Verteidigungsministerin Lambrecht erklärt Deutschland zur „militärischen Führungsmacht“ – Pistorius setzt um
Dossier
„„Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht“: Das erklärt Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht. (…) Gegenstand von Lambrechts Rede war die neue Nationale Sicherheitsstrategie, die noch im laufenden Jahr von der Regierung verabschiedet werden soll. Die Strategie, die unter Federführung des Auswärtigen Amts verfasst wird, entspricht auf nationaler Ebene dem „Strategischen Kompass“ – einer Art Militärdoktrin – der EU und dem neuen Strategischen Konzept der NATO. Weil die Realisierung der Strategie mit erheblichen Kosten verbunden ist, soll ihr breite Akzeptanz in der Bevölkerung verschafft werden – etwa durch die Einführung eines „Tages der nationalen Sicherheit“…“ Bericht vom 13. September 2022 von und bei German-Foreign-Policy sowie mehr daraus und dazu:
- Debatte über neues Bundeswehr-„Sondervermögen“ und Aufstockung des Wehretats: „Groß denken und groß machen“ oder „Wann ist genug genug?
- „Groß denken und groß machen“
„Debatte über neues Bundeswehr-„Sondervermögen“ oder Aufstockung des Wehretats auf bis zu 3,5 Prozent des BIP spitzt sich zu. Neue Greenpeace-Studie: NATO-Staaten stecken schon jetzt zehnmal so viel Geld ins Militär wie Russland.
Mit Blick auf die bevorstehenden Neuwahlen spitzt sich die Debatte um die Aufstockung des deutschen Militärhaushalts zu. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dringt auf die Verabschiedung eines neuen „Sondervermögens“ noch vor den Wahlen: Sollten AfD und BSW zusammen auf ein Drittel der Sitze im nächsten Bundestag kommen, könne man die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht mehr erreichen, heißt es. Bei dem „Sondervermögen“, das erstmals Ende Februar 2022 beschlossen wurde, handelt es sich dem Bundesrechnungshof zufolge faktisch um Sonderschulden. Alternativ schlägt Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Aufstockung des Bundeswehretats auf bis zu 3,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts vor. Aktuell wären dies über 140 Milliarden Euro. Mit Blick darauf, dass die Forderung nach massiver Aufrüstung meist damit begründet wird, man müsse eine militärische Übermacht Russlands verhindern, weist eine neue, von Greenpeace publizierte Studie darauf hin, dass die NATO-Staaten schon jetzt rund zehnmal so viel Geld für das Militär ausgeben wie Russland. Greenpeace plädiert dafür, die NATO solle ihre konventionelle Überlegenheit nutzen, um auf Abrüstung zu dringen. (…) Greenpeace folgert, eine „Notwendigkeit, in Deutschland die Militärausgaben weiter und dauerhaft zu erhöhen“ und dazu Kürzungen in „essenzielle[n] Bereich[en] wie Soziales, Bildung oder ökologische Transformation“ vorzunehmen, lasse sich aus Russlands Rüstung „nicht ableiten“. Vielmehr solle „die bestehende konventionelle Überlegenheit der Nato“ zum Anlass genommen werden, Rüstungskontrolle und Abrüstung voranzutreiben: „Eine andere Zeitenwende“ sei dringend erforderlich. (…) Dem stehen Äußerungen führender deutscher Politiker gegenüber, die klar darauf abzielen, Deutschland und der EU zu einer Weltmachtrolle zu verhelfen – auch mit militärischen Mitteln. „Wir müssen weltpolitikfähig werden“, verlangte in der vergangenen Woche etwa Wirtschaftsminister Habeck. „Europa muss aus eigener Kraft heraus weltpolitikfähig werden“, forderte der Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz. Damit tritt der gemeinsame Nenner einer möglichen künftigen Regierungskoalition hervor.“ Bericht vom 13. November 2024 von und bei German-Foreign-Policy.com - Weitere Details zur Greenpeace Studie und Link zur 64-seitigen Studie „Wann ist genug genug? Ein Vergleich der militärischen Potenziale der NATO und Russland“ sind bei Greenpeace seit 11. November 2024 zu finden
- „Groß denken und groß machen“
- Mehr Aufrüstung, mehr Rüstungsexporte, weniger Zivilklauseln? Nein zur Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie!
„Anlässlich des internationalen Weltfriedenstages am 21. September kritisiert die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ massiv die Pläne der Bundesregierung zu einer Strategie der Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI). Die in dem Entwurf formulierten Maßnahmen sollen Deutschland gesamtgesellschaftlich und gesamtstaatlich „wehrhaft“ – sprich „kriegstüchtig“ – machen. (…) „Es ist absolut abstoßend, unter dem Deckmantel einer ´Bedrohungslage´ die nationale, fast ausschließlich privatwirtschaftliche Rüstungsindustrie, über das bestehende Maß hinaus ‚wettbewerbsfähiger‘ und damit noch profitabler zu machen“, kritisiert Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK und Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ die geplante Strategie. „Rüstungsexporte sollen mit allen Mitteln gefördert werden. Dazu sollen u.a. die Allgemeinen Genehmigungen, d.h. die Abschaffung der Einzelfallprüfungen, ausgeweitet werden. Europäische Kooperationsabkommen, mit denen die nationale Exportkontrolle unterlaufen wird, sollen ausgebaut werden…“ Pressemitteilung vom 20.09.2024 bei Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! - „Für den Kriegsfall optimal aufgestellt“: Mit der Strukturreform „Osnabrücker Erlass“ des Verteidigungsministers verschmelzen militärische und zivile Elemente zunehmend
- „Für den Kriegsfall optimal aufgestellt“
„Mit einer Strukturreform führt Verteidigungsminister Pistorius die 2014 begonnene Ausrichtung der Bundeswehr auf einen Krieg gegen Russland fort. Militärische und zivile Elemente verschmelzen zunehmend.
Die deutschen Streitkräfte richten ihre interne Organisationsstruktur auf einen Krieg gegen Russland aus. Von der Reorganisation, die Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Monatsbeginn angekündigt hat, erhoffen sich die Militärs „Kriegstüchtigkeit, Führungsfähigkeit und Wehrpflichtfähigkeit“. Ziel der Reform ist es Pistorius zufolge, „die Bundeswehr so umzubauen“, dass sie für „den Kriegsfall optimal aufgestellt“ ist – inklusive „groß angelegtem“ Einsatz gegen eine Großmacht und „hoch intensivem Gefecht“. Die Reform enthält drei wesentliche Neuerungen: Führungsfähigkeiten für In- und Ausland werden in einem zentralen Führungskommando gebündelt; knappe Fähigkeiten wie ABC-Abwehr, Sanitätsdienst oder Logistik werden in einem Unterstützungskommando zentralisiert; die Cyber- und Informationskräfte werden zur vierten Teilstreitkraft aufgewertet. Der Umbau soll „alle Bereiche“ der Truppe in den Blick nehmen und laut Pistorius „innerhalb der nächsten sechs Monate“ umgesetzt sein. Es gehe darum, „Aufwuchsfähigkeit, […] Innovationsüberlegenheit und Kriegsversorgung“ sicherzustellen, heißt es; übergeordnete „Handlungsmaxime“ bleibt „Kriegstüchtigkeit“. (…) Die Umsetzung all der in den vergangenen Jahren beschlossenen Aufrüstungsprojekte strapaziert die Bundeswehr schon jetzt personell. Wie das Militär mitteilt, wird im Kriegsfall ein „größerer Teil“ der regulären Soldaten an der „Ostflanke“ der NATO kämpfen. Sie könnten deshalb zur Absicherung des deutschen Territoriums selbst „nicht eingeplant werden“. Wenngleich die aktuelle Strukturreform an sich keine personelle Vergrößerung der Truppe vorsieht, erklärt sie doch „Aufwuchsfähigkeit“ zu einem „Leitprinzip“. „Wir haben die Strukturen so organisiert […] dass wir die Aufwuchsfähigkeit – auf welchem Gleis auch immer – in den nächsten Monaten und Jahren organisieren können“, teilte Pistorius mit. Der notwendige personelle Aufwuchs lasse sich „am Ende eben nicht alleine nur über die Frage ‘Wer kommt freiwillig zur Bundeswehr?‘, sondern eben auch über die Frage einer Wehr- und Dienstpflicht“ lösen. Bei der Strukturreform sei „im Auge behalten und mitgedacht“ worden, „dass es zu einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht – in welcher Form auch immer – kommt“. Das Verteidigungsministerium bestätigt, „Wehrerfassungs- und Musterungsprozesse“ würden „strukturell vorbereitet, um einen verpflichtenden Wehrdienst“ umsetzen zu können. Laut Pistorius sei man dabei, „verschiedene Wehrpflichtmodelle“ abzuwägen – inklusive eventuell erforderlicher „Grundgesetzänderung“. Im „Kriegsfall“ gebe es „ohnehin“ eine „sofortige Wehrpflicht“.“ Bericht vom 30. April 2024 von und bei German-Foreign-Policy.com - Pistorius unterzeichnet „Osnabrücker Erlass“ für die ‚Bundeswehr der Zeitenwende‘
„Mit einem neuen Erlass hat Verteidigungsminister Boris Pistorius die Neustrukturierung der deutschen Streitkräfte zu einer Bundeswehr der Zeitenwende festgeschrieben. Der Minister unterzeichnete die Neuregelung am (heutigen) Dienstag in seiner Heimatstadt Osnabrück, nach der auch der Osnabrücker Erlass benannt ist. Nach dem Blankeneser Erlass des damaligen Verteidigungsministers Helmut Schmidt 1970 ist es die vierte Festlegung dieser Art für die Führung von Ministerium und Streitkräften. (…) Eine detaillierte Analyse der Unterschiede von Dresdner Erlass aus dem Jahr 2012 und dem neuen Osnabrücker Erlass ist was für Juristen und Freunde von Verwaltungsstrukturen. Was bei einer ersten Durchsicht auffällt (…): Entscheidung von Minister/Ministerin über Einsätze (…) Zwar wird in beiden Erlassen darauf verwiesen, dass der Begriff des Einsatzes … im militärfachlichen Sinne verwendet werde. Es gehe um einen besonders angeordneten, in der Regel befristeten, jenseits von Routinedienstbetrieb, Ausbildung und Übung angesiedelten Auftrag unabhängig von der rechtlichen Einordnung. Die Beschränkungen, die 2012 noch selbstverständlich schienen, sind jedoch in der neuen weltpolitischen Lage weggefallen. Keine zwingende Einbeziehung des Haushaltsaspekts (…) Im neuen Erlass ist diese Bestimmung ersatzlos weggefallen – der Begriff Haushalt kommt im ganzen Dokument nicht vor. (…) In der neuen Führungsstruktur der Streitkräfte war die aufgewertete Stellung des stellvertretenden Generalinspekteurs – bzw. korrekt: des Stellvertreters des Generalinspekteurs – nach den Ankündigungen des Ministers zu erwarten gewesen. Er bekommt besondere Bedeutung im Hinblick auf den neu geregelten Unterstützungsbereich, in dem die bisherigen militärischen Organisationsbereiche Streitkräftebasis (SKB) und Zentraler Sanitätsdienst aufgehen. (…) Wie von Pistorius zuvor festgelegt, wird es künftig vier Teilstreitkräfte geben: Wie bisher Heer, Luftwaffe und Marine, hinzu kommt der Cyber- und Informationsraum (CIR) als neue vierte Teilstreitkraft. Alle vier werden von Inspekteuren ebenso wie bisher geführt. Interessant ist die zwar nicht ganz neue, jetzt aber formal festgeschriebene Aufgabe, zur beschleunigten Realisierung von Rüstungsvorhaben beizutragen. (…) An die Stelle der bislang zwei Führungskommandos, dem Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze und dem Territorialen Führungskommando für das Inland, tritt ein gemeinsames Operatives Führungskommando. Sein Befehlshaber – bzw. konsequent: seine Befehlshaberin – kann Unterstützungsfähigkeiten … auftragsbezogen vorübergehend Verbänden einer Teilstreitkraft unterstellen. (…) Der neue Unterstützungsbereich bündelt die Fähigkeiten insbesondere der bisherigen Streitkräftebasis und des Sanitätsdienstes. Ihm werden die Sanität sowie die Logistik, das Feldjägerwesen, die ABC-Abwehr und Civil Military Cooperation (CIMIC) unterstellt. Die jeweiligen Aufgaben bleiben in Fähigkeitskommandos organisiert…“ Analyse von T.Wiegold vom 30. April 2024 bei Augen geradeaus online mit Link zum 9-seitigen Osnabrücker Erlass
- „Für den Kriegsfall optimal aufgestellt“
- „Operationsplan Deutschland“ und Kriegstüchtigkeit: Die Neuausrichtung der deutschen Mentalität und subtile Militarisierung der Medien
- Mit dem neuen „Operationsplan Deutschland“ treibt die Bundeswehr die Militarisierung der Zivilgesellschaft voran. Militärplaner setzen beim Aufmarsch gegen Russland auf die Einbindung ziviler Ressourcen
„Der von der Bundeswehr angekündigte „Operationsplan Deutschland“ beinhaltet neben militärischen Maßnahmen umfassende Schritte zur Militarisierung der deutschen Gesellschaft. Um im Rahmen der Arbeit an dem „Operationsplan“ unter dem Motto „Deutschland. Gemeinsam. Verteidigen“ zu diskutieren, lud Ende Januar der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant André Bodemann, „rund 300“ Experten zum „intensivierten Austausch militärischer und ziviler Akteure“ nach Berlin. Anwesend waren Vertreter von Politik, Polizei, Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, Wissenschaft, Medien und Wirtschaft (insbesondere Energie- und Logistikbranche) und aus verbündeten Staaten. Der Einsatz von Zivilisten und Reservisten soll militärische Potenziale für Operationen im Osten freimachen. Sachsens Innenminister Armin Schuster stellte in Berlin fest, Deutschland habe in Sachen zivil-militärische Zusammenarbeit bei „Waldbrand, Pandemie, Hochwasser“ bereits „viel gelernt“; „insbesondere in der Frage der Führung“ aber gebe es „keine Erfahrung mit Krieg“. Eine Vertreterin des Bundesinnenministeriums forderte, Deutschland müsse „unverkrampfter“ über „Krieg sprechen“. (…)Die erwähnten Szenarien der „hybriden Bedrohungen“ oder gar der „hybriden Kriegsführung“ zeichnet aus, dass sie sich in der Regel schwer beweisen oder verlässlich auf einen Akteur – gar „den Gegner“ – zurückführen lassen. Das öffnet Tür und Tor für Spekulationen. Dass abweichende Meinungen Gefahr laufen, als Aktivitäten des Feindes diffamiert zu werden, hatte schon die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bewiesen, als sie 2019 auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Organisation Fridays for Future als Beispiel für Russlands „hybride Kriegsführung“ in Deutschland nannte. Hybride Kriegsführung sei „schwer zu erkennen“, räumte Merkel ein, fuhr dann aber fort: „Dass plötzlich alle deutschen Kinder – nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss – auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen“. Zuletzt hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sebastian Schäfer Proteste unter anderem von Bauern auf diesem Wege zu diffamieren versucht. Nach einer Blockadeaktion am vergangenen Donnerstag, von der ein Auftritt von Grünen-Politikern betroffen war, äußerte er: „Wir können nicht ausschließen, dass an solchen Aktionen russische Trolle beteiligt sind, dass es auch Teil einer hybriden Kriegsführung ist“. Bericht vom 20. Februar 2024 von und bei German-Foreign-Policy.com (Auf Krieg einstellen (III)) - Kriegstüchtigkeit: Die Neuausrichtung der deutschen Mentalität – auch Ü-60 können aktiv mitmachen. Zur subtilen Militarisierung der Medien
„Der Generalinspekteur insistiert: Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Gesellschaft „müssen in fünf Jahren kriegstüchtig sein“, beschwor General Carsten Breuer den dringend geforderten gesellschaftlichen Mentalitätswechsel am vergangenen Freitag nochmals auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Noch ist nicht klar, was das konkret bedeutet. Es sind verwirrende Zeiten. (…) „Kriegstüchtigkeit ist vor allem eine mentale Geschichte“, sagt Carlo Masala, medienaffiner Professor für Internationale Politik an der Bundeswehrhochschule in München (…). Verbunden damit sei die Frage, ob die Strukturen und Köpfe in der Bundeswehr auf einen möglichen Konflikt in der nächsten Dekade mit der Russischen Föderation vorbereitet seien?
Das, so glaubt Masala, sei ein langer Weg. Hinein spiele da auch eine gesellschaftliche Diskussion, ein „semantisches Problem“: Wenn sich Leute über Wörter wie „kriegstüchtig“ aufregen „und lieber Verteidigung sagen mögen“. So sei es „noch ein langer Weg, bis eine Mehrheit der Gesellschaft auch wirklich diese Aufgabe versteht und sie unterstützt“. (…) Einen Teil dieser Aufgabe hat vergangene Woche das ARD-Morgenmagazin übernommen. In der Sendung mit dem Titel „Immer mehr Menschen wollen Reservisten werden“ (…) erweiterte der öffentlich-rechtliche Sender den Horizont der Zuseherinnen und Zuschauer. Dem Magazin gelang das Kunststück, das Publikum zum Thema, das seine Abgründe hat, in einer Komfortzone zu belassen. Das ist nicht einfach. Es geht schließlich um die Bereitschaft für einen möglichen Krieg und Einstellungen dazu. Dennoch verlief das Gespräch zwischen der Moderatorin und einer Reservistin beinahe flauschig. Es gab keine beunruhigenden kritischen Nachfragen, die unters Mentalitäts-Fell gehen. Darüber hinaus konnten die morgendlichen Zuseher dem Gespräch über Konturen einer neuen Kriegsbereitschaft entnehmen, dass man auch als ältere Bürger, sogar Ü-60, durchaus noch für die größere gesellschaftliche Aufgabe im Rahmen des Reservedienstes tauglich und gefragt ist. (…) „Mit Journalismus hat das rein gar nichts mehr zu tun“, kommentiert Friedemann Vogel, Professor an der Universität Siegen, der Sprache, kollektives Wissen und strategische Kommunikation analysiert. Manche gehen weiter und X-en den Morgenmagazin-Beitrag als „Propaganda“. Die Welt wird eine andere. Die Gespräche zur Kriegstüchtigkeit werden nicht immer so nett sein wie im kuschligen ARD-Morgenmagazin.“ Beitrag von Thomas Pany vom 19. Februar 2024 in Telepolis
- Mit dem neuen „Operationsplan Deutschland“ treibt die Bundeswehr die Militarisierung der Zivilgesellschaft voran. Militärplaner setzen beim Aufmarsch gegen Russland auf die Einbindung ziviler Ressourcen
- „Deutschland kriegstauglich machen”: „Verteidigungsminister Pistorius will die deutsche Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen und fordert „Mentalitätswechsel“
- Boris-Pistorius-Debatte: Deutschland soll wieder kämpfen lernen!
„Was heißt mehr Kriegstüchtigkeit? Die Wiedereinführung der Wehrpflicht? Oder ein neues Narrativ zur nationalen Identität? Die Debatte geht ans Eingemachte.
Ist das jetzt die „wahre“ Zeitenwende? Nicht nur, dass die Preise steigen und sich eine Krise mit der nächsten zu einem hochprozentigen Unsicherheits-Cocktail mischt, dessen Verträglichkeit noch unbekannt ist. Jetzt müssen sich die Bürgerinnen und Bürger auch noch darauf einstellen, dass „Deutsche töten und getötet werden. Unter anderem“, wie die NZZ den harten Tabu-Kern einer Debatte formuliert, die Verteidigungsminister Boris Pistorius angestoßen hat. Der derzeit beliebteste Politiker der Deutschen (NZZ) forderte vergangene Woche einen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft: „Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“ (…) Das Sondervermögen reiche nicht, es werde irgendwann aufgebraucht sein, hatte der Verteidigungsminister schon im Mentalitätswechsel-Interview betont. Es muss mehr geschehen, Grundlegenderes, fordert auch der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, er will mehr Soldatinnen und Soldaten über mehr Werbung an den Schulen – und über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Darüber soll neu debattiert werden, wünscht sich Wüstner. Die Forderung kommt nicht unerwartet, aber doch schnell. Wehrpflicht kostet viel Geld, ist auch organisatorisch sehr aufwendig. So ist die Diskussion über eine Wiedereinführung, die in den letzten Jahren verschiedentlich aufflammte, auch schnell wieder verpufft. Ist es jetzt unter der neuen Gegenwart von Kriegen anders? (…) Aber wie hilft man einer Gesellschaft, die dem „Hedonismus frönt“ (NZZ) und im pazifistischen Mindset steckt, wieder auf kriegstüchtige Beine? Mit Anleihen aus dem Sport geht das am besten. „Deutschland müsste nun wieder kämpfen lernen“, heißt es im Artikel. So könnte auch eine Schlagzeile zur Fußball-Nationalmannschaft lauten. Unterlegt wird dies mit einem Lamento, wie man es jeden Tag irgendwo liest: zu viel Gut-Gehen-lassen, „Verwöhnung“, „Verweichlichung“ in den letzten Jahrzehnten, die geprägt waren von der Friedensdividende (Pistorius)...“ Mediensplitter vom Thomas Pany vom 06. November 2023 in Telepolis - „Deutschland kriegstauglich machen”
„Verteidigungsminister Pistorius will die deutsche Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen und fordert „Mentalitätswechsel“, erklärt zudem Kritik an NATO oder EU zur Gefährdung der nationalen „Sicherheit“.
Verteidigungsminister Boris Pistorius sucht die deutsche Bevölkerung auf einen möglichen Krieg einzuschwören und fordert, die Bundesrepublik müsse „kriegstüchtig werden“. „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“, äußerte Pistorius am Sonntagabend. Seine Forderung hat er am gestrigen Dienstag bekräftigt. Bereits am Freitag hatte er in einer Rede an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr vor rund 300 Offizieren erklärt, die 100 Milliarden Euro Sonderschulden („Sondervermögen“), die Kanzler Olaf Scholz unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Kriegs zur Aufrüstung der Bundeswehr bereitgestellt hatte, reichten allenfalls bis 2027 oder 2028 aus. Vizekanzler Robert Habeck spricht sich bereits heute ausdrücklich für ein zweites Schuldenprogramm zur Finanzierung der weiteren Waffenbeschaffung aus. Weil Deutschland militärisch auf Bündnisse angewiesen sei, erklärt Pistorius Kritik an NATO und EU zur Gefährdung der „Sicherheit Deutschlands“; er engt damit die Bandbreite öffentlich akzeptierter Meinungen weiter ein. Darüber hinaus dringt er auf einen „Mentalitätswechsel“ in der Bevölkerung hin zu größerer „Wehrhaftigkeit“. (…) Pistorius hatte sich am Sonntagabend zudem zur Aufrüstung der Bundeswehr geäußert. Demnach sind zwei Drittel des sogenannten Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, das Bundeskanzler Olaf Scholz sofort nach dem Beginn des Ukraine-Krieges bereitgestellt hatte, bereits in konkreten Projekten vertraglich gebunden. Damit sei bis etwa 2027/28 genügend Geld da. Danach aber werde „das Sondervermögen verbraucht sein“, hatte Pistorius am Freitag in einer Rede an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr betont. Wolle man dann weiterhin umfassend aufrüsten – in einem Rahmen, wie ihn das Zwei-Prozent-Ziel der NATO stecke –, dann bedeute dies, das Volumen des Militärhaushalts müsse von da an „summa summarum 20 Prozent mehr“ beinhalten „als heute“. (…) Daran, dass die Bundeswehr lediglich zur Landesverteidigung aufrüsten soll, hat Pistorius selbst Zweifel geweckt. So erklärte er am Freitag vor der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr, die sogenannte regelbasierte internationale Ordnung werde „weltweit“ immer stärker in Frage gestellt: „Krisenhafte Entwicklungen erfolgen in engerer Taktung und oft nicht vorhersehbar, Schlag auf Schlag“. Deshalb müsse Deutschland „international Führung übernehmen“…“ Beitrag vom 1.11.2023 bei german-foreign-policy , siehe zum Hintergrund: - Boris Pistorius: „Wir müssen kriegstüchtig werden“
„Boris Pistorius fordert einen „Mentalitätswechsel“ – und mehr Wehrhaftigkeit. Deutschland müsse sich an den Gedanken eines Krieges in Europa gewöhnen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat einen „Mentalitätswechsel“ der Deutschen in Sicherheitsfragen gefordert. „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“, sagte Pistorius in der ZDF-Sendung Berlin direkt. „Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“…“ Agenturmeldung vom 29. Oktober 2023 in der Zeit online - Pistorius sieht Gefahr eines Kriegs in Europa
„Verteidigungsminister Pistorius fordert angesichts Krisen wie in Nahost eine neue Mentalität in der Gesellschaft. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, sagt er im ZDF.“ Video des Beitrags in der Sendung „Berlin direkt“ vom 29.10.2023 beim ZDF (Videolänge: 5 min, verfügbar bis 29.10.2024)
- Boris-Pistorius-Debatte: Deutschland soll wieder kämpfen lernen!
- Führungsnation im Krieg: Bundeswehr fordert Stärkung der „Einsatzbereitschaft“ der Truppe und des „Einsatzwillens“ der Soldaten
„… Die Bundeswehr soll sich auf Angriffe „ohne Vorwarnung“ und „mit großer, gegebenenfalls sogar existenzieller Schadenswirkung“ vorbereiten und dabei in Europa als „Führungsnation“ auftreten. Dies fordert laut einem Bericht der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, in einem Grundsatzpapier von Ende September. Demnach müsse nicht nur die „Fähigkeit zu sichtbarer und glaubwürdiger Abschreckung“ deutlich verstärkt werden, sondern auch die „Einsatzbereitschaft“ der Truppe sowie der „Einsatzwille“ der deutschen Soldaten. Auf eine schnelle Aufrüstung dringt auch Heeresinspekteur Alfons Mais, der im Februar erklärt hatte, die Bundeswehr stehe „mehr oder weniger blank da“; Mais zufolge kommt die Beschaffung von Kriegsgerät nicht rasch genug voran. Dabei hat der Haushaltsausschuss des Bundestags soeben erst den neuen Militäretat beschlossen und die Freigabe der ersten Summen aus dem 100-Milliarden-Euro-Militärprogramm vorbereitet, das Kanzler Olaf Scholz am 27. Februar angekündigt hat. Auch die EU stellt neue Gelder für kurzfristige Aufrüstungsmaßnahmen bereit. Die deutsche Rüstungsindustrie meldet erhebliche Umsatz- und Gewinnsprünge. (…) So teilte der Rüstungskonzern Rheinmetall in der vergangenen Woche mit, der Firmenumsatz sei im dritten Quartal 2022 um 12,5 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gestiegen; zugleich sei der Nettoquartalsgewinn um neun Millionen Euro auf 86 Millionen Euro gewachsen. Weil vor allem die Nachfrage nach Munition zunimmt, die im Ukraine-Krieg verschossen wird, wird Rheinmetall nun den spanischen Rüstungskonzern Expal Systems übernehmen, der mit einem Jahresumsatz von gut 400 Millionen Euro zu den größten Munitionsproduzenten in Europa gehört. Bei Rheinmetall heißt es, man selbst könne zur Zeit rund 80.000 Artilleriegranaten im Jahr herstellen; Expal schaffe 250.000 bis 300.000 Stück. Mit der Übernahme soll auch sichergestellt werden, dass der Bundeswehr in künftigen Kriegen nicht die Munition ausgeht.“ Bericht vom 16. November 2022 von und bei German-Foreign-Policy.com - Umfrage: Diplomatie statt Militär! Bevölkerung erteilt Ansprüchen auf militärische Führungsrolle eine Absage
„Im stillen Kämmerlein wurde sie sicherlich schon länger angestrebt – als populäre Forderung zog sie allerdings erst unter dem Schlagwort „Münchner Konsens“ in die deutsche sicherheitspolitische Debatte ein: der Anspruch auf eine militärische Führungsrolle Deutschlands. (…) Doch auch heute noch verweigert ein Großteil der Bevölkerung erneut die Gefolgschaft – durchaus überraschenderweise, berücksichtigt man das derzeitige politische Klima. Belegt wird dies durch die neuesten Umfrageergebnisse der Körber-Stiftung: „Eine Mehrheit der Bundesbürger:innen (52 Prozent) wünscht sich weiterhin mehr internationale Zurückhaltung von Deutschland. 41 Prozent der Befragten befürworten hingegen ein stärkeres Engagement Deutschlands – dieses Engagement sollte jedoch bevorzugt diplomatisch (65 Prozent) statt militärisch (14 Prozent) oder finanziell (13 Prozent) sein. Damit hat sich die Einstellung der Deutschen im Vergleich zum Vorjahr (2021: 50 Prozent für Zurückhaltung) kaum verändert – ungeachtet des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und der von Bundeskanzler Scholz ausgerufenen ‚Zeitenwende‘ in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.“ Die Ergebnisse können also als klare Absage an die Kernelemente der Zeitenwende und besonders an die ausschließlich auf die militärische Karte setzende Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg gewertet werden.“ IMI-Standpunkt 2022/043 von Jürgen Wagner vom 18. Oktober 2022 - Weiter im Bericht vom 13. September 2022 von und bei German-Foreign-Policy : „… Mit Blick auf die möglichen Einsatzszenarien der Bundeswehr erklärte Lambrecht gestern, „Landes- und Bündnisverteidigung“ müssten „künftig an erster Stelle unserer Prioritätenliste“ stehen; die Truppe sei dabei die „zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge“. Das liege auch daran, dass die Vereinigten Staaten ihr „Hauptaugenmerk … notwendigerweise auf die Sicherheit im pazifischen Raum gelenkt“ hätten. Für Washington steht spätestens seit dem „pivot to Asia“ („Schwenk nach Asien“), den US-Präsident Barack Obama im November 2011 verkündete, der Machtkampf gegen das unaufhörlich aufsteigende China im Zentrum seiner weltpolitischen Ambitionen. Die Forderung, die Mächte der EU und vor allem die Bundesrepublik müssten im Rahmen transatlantischer Arbeitsteilung eine militärische Führungsrolle in Europa und seinen unmittelbaren Nachbarstaaten übernehmen, wird seit rund zehn Jahren völlig offen kommuniziert. Lambrecht bekräftigte nun, Deutschland sei „bereit, Amerika in Europa zu entlasten“; dazu müsse freilich auch die Europäische Union „stärker“ werden. Bereits kürzlich hatte Kanzler Olaf Scholz in einer Rede an der Karls-Universität in Prag der Forderung nach „einem weltpolitikfähigen, geopolitischen Europa“ Ausdruck verliehen. (…) Mit Blick auf die aufwendige Hochrüstung Deutschlands und der EU äußerte kürzlich eine Expertin vom Warschauer Ośrodek Studiów Wschodnich (OSW, Zentrum für Oststudien) in einem Debattenbeitrag zu der in Arbeit befindlichen Strategie: „Diese Maßnahmen werden uns in Europa viel kosten und insgesamt viel abverlangen. Ein Anspruch der Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands sollte deshalb auch sein, die deutsche Gesellschaft auf diese Kosten einzustimmen.“…“
- Deutschland, ein anderes Land: Die militärische Führungsmacht
„Zeitenwende: Die Bevölkerung soll den Gürtel enger schnallen – die Bundeswehr braucht mehr Aufrüstung für die Führungsrolle. Rüstungsexporte sollen erleichtert werden: Verteidigungsministerin Christine Lambrechts Grundsatzrede zur „Nationalen Sicherheitsstrategie“. Im Gegensatz etwa zu den USA existiert in Deutschland bislang keine „Nationale Sicherheitsstrategie“, was sich aber laut dem Ampel-Koalitionsvertrag noch in diesem Jahr ändern soll . Obwohl die Federführung beim Auswärtigen Amt liegt, ist es kein Wunder, dass nun Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit einer Grundsatzrede am 12. September prominent die Initiative ergriff. Schließlich bezeichnete ihr Ministerium die Sicherheitsstrategie als das „oberste sicherheitspolitische Dachdokument“ . Bedenklich war die Rede insbesondere wegen drei Aspekten: Einmal aufgrund der vehementen Art und Weise, wie sich nun auch Lambrecht hinter in jüngster Zeit wieder deutlich lauter gewordene militärische Führungsansprüche stellte. Zweitens fiel auf, wie klar sie einer Absenkung der deutschen Rüstungskontrollhürden auf den kleinsten gemeinsamen europäischen Nenner das Wort redete. Und drittens machte sie mehr als deutlich, dass die Bevölkerung künftig für die Aufrüstung der Bundeswehr dauerhaft den Gürtel enger schnallen soll. (…) Im selben Ausmaß, wie es Lambrecht gelingt, aus militärischen Führungsansprüchen ein Friedensprojekt zu machen, schafft sie auch das Kunststück, Rüstungsexporte als Wertefrage zu adeln – aber anders als man denken sollte. (…) Allzu strikte Rüstungsexportrichtlinien stehen all diesen Ambitionen im Wege, worin auch der Grund liegen dürfte, dass man es in Deutschland mit den Kontrollen nicht allzu eng sieht: Voriges Jahr erreichten die deutschen Rüstungsexportgenehmigungen mit 9,350 Milliarden Euro ein Allzeithoch, nur um in den ersten sechs Monaten 2022 noch einmal deutlich anzusteigen…“ Beitrag von Jürgen Wagner vom 13. September 2022 in Telepolis
Wir erinnern an unsere Beiträge von 2014:
- Die Bundeswehr neu erzählen. Von Ernst Jüngers zu von der Leyen: Kriegshandwerk als Job
- Deutsche Eliten setzen auf aggressivere Außenpolitik, Militarisierung und Krieg
- Die Weltpolitik-Kampagne der Eliten
- Gauck: „Auch zu Waffen greifen“ – und darin: Was Friedrich Küppersbusch zu Joachim Gauck einfällt
- Verantwortung für die Entfaltung friedenspolitischer Kooperation übernehmen. Ein Friedensdekalog als Antwort an den Bundespräsidenten
- Das Dossier: 2014: Bundesregierung weiter auf Kriegskurs