»
Aserbaidschan »
»
»
Armenien »
»

Ein „Waffenstillstand“ zugunsten Aserbeidschans. Und, wie bei allen bisherigen nationalistischen Kriegen um Berg Karabach: Keine friedliche Zukunftslösung

Bild von Internationale der Kriegsdienstgegner/innen, IDK e.V.„… Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan sagte, nach mehr als einem Monat Blutvergießen habe er ein „für mich und für unser Volk unsäglich schmerzhaftes“ Abkommen mit Aserbaidschan und Russland unterzeichnet. Eigentlich gilt Russland als Schutzmacht Armeniens. Nach reiflicher Analyse der Lage habe er entschieden, den Konflikt zu beenden, erklärte Paschinjan weiter. Sofort war in Armenien von Kapitulation die Rede, weshalb es in der Hauptstadt Eriwan zu Protesten und Ausschreitungen kam. Demonstranten beschimpften Paschinjan als Verräter und stürmten und verwüsteten seinen Regierungssitz. Die Waffenruhe in Berg-Karabach soll nach Angaben des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev von russischen und türkischen Friedenstruppen gemeinsam überwacht werden. Von russischer Seite würden 1960 Soldaten eingesetzt für die Zeit von fünf Jahren mit der Option einer Verlängerung um weitere fünf Jahre. Zur Zahl der türkischen Soldaten machte Aliyev noch keine Angaben…“ – aus dem Bericht „In Berg-Karabach schweigen die Waffen“ am 10. November 2020 bei der Deutschen Welle externer Link über das Abkommen und die armenischen nationalistischen Proteste dagegen. Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge über Alternativen aus beiden Ländern, die eine friedliche Lösung der Konflikte ermöglichen könnten…

  • „Gegen den Krieg in Berg-Karabach“ am 06. November 2020 bei Progressive International externer Link ist die deutsche Übersetzung eines Aufrufs armenischer Linker gegen den Krieg, worin unter anderrem unterstrichen wird: „… Ähnliche Ausbeutungs- und Unterdrückungstechniken der herrschenden Klassen in Armenien, Aserbaidschan, Russland und der Türkei, die von Korruption, Autoritarismus, Abbau von Schwermetallen und fossilen Brennstoffen, Handel und dem Verkauf von Massenvernichtungswaffen profitierten, die in der Verherrlichung des Krieges und des Heteropatriarchats gründen, erstickten jede Möglichkeit für eine langfristige Solidarität über Grenzen hinweg und zwischen den betroffenen Regionen. Die politischen Eliten und die herrschenden Klassen in den einzelnen Ländern zeigten auch mehr Solidarität untereinander als mit der unterdrückten Mehrheit des Volkes und brachten Dissens zum Schweigen, indem sie dazu aufriefen, den Waffenstillstand über die geschlossenen Grenzen hinweg zu brechen. Die Reichsten retteten sich aus der Wehrpflicht, während die Rekruten aus den ärmsten Schichten der Gesellschaft während des Militärdienstes Gewalt, Misshandlungen, Selbstmord und Morde erleiden mussten. Jede Möglichkeit einer friedlichen Lösung des Konflikts wurde in repräsentativen und geheimen diplomatischen Treffen begraben und führte zur Aufrechterhaltung des 30 Jahre lang bewahrten Status quo, der für den Waffenhandel der imperialen Mächte und ihre regierenden Vertreter in den Konfliktländern profitabel war. Die Völker Armeniens, Արցախ / Qarabağs und Aserbaidschans begnügten sich mit einer faschistischen, fremdenfeindlichen Rhetorik. Drei Generationen reproduzierten die ethnische und religiöse Feindschaft, die zuvor durch die Politik der “nationalen Brüderlichkeit” in der Sowjetzeit mehr oder weniger beschwichtigt worden war…“
  • „Es könnte bald wieder Krieg ausbrechen – oder ein Dialog beginnen“ von Bernhard Clasen im Friedensforum 6/2020 externer Link (vor aktuellem Kriegsbeginn verfasst) zu damals möglich erscheinenden Alternativen unter anderem: „… Am 9. September 2020 berichtet das auf den Kaukasus spezialisierte unabhängige russische Internetportal Kavkaz-uzel.eu, dass aserbaidschanischen Angaben zufolge am Vortag aserbaidschanische Stellungen 51 mal von armenischer Seite beschossen worden seien. Derartige Meldungen liest man fast täglich. Je nach Quelle, armenisch oder aserbaidschanisch, ging die Aggression entweder von der armenischen oder der aserbaidschanischen Seite aus. Einen Höhepunkt haben diese Auseinandersetzung in einem Kleinkrieg im Juli 2020 gefunden. Zwischen dem 12. und dem 27. Juli sind auf armenischer Seite sechs Menschen, auf aserbaidschanischer Seite 13 getötet worden. Zwar konnte im Juli 2020 noch einmal ein großer Krieg abgewendet werden. Aber da die Voraussetzungen, die den Krieg mit 30.000 Toten vor knapp 30 Jahren ermöglicht hatten, die gleichen sind, wie heute, ist auch heute jederzeit ein derartiger Krieg möglich. Und heute spielen regionale Mächte eine größere Rolle als damals. Anfang September 2020 fanden im aserbaidschanischen Nachitschewan aserbaidschanisch-türkische Militärmanöver statt. Gleichzeitig bindet sich Armenien immer stärker an Russland. (…) Der aserbaidschanische Menschenrechtler Avas Hasanov sieht gegenüber dem „Friedensforum“ einen Schlüssel in der Förderung der Volksdiplomatie, also in mehr zivilgesellschaftlichen Kontakten zwischen Armenier*innen und Aserbaidschaner*innen. Hasanov hat schon mehrfach, sehr zum Verdruss der aserbaidschanischen Gesellschaft und Regierung, die armenische Seite besucht. Er dürfte wohl der Aserbaidschaner sein, der die meisten armenischen Freunde auf seiner Facebook-Seite hat. Eine wichtige Rolle in dieser Volksdiplomatie, so Hasanov in seinem auf Russisch erschienenen Buch „Nagornij Karabach – der schwierige Weg der Volksdiplomatie“, könnten die armenischen Flüchtlinge spielen, die aus Aserbaidschan geflohen sind. Denn sie kennen beides: den Hass, aber auch respektvolle Beziehungen zu Aserbaidschaner*innen. Viele armenische Flüchtlinge aus Aserbaidschan würden gerne an eine Zeit anknüpfen, in der sie friedlich zusammengelebt hatten…“
  • Siehe zuletzt am 04. November 2020: Nagorny Karabach: Ein Überblick über Widerstand und Protest gegen den Krieg im Kaukasus
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181080
nach oben