Gemeinsames Vorgehen von Gewerkschaften und Friedensinitiative in gewerkschaftlichen, sozialen und friedenspolitischen Fragen am Beispiel Hanau

Dossier

Nie wieder Krieg!„Es war ein Montag Mitte Oktober, als der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Hanau/Fulda, Robert Weißenbrunner, in einer Sitzung der Hanauer Friedensplattform auftauchte und einen Vorschlag für ein Bündnis machte: ein gemeinsames Vorgehen von Gewerkschaft und Friedensinitiative am Ort in gewerkschaftlichen, sozialen und friedenspolitischen Fragen. Die von der Hanauer Verwaltungsstelle der IG Metall für den 17. November geplante Warnstreikaktion sollte über die Tarifforderungen hinaus politisiert werden, um sie mit der Abwehr der Belastungen der Lohnabhängigen durch die Folgen von Ukraine-Konflikt, Krieg und Aufrüstung sowie mit der Forderung nach Niederlegung der Waffen, Verhandlungen und Sicherheitsgarantien für alle Seiten zu verbinden…“ Korrespondentenbericht vom 1. Dezember 2022 bei Arbeiterpolitik online externer Link – siehe mehr daraus und dazu:

  • Beispielhafte Zusammenarbeit: In Hanau machen Ver.di und IG Metall vor, wie man sich gegenseitig unterstützen kann New
    Artikel von Friedhelm Winkel, Hanau, in der SoZ Nr. 6/2023 externer Link
  • Die Richtung bleibt: Frieden und soziale Gerechtigkeit! Gewerkschaftliche und friedenspolitische Forderungen auch bei ver.di-Aktionen in Hanau 
    „Am 17. November 2022 stellte die IG Metall Hanau/Fulda ihre örtliche Warnstreikaktion im Rahmen der Metalltarifrunde unter das Motto „Frieden und soziale Gerechtigkeit“. Die Tarifrunde sollte durch die Verbindung von tarif-, friedens- und sozialpolitischen Forderungen über den reinen Arbeitskampf hinaus politisiert werden. (…) Eine weitere wichtige Bestimmung war, dass es örtlich weitergeht: „Man versprach sich in die Hand, auch nach der Warnstreikaktion am 17. November beisammen zu bleiben und den Staffelstab in der demnächst anstehenden Tarifrunde im Öffentlichen Dienst an ver.di weiterzugeben.“ Genau dies passiert. Das in dem genannten Artikel beschriebene „Bündnis für Frieden und soziale Gerechtigkeit“ aus DGB Südosthessen, IG Metall Hanau/Fulda, ver.di Main-Kinzig/Osthessen sowie den Initiativen Hanauer Friedensplattform, DIDF Hanau (einschließlich DIDF-Jugend), VVN-BDA Main-Kinzig, Fridays for Future Hanau und Internationaler Jugendverein Hanau traf sich inzwischen mehrere Male und verabredete ein Vorgehen wie am 17. November, nur diesmal unter Federführung von ver.di und abgestimmt auf deren tarifpolitische Forderungen. Ein Flugblatt mit einem entsprechend angepassten Aufruf im gleichen Layout wie dem vom 17. November wurde danach erstellt. (…) Am 3. März fand eine Kundgebung von Fridays for Future (FfF) auf dem Marktplatz statt. In der Tarifrunde von 2020 hatte es bereits eine Zusammenarbeit von FfF und ver.di gegeben. Dies funktionierte damals in ca. 30 Städten und hatte etwa folgende politische Intention und entsprechende Verlaufsform: „Es ging auch hier wieder darum, nicht die soziale und die ökologische Frage gegeneinander auszuspielen (schon gar nicht vom kapitalistischen, aber auch nicht vom rein gewerkschaftlichen Standpunkt aus), sondern die Gemeinsamkeiten zu suchen: Fridays for Future (FfF) haben Interesse an der Aufwertung des ÖPNV wegen Klimaschutz, Busfahrer:innen desgleichen wegen der Würdigung ihres Berufes, der Verbesserung ihrer Einkommen und Arbeitsbedingungen. Deshalb gingen FfF-Leute zu den Streikposten, um Kampfformen der Busfahrer:innen kennen zu lernen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie zu unterstützen.“ (…) Inzwischen geschieht in diesem Bereich das, was im Vorfeld der IG Metall-Warnstreikaktion vom 17. November schon als Möglichkeit im Raum gestanden hatte: Es beginnen Diskussionen über den „politischen Streik“. (…) Am 8. März, also zum Frauentag, gab es die nächste Warnstreikaktion. Hier wurden vor allem Beschäftigte der Sozial- und Erziehungsdienste aufgerufen, also die mit auffällig starker Besetzung von Frauen und geringer Bezahlung (beliebte Transparentaufschrift: „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde.„) (…) Die umfangreichste Warnstreikaktion fand am 23. März statt. Der Aufruf dafür wurde von der Gewerkschaft vorbereitet und mit den verbündeten Initiativen abgestimmt. Darin wird der politische Zusammenhang unmissverständlich hergestellt: So fordert das Bündnis u. a.: „Aufrüstungspakete in die Bereiche, die ein gutes Leben für alle Menschen sichern und fördern: Umwidmung des 100-Milliarden-Aufrüstungspakets der Bundeswehr in Bildung, Pflege, soziale Arbeit, die öffentliche Verwaltung, eine funktionierende Infrastruktur, klimagerechte Mobilität, gepflegte Grünanlagen und Parks, interessante Kulturangebote, in gelungene Integration und sozialen Zusammenhalt – kurzum in die öffentliche Daseinsvorsorge. 15 Milliarden € kostet die Umsetzung der Tarifforderung und würde eine bedeutsame Steigerung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit im öffentlichen Dienst bedeuten.“ Laut einem Bericht des „Spiegel“ im Februar befürchten Mitarbeiter:innen von Militärminister Pistorius, dass ein zu hoher Tarifabschluss die Aufrüstung der Bundeswehr beeinträchtigen könnte. (…) Die IG Metall Hanau-Fulda plant für den Monat Juni eine bundesweite Konferenz in Hanau zum Thema Frieden in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die frühere Regionsgeschäftsführerin des DGB Südosthessen, Ulrike Eifler, die heute Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft der Partei Die Linke ist, hat ihre Mitwirkung zugesagt. Die Grenzen für die Friedensaktivitäten sind durch das sozialpartnerschaftliche Verständnis von Gewerkschaften gesetzt. Sie wollen in ihrer Mehrheit von einer Unterstützung des Kurses der Ampel-Regierung im Kriegsgeschehen in der Ukraine nicht lassen. Der Druck der Basis muß also über die hier genannten Beispiele weit hinaus gehen.“ Korrespondentenbericht vom 12. April 2023 bei Arbeiterpolitik online externer Link
  • Weiter aus dem Korrespondentenbericht vom 1. Dezember 2022 bei Arbeiterpolitik online externer Link („»Was – zum Teufel – hat der Krieg in der Ukraine mit dem Warnstreik zu tun?« Gewerkschaftliche und friedenspolitische Forderungen beim Metaller-Warnstreik in Hanau“): „(…) Die IG Metall bestimmte die inhaltliche Richtung für die Warnstreikaktion am 17. November. Das Besondere in Hanau lag aber gerade darin, dass die örtliche Gewerkschaftsführung sozial- und friedenspolitische Fragen mit den Tarifforderungen verknüpfen wollte, weil diese Themen die Lohnabhängigen in erster Linie angehen, die höheren Gewerkschaftsebenen aber nichts unternehmen, um eine solche breite Auseinandersetzung zu führen. Sie sah sich darin einig mit großen Teilen ihrer Basis besonders in den großen und kampfstarken Betrieben in Hanau und Umgebung wie Vacuumschmelze und ThermoFisher. Irgendwer, irgendwo muss doch damit anfangen, sonst bewegt sich gar nichts, so die Logik. Die DGB-Gewerkschaften, vor allem die höheren Ebenen und Vorstände, zeigen sich einig mit dem Kurs der Bundesregierung (Ampelkoalition), die sich wiederum der „westlichen“ Führungsmacht USA in dem geostrategischen Vorgehen zur Schwächung Russlands unterordnet. Dies ist das eine Problem. Das andere kommt aus der Richtung der Unternehmer. Würden sie eine offene Politisierung der Tarifrunde – denn darum handelte es sich – akzeptieren, oder würden sie gerichtlich dagegen vorgehen? Würden die höheren Ebenen der IG Metall (Bezirk Mitte, Hauptvorstand) der Hanauer Organisation dann den Rücken stärken, oder würden sie sie auflaufen lassen? Es galt, dieses Risiko einzugehen, das Vorgehen auszuprobieren. Das von der IG Metall Hanau/Fulda erstellte Flugblatt externer Link ist völlig klar in seinen Inhalten. Es fordert „Statt Durchhalteparolen und Energiespartipps: Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit!“, „Hoch mit den Löhnen, runter mit den Preisen!“, „Den Ukraine-Krieg sofort beenden! Waffenstillstand jetzt!“. Weiter heißt es: „Unser Bündnis, bestehend aus verschiedenen lokalen Organisationen, ruft alle Menschen in Hanau und Umgebung auf, sich gerade jetzt für Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Wir werden dabei die Betriebe und Verwaltungen sowie die Straße nicht rechten Hetzern überlassen und grenzen uns von diesen entschieden ab.“ Angesichts der „Funkstille“ in den Gewerkschaften und Demonstrationen aus dem rechtsextremen Lager mit demagogischen, populistischen Losungen sind das notwendige Klarstellungen. (…) Wie sind diese inhaltliche Ausrichtung und der Ablauf der Warnstreikaktion im Zusammenhang der bundesweiten Tarifrunde zu werten? Zunächst einmal ist Hanau mit rund hunderttausend Einwohner:innen eine eher kleine Stadt, die bundesweit kein besonderes Gewicht in die Waagschale bringen kann. Da hilft auch nicht der Status einer relativ starken Industrialisierung oder die Position am Rande des wirtschaftsstarken Rhein-Main-Gebietes. Der Versuch der Politisierung der gewerkschaftlichen Tarifarbeit, der in Hanau gemacht wurde, hat insofern die Bedeutung, dass jemand den Anfang machen muss. Wie das weiterwirkt, ob das aufgegriffen wird, kann nur die Zukunft ergeben. Hanau mag insofern aus dem Einheitsbrei der Tarifrunde herausstechen. Aber es ist ein Sonderfall. Der örtliche Hintergrund ist zu sehen in einer langen Tradition, deren Grundlegung historisch in einer frühen Industrialisierung (um 1600) zu sehen ist und sich umsetzte in den Revolutionen von 1848 und 1918. Diese Historie lässt sich zusammenfassen in dem Stichwort „Das rote Hanau“ (so der Titel eines Dokumentarbandes, bearbeitet von Judith Pákh und herausgegeben von der IG Metall Hanau/Fulda, Hanau 2007). Für Details dazu ist hier kein Platz, und man darf die Fortwirkung unter den Verhältnissen, die wir in Deutschland seit der Zerschlagung der alten Arbeiterbewegung und der Befreiung vom Faschismus von außen haben, nicht überschätzen. Diese historischen Einschnitte führten in der vorherrschenden sozialpartnerschaftlichen Strömung der Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg zu dem Schluss, dass niemals mehr klassenkämpferische Politik gegen die Interessen des Kapitals, schon gar nicht bis zum Sturz der Kapitalsherrschaft gemacht werden dürfe. Aber hier und da vor Ort gilt eben auch: „Etwas hat überlebt!“ Und daran gilt es anzuknüpfen mit den Inhalten und Methoden, die unter gegebenen Verhältnissen und in den Vorstellungen der Kolleg:innen möglich und vermittelbar sind.“
  • Siehe die Homepage der IG Metall Hanau externer Link und dort die Berichte zu Tarifbewegung M+E 2022 / Bündnis für Frieden und soziale Gerechtigkeit  sowie die Hanauer Friedensplattform externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=211741
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