Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland – auf zum Bonner Hofgarten wie 1981?
Dossier
„… Mit der Ankündigung der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ Tomahawk in Deutschland sollen erstmals seit dem Abzug der atomaren Mittelstreckenraketen im Jahr 1991 im Zuge des INF-Abkommens wieder Raketen auf deutschem Boden stationiert werden. Tomahawks können mit konventionellen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Am 1. Februar 2019 hatten die USA das INF-Abkommen zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenrakten aufgekündigt. Zudem ist die Einrichtung eines neuen Ukraine-Kommandos in Wiesbaden ein weiterer Eskalationsschritt, der Deutschland tiefer in den Krieg hineinzieht. (…) Die IPPNW fordert als ersten Schritt eine Risikominderung: Die drei westlichen Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich sollten gemeinsam mit China auf Russland zuzugehen und eine Doktrin des Verzichts auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen erklären…“ IPPNW-Pressemitteilung vom 11. Juli 2024 („IPPNW kritisiert Pläne zur Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland“) und mehr Infos:
- Neue Kampagne für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen: „Friedensfähig statt erstschlagfähig“
„Gemeinsam mit 35 weiteren Organisationen hat Ohne Rüstung Leben eine Kampagne gegen die Stationierung landgestützter US-Mittelstreckensysteme in Deutschland gestartet. (…) Bundesregierung und US-Regierung haben angekündigt, ab 2026 landgestützte Marschflugkörper, Hyperschallwaffen und Raketen der Vereinigten Staaten in Deutschland zu stationieren. Diese Waffensysteme können mit einer stark verkürzten Vorwarnzeit strategische Ziele, etwa Atomwaffenstandorte, in Russland treffen, was zu einer erhöhten Alarmbereitschaft in Russland führen kann und das Risiko von Fehlentscheidungen verschärft. (…) Die Stationierung bedeutet somit einen neuen, gefährlichen Schritt im Wettrüsten und eine weitere Eskalationsgefahr. Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, dass die Entscheidung ohne eine gesellschaftliche Debatte getroffen wurde, nicht einmal der Bundestag wurde im Vorfeld informiert. In der nun gestarteten Kampagne unter dem Titel „Friedensfähig statt erstschlagfähig – für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“ wollen die beteiligten Organisationen über die Risiken aufklären und so die bislang ausbleibende, aber dringend nötige Debatte lostreten. Zudem soll politischer Druck für die Rücknahme der Stationierungsentscheidung aufgebaut werden. (…) Die Forderungen der Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig“ im Einzelnen:
– Stopp der geplanten Stationierung neuer US-Mittelstreckensysteme in Deutschland
– Abbruch der Projekte zur Entwicklung eigener, europäischer Hyperschallwaffen und Marschflugkörper, an denen Deutschland sich beteiligen will
– Dialog statt Aufrüstung: Die Wiederaufnahme von Verhandlungen über Rüstungskontrolle und (nukleare) Abrüstung (z.B. für ein multilaterales Folgeabkommen zum INF-Vertrag)
– Neue Initiativen für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit und die langfristige Vision einer neuen Friedensordnung in Europa“ Pressemiteilung und Aufruf vom 18. November 2024 von ‚Ohne Rüstung Leben‘ - NATO-Atomkriegsmanöver 2024 stoppen! Demonstration und Aktion am 12.10.24 in Nörvenich
„… Atomkriegsübungen und atomare Hochrüstung verschlingen Unsummen, die woanders nötig gebraucht würden. Die Bundesregierung will für ca. 10 Milliarden Euro 35 neue F-35-Tarnkappen-Atombomber für Büchel anschaffen. Diese Milliarden fehlen im Sozialhaushalt, im Gesundheits- und Bildungswesen, für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten und bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe. Wer im Jahr 2024 Atomkriege übt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, denn bei einem Atomkrieg kann es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben. Es gibt eine Alternative zu der zunehmenden atomaren Konfrontation: Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) der UNO, der im Januar 2021 in Kraft getreten ist und Herstellung, Besitz und Einsatz von Atomwaffen verbietet. Der AVV greift damit das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes von 1996 auf, das den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen als generell völkerrechtswidrig verurteilt hat. Wir fordern von Parlament und Regierung:
– Absage der Beteiligung der Bundeswehr am Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“
– Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland
– Beendigung der „Nuklearen Teilhabe“ und Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag
Erklärung des Demo-Trägerkreises zur geplanten Mittelstreckenraketen-Stationierung (nach Aufruf-Abfassung von Scholz verkündet):
Wir verurteilen die für 2026 angekündigte Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland und fordern das Parlament und alle Bürger/innen auf, sich der Stationierung zu widersetzen! Auch wenn die geplanten Waffen – u.a. Dark Eagle (Hyperschallraketen) und Cruise Missiles – vorerst konventionell bestückt werden, sind sie geeignet, das nuklear-strategische Verhältnis zwischen Ost und West gründlich zu verändern. Denn diese Waffen haben das Potential, vom gegnerischen Radar unerkannt in wenigen Minuten Kommandozentralen und nukleare Angriffs- und Abwehr-Systeme Russlands zu zerstören. Die Erstschlagsfähigkeit des Westens würde erhöht, was eine neue Aufrüstungsspirale in Gang setzen würde, zumal das New-START-Abkommen 2026 ausläuft…“ Aufruf des Aktionsbündnisses atomwaffenfrei.jetzt- Nach dem Auftakt am Fliegerhorst um 12 Uhr zieht die Demonstration zur Kundgebung am Schlossplatz um ca. 13 Uhr. Geplant sind Redebeiträge unter anderem von der IPPNW Köln, der Friedensgruppe Düren und dem Bundesvorstand von Pax Christi. Ebenfalls wird Susan van der Hijden, derzeit noch inhaftierte Aktivistin der Catholic Workers aus Amsterdam, sprechen. Sie hatte in Büchel an einem Go-In auf dem Stationierungsgelände teilgenommen.
- Der Demonstrationsaufruf wird von rund 40 regional bzw. bundesweit aktiven Friedensgruppen sowie über 60 Einzelpersonen getragen. Veranstalter sind u.a. das Aktionsbündnis „atomwaffenfrei.jetzt“, das Netzwerk Friedenskooperative, die DFG-VK und die örtliche Friedensgruppe Düren. Zu den bundesweiten Unterstützerorganisationen gehören u.a. die Jurist*innenorganisation IALANA, Ohne Rüstung Leben (ORL), IPPNW (Ärzt*innen gegen Atomkrieg) und ICAN Deutschland.
- Gegen die Stationierung ist auch zuvor die Demo am 3.10. – siehe Bundesweite Friedensdemonstration am 3. Oktober 2024 in Berlin: „Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität“ – und Debatte
- E-Mail-Aktion an Bundeskanzler Olaf Scholz: Atomkriegsrisiko senken!
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, angesichts der Ankündigung der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland und der Einrichtung eines neuen Ukraine-Kommandos in Wiesbaden bin ich in großer Sorge. Tomahawks und Hyperschallwaffen können mit konventionellen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Ich appelliere eindringlich an Sie, alle in Ihrer Macht stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um das Risiko eines Atomkrieges zu vermindern. Bitte setzen Sie sich für folgende Maßnahmen ein:
1) Risikominderung: Die drei westlichen Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich müssen gemeinsam mit China auf Russland zugehen und eine Doktrin des Verzichts auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen erklären. China hat in seiner Einsatzdoktrin für Atomwaffen das Verbot für den Ersteinsatz schon verankert. In dem chinesischen 12-Punkte-Plan zur Beendigung des Ukrainekrieges heißt es: „Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt und Atomkriege dürfen nicht geführt werden.“
2) Waffenstillstand und Friedensverhandlungen: Die Verhinderung eines Atomkrieges und die Beendigung des Ukrainekrieges gehören zusammen und müssen für die Bundesregierung oberste Priorität haben. Zur Vermittlung brauchen wir China und weitere Staaten des globalen Südens. Die Gefahr der Eskalation des Ukrainekrieges, das massenhafte Sterben und die fortgesetzte Zerstörung der Ukraine zeigen, dass eine Lösung des Konflikts auf dem Schlachtfeld nicht möglich ist. Die Kriegslogik muss unterbrochen und durch Verhandlungen und Diplomatie ersetzt werden.
3) In Deutschland anfangen: Keine Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Stattdessen muss die deutsche Bundesregierung die nukleare Teilhabe beenden, dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und sich an der Entschädigung der Betroffenen von Atomtests beteiligen…“ e-mail-Aktion von IPPNW - [„Nachrüstung 2.0 im Handstreich“] Mehrere Aufrufe fordern: Keine Mittelstreckenraketen! Eskalationsspirale jetzt beenden und abrüsten!
- Keine Mittelstreckenraketen! Eskalationsspirale jetzt beenden und abrüsten!
„… Auch wenn die geplanten Flugkörper mit konventionellen Sprengköpfen ausgerüstet werden, was ihren Einsatz wahrscheinlicher macht, sind sie nuklearfähig, können also mit Atomwaffen bestückt werden. Dies öffnet Missverständnissen Tür und Tor, so dass Russland im Ernstfall davon ausgehen könnte, von deutschem Boden mit kurzer Vorwarnzeit angegriffen zu werden, mit oder ohne Atomwaffen. Je gefährlicher diese Waffen der russischen Regierung erscheinen, umso eher könnten sie versuchen, diese präventiv auszuschalten oder Deutschland nach deren Einsatz zur Zielscheibe zu machen. Entsprechend haben russische Politiker nach Bekanntwerden der Erklärung bekannt gegeben, Deutschland in die nukleare Zielplanung aufzunehmen, darunter auch Städte. Eine Abschreckung durch diese Raketen ließe sich auf kurze Distanzen allenfalls durch eine automatische Reaktion sichern, mit dem Risiko eines versehentlichen Krieges.
So wird Deutschland wie schon im Kalten Krieg mögliche Abschussrampe, Zielscheibe und Schlachtfeld eines Atomkriegs. Dafür trägt der Bundeskanzler die volle Verantwortung, Seine Zustimmung ist eine nachträgliche Rechtfertigung militärischer Planungen der USA, um eine vermeintliche „Fähigkeitslücke“ zu schließen, erfolgte jedoch ohne öffentliche Debatte oder demokratische Legitimation, was Fragen der nationalen Souveränität gegenüber der früheren Besatzungsmacht USA aufwirft. Scholz scheint wenig daraus gelernt zu haben, dass der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 über die Raketenfrage gestürzt ist. Um die Tragweite dieser Entscheidung kleinzureden und die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, wird so getan, als seien die Planungen der USA in Sicherheitskreisen bekannt, was die gravierende Tragweite nicht abschwächen kann. Die Eskalationsgefahren werden auch von einigen militärischen Fachleuten kritisch gesehen. (…)
Es ist verantwortungslos, wie große Teile der Politik in Deutschland die Eskalationsspirale anheizen und einen Dritten Weltkrieg mit Atomwaffeneinsatz riskieren. Dies muss durch den Widerstand einer wachen und aufgeklärten Öffentlichkeit verhindert werden, die dem Verhandlungen für Frieden und Abrüstung entgegen setzt.
– Wir fordern die Bundesregierung auf, keine Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden zuzulassen und sich aktiv für Verhandlungen und Vereinbarungen einzusetzen, die eine dauerhafte Friedensordnung in Europa schaffen.
– Wir fordern die Wiederaufnahme der nuklearen Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen, besonders zwischen USA und Russland.
– In dieser kritischen Situation ist es jetzt dringlich, die Friedenskräfte zu stärken. Es ist auch eine Chance für die Friedensbewegung, breitere Kreise zu mobilisieren, um den Gefahren des Wettrüstens neue Impulse für Abrüstung entgegen setzen, wie schon in den 1980er Jahren.
– Gelegenheiten dazu sind die Jahrestage von Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August und die zentrale Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin (Organisation: https://nie-wieder-krieg.org/ ). Es gibt bereits an vielen Orten Aktionen, einsehbar in https://www.friedenskooperative.de/termine .“ NaturwissenschaftlerInnen-Initiative am 19. Juli 2024 - Nein zu Deutschland als Kriegspartei – Nein zu neuen Mittelstreckenraketen!
„Was unser Land braucht, ist eine starke Friedensbewegung, die sich der zunehmenden Militarisierung in der Politik und den öffentlichen Debatten entschieden widersetzt. Das haben wir in den 1980er Jahren gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen getan und das tun wir auch heute. In der Ukraine ist die Eskalationsdynamik des Krieges ungebrochen und verschärft sich weiter. An dieser historischen Weichenstellung dürfen wir nicht schweigen.
Vor einem Jahr haben wir mit dem Aufruf „Frieden schaffen jetzt!“, dem sich auch viele Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen angeschlossen haben, den Bundeskanzler aufgefordert, schnell auf einen Waffenstillstand zu drängen und Friedensverhandlungen zu vermitteln. Doch das Töten, die schweren Verletzungen, die Zerstörungen, das Leid und Elend der Menschen gehen weiter. Die Gefahr eines großen Krieges in Europa droht wieder zu einer denkbaren Zukunft zu werden. Dass die unmittelbare Kriegsschuld Russlands außer Frage steht, ändert nichts daran, dass es zuerst um den Frieden gehen muss. (…) Die NATO-Staaten werden in der Ukraine faktisch zu Kriegsparteien, wenn sie nicht Aufrüstung und Waffenlieferungen stoppen und zu einer friedlichen Alternative kommen. Die Strategie, den Gegner niederzurüsten, ist von den Militärs der NATO-Führung vorgegeben und verfolgt in erster Linie die Interessen der USA. In Wiesbaden entsteht mit 700 Militärs die Nato Security Assistance and Training for Ukraine (NSATU), 40 davon stellt die Bundeswehr.
Deutschland droht in den Krieg abzurutschen. Dagegen stehen wir. Auch wenn behauptet wird, dass die NSATU aus der NATO keine Konfliktpartei macht, hat sie nur eine Aufgabe: immer mehr Waffen in die Ukraine zu liefern. Diese Aufrüstung wird in Deutschland koordiniert. Unser Land wird zur Kriegspartei.
Frieden braucht eine „Europäisierung Europas“ und eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur. Mehr Gemeinsamkeit in unserer Welt mit Staaten unterschiedlicher Ordnung kann nur heißen: Nord-Süd-Solidarität, Gemeinsame Sicherheit und Nachhaltigkeit. Wir sagen Nein zu Aufrüstung und Krieg! Wir brauchen eine Politik des Friedens und der Vernunft.
Wir rufen auf, sich an den Friedensaktionen am 6. August und am 1. September an vielen Orten und am 3. Oktober 2024 an der bundesweiten Demonstration in Berlin zu beteiligen und dafür zu werben.“ Presseerklärung und Aufruf vom 17. Juli 2024 auf friedenschaffen.net von Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker | Reiner Braun, Int. Friedensbüro (IPB) | Anke Brunn, Landesministeriin a.D. | Prof. Dr. Hertha Däubler-Gmelin, Bundesjustizministeriin a.D. | Bärbel Dieckman, ehem. Präsidentin Welthungerhilfe | Ulrike Eifler, Gewerkschaftssekretärin | Michael Müller, Parlament. Staatssekretär a.D. | Helga Schwitzer, ehem. geschäftsf. Vorstand IG Metall | Jörg Sommer, Vorsitz. Deutsche Umweltstiftung | Willy van Ooyen, Bundesausschuss Friedensratschlag – zum Mitzeichnen - Nachrüstung 2.0 im Handstreich – oder: Eine neue Friedensbewegung, jetzt oder nie!
„Die von Kanzler Scholz auf dem NATO-Jubiläumsgipfel in Washington völlig überraschend angekündigte Stationierung von Marschflugkörpern und Hyperschallraketen mittlerer Reichweite in Deutschland ist nichts anderes als eine „Nachrüstung 2.0“ im Handstreichverfahren. Wenn jetzt keine kraftvolle neue Friedensbewegung Sand ins Getriebe streut, wächst die Gefahr russischer Präventivschläge ins Unermessliche…“ Artikel von Leo Ensel vom 14.7.2024 auf GlobalBridge
- Keine Mittelstreckenraketen! Eskalationsspirale jetzt beenden und abrüsten!
- Stationierung von Mittelstreckenraketen erhöht Eskalationsgefahr
„Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) äußert scharfe Kritik an der kürzlich verkündeten Entscheidung, ab 2026 US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Diese Aufrüstung stellt eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit in Europa dar und könnte zu einer weiteren Eskalation der Spannungen mit Russland führen. Der im Jahr 1987 unterzeichnete INF-Vertrag verbot die Herstellung und Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km samt Abschussvorrichtungen in Europa. Der damalige US-Präsident Donald Trump kündigte den Vertrag 2019 mit dem Vorwurf, er werde durch Russland nicht eingehalten – der russische Präsident Wladimir Putin zog nach. Die DFG-VK hatte damals zahlreiche Protestaktionen gegen die Kündigung des INF-Vertrags organisiert. Nun kommt das Wettrüsten, vor dem die Friedensorganisation gewarnt hat, in Gang. „Die geplante Stationierung der neuen US-Mittelstreckenraketen, darunter Tomahawk-Marschflugkörper und Hyperschallwaffen, ist ein weiterer Schritt zu mehr Eskalation, wird Deutschland zu einem potenziellen Ziel eines gegnerischen Schlags machen und erhöht drastisch die Kriegsgefahr. Denn Mittelstreckenraketen lassen sich praktisch ohne Vorwarnzeit abfeuern und treffen binnen Minuten ihr Ziel – eine politische Reaktion ist kaum mehr möglich. Zudem lassen sich atomare und konventionelle Geschosse beim Anflug nicht unterscheiden“, sagt Thomas Carl Schwoerer, Bundessprecher der DFG-VK…“ Pressemitteilung der DFG-VK vom 15.07.2024 - Gefahr einer weiteren Eskalation mit Russland – IMI-Analyse zu Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland
„Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. betont in ihrer aktuellen IMI-Analyse 2024/33, dass eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, wie sie am Rande des NATO-Jubiläumsgipfels in Washington bekanntgegeben wurde, besonders für Deutschland ein erhebliches Risiko für eine weitere Eskalation mit Russland darstellt. “Mit der Entscheidung, ab 2026 US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, kam es am Rande des NATO-Gipfels zum sicherheitspolitischen Paukenschlag”, sagt Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI). “Diese Entscheidung birgt erhebliche Risiken für eine Eskalation der Spannungen mit Russland und stellt Deutschland vor neue sicherheitspolitische Herausforderungen“. Zudem stelle sich die Frage, ob die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen von langer Hand geplant worden sei. Hinweise darauf finden sich in der Vorgeschichte der Entscheidung zu einer Stationierung: Der russisch-amerikanischen INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces), der die Herstellung und Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite 500 bis 5500 km seit 1987 verhindert hatte, war 2019 von den USA gekündigt worden. Jedoch hatten die Vereinigten Staaten nach offiziellen Informationen aus Militärkreisen schon vor dem Ende des INF-Vertrags mit der Entwicklung neuer Mittelstreckenraketen begonnen. Eine erste Multi Domain Task Force (MDTF) wurden zu Testzwecken bereits 2017 in Wiesbaden aufgestellt und 2021 das 56. Artilleriekommando wieder in Dienst gestellt, welches früher für die Pershing-Raketen zuständig war und künftig die Einsätze der neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland verantworten soll. Dennoch stritten die Regierungen der USA und Deutschlands lange vehement ab, dass eine Stationierung von Mittelstreckenwaffen geplant sei. Am 10. Juli 2024 kündigten die USA und Deutschland gemeinsam die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ab 2026 an. Dies erfolgte ohne jede parlamentarische oder öffentliche Debatte und irritierte viele Beobachter. Waffensysteme wie „Dark Eagle”, “Tomahawk” oder “Taurus” werden von Russland nicht ohne Grund als massive Bedrohung (“Messer an der Kehle”) wahrgenommen…“ IMI-Mitteilung vom 12. Juli 2024 zur aktuellen IMI-Analyse 2024/33: - „Das ist lange her, dass es das gab“ – Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland mit Reichweite bis Russland beschlossen
„Eine Menge wurde beschlossen beim diesjährigen NATO-Gipfel: Der Ukraine wurde ein „unumkehrbarer Weg“ Richtung NATO geebnet (wenn auch bewusst auf ein Datum verzichtet wurde); für das kommende Jahr wurde dem Land militärische Unterstützung im Umfang von 40 Mrd. Euro zugesagt, einschließlich der Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen durch Dänemark und die Niederlande; und zur Koordinierung der ganzen Waffen soll ein neues 700köpfiges NATO-Kommando in Wiesbaden eingerichtet werden. Wiesbaden ist auch der Ort, der eng mit dem eigentlichen sicherheitspolitischen Paukenschlag verbunden ist, der am Rande des Gipfels verkündeten Entscheidung, ab 2026 US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Mit einer solchen neuen Nachrüstung (oder besser: Aufrüstung) sind beträchtliche Risiken für eine weitere Eskalation mit Russland im Allgemeinen und für Deutschland im Besonderen verbunden. (…) Die nun angekündigte Stationierung der Mittelstreckenraketen wäre früher durch den 1987 unterzeichneten russisch-amerikanischen INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) verhindert worden. Er verbot die Herstellung und Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite 500 bis 5500km. Außerdem sah er die verifizierbare Verschrottung der vorhandenen Arsenale vor, was in der Folge auch geschah – eine ganze hochgradig gefährliche Waffengattung wurde dadurch aus der Welt geschafft! Doch unter dem Vorwurf, Russland verletzte mit seinem Marschflugkörper 9M729 (NATO-Codename SSC-8) den Vertrag, kündigten die USA das Abkommen im Februar 2019 auf. (…) Auch in der Folge bot Russland wiederholt ein Moratorium auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen an, stieß damit in den USA aber auf taube Ohren, die ohnehin bereits mit der (mutmaßlich lange vorher geplanten und beschlossenen) Entwicklung von Mittelstreckenraketen begonnen hatten. So räumte US-Colonel Michelle Baldanza bereits im März 2019 gegenüber Reuters ein, die USA habe mit „Fabrikationsaktivitäten begonnen“, die „bis zum 2. Februar nicht mit den US-Verpflichtungen unter dem [INF-]Vertrag zu vereinbaren gewesen wären.“ (…) Der emeritierte Physikprofessor Joachim Wernicke warnte bereits im Dezember 2022 in einem Beitrag für den Bundesausschuss Friedensratschlag: „Zur US-Aufrüstung mit Dark Eagle erklärte die russische Regierung 2020, sie wolle keine landgestützten Mittelstreckenraketen beschaffen. USA und NATO seien aufgefordert, sich diesem Moratorium anzuschließen. Aber die westliche Antwort war ablehnend. Hinter der Moskauer Initiative dürfte die erneute Furcht vor einem US-Enthauptungsschlag stehen. […] Könnten also die USA durch einen Enthauptungsschlag mit konventionellen Präzisionsraketen straflos die russische Führung beseitigen und durch eigene Gefolgsleute ersetzen, etwa um in Sibirien Raketen gegen China aufzustellen?“ Beunruhigende Fragen, auf die Antworten gefunden werden sollten, bevor eine solch weitreichende Entscheidung getroffen und Deutschland damit zu einem „Hochwertziel“ im neuen Raketenschach gemacht wird.“ IMI-Analyse 2024/33 von Jürgen Wagner vom 11. Juli 2024
Siehe von 2014: Pentagon droht mit der Stationierung von mehr Atomwaffen in Europa und unser Dossier: Atomwaffen international geächtet – 50. Staat ratifiziert UN-Atomwaffenverbot