Antikriegstag am 1. September 2022
„Seit 1959 gehen Gewerkschaften und Friedensgruppen unter dem Motto „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ jährlich am 1. September, dem Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939, für eine friedliche Welt auf die Straße. Damit soll an die schrecklichen Folgen von Krieg, Gewalt und Faschismus erinnert werden. Der Großteil der Veranstaltungen rund um den Antikriegstag befasst sich in diesem Jahr mit dem Ukraine-Krieg. Ein weiteres zentrales Thema bei vielen Veranstaltungen und Aktionen rund um den Antikriegstag am 1. September ist die massive Aufrüstung der Bundesregierung mit u.a. dem 100 Mrd. Sonderprogramm. Ein weiteres wichtiges Thema, das erwartungsgemäß bei vielen Veranstaltungen rund um den Antikriegstag aufgegriffen wird, ist die Gefährdung der Demokratie durch das Wiedererstarken von Nationalismus und Rassismus…“ Die diesjährige Sonderseite der Friedenskooperative mit allen Infos, Aufrufen und Terminen. Siehe auch die Erklärung des DGB und Kritik daran und weitere:
- Für den Frieden! Gegen einen neuen Rüstungswettlauf! Die Waffen müssen endlich schweigen!
„“Nie wieder Krieg!“ – das ist und bleibt die Grundüberzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften. Jeder Krieg ist ein Angriff auf die Menschheit und die Menschlichkeit. Aus dieser Überzeugung unterstützen wir die Friedensbewegung mit unserer gewerkschaftlichen Kraft.
Mit dem verbrecherischen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine ist der Krieg zurück in Europa. Im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und anderswo wüten weiterhin, teilweise seit Jahrzehnten, Kriege und Bürgerkriege. Tod, Zerstörung und Flucht – so lautet ihre fürchterliche Bilanz. Die Waffen müssen endlich schweigen – überall auf der Welt!
Russlands autokratisches Regime verfolgt eine brutale Politik der militärischen Konfrontation und Eskalation. Sein verbrecherischer Krieg zielt auf die Vernichtung der Ukraine ab. Selbst den Einsatz nuklearer Waffen schließt die russische Führung nicht aus. Die europäische und internationale Friedens- und Sicherheitsordnung liegt in Trümmern. Diese tiefe Zäsur zwingt uns, neue Antworten zu finden.
Die deutsche Bundesregierung hat darauf mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert, um die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit unseres Landes im Rahmen der NATO und der EU zu stärken. In den letzten Monaten haben Themen, wie das Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr oder die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, die öffentliche und politische Auseinandersetzung geprägt. Diese breite und offene Debatte ist notwendig. Sie hat sich aber immer stärker auf den Einsatz militärischer Mittel der Friedenssicherung verengt.
Mit unseren Aktionen und Kundgebungen am diesjährigen Antikriegstag warnen wir vor einer weiteren Militarisierung der Debatte. Der Ukraine-Krieg darf uns nicht zu dem Irrglauben verleiten, Frieden ließe sich mit Waffen schaffen. Hinzu kommt, dass jeder Euro, der zusätzlich für Aufrüstung ausgegeben wird, an anderer Stelle zu fehlen droht...“ Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Antikriegstag 2022 - Anmerkungen zum Aufruf des DGB zum Antikriegstag 2022
„… Wer sich davon jedoch eine klare Abgrenzung von der derzeitigen deutschen Wirtschafts-, Finanz,- Kriegs,- und Außenpolitik erhofft, wird enttäuscht. (…) Der DGB als Dachverband der Gewerkschaften in Deutschland war über Jahrzehnte ein einflussreicher Akteur und eine wichtige Stimme in der bundesdeutschen Friedensbewegung. Heute steht der DGB bei vielen Mitgliedern in der Kritik, weil er sich eher als Partner der Konzerne und Unternehmen versteht, es unterlässt, den bürgerlichen Staat grundlegend zu kritisieren und nicht als Kampforganisation der Beschäftigten angesehen wird. Im Sinne einer Partnerschaft ist auch die zentrale Erklärung zum Antikriegstag 2022 am 1. September gehalten: Der Deutsche Gewerkschaftsbund versucht sich als eine fortschrittliche Kraft zu inszenieren, die „vor einer weiteren Militarisierung der Debatte“ warnen will; ruft aber zu konkreten Aktionen am 1. September diesen Jahres gar nicht erst auf; benennt nicht, warum es in diesem Wirtschaftssystem immer wieder zu Kriegen kommt; lobt die Bundesregierung praktisch dafür, weil sie bemüht ist „die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit unseres Landes im Rahmen der NATO und der EU zu stärken “ und spricht sich zwar „gegen einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf “ aus, doch fallen keine kritischen Worte zum milliardenschweren „Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr“. (…) Weiter zeigt die Erklärung des DGB auf, dass von den Gewerkschaften bei einer weiteren Eskalation der Lage kaum konstruktives, widerständiges, diplomatisches und deeskalierendes Handeln zu erwarten ist. Für die konkreten Anlässe auf die Straße zu gehen, aktiv in den Produktions- wie auch in den Reproduktionsbereich einzugreifen braucht es keinen 1. September…“ Beitrag vom 5.8.22 beim Gewerkschaftsforum - Aufruf von Friedens- und Klimafreund*innen aus Bad Fallingbostel:
„Wir GewerkschaftskollegInnen der Friedensaktion Lüneburger Heide bitten um eure Solidarität und laden euch ein, mit uns gegen die Neustationierung von 2200 BW-Panzersoldaten zu protestieren, denn das Militär ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch der größte Klimakiller: ANTIKRIEGSTAG Mittwoch 31.8.22 , Beginn 16.30 am Rathaus in Bad Fallingbostel
Zwischen Bergen und Bad Fallingbostel liegt Europas größter Truppenübungsplatz, der von den Nazis eingerichtet wurde. Hier wurde der Überfall auf die Sowjetunion geprobt. Hier krepierten elendig in 3 Lagern über 50.000 sowjetische Kriegsgefangene. Nach 1945 wurde der Platz NATO-TrÜbPlatz. Von hier zogen britische und andere Armeen nicht nur in Kriege ums Öl. Als die British Army 2015 Bad Fallingbostel und Oerbke verließen, zogen Geflüchtete in die 2 Kasernen ein. Inzwischen wird eine Kaserne wieder militärisch genutzt, so zuletzt 2020 für das US-Großmanöver DEFENDER EUROPE 2020. Die andere Kaserne wird nur noch bis 2023 zentrales Aufnahmelager für Flüchtlinge sein. In beide Kasernen sollen erstmals 2200 Bundeswehr-SoldatInnen mit Panzern und anderen großen Kriegsgeräten fest stationiert werden. Andererseits kämpfen seit 1990 Bürgerinitiativen und Gewerkschaften für die Zivilisierung des riesigen Kriegstrainingsplatzes. Seit 2014 fordern, auf unsere lokale gewerkschaftliche Initiative hin ver.di-Bundeskongress und DGB-Konferenz Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt für Europas größten TrÜbPlatz eine neue Wirtschaftsstruktur und die „muss sozial, ökologisch, nicht-militärisch sein“. Das Konzept unserer Bürgerinitiative für ein UNESCO-Biosphärengebiet ist gut durchdacht und realisierbar. www.hohe-heidmark.de …
Es gibt auch eine Widerstands-Tradition, beginnend mit John Lennon. Hier auf Europas größtem TrÜbPlatz wurde 1965 der Antikriegsfilm „How I won the war“ (Wie ich den Krieg gewann) mit John Lennon gedreht. Mit dem größten BW-Heeresstandort und das „Panzermuseum“ Munster, Rheinmetall Unterlüß, Fassberg, Walsrode-Beetenbrück, Celle-Wietzenbruch usw. ist hier in der Heide Deutschlands größte militärische Konzentration. Wir tragen die Lasten, die alle betreffen. Liebe Freunde und Freundinnen, wir laden euch ein. Seid solidarisch! Kommt am Mittwoch 31.8.22 nach Bad Fallingbostel. Bad Fallingbostel ist erreichbar über A7, über A27 (Walsrode) und die Bahnstrecke Hamburg – Buchholz/Nordheide – Soltau – Bad Fallingbostel – Walsrode – Hannover“ Aufruf der Friedensaktion Lüneburger Heide
Siehe grundsätzlicher:
- Zivilisatorischer Pazifismus – Die militärische Heilslehre gehört zur Dogmatik einer zerstörerischen Zivilisation
„… Es ist spät auf dem Planeten Erde. Gleichwohl haben bürgerliche Fraktionen der Ökologiebewegung hierzulande ihren Frieden mit der Bombe geschlossen und stellen mitunter so etwas wie „Mut zum Dritten Weltkrieg“ zur Schau. Die Opferbereitschaft in der Politik ist enorm. Man zeigt sich bereit, viele Menschenleben (vorerst nicht im eigenen Land) auf dem Altar der „Freiheit“ zu opfern, sodann auch das materielle Auskommen der „Behelfers“ in der Nähe, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung ausmachen, und nicht zuletzt die Zukunft, nämlich Grundpfeiler der im Wahlkampf angekündigten – ganz tollen – ökologischen Transformation. Der großherzige Verzicht auf ein Tempo-Limit im Autobahnverkehr hat indirekt wohl ebenfalls etwas mit der neuen Militärdoktrin zu tun, belegt er doch, dass die „Freiheit“ allüberall ohne Rücksicht auf Verluste und Vernunftargumente verteidigt werden muss – auch die „Freiheit“, den nach uns kommenden Erdbewohnern die Hölle zu bereiten. Zum öffentlichen Erscheinungsbild der Mutigen gehört vor allem eine Ergriffenheit von der eigenen Ergriffenheit – ein erhebendes Gefühl angesichts von soviel Moralität. Die Hofnarren sagen derweil keine unbequemen Wahrheiten mehr, sondern übernehmen das Amt der besoldeten Hofprediger. In diesem Jahr ließen sie vorzugsweise und denkbar großkotzig eine Pazifisten-Schelte auf fast allen Kanälen vernehmen. Dummheit und Stolz wachsen bekanntlich gerne auf einem Holz. (…) Über Nacht ist die Militärgottheit – wie zuletzt 2001 – von mächtigen imperialen Akteuren für eine weitere Geschichtsepoche auf den höchsten Thron des Weltgeschehens gesetzt worden. Das wird sich als ein noch größeres Verbrechen gegen die Menschheit und künftige Generationen erweisen als der russische Angriffskrieg in der Ukraine, mit welchem dieser durch Hochrüstungsfahrpläne längst vorbereitete Vorgang hierzulande in der Öffentlichkeit gerechtfertigt wird – bislang noch ohne nennenswerte Widerstände. Denn was bedeutet die Zementierung des militärischen Paradigmas im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung? Sie verurteilt alle Bemühungen, die unvorstellbaren Leiden auf dem Globus infolge der Klimakatastrophe abzumildern und ein Abdanken des homo sapiens in Schande (oder kollektivem Suizid) noch irgendwie abzuwenden, zur Vergeblichkeit! Der Militärkomplex gehört – im Verein mit einer ultimativ aggressiven Form des Wirtschaftens – zur Dogmatik eines destruktiven Zivilisationskurses. Sofern es der menschlichen Spezies nicht gelingt, sich aus den Fängen der von ihr selbst hervorgebrachten Heilslehre des Militärischen zu befreien, sind Problemlösungen im Zusammenhang mit der menschengemachten ökologischen Krise auf dem Lebensraum Erde nicht einmal denkbar. Eine Wahl ist zu treffen: Militär- und Konkurrenzlogik oder Klimaschutz-Kooperation des ganzen Erdkreises! Beides geht nie und nimmer zusammen. (…) Die rasante Militarisierung vollzieht sich unter der Losung „Für die Freiheit“, während sie in Wirklichkeit in freiheitsfeindliche, autoritäre Verhältnisse hineinführt. Das Wissen um die Kraft von Nonviolence bleibt weiterhin ausgeschlossen vom kommerziellen Massen-Entertainment, denn es betrifft die einzige Form des gemeinschaftlichen Widerstandes, die den Mächtigen und Besitzenden Angst einflößt. Nonviolence ist keine Passivität, sondern höchste Aktivität: ein Widerstand, der dem Räderwerk des Todes in die Speichen greift, jedoch niemals fremdes Blut vergießt. Die Revolte gilt dem Leben und auch der menschlichen Würde. Falsche Propheten, die das Geschäft der Konterrevolution betreiben, sind leicht zu erkennen. Sie fordern Menschenopfer.“ Kolumne von Peter Bürger vom 19. August 2022 bei Telepolis