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Auch die armenische Linke beginnt gegen den Krieg um Karabach zu mobilisieren – in Aserbeidschan tut sie es, trotz aller Repression, weiterhin

Bild von Internationale der Kriegsdienstgegner/innen, IDK e.V.„… Flüssiger liest sich dagegen der am 18. Oktober auf Armenisch, Russisch und Englisch veröffentlichte Aufruf »Gemeinsamer Boden: eine Antikriegsstellungnahme«, unter dem online Unterschriften gesammelt werden. Schon zu Anfang wird über die eigene Hilflosigkeit angesichts der Flut der nationalistischen Propaganda reflektiert. »In der belagerten Festung des Nationalstaates verbleibend, haben wir zugelassen, dass Klassensolidarität und Freundschaft deskreditiert wurden.« Die Rolle der xenophoben Rhetorik der beiden Konfliktparteien analysierend, verweisen die Autoren auch auf die versäumten Möglichkeiten zu Verhandlungen. Weiter wird eine sofortige Feuereinstellung von den beiden Seiten und die Demilitarisierung der Region gefordert. Angesichts der Rhetorik des »Überlebenskampfes« haben die armenischen Kriegsgegner teilweise einen noch schwierigeren Stand als die aserbaidschanischen, die dafür wiederum mit einer wesentlich schärferen Zensur und einem wesentlich härteren staatlichen Repressionsapparat konfrontiert sind. In beiden Staaten kann man von keiner gesellschaftlich relevanten Antikriegsbewegung sprechen, daher handelt es sich bei allen oben genannten Statements um die ersten Schritte gegen die aufgehetzte Stimmung...“ – aus dem Beitrag „»In der belagerten Festung des Nationalstaates«“ von Ewgeniy Kasakow am 25. Oktober 2020 in nd online externer Link über erste armenischen Stimmen gegen den Krieg – wobei noch über einen zweiten, eher seltsamen Aufruf berichtet wird… Siehe dazu auch die (englische übersetzte) Dokumentation des Aufrufs der armenischen Linken sowie einen Beitrag über die Erfahrungen und Positionen von Kriegsgegnern in Aserbeidschan und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag gegen den nationalistischen Krieg um Karabach:

  • „Armenian leftists: We consciously choose peace“ am 23. Oktober 2020 bei LeftEast externer Link dokumentiert, ist die Antikriegserklärung armenischer Linker (auf die im obigen Zitat Bezug genommen wird), in der eine sofortige Beendigung der Kriegshandlungen gefordert wird „denn heute sterben die Menschen für künftige weitere Kriege“ – und das ganze in eine Bewertung des Kampfes für Demokratie, Frieden und gegen den Nationalismus und Imperialismus eingeordnet wird.
  • „Als Vaterlandsverräter abgestempelt“ von Ute Weinmann ebenfalls am 25. Oktober 2020 in nd online externer Link ist ein Gespräch mit dem aktuell bekanntesten der – wenigen – Kriegsgegner in Aserbeidschan, worin unter anderem  zum nationalistischen Konzept beider Seiten ausgeführt wird: „… Der Südkaukasus lässt sich hinsichtlich seiner Größe und ethnischen Vielfalt mit dem Balkan vergleichen. Was bei uns in den 1990er Jahren passierte, führte auch auf dem Balkan zu vielen Tragödien. Doch dort beteiligten sich ausländische Staaten auf effektive Weise an der Beilegung der Konflikte. Wahrscheinlich war ihr Interesse stark ausgeprägt, weil all das mitten in Europa geschah, während der Karabach-Konflikt weitgehend verdrängt wird. Da diese Region in der Peripherie des kapitalistischen Systems liegt, steht Ausbeutung an erster Stelle, während Stabilität und die Entwicklung von Demokratie zu Nebensache geraten. Der Grund für den Krieg liegt darin, dass beide Staaten ein hohes Level an ethnischem Hass und Nationalismus in der Bevölkerung kultivieren. In Armenien, das immerhin vorsichtige Schritte in Richtung Demokratie unternommen hat, steht hinter dieser Politik die Auslandslobby, während in Aserbaidschan das autokratische Alijew-Regime dafür verantwortlich ist. Seit 30 Jahren existiert hier de facto eine Monarchie, die vom Vater auf den Sohn überging. Erst wenn Armenien und Aserbaidschan ausreichende demokratische Grundlagen entwickeln, kann sich die Konfrontation zwischen beiden Völkern legen. Russland nimmt diese Region als seinen »Hinterhof« wahr. Das war schon immer so und spielte auch bei der Besetzung aserbaidschanischer Gebiete in den 1990ern Jahren eine Rolle. Nach dem Zerfall der Sowjetunion feuerte Russland ethnische Konflikte in vielen postsowjetischen Regionen an, wobei der um Karabach sich als folgenreichster entpuppte. Später setzte sich Russland als Vermittler in Szene und verkaufte trotzdem Waffen für Milliardenbeträge an Armenien und Aserbaidschan. Die Konfrontation zwischen beiden Ländern dient den Interessen des russischen Kapitals. Gleiches gilt für die Türkei. Noch 2016 hat sie anders reagiert und Aserbaidschan nicht offen unterstützt. Offenbar stoßen jetzt in unserer Region kapitalistische und geopolitische Interessen aufeinander, auch wenn die staatliche Propaganda dies auf andere Weise darstellt. Andere Länder hingegen reagieren bislang mit Zurückhaltung, als ob es nur um eine Einflusszone der beiden »großen Brüder« Türkei und Russland ginge...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180112
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