[Positionspapier der DFG-VK] Für eine pazifistische Wende und eine Politik der Abrüstung und Entmilitarisierung
„Dieses Positionspapier »Für eine pazifistische Wende« soll nach dem grundsätzlich gehaltenen Programm und ergänzend zu diesem eine Basis für eine gemeinsame Politik in unserer pazifistischen Organisation sein. Das Positionspapier gibt eine Einschätzung der globalen Lage mit der Perspektive auf Kriegsursachen und kriegerische Konflikte und schätzt unser gesellschaftliches und politisches Umfeld in der Bundesrepublik Deutschland ein, um daraus Handlungskonzepte und Forderungen an politische Entscheidungsinstanzen abzuleiten und Handlungsfelder und Aufgabenbereiche für unsere Organisation des politischen Pazifismus benennen…“ Vorwort zum Positionspapier der DFG-VK vom Dezember 2024 auf dem Bundeskongress 2024 verabschiedet – siehe einige Zitate daraus:
- Für eine pazifistische Wende und eine Politik der Abrüstung und Entmilitarisierung
„… Bei der Betrachtung der Staatenwelt wird oftmals stillschweigend vorausgesetzt, dass souveräne Staaten ihre politische, ökonomische und militärische Macht zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzen. Die Charta der Vereinten Nationen von 1945 entwirft hingegen ein Bild von gleichberechtigten souveränen Staaten, die ihre zwischenstaatlichen Streitigkeiten vor dem Internationalen Gerichtshof beilegen, auf die Anwendung von Militärgewalt verzichten und daher abrüsten können. Im Widerspruch dazu wird die Welt von den politischen und wirtschaftlichen Eliten in den reichen und mächtigen Staaten weiterhin als System konkurrierender Machtblöcke betrachtet. Unter dieser Prämisse werden viele der gegenwärtigen Kriege und Konflikte von der Konkurrenz der militärisch und wirtschaftlich stärksten Länder getrieben. (…)
Die USA betrachten ein ökonomisch und militärisch stärker werdendes China als wichtigsten Gegner. Sie wollen neue politisch-militärische Bündnisse mit den Anrainerstaaten des Pazifiks entwickeln (primär mit Australien und Neuseeland) und die Staaten der EU in eine gemeinsame Front gegen China einbinden. (…)
Die Hoffnungen auf ein kooperatives und entspanntes Verhältnis zwischen den Staaten des NATO Bündnisses und der Russischen Föderation sind zerschlagen. (…)
Der Ukrainekrieg muss nicht nur als ein Krieg um ukrainisches Territorium verstanden werden, sondern auch als Krieg mit Symbolwirkung für die sich neu strukturierende geopolitische Ordnung: Aus russischer Sicht soll der Einfluss von USA und EU zurückgedrängt und mit einer russischen Hegemonie überschrieben werden. Aus westlicher Perspektive gilt die Ukraine weiterhin als legitimes Interventionsfeld westlicher Interessen mit hoher Symbolkraft für den post-sowjetischen Raum. (…)
Das »globale Nord-Süd-Verhältnis« ist die zweite bedeutende Konfliktstruktur. Der »Globale Norden« ist weiterhin abhängig von Rohstoffen und Agrarprodukten zur Absicherung seines vergleichsweise hohen Lebensstandards, der extreme Ausbeutung und Ungleichheiten im »Nord-Süd-Verhältnis« verankert und gleichzeitig zu hochgradiger Ungleichheit und Konkurrenz in den Gesellschaften des »Globalen Nordens« führt. (…)
Die interessengeleitete Ressourcensicherung (und deren militärischer »Schutz«) ist allen Blöcken gemein. Die Volksrepublik China will Anteile an diesen Ressourcen sichern und stellt damit die überkommenen Privilegien der multinationalen Konzerne »des Westens« bei der Ausbeutung der Ressourcen im »Globalen Süden« in Frage. (…)
Der Klimawandel ist die dominante global wirkende Krise, auf die sich die meisten Anstrengungen richten müssten. Dessen Folgen, der Verlust von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und der Raubbau an Ressourcen sind Grund genug, die Frage nach den ökologischen Grenzen des Wachstums und einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu stellen, nicht nur im »Globalen Süden«. Durch die Folgen des Klimawandels werden Konflikte verschärft, aber nachhaltige Klimapolitik wird nirgendwo betrieben, obwohl die Szenarien bei weiterer Eskalation düster sind. (…)
Minderheitenkonflikte und Separationsbestrebungen existieren in vielen Staaten, aber aus europäischer Perspektive wird die Bedeutung dieser Konflikte und Kriege nur dort gesehen, wo eigene wirtschaftliche, militärische oder politische Interessen europäischer Länder vorhanden sind. (…)
Die NATO ist die militärische Organisation der »westlichen« Industrienationen. Sie wurde zuerst als Bündnis gegen die von der Sowjetunion angeführten sozialistischen Staaten gegründet. Nach dem Ende des »Ost-West-Konflikts« richtete sich die NATO auf militärische Interventionen aus, wie beispielsweise auf dem Balkan, in Somalia und Afghanistani. Dahinter steckt das strategische Ziel, den eigenen Einflussbereich zu erweitern oder Handelswege und industrielle Rohstoffe zu sichern. (…)
Deutschland greift auch ohne direkte militärische Beteiligung in laufende Kriege ein, zum Beispiel durch Waffenlieferungen und Ausbildung ausländischer Soldat*innen. Zudem stationiert Deutschland erstmals Einheiten der Bundeswehr dauerhaft (also ohne zeitliche Befristung) außerhalb des eigenen Staatsgebiets, nämlich eine Brigade in Litauen. In ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie und ihrer China-Strategie hat die Bundesregierung ihre wichtigsten Gegner benannt: Russland und China. Die jahrzehntelang gepflegte bundesdeutsche Entspannungspolitik hinsichtlich des Ostens Europas und darüber hinaus wird nicht fortgesetzt. Ziele und Mittel einer so deutlich werdenden Machtpolitik werden in Papieren wie der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ verschleiert. Dazu dient der Begriff der „Sicherheit unseres Landes“. (…)
Trotz seit Jahren überparteilich versicherter Aufstockung ihres Finanzrahmens erhält die Zivile Konfliktbearbeitung nur den hundertsten Teil der Mittel, die für die Finanzierung militärischer Mittel aufgewendet werden. An anderer Stelle werden Mittel der Entwicklungszusammenarbeit zweckentfremdet. Pazifistische Forderungen werden im Kontext der »Zeitenwende« in einem seit Jahrzehnten ungekannten Maße diffamiert, ein gesellschaftlicher Pazifismus, auf den man sich lange Zeit berufen konnte, ad acta gelegt. (…) Die Entscheidung für die pazifistische Wende und gegen ein neues Wettrüsten ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch die Entscheidung, die man aus rationalen Überlegungen zu Verantwortungsbewusstsein und einem »Selbsterhaltungstrieb« treffen sollte. Wir beobachten ein stetig sich verschärfendes und verhärtendes globales Konfrontationsverhältnis. Diese konfrontativen Verhältnisse müssen durch Deeskalation aktiv beendet werden. Einige Grundpfeiler einer solchen Deeskalation können klar benannt und angegangen werden: Gesprächskanäle, vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrollgespräche, Abrüstungsmaßnahmen u.a. Dabei kann Europa eine Schlüsselrolle einnehmen. (…)
Deutsche Außenpolitik muss auf die Entwicklung nachhaltiger und eigenständiger wirtschaftlicher Strukturen der Länder des »Globalen Südens« abzielen, die Vorrang vor dem neokolonialen Transfer von Ressourcen in den »Globalen Norden« haben. Eine pazifistische Wende in der globalen Wirtschaftsstruktur bedeutet auch, den militärisch unterstützten Zugriff auf begrenzte Rohstoffe zu delegitimieren. Anstatt weiter auf die Überausbeutung der ökologischen Ressourcen der Erde zu setzen, ist eine Umorientierung zu einer nachhaltigen und fairen Lebens- und Wirtschaftsweise erforderlich, nicht zuletzt durch die vorrangige Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 und der Folgeabkommen. (…)
Alle Staaten dieser Welt sollen ihre Konflikte durch »vertrauensbildende Maßnahmen« wie Manöverbeobachtung, Ankündigung und Begrenzung von Manövern deeskalieren, die globalen Kapazitäten für Konfliktverhandlung und -nachsorge stärken und global abrüsten…“ Aus dem 17-seitigen Positionspapier der DFG-VK vom Dezember 2024 auf dem Bundeskongress 2024 verabschiedet