jehovas zählen. Wer nicht einer solchen Religionsgemeinschaft angehört, dem wird eine Anerkennung versagt. Auch Reservisten und Soldaten haben keine Möglichkeit der Antragstellung. Eine direkte Absage an Deserteure wollte das Bamf auf »nd«-Nachfrage nicht tätigen. Es sei »immer im Einzelfall nach gründlicher Abwägung aller als schutzrelevant vorgetragenen Gründe des Antragsstellers oder der Antragstellerin individuell zu entscheiden.« (…) Auch russische und belarussische Deserteur*innen müssen weiterhin einen Antrag auf Asyl stellen. (…) Nach vorläufigen Daten liegt die Zahl der formellen Asylerstanträge von russischen Staatsangehörigen im Monat März 2022 etwa auf dem Niveau des Vormonats, in dem 132 Antragsstellungen zu verzeichnen waren. (…) »Die Zahlen an russischen Deserteuren sind derzeit kaum zu ermitteln«, sagt Rudi Friedrich vom Verein Connection, der sich international für Kriegsdienstverweigernde und Deserteur*innen einsetzt. Russische und belarussische Soldat*innen können sich eigentlich auf Artikel 9 der EU-Normen berufen, um als Geflüchtete anerkannt zu werden. Doch die Verfahren vor deutschen Gerichten sind langwierig. Die vorzulegenden Beweise sind nahezu unmöglich zu beschaffen. Die Gerichte fordern schriftliche Einsatzbefehle, aus denen dann auch eventuell völkerrechtswidrige Handlungen ablesbar werden. Deutlicher ausgedrückt: eine schriftliche Vorabbestätigung, dass Kriegsverbrechen begangen werden sollen…“ Artikel von Daniel Lücking vom 5. April 2022 in Neues Deutschland online
- Sabotiert diesen Krieg! Gespräch mit einem russischen Anarchosyndikalisten
„Ein Krieg, der in Russland nicht so heißen darf; Propagandageheul auf allen Seiten; Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit außer Kraft – die Lage seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist denkbar unübersichtlich. Unser Gesprächspartner, ein russischer Anarchosyndikalist, bewahrt dennoch klaren Kopf. Sein ausgeprägtes Geschichts- und Klassenbewusstsein und die nach wie vor bestehenden Kontakte zu seinen Genoss*innen in beiden Krieg führenden Ländern helfen ihm, die Geschehnisse zu analysieren und nicht in die Falle des Nationalismus und der Kriegsbegeisterung zu tappen. Seinen Namen möchte er aus Gründen des Selbstschutzes lieber nicht in der Zeitung sehen. (…)
Die Anarchist*innen in Russland sind natürlich alle gegen den Krieg. Sie setzen aber unterschiedliche Akzente. Wir Anarcho-Syndikalist*innen vertreten Positionen des prinzipientreuen und vollständigen Internationalismus und Antimilitarismus, stellen uns gegen alle Kriegsparteien, weil sie etatistisch und kapitalistisch sind, und rufen die Einwohner*innen Russlands und der Ukraine auf, diesen Krieg zu sabotieren. Wir glauben nicht an „gerechte“ und „Befreiungskriege“, und wir verurteilen sowohl expansionistische Eroberungen als auch die „Verteidigung des Vaterlandes“. Unsere Solidarität gilt den Zivilist*innen, die unter dem Krieg, den gegenwärtigen barbarischen Bombardierungen und dem Beschuss von Städten leiden. Gleichzeitig gibt es andere Anarchist*innen, die glauben, dass man mit dem „Abwehrkampf des ukrainischen Volkes“ sympathisieren sollte. (…)
[GWR: Gibt es organisierte Kriegsdienstverweigerung oder Desertionen? Wie reagiert der russische Staat darauf?]
X: Es gibt keine organisierte Bewegung von Deserteuren in Russland: Eine solche Bewegung würde sofort und durch die grausamsten Maßnahmen niedergeschlagen. Es gibt Informationen über Befehlsverweigerung, Kampfunwilligkeit, zurückgelassene militärische Ausrüstung und über russische Soldaten, die sich freiwillig in Kriegsgefangenschaft begeben. Da diese Informationen jedoch hauptsächlich von ukrainischer Seite stammen, ist es unmöglich, sie zu überprüfen.
Bisher werden vor allem Berufssoldaten an die Front geschickt. Das sagen zumindest die russischen Behörden. Aber es gibt Gerüchte, dass bereits Rekruten mobilisiert werden. Am 9. März gab der Leiter der Abteilung für Information und Massenkommunikation des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, zu, es gebe „einige“ bestätigte Fälle, dass Wehrpflichtige in den Einheiten der russischen Streitkräfte in der Ukraine eingesetzt worden seien. Die Behörden sagten, das seien Fehler gewesen, die Schuldigen würden bestraft, die Wehrpflichtigen seien angeblich bereits abgezogen worden. Sie stellen angeblich sicher, dass nur Freiwillige zu den Militärregistrierungs- und Einberufungsämtern gehen. Wir können dies im Moment nicht überprüfen.
Unterdessen erwägt das russische Parlament eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes. Früher musste die schriftliche Vorladung zum Rekrutierungsbüro persönlich überreicht werden. Viele nutzten das, um einer Einberufung zu entgehen und sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Nun wird vorgeschlagen, diesen Absatz zu streichen: Eine persönliche Übergabe der Vorladung soll künftig nicht mehr erforderlich sein.
Andererseits ist bekannt, dass Männer im wehrfähigen Alter die Ukraine aufgrund behördlicher Anordnung nicht verlassen dürfen und diejenigen, die nicht kämpfen wollen, an den Grenzen festgenommen werden. In Odessa sah man ein Plakat der ukrainischen Armee mit etwa folgendem Text: „Das ist nicht dein Krieg? Dann liebst du deine Heimat nicht.“…“ Interview aus der Graswurzelrevolution 468 vom April 2022 dokumentiert am 30.03.2022 beim Linksnet – siehe auch unser Dossier: Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle - Schutz und Asyl bei Kriegsdienstverweigerung und Desertion in Zeiten des Ukraine-Krieges
„In Russland und Belarus entziehen sich Menschen dem Einsatz im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer. Trotz internationaler Beschlüsse zur Kriegsdienstverweigerung und trotz Regelungen zur Verweigerung völkerrechtswidriger Kriege im EU-Recht, fallen deutsche Asylentscheidungen anders aus. Immer mehr Menschen in Russland und Belarus wollen sich am völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine nicht beteiligen. Und auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer. Aufgrund eindeutiger Regelungen zur Verweigerung völkerrechtswidriger Kriege im EU-Recht und internationaler Urteile und Regelungen, die ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung anerkennen, müssen diese Personengruppen Asyl erhalten. (…) Soldaten und Soldatinnen, die sich auf der Seite Russlands oder Belarus an diesem Krieg beteiligen, sind Teil eines völkerrechtswidrigen Einsatzes. Wenn sie sich dem Dienst entziehen, verweigern oder desertieren, müssen sie mit Strafverfolgung rechnen. Das kann einen Schutz nach der EU-Qualifikationsrichtlinie begründen. Aber auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer, die sich aus unterschiedlichen Motiven heraus nicht an den Kämpfen beteiligen wollen. Und für alle Seiten gilt, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 festgestellt hat, Gültigkeit haben muss…“ Pro-Asyl-Meldung vom 24.03.2022 - Ukraine-Krieg: Wer fliehen darf, wer kämpfen muss
„FDP fordert Aufnahme russischer Deserteure, ukrainische Männer ignoriert sie. Das ist bezeichnend für den deutschen Tunnelblick auf Krieg und Menschenrechte (…) „Wir fordern offene Grenzen und Unterstützung aller Kriegsdiensverweigererinnen und Kriegsdienstverweigerer sowie Deserteurinnen und Deserteure – egal welcher Seite im Konflikt sie angehören“, sagte gegenüber Telepolis der politische Geschäftsführer der Friedensorganisation DFG-VK, Michael Schulze von Glaßer. (…) Dass unter den inzwischen mehr als 160.000 Geflüchteten vor dem russischen Angriffskrieg auch einige Kriegsdienstverweigerer sein dürften, liegt auf der Hand, wird aber medial und politisch kaum thematisiert – obwohl es dafür gute Gründe gäbe. So gehen die Behörden in Tunesien Berichten nach, denen zufolge Staatsangehörige des nordafrikanischen Landes, die in der Ukraine inhaftiert waren, zwangsrekrutiert wurden, um Verbände gegen die russischen Invasoren zu verstärken. Dies habe das tunesische Außenministerium zu Beginn der vergangenen Woche bestätigt, so die panarabische Tageszeitung Asharq al-Awsat. In Spanien hatte es schon zu Jahresbeginn eine Debatte gegeben, nachdem der Oberste Gerichtshof Asyl- und Schutzanträge von Kriegsdienstverweigerern aus der Ukraine verweigert hatte. „Das Innenministerium und die Gerichte lehnen praktisch alle Asylanträge oder irgendeine Art von internationalem Schutz ab“, hieß es dazu in der Tageszeitung El Mundo. „Wenn der Militärdienst im Herkunftsland des Antragstellers verpflichtend ist, kann niemand erwarten,, dass dieses Gericht die Verletzung dieser Bürgerpflicht befürwortet“, zitierte das Blatt einen entsprechenden Beschluss. Der Vorstand der in Nürnberg ansässigen Humanistischen Vereinigung, Michael Bauer, sieht vor diesem Hintergrund Gründe für eine Aufnahme ukrainischer Kriegsdienstverweigerer. „Niemand sollte zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Dergleichen wäre mit einer humanistischen Haltung nicht vereinbar“, so Bauer gegenüber Telepolis. (…) Dass aktuell von einigen Politikern der Bundesregierung und der EU geplant wird, russischen Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Krieg verweigern, Aufnahme und Schutz zu gewähren, begrüßt die traditionsreiche Friedensorganisation. „Dies muss aber auch für die ukrainische Seite gelten“, so Schulze von Glaßer…“ Beitrag von Harald Neuber vom 18. März 2022 bei Telepolis - Das Recht, Nein zu sagen: Männer im wehrpflichtigen Alter dürfen die Ukraine nicht verlassen. Doch das Recht, nicht zu töten, muss auch und gerade im Krieg gelten.
„Es sind herzergreifende Szenen. Ein Mann drückt seine kleine Tochter und seine Frau, die in einen Bus steigen, um zu fliehen vor dem Angriff Russlands, um Kiew, um die Ukraine zu verlassen. Es fließen Tränen, in dem Video, das in den sozialen Medien die Runde machte. Der Mann wird bleiben. Er muss. Das Land verteidigen gegen den Aggressor. Muss das so sein? Nein. Allein das archaische Geschlechterbild dahinter sollte zeigen, wie rückständig die Idee ist, irgendein Ziel durch Krieg zu erreichen. Frauen und Kinder werden in Sicherheit gebracht, während – oder besser gesagt: weil – sich Männer die Köpfe einschlagen. Auf Leben und Tod. Selbstverständlich gibt es ein Recht auf Verteidigung. Das gilt für jede angegriffene Person. Und auch für einen Staat wie die Ukraine. Sie darf sich mit allem, was sie hat, dem russischen Überfall entgegenwerfen. Aber resultiert daraus eine Pflicht zur Verteidigung? Nein. In der Ukraine aber gibt es sie, wie in vielen anderen Staaten auch. Seit dem Angriff Russlands dürfen männliche Staatsbürger zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen, um für die Verteidigung herangezogen werden zu können. Wer es doch versucht, dem droht die Festnahme. Der ukrainische Grenzschutz meldete wiederholt, dass Mobilisierungsverweigerer an der Grenze festgenommen und den Militärbehörden überstellt wurden. Wer Nein sagt, ist illegal. Ein Deserteur. In Russland müssen junge Wehrpflichtige in den Krieg ziehen, teilweise ohne zuvor darüber informiert worden zu sein. Desertieren wird äußerst hart bestraft – russische Deserteure haben darum Anspruch auf Asyl in der EU. (…) Ein Deserteur allein wird die Welt nicht ändern. Aber Tausende? Millionen? Darin liegt die kleine, utopische Chance des Pazifismus – auch wenn er aktuell Lichtjahre davon entfernt scheint, ein Comeback zu feiern. Ist eine solche Debatte in Deutschland überhaupt angemessen? Wenn es um die Gewissensentscheidung der Ukrainer geht, sicher nicht. Die kann und muss jeder für sich vor Ort treffen. Doch mit der Lieferung von Waffen an die Ukraine ist Deutschland längst Kriegspartei. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat bereits über die Einberufung von Reservisten nachgedacht. Und mit der aktuell debattierten Wiedereinführung der Wehrpflicht würde auch die deutsche Jugend bald wieder vor der charakterbildenden Frage stehen: Kriegsdienst mit der Waffe – ja oder nein?…“ Kommentar von Gereon Asmuth vom 14. März 2022 in der taz online - Vergiftete Tapferkeit. Zum militaristischen Lob der bewaffneten ukrainischen Gegenwehr
„Gerhard Mangott, Professor für internationale Beziehungen in Innsbruck und von Medien viel gefragter Russlandexperte, stellt am 9.3. 2022 im Inforadio des RBB fest: Militärische Unterstützung für die Ukraine wird den Krieg in die Länge ziehen, gewinnen könne die Ukraine gegen die russische Armee nicht (…). „Die Ukraine sei zwar militärisch mittlerweile besser gerüstet als beim russischen Einmarsch in der Krim im Jahr 2014. Gegen die russischen Truppen hätte sie aber keine Chance“, so der Osteuropa-Experte Klaus Segbers (FU Berlin) gegenüber der Berliner Morgenpost, am 13. 2. 2022. (…) Am 6.3. erklärt der Kiewer Bürgermeister Klitschko in der ARD: „Wir werden uns verteidigen, egal was es kostet.“ Sich zu wehren, ist unterstützenswert. Aber gegen die russische Aggressoren-Armee militärisch vorzugehen, die eine überlegene Feuerkraft hat und Städte bei anhaltendem Widerstand von außen in Schutt und Asche legen kann, ist entweder Märtyrerpathos, oder es handelt sich um das rücksichtslose Opfern von allen, die noch irgendwie eine Waffe bedienen können. Diese Strategie ist darauf angelegt, die Nato zum Eingreifen und damit zum 3. Weltkrieg zu drängen. Warum aber nicht die russische Armee das Land besetzen lassen und dann zivilen Widerstand und Sabotage praktizieren? Warum sich nicht darauf einstellen, dass die russische Wirtschaft mit der neuen Mehrfachbelastung (die Mega-Sanktionen plus Kosten für Besatzung) bald völlig überfordert ist? (…) Die Ablehnung der Parole „militärischer Widerstand, egal, was es kostet“, ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine seitens Unbeteiligter. Spätestens bei den Ideen der polnischen Regierung zum ganz listigen Export von MiG-Kampfjets über Umwege wird deutlich, wie schnell die militärische Unterstützung für die Ukraine dazu führen kann, in einen dritten Weltkrieg hineinzustolpern – nur, weil die reaktionäre und rechtstaatliche Maßstäbe in großen Umfang verletztende polnische Regierung sich an alte offene Rechnungen mit Russland erinnert? …“ Beitrag von Meinhard Creydt vom 12. März 2022 bei Telepolis - Spendenaufruf – Friedenskaffee – Deserteure und Verweigerer aus der Ukraine, aus Russland und Belarus brauchen Unterstützung
„Vor wenigen Tagen hat das Quijote Kaffee Kollektiv einen Solikaffee für die Arbeit für Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine aufgelegt. Wir finden das großartig und danken sehr herzlich dafür. Wir nehmen dies auch zum Anlass, selbst zu Spenden aufzurufen: Unterstützen Sie Deserteur*innen, Verweiger*innen aus der Ukraine, aus Russland und Belarus. Die eingehenden Gelder werden wir ausschließlich für die Arbeit mit den Deserteur*innen und Verweiger*innen verwenden. Ziel ist es, ständige Anlauf- und Beratungsstellen in russischer und ukrainischer Sprache in Deutschland und anderen Ländern vorzuhalten, Gruppen in Russland, Belarus, Ukraine und den Nachbarländern finanziell bei dieser Arbeit zu unterstützen und ein Netzwerk für diese Arbeit aufzubauen…“ Spendenaufruf der Connection e.V. vom 11. März 2022 - Auf die Straße – gegen den Krieg! Wir müssen dafür kämpfen, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aller Kriegsparteien Asyl bekommen in Deutschland
„Liebe Friedensfreund:innen, ich bin seit Anfang der 1980er-Jahre in der Friedensbewegung aktiv, am Anfang gegen den NATO-Doppelbeschluss, die „Nachrüstung“ mit Pershing-2-Atomraketen. Aktiv war ich auch gegen den so genannten Kosovo-Krieg, also den völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, der 1999 von einer rot-grünen Bundesregierung mit verantwortet wurde. Es war ein Krieg gegen die Menschen in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Dort fanden Kriegsverbrechen statt von Seiten der NATO, der UÇK und der serbischen Armee. Wir haben damals nicht das Milošević-Regime oder die NATO, sondern Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und antimilitaristische Gruppen aus dem Kosovo, aus Serbien und von allen Kriegsparteien unterstützt. Wir kämpfen gegen jeden Krieg.
Wir müssen auch heute dafür kämpfen, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aller Kriegsparteien Asyl bekommen in Deutschland. De facto ist die Situation so, dass russische Soldaten teilweise desertieren, dass einige russische Soldaten auch ihre Militärfahrzeuge beschädigen, damit sie nicht weiterfahren können. Diese 75 Kilometer lange Panzerkolonne, die hier in den Medien gezeigt wurde, kommt wohl auch deshalb nur so langsam voran, weil Fahrzeuge von Soldaten sabotiert werden und liegen bleiben. Viele russische Soldaten wurden als Wehrpflichtige zum Zwangsdienst beim Militär herangezogen, viele dachten anfangs, sie seien immer noch im Manöver. Etliche wollen nicht an Putins Angriffskrieg teilnehmen und Menschen auf Befehl töten, sondern desertieren. Die müssen wir unterstützen!
Ich habe Freund:innen in Russland und in der Ukraine. Ich mache mir Sorgen um sie, ich habe Schiss, dass mein Freund in Moskau verhaftet wird. Ich habe Angst um sein Leben. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Menschen aus Russland ohne Probleme hierher fliehen können. Das gilt natürlich auch für die andere Seite. (…)
Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir müssen alles dafür tun, dass Kriege gestoppt werden. Wir müssen den Krieg sabotieren und Menschen unterstützen, die sich gegen die Kriege stellen. Was hier momentan passiert, ist ein politischer Skandal. Die rot-gelb-grüne Bundesregierung lässt massiv Waffen in ein Kriegsgebiet liefern, in dem ein Massaker stattfindet und in dem es zu weiteren Bluttaten kommen wird. Sie gießt Öl ins Feuer…“ (schöner) Redebeitrag von GWR-Mitherausgeber Bernd Drücke auf der Anti-Kriegs-Kundgebung am 5.3.2022 in Münster dokumentiert bei Linksnet und als Video in der Graswurzelrevolution - Kriegsdienstverweigerer und Deserteure brauchen unsere Unterstützung – Nein zum Krieg in der Ukraine!
„Es herrscht wieder Krieg in Europa. Wir sind entsetzt. In einem Angriffskrieg sind russische Truppen auf Befehl der russischen Regierung unter Wladimir Putin in der Ukraine einmarschiert. Schon jetzt gibt es viele Tote und Verwundete. Es drohen weitere Eskalationen. Wir fordern von der russischen Regierung, sofort alle Kampfhandlungen einzustellen und alle Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Eine Zuspitzung der Konfrontation zwischen Russland und NATO muss auf jeden Fall vermieden werden. Wir befürworten die Aufnahme von Verhandlungen, bevor das Leid noch größer wird.
Wir erleben, dass auch hier in Deutschland unter dem Eindruck des Krieges die Aufrüstung und Militarisierung unseres Lebens vorangetrieben wird.
„Unsere Solidarität und Unterstützung gilt insbesondere allen, die sich dem Kriegseinsatz verweigern oder desertieren. Sie müssen geschützt werden.“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V. „Unsere Solidarität und Unterstützung gilt auch allen, die auf welcher Seite auch immer gegen den Krieg aufstehen, zivilen Widerstand leisten und das sofortige Ende des Krieges einfordern.“
„In den letzten Jahren kamen mehrere Hundert Verweigerer aus allen Teilen der Ukraine nach Deutschland“, ergänzt Rudi Friedrich, „um hier Schutz vor einem Kriegseinsatz zu finden. Die meisten wurden in den Asylverfahren abgelehnt und so einem erneuten Kriegseinsatz ausgeliefert. Das ist ein Skandal, der sich nicht wiederholen darf.“ Wir fordern Deutschland und die Europäische Union auf, Flüchtlinge aus der Konfliktregion unbürokratisch und dauerhaft aufzunehmen.
Krieg ist ein Verbrechen. Deshalb fordern wir alle, insbesondere aber die russischen Soldaten und Soldatinnen, auf, ihre Waffen niederzulegen. Wir fordern die Regierenden der am Krieg beteiligten Staaten auf, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu gewährleisten.
Zugleich fordern wir von Deutschland und der Europäischen Union: Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, sowohl von russischer wie ukrainischer Seite, brauchen Asyl.“ Connection-Pressemitteilung vom 1. März 2022 - Fahnenflucht! Solidaritätsfond für Desertierende und soziale Proteste
„Wir sind in diesen Tagen ebenso wütend wie frustriert. Wir haben keine fertigen Antworten. Doch wir wissen, dass wir die diversen Kämpfe sozialer Bewegungen nicht der Logik und den vermeintlichen Sachzwängen des Krieges opfern dürfen. Grade in Zeiten wie diesen müssen wir die Basis emanzipatorischer, sozialer Bewegungen weiterentwickeln! (…) Nationalismus und Aufrüstung sind nie, gerade auch nicht angesichts dieser Zustände, eine emanzipatorische gesellschaftliche Antwort. Sie bieten keine Perspektive über das Elend hinaus, im Gegenteil, sie Schreiben es fort und verschärfen es. Insbesondere die Militarisierung des öffentlichen Diskurses und die Aufrüstung in Deutschland lehnen wir ab. Statt auf noch mehr deutsche Waffen zu hoffen, die nur kapitalistische Konkurrenz, globales Wettrüsten und regionale Konflikte weiter befördern, liegt unsere Perspektive auf Desertation und der Demontage von allem Kriegsgerät. Nicht mit Nationen sind wir solidarisch, sondern mit sozialen Kämpfen und allen Menschen auf der Flucht.
Die Ukraine hat als Antwort auf den russischen Angriff erklärt, die Grenzen für alle „wehrfähigen“ Männer von 18 bis 60 Jahren zu schließen, um sie für den Kriegsdienst zwangszuverpflichten. Wir fordern offene Grenzen und solidarisieren uns mit allen Deserteur*innen und Fahnenflüchtigen, die sich der Kriegslogik entziehen, ob aus Russland, der Ukraine oder anderen Ländern.
Unsere Antwort auf imperiale Kriege liegt nicht darin, selbst in Militarismus und patriarchale Muster zu verfallen, sondern sich ihnen zu widersetzen. Dazu dient die Stärkung von emanzipatorischen Projekten, antiautoritären Protesten, Arbeitskämpfen, politischen Generalstreiks, direkten Aktionen und der Selbstermächtigung von Akteuer*innen.
Deshalb hat Café Libertad gemeinsam mit dem Fanprojekt St. Pauli Roar einen Fördertopf zur Soforthilfe eingerichtet, der Fahnenflüchtige und Deserteur*innen aller Seiten unterstützt…“ Aufruf von Café Libertad – Förderanfragen: solidarity@cafe-libertad.de. Siehe dazu auch:- Nein zum Krieg heißt Solidarität mit Desertierenden
„… Wir sind in diesen Tagen ebenso wütend wie frustriert. Wir haben keine fertigen Antworten. Doch wir wissen, dass wir die diversen Kämpfe sozialer Bewegungen nicht der Logik und den vermeintlichen Sachzwängen des Krieges opfern dürfen. Grade in Zeiten wie diesen müssen wir die Basis emanzipatorischer, sozialer Bewegungen weiterentwickeln! Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein Angriffskrieg, der die autoritäre Innenpolitik in Russland nach außen fortsetzt und einem Großmachtstreben folgt, das ideologisch an vorsowjetische, zaristische Zeiten anknüpft. Zugleich ist der Krieg eingebettet in innerkapitalistische Konkurrenzkämpfe um Hegemonie, Marktanteile und Einflusssphären zwischen den globalen Machtblöcken von Russland, China, den USA und der EU sowie mittendrin Deutschland als eigenständige Akteurin. Auch die geostrategischen Zielsetzungen der Nato folgen dieser Konkurrenzlogik. Sie ist eine internationale militärische Allianz zur Durchsetzung eigener Interessen. Letztlich ist sie ein Kriegsbündnis von Staaten und keine demokratische Institution der „Freiheit“, zu der sie aktuell gerne erklärt wird. Es gab und gibt keine „humanitären“ Kriege. Es gibt nur Kriege. Und auf dieser Konfliktebene können soziale Bewegungen nur verlieren. Ihr Hauptfeind steht daher immer im eigenen Land. (…) Unsere Antwort auf imperiale Kriege liegt nicht darin, selbst in Militarismus und patriarchale Muster zu verfallen, sondern sich ihnen zu widersetzen. Dazu dient die Stärkung von emanzipatorischen Projekten, antiautoritären Protesten, Arbeitskämpfen, politischen Generalstreiks, direkten Aktionen und der Selbstermächtigung von Akteuer*innen. Deshalb hat Café Libertad gemeinsam mit dem Fanprojekt St. Pauli Roar einen Fördertopf zur Soforthilfe eingerichtet, der Fahnenflüchtige und Deserteur:innen aller Seiten unterstützt. Den kapitalistischen Kriegszustand bekämpfen! EU-Grenzen öffnen, alle Refugees supporten! Direkte Solidarität mit Deserteur*innen und emanzipatorischen Protestbewegungen!“ Beitrag von Café Libertad vom 3. März 2022 in Sozial.Geschichte Online
- Nein zum Krieg heißt Solidarität mit Desertierenden
- Wofür ist Krieg gut? Für absolut nichts! Gegen den Kriegsdienst gestern, heute, morgen
Aufruf von Christof Meueler am 24.02.2022 im ND online – siehe auch das Grundrechtekomitee am 24.2.22 auf Twitter : „Wir fordern – insbesondere die russischen – Soldat*innen auf, ihre Waffen niederzulegen. Die EU hat Deserteur*innen sofortiges Asyl zu gewähren. #NoWar #StopWar“ und den gesamten empfehlenswerten Thread - Soldat*in! Der Feind ist in Minsk, nicht in Kiew! [Belarus]
„Mit seinen imperialistischen Ambitionen droht Putin mit einer Invasion der Ukraine. Lukaschenko ist bereit, seinen Chef im Kreml zu unterstützen, indem er belarussische Soldaten in einem anderen Land in den Krieg schickt. Die Versuche, Patriotismus in die belarussische Gesellschaft zu pumpen, sind zwar vorübergehend, aber sehr bescheiden. Die Soldat*innen werden für den russischen Zaren sterben müssen. Aber nach wie vor hat jeder Soldat*in eine Wahl. Auch wenn diese Wahl hier und jetzt unwahrscheinlich erscheint. In kritischen Momenten zeigen wir alle große Entschlossenheit. Der Krieg Russlands um Einfluss in der Ukraine ist kein Krieg der belarussischen Soldaten. Diktator Lukaschenko und Imperator Putin sind die wahren Feinde der Völker von Belarus, der Ukraine und Russlands. Sie wollen euch als Fleisch an die Front werfen, um die Macht eines Mannes zu zeigen, der nie an dieser Front erscheinen wird. Mut und Kampfgeist unter Genoss*innen sind ihm und seinem Gefolge unbekannt. Soldat*innen, in euren Händen liegt eine Waffe, die euch und eure Gefährt*innen von sinnlosem Blutvergießen und Krieg befreien kann. Revoltiert gegen die Offiziere und die gierigen Politiker*innen. Wenn jemand in diesem Konflikt untergehen sollte, dann sind es die belarussische Diktatur und das russische Imperium!…“ Aufruf von Anarchist*innen aus Belarus vom 21. Februar 2022 in dt. Übersetzung am 23.2.2022 bei Enough14D - Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine brauchen unsere Unterstützung
Sonderseite bei Connection e.V. - WRI-Erklärung zum Krieg in der Ukraine
„Als War Resisters‘ International sind wir äußerst besorgt über den Krieg in der Ukraine. Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit! (…) Wir fordern die ukrainische Regierung auf, auf den militärischen Widerstand zu verzichten und stattdessen den zivilen Widerstand zu proklamieren. Wir rufen das ukrainische Volk dazu auf, einer möglichen neuen, von Russland eingesetzten Regierung jeglichen Gehorsam zu verweigern. Das nennt man soziale Verteidigung. Wenn sich alle weigern, den Befehlen Russlands zu gehorchen, wenn Russland die Ukraine besetzt, wird es letztlich seine Ziele nicht erreichen können. Wir rufen auch das russische Volk und die russischen Soldaten auf, den Kriegshandlungen ihrer Regierung jeglichen Gehorsam zu verweigern, gewaltfrei Widerstand zu leisten und die Absetzung des Putin-Regimes herbeizuführen. Auch dies ist Teil der sozialen Verteidigung. (…) Wir sind in diesen schwierigen Zeiten solidarisch mit dem ukrainischen Volk und unterstützen diejenigen, die sich dem Krieg in der Ukraine, in Russland und anderswo widersetzen.“ Maschinenübersetzung der (engl.) WRI-Erklärung vom 24.2.2022 zum Krieg in der Ukraine - Statement der ukrainischen pazifistischen Bewegung
„Die Menschen in unserem Land und der gesamte Planet sind durch die nukleare Konfrontation zwischen den Zivilisationen des Ostens und des Westens in tödlicher Gefahr. Wir müssen die Truppenaufstockung, die Anhäufung von Waffen und militärischer Ausrüstung in der und um die Ukraine stoppen, das irrsinnige Werfen von Steuergeldern in den Ofen der Kriegsmaschinerie, anstatt akute sozioökonomische und ökologische Probleme zu lösen. Wir müssen aufhören, den grausamen Launen von Militärkommandanten und Oligarchen, die vom Blutvergießen profitieren, nachzugeben.
Die Ukrainische Pazifistische Bewegung verurteilt die Vorbereitung der Ukraine und der NATO-Mitgliedsstaaten auf einen Krieg mit Russland. Wir fordern weltweite Deeskalation und Abrüstung, die Auflösung von Militärbündnissen, die Abschaffung von Armeen und Grenzen, die die Menschen trennen. Wir fordern eine sofortige friedliche Beilegung des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine, um Donezk und Luhansk, auf der Grundlage von:
1) der absoluten Einhaltung eines Waffenstillstands durch alle pro-ukrainischen und pro-russischen Kämpfer und der strikten Einhaltung des Maßnahmenpakets zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, das mit der Resolution 2202 (2015) des UN-Sicherheitsrats verabschiedet wurde;
2) Rückzug aller Truppen, Einstellung aller Lieferungen von Waffen und militärischer Ausrüstung, Beendigung der totalen Mobilisierung der Bevölkerung für den Krieg, Einstellung der Propaganda für Krieg und Feindschaft zwischen den Zivilisationen in den Medien und sozialen Netzwerken;
3) Führung offener, umfassender und inklusiver Verhandlungen über Frieden und Abrüstung in Form eines öffentlichen Dialogs zwischen allen staatlichen und nichtstaatlichen Konfliktparteien unter Beteiligung friedensorientierter zivilgesellschaftlicher Akteure;
4) die Verankerung der Neutralität unseres Landes in der Verfassung der Ukraine;
5) Gewährleistung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (einschließlich der Verweigerung der Ausbildung zum Militärdienst) gemäß Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und den Absätzen 2 und 11 der Allgemeinen Bemerkung No 22 des UN-Menschenrechtsausschusses.
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb sind wir entschlossen, jede Art von Krieg nicht zu unterstützen und uns für die Beseitigung aller Kriegsursachen einzusetzen.“ (engl.) Statement und Forderungen der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung vom 1.2.2022 bei „World BEYOND War“
Diese speziell auf Kriegsdienstverweigerung bezogenen Beiträge und Aufrufe sind größtenteils folgenden Dossiers im LabourNet Germany entnommen:
- Dossier: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg!
- Dossier: Ziviler Widerstand könnte sich als Geheimwaffe der Ukraine erweisen
- Dossier: Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle
- Dossier: Lukaschenko zwingt Belarussen zum Kriegsdienst – doch viele weigern sich
- Dossier: Hilfe für (alle!) Menschen in der Ukraine: Grenzen auf und Abschiebestopp!