Jugendoffizier*innen, nicht Friedensaktivist*innen, sollen den Ukraine-Krieg erklären
„Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) forderte vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Einbindung von Jugendoffizier*innen der Bundeswehr im Schulunterricht. Als „sicherheitspolitische Experten“ seien diese aus der Sicht der Ministerin besonders qualifiziert, die aktuellen Ereignisse im Unterricht aufzuarbeiten. Gleichzeitig solle durch diese Unterstützung deutlich werden, „dass die Bundeswehr besondere Wertschätzung in unserem Land genießt“. (…) Bezeichnend ist in Forderungen wie die der Bildungsministerin auch der ausbleibende Verweis auf Angebote aus der Friedensbildung. So wird etwa in einem Schreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin an alle Schulen auf die politische Bildungsarbeit seitens „vieler Institutionen und freier Träger“ hingewiesen, genannt werden im weiteren Verlauf des Abschnitts allerdings nur die Angebote der Bundeswehr, inklusive dazugehöriger Kontaktstelle, ohne dabei entsprechende Alternativen aus der Friedensbewegung zu nennen. Hier zeigt sich auch ein besonderes Ungleichgewicht angesichts der Tatsache, dass Jugendoffizier*innen der Bundeswehr hauptberuflich und bestens ausgebildet politische Bildung übernehmen sollen, während hauptsächlich ehrenamtlich aktive Friedensaktivist*innen jeden Cent für friedenspädagogische Perspektiven erkämpfen müssen. (…) So kann auch der Krieg in der Ukraine nur durch eine Militarismus-kritische Bildung in vollem Umfang verstanden werden.“ IMI-Standpunkt von Jan Sander vom 14. März 2022 „Jugendoffizier*innen erklären den Krieg“ und dazu:
- Wehrkunde an deutschen Schulen?
„ Kriegshetze auf allen Kanälen, Diskussionen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht und jetzt auch noch der Vorschlag eines Wehrkundeunterrichts: Die deutschen Kriegstreiber:innen wollen die Jugend wieder mit der Waffe in der Hand sterben lassen (…) Mit mehr Gewehren, Panzern und bewaffneten Drohnen allein lässt sich jedoch noch kein Krieg führen: Es braucht auch Soldat:innen. (…) Die Pläne der deutschen Militarist:innen lassen sich dabei aber nicht so leicht umsetzen, wie sie es sich wünschen würden. Mit offener Kriegshetze gelingt es immer weniger, die nächsten Generationen zum Kanonenfutter für das deutsche Kapital zu erziehen. In einem Artikeln der Zeit wird deswegen eine neue Idee ins Feld geführt: Wehrkundeunterricht in der Schule. Anstelle einer Dienstpflicht, die dann doch eine zu große Belastung für die Jugend wäre, fordert der Autor, durch Wehrkunde „Verständnis für die Aufgaben einer modernen Armee“ zu schaffen. Ebenso sollen auch diejenigen erreicht werden, „die es nicht toll finden, bei der Ausbildung unter Stacheldrahtverhauen hindurchzurobben oder im Nordafrika-Einsatz Islamisten zu jagen“. Bedeutet: Der deutsche Imperialismus will wieder Kriege führen. Die Jugend ist aber leider noch nicht bereit dazu, weswegen erst die notwendige ideologische Erziehung im Schulunterricht stattfinden muss. Diesen Versuchen, die Arbeiter:innenklasse und ihre Jugend hinter dem deutschen Großmachtstreben zu versammeln, müssen wir als Kommunist:innen entschlossen entgegentreten. Die Aufgabe der Armee eines kapitalistischen Staates ist immer die Verteidigung der Interessen der Banken und Konzerne, nach außen gegen andere Staaten, wie auch nach innen gegen die Arbeiter:innenklasse. Wir müssen die Menschen erreichen, die nicht als Soldat:in für Großunternehmen sterben wollen, und mit ihnen gemeinsam der Militarisierung ein Ende setzen: „Bundeswehr raus aus den Schulen“ ist die Parole, die es dabei aktuell umzusetzen gilt, egal wann und wo – bei Berufsorientierungen, Unterrichtsbesuchen oder im Lehrplan.“ Kommentar von Ivan Barker vom 8. Juni 2022 bei Perspektive online - Wehrkunde: Schüler müssen vor ideologischer Einflussnahme geschützt werden
„… In der Zeit hat der Publizist Alan Posener dieser Tage vorgeschlagen, in der Schule ein Fach mit dem Namen „Wehrkunde“ einzuführen. Das weckt bei gelernten DDR-Bürgern Erinnerungen: Auf Beschluss der Volkskammer, des Scheinparlaments der DDR, und auf persönliches Betreiben von Margot Honecker, Ehefrau des Staatschefs und Ministerin für Volksbildung, wurde in der DDR 1978 ein Schulfach gleichen Namens eingeführt, das erheblich zur Militarisierung der Gesellschaft beitrug. (…) In Kenntnis dieser Vorgeschichte hat sich Posener in seinem Text von dieser Tradition distanziert, eine beabsichtigte Militarisierung verneint, und gefordert, ein Schulfach „Wehrkunde“ müsse die Bundeswehr stärker in der Gesellschaft verankern. Was will uns Posener damit sagen? (…) Bereits jetzt haben Lehrer die Möglichkeit, Vertreter der Bundeswehr in den Politik-, Sozial- oder Gesellschaftskundeunterricht einzuladen, wo dann geschulte Jugendoffiziere den Schülern die Notwendigkeit der Bundeswehr und ihres Auftrages durchaus multimedial erklären können. Gemäß Auftrag dürfen sie dabei nicht für die Bundeswehr werben. Denn in der Schule gilt aus gutem Grund der Beutelsbacher Konsens, der besagt, dass in der politischen Bildung ein sogenanntes „Überwältigungsverbot“ gilt. Dies bedeutet, dass monokausale Deutungen des politischen Geschehens in der Bildung unzulässig sind. (…) Ein Schulfach „Wehrkunde“ liefe Gefahr, den Beutelsbacher Konsens auszuhebeln, wenn sein Inhalt, wie der vorgeschlagene Name nahelegt, darauf aus ist, Schülern „wehrkundliches“ Wissen und noch wichtiger entsprechende Deutungen zu vermitteln. (…) Nicht Unterricht in „Wehrkunde“ braucht es, sondern Demokratie, Bildung und Erziehung zur Mündigkeit und zur begründeten Urteilsbildung. Die Mütter und Väter der politischen Bildung wussten dies und haben es gegen alle Versuche, ideologisch motiviert Zugriff auf Jugendliche und junge Erwachsene zu nehmen, verteidigt. Die gegenwärtig zu beobachtende Wiederkehr der Logiken des Militärischen und der Stärke bedürfen eines Korrektivs, das nach zivilen Handlungsoptionen in Konflikten fragt, ohne einer naiven Gewaltfreiheit das Wort zu reden. Das macht die Stärke von Demokratie aus.“ Artikel von David Begrich vom 8. Juni 2022 im Freitag online - Krieg in der Ukraine: Nachfrage nach Jugendoffizieren in Schulen steigt
„Das Verhältnis vieler Schulen zur Jugendarbeit der Bundeswehr zeigte sich in den letzten Jahren gelinde gesagt „gespalten“. Bringt der russische Angriff auf die Ukraine einen Umschwung? (…) „Die Zuwächse an Anfragen durch den Krieg in der Ukraine sind deutlich erkennbar. Die Jugendoffiziere sprechen von einem signifikanten Anstieg, manche sogar von einer Verdoppelung der Einsatzzahlen“, sagte Oberstleutnant Stefan Heydt vom Landeskommando NRW der Bundeswehr im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung). Allein im ersten Quartal 2022 hätten die Jugendoffiziere in NRW bereits 170 durchgeführte oder beabsichtigte Vorträge gezählt. Alles beherrschendes Thema dabei: Der Krieg in der Ukraine. Im Jahr 2021 seien es insgesamt 250 Vorträge gewesen, so Heydt.“ Meldung vom 27. März 2022 beim Bildungsmagazin News4Teacher - Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg!