[Entwurf einer EU-Richtlinie zum Whistleblower-Schutz] Nein, Brüssel mag immer noch keine Whistleblower
Dossier
„Nach langem Zögern und vielen Skandalen (LuxLeaks, VW-Dieselgate…) will die EU endlich die Whistleblower schützen. Doch die geplanten Regeln sind kompliziert. Für investigative Journalisten bringen sie neue Probleme. (…) Allerdings entspricht das nun vorgeschlagene Gesetz nicht wirklich dem Arbeitsalltag von Informanten und Reportern. Es sieht den Aufbau eines komplizierten Meldesystems für Firmen und Behörden vor. (…) Ob ein solches Verfahren geholfen hätte, die Missstände im Steuersystem von Luxemburg zu beheben oder Geldwäsche auf Malta aufzuklären, muss sich erst noch erweisen. Zweifel sind nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Denn ausgerechnet bei der Information der Öffentlichkeit versagt der Entwurf…“ Kommentar von und bei Erik Bonse vom 24. April 2018 , siehe dazu auch unser Dossier: EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen gefährdet Presse- und Meinungsfreiheit: Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Schutz von Journalisten und Whistleblowern und hier zur Whistleblower-Richtlinie und der Umsetzung in ein Whistleblowing-Gesetz in Deutschland:
- Whistleblowerschutz – eine essenzielle Säule der Pressefreiheit
„Der millionenschwere Betrug mit Projekten zur CO2-Vermeidung, Sicherheitsmängel bei Boeing, die dramatischen Auswirkungen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Gaza-Krieg – nur einige aktuelle Beispiele, in denen Whistleblower Anstoß zu kritischen Recherchen gegeben haben. Durch ihre Kooperation mit Journalist*innen erfährt die Gesellschaft oft erst von politischen und wirtschaftlichen Skandalen, Machtmissbrauch und staatlichem Kontrollversagen. „Wer, wie die Ampelfraktionen, die Pressefreiheit stärken will, muss die Zusammenarbeit von Whistleblowern und Journalist*innen erleichtern,“ fordert der Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk, Kosmas Zittel, anlässlich des Tags der Pressefreiheit (03.05.2024). „Nach mehr als der Hälfte der Legislaturperiode muss man feststellen: Sobald Offenlegungen sie selbst oder enge Verbündete ins schlechte Licht rücken könnten, bleibt die Bundesregierung deutlich hinter diesem Anspruch zurück.“ (…) „Es ist an der Zeit, dass das öffentliche Interesse konsequent über das Geheimhaltungsbedürfnis von Politik und Wirtschaft gestellt wird“, so Kosmas Zittel. „Ohne die Hinweise von Whistleblowern werden die Medien ihre Kontrollfunktion nur schwer ausüben können. Das schadet dem demokratischen Diskurs.““ Beitrag von Kosmas Zittel vom 02.05.2024 im Whistleblower-Netzwerk - Bundestag und Bundesrat haben endlich ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet und mit anderthalbjähriger Verspätung die EU-Whistleblowing-Richtlinie umgesetzt – trotz aller Mängel Fortschritte gegenüber dem prekären Status quo
„Das Hinweisgeberschutzgesetz kann nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat in Kraft treten. Trotz aller Mängel bringt es Fortschritte gegenüber dem prekären Status quo. Das Ziel, die Rechte von Whistleblowern umfassend zu stärken, verfehlt es jedoch an einigen Stellen. Der Bedeutung von Whistleblowing für den Journalismus und damit den öffentlichen Diskurs wird es ebenso wenig gerecht…“ Pressemitteilung vom 12. Mai 2023 des Whistleblower-Netzwerk („Allenfalls ein Meilenstein für den Whistleblower-Schutz“) zum Beschluss des Bundestags vom 11.05.2023 mit vielen weiteren Informationen. Siehe dazu:- Whistleblowing: Hinweisgeberschutzgesetz kommt Mitte Juni
„Mit der Zustimmung des Bundesrats zum Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses am 12. Mai 2023 ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist nun beschlossene Sache, es wird wohl Mitte Juni in Kraft treten. (…) Folgende Änderungen hat der Vermittlungsausschuss gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Fassung erreicht: 1. Es gibt keine Pflicht, die Abgabe anonymer Meldungen zuzulassen. Interne und externe Meldestellen sollen dies lediglich ermöglichen. 2. Erste Anlaufstelle für hinweisgebende Personen soll die interne Meldestelle sein, soweit es sich um Fälle handelt, bei denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann. 3. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist nur anzuwenden bei Informationen über Verstöße, die sich auf den Arbeitgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen. 4. Die hinweisgebende Person muss geltend machen, dass die Benachteiligung eine Repressalie ist. 5. Das Bußgeld bei Verstößen gegen das Gesetz beträgt maximal 50.000 Euro.“ Meldung vom 12. Mai 2023 beim bund-verlag , siehe auch: - Whistleblower, Wahlrecht, Heizungstausch – Bundesrat gibt grünes Licht
„Für acht Gesetze aus dem Bundestag hat der Bundesrat am 12. Mai 2023 grünes Licht gegeben. Gleich zu Beginn der Sitzung stimmte er dem im Vermittlungsausschuss nachverhandelten Hinweisgeberschutzgesetz zu. (…) Das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die bis zum 17. Dezember 2021 umzusetzen gewesen wäre. (…) Mit der Zustimmung des Bundesrates ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und danach im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll zum weit überwiegenden Teil einen Monat nach der Verkündung in Kraft treten – möglicherweise also etwa Mitte Juni 2023…“ Meldung vom 15. Mai 2023 bei BundesratKOMPAKT mit Downloads und Videos der Redebeiträge und Gesamtmitschnitt der Plenarsitzung
- Whistleblowing: Hinweisgeberschutzgesetz kommt Mitte Juni
- Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet – Enttäuschung überwiegt
„Der Bundestag verabschiedet heute mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen ein längst überfälliges Hinweisgeberschutzgesetz zur Umsetzung EU-Whistleblowing-Richtlinie . Leider verbessert es nur die rechtliche Situation von denjenigen Whistleblowern, die bestimmte Rechtsverstöße an eine (organisations-)interne oder an eine externe (staatliche) Meldestelle melden wollen. Der Bedeutung für den Journalismus und damit für die Demokratie wird das Gesetz nicht gerecht.
„Das Gesetz genügt weder dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit für Whistleblower noch dem Informations- und Partizipationsanspruch einer demokratischen Gesellschaft“, sagte die Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, Annegret Falter. „So als seien NSA-Skandal, Missbrauch in der katholischen Kirche, Vernachlässigungen in der Altenpflege oder systematische Steuerhinterziehungsmodelle nicht allein durch Whistleblowing öffentlich verhandelbar geworden.“
Die Ampel-Fraktion will öffentliches Whistleblowing nur in Ausnahmefällen schützen, wenn nicht-öffentliche Meldekanäle nicht reagieren oder wenn eine „unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses“ droht (§32 HinSchG ). Hinweise zu Fehlverhalten oder erheblichen Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße fallen, anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, nicht in den Schutzbereich des Gesetzes. (…) Erschwerend hinzu kommen die weitgehenden pauschalen Ausschlusstatbestände für den Geheimschutzbereich. Bei Verschlusssachen soll geschütztes Whistleblowing allenfalls intern erfolgen dürfen, Angelegenheiten der nationalen Sicherheit sind vollständig vom Schutzbereich des Gesetzes ausgenommen. Die vorgesehene Regelung schafft damit einen Anreiz, strittige und illegitime Dinge zur Verschlusssache oder Angelegenheit der nationalen Sicherheit zu erklären und so gegen Whistleblowing zu „immunisieren“. Bereits jetzt werden in Ermangelung klarer Vorgaben und unabhängiger Kontrollen unverhältnismäßig viele Informationen als Verschlusssache eingestuft und so der journalistischen und öffentlichen Kontrolle entzogen. Whistleblower Netzwerk und Reporter ohne Grenzen hoffen, dass auch nach der Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes das letzte Wort noch nicht gesprochen ist…“ Pressemitteilung vom 30. März 2023 von und bei Whistleblower-Netzwerk – siehe Gesetzesbeschlüsse des Bundestags (30.03.2023) - EU-Kommission verklagt Deutschland wegen Nicht-Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie vor dem EuGH. Zu Recht.
„Die EU-Kommission ist mit ihrer Geduld am Ende. Sie verklagt Deutschland und sieben andere Mitgliedsstaaten wegen Nicht-Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bereits Anfang 2022 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Ende 2019 inkraftgetretene EU-Whistleblowing-Richtlinie hätte bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Zuletzt war die Verabschiedung eines Hinweisgeberschutzgesetzes von CDU/CSU im Bundesrat blockiert worden (10.02.2023). (…) Der Gesetzesbeschluss vom Bundestag erlaubt Offenlegungen nur in Ausnahmefällen. Meldungen von erheblichen Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße sind gänzlich vom Schutzbereich des Gesetzes ausgenommen. Whistleblower-Netzwerk fordert dagegen seit langem, Hinweise zu erheblichen Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes aufzunehmen und deren Offenlegung zu schützen, wenn dies im Interesse der demokratischen Öffentlichkeit liegt. Wir fühlen uns durch das jüngste Urteil des EGMR in unserer Sichtweise bestätigt.“ Pressemitteilung vom 16. Februar 2023 von Whistleblower-Netzwerk - Whistleblower: Bundesrat blockiert Hinweisgeberschutzgesetz
„Im Dezember hatte das Hinweisgeberschutzgesetz die letzte Hürde im Bundestag genommen. Es sollte Whistleblower:innen Rechtssicherheit geben, wenn sie Missstände aufdecken wollen. Doch trotz kritisierter Lücken ging das Gesetz offenbar einigen unionsgeführten Ländern im Bundesrat zu weit: Sie blockierten das Gesetz in einer Abstimmung am heutigen Freitag. So warnte etwa Hessens Justizminister Roman Poseck, dass nicht alle Hinweisgebenden „Gutes im Schilde“ führen würden. Hessen würde sich bei der Abstimmung enthalten. Andere bemängelten, dass das Gesetz über die EU-Vorgaben hinaus gehe. Die Mindeststandards in einer EU-Richtlinie besagen beispielsweise, Hinweisgebende müssten Verstöße gegen EU-Recht abgesichert melden können. In der deutschen Umsetzung war diese Absicherung auch für bestimmte Verstöße gegen deutsche Gesetze geplant. Außerdem waren kurz vor der finalen Abstimmung auch etwa verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt:innen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle aufgenommen worden. Ebenso wie eine Pflicht für anonyme Meldewege. (…) Transparency Deutschland kritisierte die Blockade. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Sebastian Oelrich, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeberschutz: „Einige Union-geführte Länder haben heute mit fachlich fragwürdigen und zum Teil schlicht unrichtigen Argumenten das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebenden blockiert.“ Dass nun weiter große rechtliche Unsicherheit für Hinweisgebende bestehe sei „im internationalen Vergleich ein Armutszeugnis“. Tatsächlich ist Deutschland bei der Umsetzung der EU-Vorgaben zu spät dran: Eigentlich hätten die Vorgaben der Richtlinie bis Ende 2021 umgesetzt werden müssen, das scheiterte jedoch an Uneinigkeit der damaligen Großen Koalition. Die neue Ampelregierung hat daraufhin einen neuen Anlauf gestartet. Da es nun zum Konflikt zwischen Bundestag und Bundesrat gekommen ist, könnte das Gesetz in den sogenannten Vermittlungsausschuss gehen, um einen Kompromiss zu finden. Das kann mehrere Monate dauern.“ Beitrag von Anna Biselli vom 10. Februar 2023 bei Netzpolitik.org , siehe auch:- Entscheidung des Bundesrats
- Unionsparteien lassen Whistleblowerschutzgesetz erneut scheitern
„Landesregierungen mit CDU/CSU-Beteiligung versagen dem vom Bundestag am 16.12.2022 beschlossenen Hinweisgeberschutzgesetz im Bundesrat die notwendige Zustimmung. Damit schaden sie nur Whistleblowern, sondern auch Demokratie, Rechtsstaat und Wirtschaft…“ Pressemitteilung vom 10. Februar 2023 beim Whistleblower-Netzwerk
- Zivilgesellschaft: Ampel hat Versprechen zum Whistleblower-Schutz nicht erfüllt
„Der Bundestag hat einen Gesetzentwurf zur Absicherung von Hinweisgebern beschlossen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind enttäuscht von der Koalition. Nach jahrelangem Hickhack auch schon zu Zeiten der großen Koalition machte der Bundestag in der letzten Sitzungswoche in diesem Jahr kurzen Prozess beim umstrittenen Gesetzentwurf für einen „besseren Schutz hinweisgebender Personen“ : Anfang der Woche legte die Ampel-Koalition kurzfristig ihren Änderungsantrag zum Vorschlag der Bundesregierung vor. Bereits am Freitagvormittag verabschiedeten die Abgeordneten dann mit den Stimmen der Regierungsfraktionen die Initiative nach einer rund 45-minütigen Aussprache. CDU/CSU und AfD waren dagegen, die Linke enthielt sich.
Gegen Whistleblower gerichtete Repressalien künftig verboten
Die Zeit drängte: Mit dem Beschluss setzt das Parlament mit einem Jahr Verspätung die EU-Whistleblowing-Richtlinie um. Die EU-Kommission leitete wegen der Verzögerung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Mit dem Vorhaben sollen Hinweisgeber, die in Firmen oder in der öffentlichen Verwaltung auf Missstände aufmerksam machen, stärker vor Vergeltungsmaßnahmen wie Kündigung oder anderen Benachteiligungen bewahrt werden: Gegen Whistleblower gerichtete Repressalien sind künftig verboten. Laut dem verabschiedeten Entwurf müssen grundsätzlich alle Unternehmen und Ämter mit mindestens 50 Mitarbeitern eine interne Meldestelle einrichten. Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigen können solche Einrichtungen gemeinsam aufbauen. Als externe Anlaufstelle soll grundsätzlich das Bundesamt für Justiz dienen, für einige Bereiche sind spezielle Meldestellen vorgesehen. Hinweisgeber können generell frei wählen, ob sie innerhalb des Unternehmens oder der Behörde oder bei einer unabhängigen Stelle Alarm schlagen wollen. Die internen und externen Meldeinstanzen müssen die eingegangenen Hinweise prüfen und erforderliche Folgemaßnahmen ergreifen. Laut dem Änderungsantrag der Koalition sind Meldestellen verpflichtet, sich auch mit anonymen Hinweisen zu beschäftigen. (…)
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland begrüßte diese Korrektur. Sie sei entscheidend, da dadurch die Hemmschwelle zum Melden von Problemen deutlich sinke. Auf fast jeden großen Skandal hätten zunächst anonyme Hinweisgeber aufmerksam gemacht. Gleichzeitig hätte der Schutz von Whistleblowern aber „noch deutlich umfassender und besser ausfallen können“. In bestimmten Bereichen bleibe es für potenzielle Hinweisgebende „schwierig zu beurteilen, ob sie geschützt sind oder nicht“. Das liegt daran, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes „begrenzt und komplex ist“. Aus Sicht von Transparency hätte das Gesetz „für sämtliche Rechtsverstöße und sonstiges Fehlverhalten gelten“ sollen, „dessen Meldung oder Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt“. (…)
In der beschlossenen Form erhöhe das Hinweisgeberschutzgesetz die Hürden, „Informationen über Missstände und Korruption gegenüber Medien offenzulegen“, zeigt sich auch die Presseorganisation Reporter ohne Grenzen unzufrieden. (…)
Eingefügt hat die Ampel noch eine „Reichsbürger-Klausel“ für den öffentlichen Dienst: Danach sollen die Schutzmechanismen auch für Meldungen gelten, die sich auf Äußerungen von Beamten beziehen, „die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen“. Eingeschlossen sein sollen mündliche und schriftliche Ausdrücke etwa in Chats sowie auf andere Weise etwa durch Gebärden getätigte Bekenntnisse.“ Artikel von Stefan Krempl vom 17.12.2022 in heise news , zum Whistleblower-Netzwerk siehe:- Ein großer Tag für den Whistleblowerschutz?
„In seiner letzten Sitzung des Jahres hat es der Bundestag doch noch geschafft: Deutschland bekommt endlich ein Hinweisgeberschutzgesetz und setzt mit einjähriger Verspätung die EU-Whistleblowing-Richtlinie um. Ein Feiertag für den deutschen Whistleblowerschutz? Leider nein. Zwar wird das Gesetz die rechtliche Stellung von Whistleblowern im Vergleich zum Status quo verbessern und Repressalien gegenüber Whistleblowern im Rahmen seines Geltungsbereichs künftig verbieten. Gleichzeitig bestätigt sich die Befürchtung, dass öffentliche Hand und Unternehmen Whistleblowing vor allem als Instrument zur Durchsetzung von gesetzlichen und unternehmenseigenen Regelungen betrachten. (…) „Leider ist auch der Kompromiss der Ampel-Fraktionen geprägt vom Geist des Misstrauens gegenüber Whistleblowern und der Angst vor Aufdeckungen. Anders sind die starken Anreize für interne Meldungen in Behörden und Unternehmen und der absolute Vorrang für internes Whistleblowing im Geheimschutzbereich kaum zu erklären“, so Kosmas Zittel weiter. Vor allem kritisiert Whistleblower-Netzwerk, dass interne und externe Meldestellen darauf hinwirken sollen, zunächst interne Meldewege zu nutzen. (…) Angelegenheiten der nationalen Sicherheit gänzlich und Verschlusssachen weitgehend vom Anwendungsbereich des Regierungsentwurfs ausgenommen sind. Auch ein deutscher Edward Snowden sähe sich daher wahrscheinlich zur Flucht nach Russland gezwungen…“ Meldung vom 14. Dezember 2022 beim Whistleblower-Netzwerk mit Hintergründen
- Ein großer Tag für den Whistleblowerschutz?
- Geheimhaltungsbedürfnis der Arbeitgeber schwächt Whistleblowerschutz und demokratischen Diskurs
„Das Misstrauen gegenüber Whistleblowern und das Geheimhaltungsbedürfnis von privaten und öffentlichen Arbeitgebern ist nach wie vor groß, wie die Aussagen von wirtschaftsnahen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses und die restriktiven Regelungen für Offenlegungen und Whistleblowing aus dem Geheimschutzbereich im Regierungsentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz verdeutlichen. Dabei wäre es im Interesse der Arbeitgeber und der Regierung, Whistleblower zu ermutigen, frühzeitig auf Missstände und Fehlentwicklungen hinzuweisen, bevor der Schaden für Unternehmen und Gesellschaft zu groß wird. Statt den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes, wie von Wirtschaftsverbänden gefordert, einzuschränken, sollte der Gesetzgeber ihn daher auf sonstiges erhebliches Fehlverhalten, etwa ethisch fragwürdige Handlungen oder erhebliche Missstände unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße, erweitern. Whistleblower weisen durch ihre Hinweise auf Regelungslücken und grundlegende Fehlentwicklungen hin. (…) Aber nicht nur bei den privaten, sondern auch bei den öffentlichen Arbeitgebern scheint das Misstrauen gegenüber Whistleblowern tief verankert zu sein. Daher plant die Bundesregierung beträchtliche Teile der öffentlichen Verwaltung gegen Whistleblowing zu „immunisieren“. (…) Insgesamt stellt der vorgelegte Regierungsentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz zwar eine Verbesserung gegenüber dem Status quo dar, wird aber der Bedeutung von Whistleblowern für Demokratie und Rechtsstaat nicht gerecht. Nun liegt es in der Hand der Parlamentarier, hier für die notwendigen, deutlichen Nachbesserungen zu sorgen.“ Pressemitteilung vom 19. Oktober 2022 beim Whistleblower-Netzwerk e.V. zur öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses zum Hinweisgeberschutzgesetz - Neuer Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie: Löchriger Hinweisgeberschutz
- dju: Whistleblowerschutz im Gesetzesentwurf der Bundesregierung unzureichend
„Der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Schutz von Hinweisgebern bleibt nach wie vor hinter den Möglichkeiten der EU-Whistleblower-Richtlinie zurück und genügt nicht den Erfordernissen der Schutzbedürftigen und der Medienschaffenden. Die beabsichtigte Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern ist im Grundsatz positiv zu bewerten. Dieser Schutz sichert auch investigative Recherchen von Medien ab, denn der Zugang zu Informanten ist ganz wesentlich für deren Arbeit. Das neue Regelwerk bedarf jedoch einer Nachschärfung, so die Einschätzung eines Bündnisses aus Medienorganisationen und -unternehmen zu dem vorliegenden Regierungsentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes, über das der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag in erster Lesung beraten wird. Gegenüber dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums wurden im Regierungsentwurf nur geringe Veränderungen vorgenommen, die anonyme Meldungen betreffen. Das Gesetz umfasst immer noch einen viel zu kleinen sachlichen Anwendungsbereich, sodass es für potenzielle Hinweisgeber*innen undurchsichtig wird, inwiefern sie sich auf den Schutz des Gesetzes verlassen können. Nach Ansicht des Medienbündnisses müssen alle Gesetzesverstöße vom Schutz erfasst sein und der Gang an die Öffentlichkeit darf sich nicht unnötig verzögern. Auch dass nicht-anonyme Meldungen vor anonymen Anzeigen behandelt werden sollen und Dringlichkeit sowie Relevanz nachrangig sind, irritiert. Und auch formal legales, aber moralisch fragwürdiges Verhalten gehört in die Öffentlichkeit, ohne dass die Hinweisgebenden persönliche Nachteile fürchten müssen…“ dju-Pressemitteilung vom 28.09.2022 , siehe den aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Schutz von Hinweisgebern - Whistleblowing-Gesetz: „Entwurf lässt Hinweisgebende im Stich“
„… Obwohl der Regierungsentwurf über die Mindestvorgaben der EU hinausgeht, bleibt er doch hinter den Erwartungen zurück. Beispielsweise müsste ein deutscher Edward Snowden ähnlich viel Sorge vor rechtlichen Konsequenzen haben wie der nun in Russland sitzende US-Whistleblower. „Wer auf ein umfassendes Schutzgesetz für Whistleblowerinnen und Whistleblower gehofft hat, wird enttäuscht“, sagt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). „Der Entwurf lässt viele Hinweisgebende im Stich und legt ihnen Steine in den Weg.“ (…) Tatsächlich weitet der Kabinettsentwurf den sogenannten sachlichen Anwendungsbereich aus. Allerdings bleibt dies auf bestimmte Bereiche beschränkt: Umfasst ist die Offenlegung strafbewehrter Verstöße, ebenso die von bußgeldbewehrten Informationen, sofern sie „Leben, Leib oder Gesundheit oder den Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane verletzen“. Darüber hinaus lassen sich unter anderem bestimmte Finanzverbrechen melden oder Verstöße, die die Produktsicherheit gefährden. (…) Grundsätzlich soll eine Meldung über interne und externe Meldestellen erfolgen. Whistleblower:innen können selbst entscheiden, ob sie auf Missstände zunächst im Unternehmen beziehungsweise einer Behörde hinweisen oder sich an etwa an das Bundesamt für Justiz wenden. Dort soll eine zentrale externe Meldestelle entstehen, daneben soll es spezialisierte Meldesysteme geben, unter anderem beim Bundeskartellamt. (…) Anonyme Meldungen „sollten“ bearbeitet werden, wünscht sich die Bundesregierung. Eine Pflicht für entsprechende Meldekanäle sieht sie jedoch nicht vor. (…) Der Gang an die Medien soll nur dann möglich sein, wenn eine Meldung über die vorgesehenen Kanäle im Sand verlaufen ist. Das genüge aber weder dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit für Whistleblower:innen noch dem Informations- und Partizipationsanspruch einer demokratischen Gesellschaft, kritisiert Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk. „Die Norm muss den direkten Gang an die Öffentlichkeit schützen, wenn eine Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt.“ (…) Minimal hat sich die Regierung in Sachen geheimer Informationen bewegt. Ein früherer Gesetzentwurf hatte noch völlige Stillhaltepflicht verlangt. Nun sollen zumindest Informationen des schwächsten Geheimhaltungsgrades (Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch) unter bestimmten Bedingungen gemeldet werden dürfen – allerdings nur an eine interne Meldestelle. (…) Der Ball liegt nun beim Bundestag und Bundesrat. Die beiden Kammern müssen dem Entwurf noch zustimmen.“ Beitrag von Tomas Rudl vom 27. Juli 2022 bei Netzpolitik.org , siehe auch:- [DGB] Gesetzentwurf für den Schutz für Hinweisgeber*innen: „Wer den Mut hat, Missstände in Unternehmen zu melden, verdient Dank und Anerkennung“
„Die Bundesregierung hat nun ein Gesetzentwurf beschlossen, womit Arbeitnehmer*innen besser vor Kündigungen und Mobbing geschützt werden sollen, die auf Missstände in Unternehmen oder Behörden hinweisen. Ein umfassender Schutz für hinweisgebende Personen ist in diesem Entwurf aber Fehlanzeige, kritisiert DGB-Vorstand Anja Piel und fordert Nachbesserungen…“ DGB-Pressemitteilung vom 27.07.2022 - Der komplette 120-seitige Regierungsentwurf für ein „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ Hinweisgeberschutzgesetz vom 27. Juli 2022
- [DGB] Gesetzentwurf für den Schutz für Hinweisgeber*innen: „Wer den Mut hat, Missstände in Unternehmen zu melden, verdient Dank und Anerkennung“
- Neuer Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie
„Nachdem die Frist zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie bereits Ende 2021 verstrichen war und gegen Deutschland sowie 22 weitere EU-Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden, hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) nun einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Wegen Unstimmigkeiten in der vorherigen Regierung war ein Gesetzesentwurf der ehemaligen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gescheitert. Ihr Nachfolger Marco Buschmann (FDP) hat nun am Dienstagabend seinen Entwurf zum Hinweisgeberschutz den übrigen Ministerien zukommen lassen. Darin wird der Anwendungsbereich des Schutzes von Whistleblowern weiter gefasst als in der EU-Richtlinie vorgesehen und umfasst auch die Meldung von Verstößen gegen deutsche Gesetze. Laut dem Entwurf soll das neue Gesetz soll Klarheit darüber schaffen, wann und wie ein Whistleblower bei der Meldung von Missständen geschützt ist. Bislang war die rechtliche Situation stets unklar, da es aktuell keine umfassenden gesetzlichen Regelungen für Hinweisgeber gibt. Der Entwurf sieht nun zwei verschiedene Möglichkeiten zum Melden von Missständen vor: eine interne Meldestelle, die im Unternehmen oder bei Dritten (bspw. einer Anwaltskanzlei) angesiedelt ist sowie eine externe Meldestelle des Bundes beim BMJ. In bestimmten Fällen kann der oder die Hinweisgeber:in zudem an die Öffentlichkeit gehen, etwa wenn Gefahr im Verzug ist oder vorherige Meldestellen keine Maßnahmen ergriffen haben. Da es in der Vergangenheit zu Repressalien gegen Hinweisgeber kam, verstärkt der neue Entwurf die Rechte der Whistleblower. Jegliche Repressalien gegen Hinweisgeber werden verboten, zudem gilt die Beweislastumkehr. Sollte es sich bei dem Hinweis jedoch um eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschmeldung halten, ist der bzw. die Hinweisgeber:in zu Schadensersatz verpflichtet. (…) Bei planmäßigem Gesetzgebungsprozess soll das Gesetz im Herbst in Kraft treten.“ Meldung von Larissa Obst vom 7. April 2022 beim Whistleblower Netzwerk - Whistleblowing mit Grenzen: Löchriger Hinweisgeberschutz
„Die Ampelkoalition war mit dem Versprechen angetreten, Whistleblower:innen endlich effektiv zu schützen. Doch der erste Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann bleibt hinter den Erwartungen zurück. (…) Generell umfasst der Gesetzentwurf alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben. Allerdings müssen sie ein genaues Verfahren einhalten: Der Weg über Medien oder soziale Netzwerke soll nur in bestimmten Fällen geschützt sein, wenn etwa eine vorschriftsgemäße Meldung fruchtlos geblieben ist. Vorgesehen sind interne und externe Meldekanäle, die gleichwertig nebeneinander stehen und zwischen denen Hinweisgeber frei wählen können sollen. (…) Doch wären weder interne noch externe Meldestellen nach dem Entwurf verpflichtet, Verfahren für anonyme Meldungen vorzuhalten oder solche Meldungen zu bearbeiten. Laut Gesetzesbegründung soll dies dafür sorgen, das neue Hinweisgeberschutzsystem nicht zu überlasten und zunächst erste Erfahrungen abzuwarten. Die Regelung stößt auf scharfe Kritik. „Der Entwurf aus dem Bundesjustizministerium lässt viele Whistleblower:innen im Stich und bleibt hinter dem Koalitionsvertrag zurück“, sagt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Zudem werden nach dem Entwurf nur Meldungen von bestimmten Rechtsverstößen geschützt, etwa straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße. Damit bleibt jedoch die geschützte Meldung vieler potenzieller Missstände außen vor. Außerdem müssten Hinweisgeber:innen das Gesetz Punkt für Punkt durchgehen und abgleichen, ob der von ihnen beobachtete Mangel auch wirklich in den Geltungsbereich fällt. Ohne eigene juristische Begleitung könnte das eine zu hohe Hürde für manche Whistleblower:innen darstellen. (…) Ein ähnliches Problem zeigt sich auch an anderer Stelle: So sind Informationen, die die „nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates“ betreffen, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Selbst Verschlusssachen mit dem schwächsten Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ werden ausdrücklich nicht erfasst. Das ist eine Einladung an Behörden, selbst banale, aber unliebsame Informationen möglichst unter den Teppich zu kehren – etwa, wie viele der Fernzüge der Deutschen Bahn AG mit geschlossenem Bordrestaurant fahren. „Das Geheimhaltungsinteresse von Polizei, Geheimdiensten und Militär muss enden, wenn rechtswidriges Handeln oder sogar Straftaten im Raum stehen“, sagt die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist insoweit unzureichend und würde aus meiner Sicht beispielsweise Whistleblower:innen wie Chelsea Manning, die Kriegsverbrechen offengelegt hatte, nicht ausreichend schützen.“…“ Beitrag von Tomas Rudl vom 7. April 2022 bei Netzpolitik.org
- dju: Whistleblowerschutz im Gesetzesentwurf der Bundesregierung unzureichend
- DGB zu EU–Whistleblower-Richtlinie: Frist zur Umsetzung abgelaufen – mehr Schutz für Whistleblower*innen gefordert – FAQs zum Thema Whistleblowing aus Sicht der Beschäftigten
„Ein Whistleblower-Schutzgesetz fehlt in Deutschland bis heute. Es wird vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften seit Jahren gefordert. Die EU-Richtlinie zum Schutz der Hinweisgeber*innen gibt dazu verbindliche Vorgaben. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie ist allerdings bereits Mitte Dezember 2021 abgelaufen. (…) DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel fordert mehr Schutz für Whistleblower*innen und ein Schutzgesetz: „Hinweisgeber*nnen brauchen Schutz. Was die große Koalition liegen lassen hat, muss nun die Ampel richten: Es braucht so schnell wie möglich ein kohärentes, umfangreiches und effizientes Hinweisgeberschutzgesetz. (…) „Unsere Erwartungen an den Gesetzgeber: Wir brauchen ein umfassendes Schutzgesetz, das auf sämtliche Meldungen angewendet werden kann, bei denen der Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit angezeigt wird. Das gilt ganz besonders bei Meldungen über Verstöße gegen individuelle oder kollektive Arbeitnehmerrechte inklusive des Sozialrechts – denn es liegt im Interesse der Allgemeinheit, dass diese Rechte gewahrt bleiben. Die EU-Richtlinie gibt vor, dass sich Hinweisgebende unmittelbar an externe Stellen wenden können. Eine vorherige Meldung an die intern einzurichtenden Kanäle muss immer freiwillig bleiben. Das muss sich auch im nationalen Gesetz niederschlagen. Whistleblower*innen brauchen effektiven Schutz vor arbeitsrechtlichen Sanktionen und sonstigen Repressalien. Das beinhaltet auch eine Beweislastumkehr zugunsten von Whistleblowern.“ (…) „Bis der Gesetzgeber endlich tätig geworden ist, besteht für die Beschäftigten eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Einerseits gelten nach dem Verstreichen der Umsetzungsfrist im Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bediensteten die konkreten Richtlinienvorgaben direkt. Anderseits sind Gerichte zur richtlinienkonformen Auslegung des geltenden Rechts verpflichtet. Was das konkret für die Rechte und Pflichten der Beschäftigten bedeutet, ist unklar. Dieser Zustand geht voll zulasten der Beschäftigten und ist für sie eine Zumutung. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften erwarten von der Ampel-Regierung, die Perspektive der Beschäftigten im Gesetzgebungsverfahren in den Mittelpunkt zu stellen und einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der den Namen eines Schutzgesetzes verdient.“ DGB-Standpunkt vom 20. Dezember 2021 , siehe auch:- FAQs zum Thema Whistleblowing aus Sicht der Beschäftigten: Fragen und Antworten des DGB zur nicht fristgerechten Umsetzung der Richtlinie
„Das Europäische Parlament hat 2019 die „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Whistleblower-RL) erlassen. Diese schafft für Hinweisgeber*innen Schutzinstrumente vor Schikanen bzw. Repressionen. Sie sollte bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Da dies in Deutschland nicht erfolgt ist entsteht für Beschäftigte und Interessenvertretungen eine rechtlich schwierige Situation. Der DGB bietet Antworten auf Fragen rund um Whistleblower*innen und deren Schutz (…) Für die Beschäftigten und Interessenvertretungen in Deutschland entsteht nach dem Verstreichen der Umsetzungsfrist eine rechtlich schwierige Situation. Es fehlt nach wie vor eine klare gesetzliche Regelung zum Schutz der Hinweisgeber*innen im deutschen Recht. Deren Schutz beruhte bisher auf richterlicher Rechtsfortbildung in Abwägung allgemeiner Grundsätze (Treue- und Verschwiegenheitspflichten vs. Meinungsfreiheit und Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte). Die Richtlinie wirkt aber ab dem 18. Dezember 2021 trotz fehlender Umsetzung auf die Rechtslage in Deutschland. Zahlreiche Arbeitgeber und Dienstherren beginnen bereits, ohne auf das Tätigwerden des Gesetzgebers zu warten, mit der Umsetzung der Richtlinie in ihren Unternehmen und Dienststellen und richten entsprechende betriebliche Meldeverfahren ein…“ FAQs des DGB vom 20. Dezember 2021
- FAQs zum Thema Whistleblowing aus Sicht der Beschäftigten: Fragen und Antworten des DGB zur nicht fristgerechten Umsetzung der Richtlinie
- Schutz und Sicherheit für WhistleblowerInnen – Die Gespräche zum Whistleblower-Gesetz in der Koalition sind geplatzt
„Damit fehlt den Beschäftigten weiterhin der erforderliche Schutz, den sie brauchen, wenn sie auf Missstände in ihren Unternehmen hinweisen. (…) Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern seit Jahren ein eigenständiges Whistleblower-Schutzgesetz. Der Schutz anhand der Grundsätze der Rechtsprechung ist und bleibt lückenhaft. Die EU-Richtlinie zum Schutz der HinweisgeberInnen bei Meldung von Verstößen in ausgewählten Bereichen des Unionsrechts gibt verbindliche Vorgaben, auf den gestützt in Deutschland endlich ein kohärentes Schutzsystem für HinweisgeberInnen aufbauen könnte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat bereits Mitte letzten Jahres ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, welches die Anforderungen an die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie aufgezeigt hat. Auf Grundlage der Erkenntnisse dieses Gutachtens und unter Berücksichtigung der Schutzbedarfe abhängig Beschäftigten haben der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften in einem Eckpunktepapier Anforderungen für die Umsetzung formuliert. Das Ziel ist eine effiziente und kohärente Regelung zum Schutz von Personen, die aufgrund von Geltendmachung von Rechten Benachteiligungen erfahren.“ DGB-Meldung vom 28. April 2021 - Verbände kritisieren Scheitern von Whistleblowing-Gesetz
„Die Organisationen Whistleblower-Netzwerk, Transparency Deutschland und die Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisieren das Scheitern des Whistleblowing-Gesetzes in der Koalition und fordern eine umfassende Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen. Das SPD-geführte Bundesjustizministerium hatte im Dezember einen Entwurf vorgelegt, der von der CDU/CSU jetzt abgelehnt worden ist, weil er über die EU-Vorgaben hinausgeht. Damit wird die Chance vertan, noch in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Schutz für Whistleblower*innen gesetzlich zu verankern. Die EU beschränkt sich aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenzen notgedrungen auf den Schutz von Whistleblower*innen im Bereich unionsrechtlicher Vorschriften. Würde man mit einem deutschen Gesetz nicht über die EU-Vorgaben hinausgehen, bedeutete das konkret: Wenn es in einem Unternehmen sowohl zu geringfügigen Datenschutzverletzungen als auch zu Nötigungen oder gar sexuellen Übergriffen kommt, so wären Beschäftigte bei einer Meldung der Datenschutzverletzungen durch das Gesetz geschützt, nicht hingegen bei einem Hinweis auf den Machtmissbrauch, da hier „nur“ deutsches Strafrecht betroffen ist. Zentrales Argument aus CDU/CSU-Kreisen gegen ein umfassendes Whistleblowing-Gesetz ist die angebliche Mehrbelastung für Unternehmen. Dabei ist der Schutz von Hinweisgeber*innen nötig, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, Geschäftskosten zu verringern und die Anreize für Investitionen zu erhöhen. Vergangene Skandale von Wirecard bis zur Abgasmanipulation haben auch in Deutschland den Bedarf für mutige Whistleblower*innen gezeigt…“ Pressemeldung vom 29.4.2021 von und beim Whistleblower-Netzwerk - BDA fordert verfassungswidrige und unionsrechtswidrige Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie
„Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich Teile der deutschen Wirtschaft gegen ein umfassendes Whistleblowerschutzgesetz wehren und dafür nicht vor faktisch falschen oder irreführenden Behauptungen zurückschrecken. Dabei müsste es im Interesse der Wirtschaft sein, von Whistleblowern frühzeitig auf Missstände und Fehlentwicklungen hingewiesen zu werden bevor der Schaden für Unternehmen und Gesellschaft zu groß wird – gerade nach den Skandalen der letzten Jahre. Eine Erkenntnis, die bei den Verfassern eines Positionspapiers zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) jedoch noch nicht durchgedrungen zu sein scheint. Das von der BDA geforderte „1:1-Gesetz“ wäre verfassungswidrig. Die BDA spricht sich für eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie und damit für eine Beschränkung des Whistleblowerschutzes auf Hinweise über Verstöße gegen europarechtliche Vorschriften aus. Das würde beispielsweise dazu führen, dass ein Whistleblower, der einen geringfügigen Verstoß gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung meldet, von besseren Schutzstandards profitieren würde als ein Whistleblower, der Verstöße gegen rein national bedingte Straftatbestände (u.a. schwere Fälle von Wirtschafts- oder Gewaltkriminalität) aufdeckt. Eine derartige Ungleichbehandlung würde nicht nur alle betroffenen Parteien vor massive Rechtsunsicherheit stellen, sondern wäre objektiv willkürlich. Nach Einschätzung von Christian Thönnes, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ruft die BDA daher nach einem verfassungswidrigen Umsetzungsgesetz, wenn sie „keine überschießende Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie“ fordert. Die BDA fordert, dass Hinweise weiterhin zunächst über interne Meldekanäle abgegeben werden müssen...“ Beitrag vom 4. Februar 2021 von Whistleblower-Netzwerk mit weiterführenden Informationen - Was nützt alles Whistleblowing, wenn es auf Kosten des Whistleblowers geht?
Experte Rainer Winters im Interview mit Thomas Pany bei Telepolis am 21. Dezember 2020 „über die katastrophale Lage für deutsche Hinweisgeber. Was wird sich durch das neue „Hinweisgeberschutzgesetz“ ändern? (…) Rainer Winters: Die vierte Macht im Staate soll ja die Politik kontrollieren, was ihr auch ganz gut gelingt. Die Kontrolle der Wirtschaft ist nicht so leicht. Viele Redaktionen halten sich mit der Berichterstattung über Unternehmen zurück. (…) Geschäftsgeheimnisse müssen natürlich weiterhin gewahrt bleiben. Bei Verstößen aller Art sind wir aber schnell bei der Gesetzestreue, die höherwertig ist als alle Firmenloyalität. Verschwiegenheitspflichten werden aber auch in Zukunft eine Menge Mitarbeiter daran hindern, das Wort zu ergreifen. Die stark verbreitete Angst in Deutschland, den Mund aufzumachen, können wir nur lösen, wenn wir die Rechte für die Mundaufmacher stärken. Innovative und profitable Firmen zeichnen sich ja gerade dabei aus, transparente und offene Dialoge zu fördern. Die vierte Macht hinkt da hinterher. In der letzten Zeit sehen wir häufig, wie sich große Medien als Unternehmensführer alter Tradition verstehen, nämlich die Wahrheit zu „managen“. (…) Was wir außerdem brauchen, sind mehr externe Anlaufstellen, die Whistleblower fundiert beraten. Das Whistleblower-Netzwerk oder Transparency International zum Beispiel machen sehr gute Lobbyarbeit, unterstützen aber meines Wissens nach konkret keinen einzigen Whistleblower. Insofern ist die Lobby für das Whistleblowing stärker als für den Menschen, den Whistleblowern an sich. (…) Deutschland bietet bislang keinen gesetzlichen Schutz für Whistleblower, mit einer Ausnahme einer enggefassten Bestimmung für Beamte, Dinge wie Bestechung zu melden. Viele Staaten sind da weiter als Deutschland. 14 EU-Länder haben eine Art von Whistleblowerschutzgesetz. Als Vorbild sollte man sich Irland, Belgien, Ungarn und die Niederlande anschauen. Ein Blick lohnt auch auf die Gesetze in Litauen und Slowenien. Kroatiens Whistleblowerschutzgesetz ist gut, aber es gibt noch keine Präzedenzfälle. Weltweit gibt es mittlerweile rund 50 Whistleblowerschutzgesetze, und Deutschland ist nicht dabei. Ich finde, ein Armutszeugnis für ein Land, das sich für sehr rechtsstaatlich hält. (…) Da in Zukunft externe Meldestellen eine größere Bedeutung erhalten werden, sollte der Gesetzesvorschlag hier stärker darauf eingehen. Im Sinne der EU-Richtlinie brauchen wir eine unabhängige Basis in der Gesellschaft, die Whistleblower unterstützt. Es reicht nicht, eine fünfhundertste Behördenstelle einzurichten, die Whistleblowerfälle aufnimmt. Die Aussage der EZB, Whistleblower nur schützen zu wollen, wenn sie intern melden, ist für uns ein wichtiges Signal, dass Whistleblower Unterstützung von externen Stellen brauchen. Die Kontrolle der einen Behörde durch die andere birgt die Gefahr multilateraler Verschleierung. Nehmen Sie nur mal den Wirecard-Fall, wo gerade staatliche Stellen wie Bafin, APAS, Finanzministerien und Staatsanwaltschaften mal wieder ganz viel Vertrauen verspielen. Der SPD-Vorschlag einer „Whistleblowingbehörde“ in einer Finanzaufsichtsbehörde hört sich so an wie, einen Staat im Staat aufzubauen. Wichtig ist auch eine Klarifizierung der Sanktionen, die Unternehmen, Behörden und staatsnahen Betrieben drohen, sofern sie Whistleblowern unberechtigt kündigen. Ähnlich wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz sollten hier konkrete Eurobeträge stehen, die Whistleblowern als Kompensation zustehen. Wir brauchen ein Belohnungssystem. (…) Dann fehlt ein Mechanismus, der auch Geheimdienstmitarbeiter schützt, sei es eine externe behördliche Meldestelle außerhalb von BND, BfV und Landesämtern. Angesichts der Bedeutung der Geheimdienste und den Enthüllungen Edward Snowdens wäre ein Whistleblowerschutzgesetz ohne Schutz für Geheimdienstmitarbeiter ein nur Halbherziges…“ - Gesetzentwurf vorgelegt: „Bundesjustizministerin Lambrecht will Whistleblower schützen“ [wir warten ab]
„Mit dem neuen Gesetz solle „der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz hinweisgebender Personen“ ausgebaut werden, heißt es in dem Entwurf. Whistleblower würden „einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen“ leisten. Trotzdem habe es immer wieder Fälle gegeben, in denen sie „infolge einer Meldung oder Offenlegung von Missständen benachteiligt wurden“. Ziel des Gesetzes sei es deshalb, derartige Benachteiligungen „auszuschließen“ und Hinweisgebern Rechtssicherheit zu geben. Whistleblower stünden in einem komplizierten Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufdeckung von Missständen einerseits und „ihren zivil-, arbeits- und dienstrechtlichen Pflichten andererseits“, heißt es in dem Entwurf. Deshalb könne ein potenzieller Whistleblower „selbst mit guter juristischer Beratung“ nicht verlässlich einschätzen, ob „er sich durch das Informieren zuständiger Behörden rechtskonform verhält oder nicht“. Für Hinweisgeber bleibe „damit ein erhebliches Risiko, wenn sie einen Missstand aufdecken wollen“. Das soll sich jetzt ändern. In Paragraf 35 von Lambrechts Gesetzentwurf heißt es: „Gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten. Das gilt auch für die Androhung und den Versuch, Repressalien auszuüben.“ Dabei soll eine Beweislastumkehr gelten. Das heißt zum Beispiel, dass Arbeitgeber nachweisen müssen, dass eine Kündigung nichts mit der Aufdeckung von Missständen zu tun hat. Die neuen Regeln sollen nicht nur für Angestellte, sondern auch für Beamte gelten. (…) Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zwei Meldewege für Hinweisgeber eingerichtet werden, „die gleichwertig nebeneinanderstehen und zwischen denen hinweisgebende Personen frei wählen können“. Dies soll zum einen ein interner Meldekanal innerhalb des Unternehmens oder der Behörde sein, zum anderen ein externer Meldekanal, der bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet werden muss. Die externe Meldestelle des Bundes soll deshalb beim Datenschutzbeauftragten angesiedelt werden. Bei Verstößen gegen Buchführungsregeln, Aktionärsrechte und ähnliches soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die externe Meldestelle werden. Hinweisgeber, die nicht diese Meldewege nutzen, sondern an die Öffentlichkeit gehen, sollen nur unter bestimmten Bedingungen vor Konsequenzen geschützt werden. Etwa dann, wenn sie „hinreichenden Grund zu der Annahme hatten“, dass der von ihnen öffentlich gemachte Missstand „eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann“. (…) In Lambrechts Gesetzentwurf gibt es noch weitere Einschränkungen. Ausgenommen sind zum Beispiel Verschlusssachen und Informationen, die dem richterlichen Beratungsgeheimnis oder der ärztlichen oder anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Außerdem müssen Whistleblower, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen weitergeben, für den entstandenen Schaden aufkommen. Mit ihrem Gesetzentwurf setzt Lambrecht eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht um. In einem wichtigen Punkt geht sie jedoch darüber hinaus. Der Anwendungsbereich der EU-Richtlinie ist auf das Unionsrecht beschränkt, die Richtlinie schützt also nur die Hinweisgeber, die Verstöße gegen EU-Recht anprangern. Das bedeutet zum Beispiel: Wer ein Datenleck meldet, wäre geschützt – wer Schmiergeldzahlungen aufdeckt, aber nicht. Deshalb bezieht sich der Gesetzentwurf des Justizministeriums nicht nur auf Verstöße gegen europäisches Recht, sondern auch auf Verstöße gegen deutsches Recht…“ Artikel von Robert Roßmann vom 12. Dezember 2020 bei der Süddeutschen Zeitung online - Ein Jahr EU-Whistleblowing-Richtlinie und kein Fortschritt sichtbar – Positionspapier von Whistleblower-Netzwerk und Reporter ohne Grenzen
„Am 23. Oktober 2019 trat die EU-Whistleblowing-Richtlinie in Kraft. Whistleblower-Netzwerk (WBN) und Reporter ohne Grenzen fordern gemeinsam eine längst überfällige, umfassende Regelung zum Whistleblowerschutz. (…) Doch statt ein weitreichendes Gesetz auf den Weg zu bringen, diskutieren die zuständigen Ministerien zurzeit, den Schutz auf Whistleblower zu beschränken, die Verstöße gegen Unionsrecht melden. (…) Cum-Ex, Wirecard, Panamapapers, Rechtsextreme bei der Bundeswehr: erst dank medialer Berichterstattung wurden in diesen Whistleblowing-Fällen Täter*innen zur Rechenschaft gezogen und politische Konsequenzen konnten folgen. Als journalistische Quellen besitzen Whistleblower eine wesentliche Bedeutung für die Kontrollfunktion der Medien in demokratischen Gesellschaften. Freie Meinungsäußerung muss daher bei der Richtlinienumsetzung vor anderen geschützten Interessen Vorrang haben, sofern sie eine das öffentliche Interesse wesentlich berührende Frage betrifft. (…) Die Sicherung durch Geheimhaltungsstufen in Behörden darf kein Grund sein, Informationen über Missstände – besonders, wenn diese Grundrechte und das öffentliche Interesse betreffen – unter Verschluss zu halten. Die Vermutungsregel für den Vorrang der Meinungsfreiheit vor anderen schützenswerten Interessen muss auch und insbesondere für Beamt*innen und Angestellte des Öffentlichen Dienstes gelten. Thomas Kastning, Geschäftsführung Whistleblower-Netzwerk: „Wäre Edward Snowden Deutscher – wer würde bestreiten, dass wir ein Gesetz wollen, das ihn geschützt hätte? Staatliche Geheimhaltung ist nur dann akzeptabel, wenn sie legal ist und dem Gemeinwohl dient.“ (…) Der Schutz, den Journalist*innen vor digitaler Überwachung haben, muss auch für Whistleblower gelten. Das ist insbesondere in der zurzeit stattfindenden Ausweitung von digitaler Überwachung wichtig (siehe z.B. neuer Regierungsentwurf zum BND-Gesetz).“ Pressemeldung des Whistleblower-Netzwerks vom 23. Oktober 2020 zum Positionspapier von Reporter ohne Grenzen & Whistleblower- Netzwerk vom Oktober 2020 - Whistleblower besser schützen – wann, wenn nicht jetzt? Gutachten zur Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht
„… Die sogenannte EU-Whistleblowing-Richtlinie 2019/1937 soll Menschen, die Rechtsverstöße aufdecken, künftig europaweit vor Repressalien schützen und die institutionellen Rahmenbedingungen des Whistleblowings zu verbessern. (…) Die rechtspolitische Debatte für die Umsetzung der Vorgaben ins deutsche Recht ist bereits im vollen Gange. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das Gutachten, das durch den Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegeben wurde. Das Autorenteam – ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof Prof. Ninon Colneric und der zum Thema Whistleblowing promovierte Rechtswissenschaftler Dr. Simon Gerdemann – erläutert ausführlich die Vorgaben der Richtlinie und den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers vor dem Hintergrund bestehender Regelungslücken im deutschen Recht. Mit über 50 Ergebnissen und Empfehlungen für die Umsetzung der Richtlinie schließt das Gutachten ab. Zu den wichtigsten gehören: Um die Vorgaben der Richtlinie rechtssicher und effektiv umzusetzen, sollte ein eigenständiges, klar strukturiertes Whistleblower-Gesetz geschaffen werden. Der Schutz dieses Gesetz sollte auf nationale Sachverhalte erstreckt werden. Whistleblower sind generell dann zu schützen, wenn sie schwerwiegende Missstände melden, deren Meldung oder Offenlegung im öffentlichen Interesse ist. Der Schutz der Whistleblower vor arbeitsrechtlichen Sanktionen und sonstigen Repressalien ist durch effektive Regelungen auszugestalten, einschließlich einer Beweislastumkehr zugunsten von Whistleblowern und verschuldensunabhängiger Schadenersatzansprüche. Arbeitnehmer haben nach der Richtlinie in jedem Fall das Recht, sich unmittelbar an eine externe Stelle zu wenden. Eine vorherige Meldung an die intern einzurichtenden Kanäle muss immer freiwillig bleiben. Dies ist durch die Richtlinie vorgegeben sowie mit der Rechtsprechung des EGMR vereinbar und sinnvoll. Whistleblower sind zu schützen, wenn sie sich gutgläubig über das tatsächliche oder rechtliche Vorliegen eines Verstoßes oder den notwendigen Umfang der Informationsbeschaffung und -weitergabe irren. Die Umsetzung der Richtlinie erfordert Änderungen des deutschen Gesellschaftsrechts, konkret bezogen auf die Verschwiegenheitspflichten von Mitgliedern in Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen. Aufsichtsratsmitglieder sind nach deutschem Recht prinzipiell zur Verschwiegenheit verpflichtet – ein Dilemma, wenn ein Aufsichtsrat von Missständen oder Verstößen erfährt. In Fällen, in denen die neue Richtlinie zur Anwendung kommt, müssen Arbeitnehmervertreter in deutschen Aufsichtsräten künftig das Recht haben, sich mit Informationen über Verstöße unmittelbar an die zuständigen Behörden zu wenden. Darüber hinaus sollte in Unternehmen von öffentlichem Interesse ein Meldekanal geschaffen werden, der unabhängig vom Vorstand unmittelbar zum Aufsichtsrat führt. Zudem sollte sichergestellt werden, dass anonyme Meldungen durch interne sowie externe Stellen weiterverfolgt werden.“ DGB-Mitteilung vom 5. August 2020 zum kostenlosen Download des 189-seitigen Gutachtens - Edit Policy: Wirtschaftsminister sabotiert Whistleblowerschutz
„Die EU will Whistleblower schützen, eine Richtlinie ist verabschiedet. Die deutsche Umsetzung könnte das Ziel konterkarieren – wenn es nach Peter Altmaier geht. (…) Kurz vor den Europawahlen war es der EU endlich gelungen, eine umfassende Whistleblowerschutzrichtlinie zu verabschieden. Ziel des europäischen Gesetzgebers war dabei ganz klar, einen europaweiten Mindeststandard für den Whistleblower-Schutz zu schaffen, der alle Gesellschaftsbereiche umfasst, völlig egal, ob es um die Aufdeckung von Umweltverschmutzung, Korruption oder Sicherheitsrisiken geht. Kernpunkte der Richtlinie sind die Einrichtung von internen und externen Beschwerdestellen in Firmen und öffentlichen Institutionen, der Schutz der Identität von Whistleblowern und das Verbot von gerichtlicher Verfolgung oder Repressalien am Arbeitsplatz. Explizit sollen auch Hinweisgeber*innen geschützt werden, die mit Informationen über Missstände direkt an die Öffentlichkeit gehen, wenn es in ihrem Fall nicht sinnvoll oder Erfolg versprechend ist, sich zunächst an Beschwerdestellen zu wenden. (…) Das federführende Justizministerium unter Ministerin Christine Lambrecht (SPD), das die neue Whistleblower-Schutzrichtlinie bis Ende 2021 in deutsches Recht umsetzen muss, ist durchaus bereit, dem Sinn und Zweck der Richtlinie zu folgen. In einem ersten Eckpunktepapier, das kürzlich an die anderen Ministerien verschickt wurde, schlägt das Justizministerium die Umsetzung der Richtlinie in Form eines allgemeinen Whistleblower-Schutzgesetzes vor, das für alle Rechtsbereiche gilt, egal ob europäisches oder nationales Recht. (…) Gegenwind bekommt das Justizministerium vom Koalitionpartner. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist offenbar fest entschlossen, den Whistleblower-Schutz durch kleinliche Verweise auf die Unterschiede zwischen europäischer und deutscher Gesetzgebungskompetenz zu sabotieren. Wie kürzlich durch das Whistleblower-Netzwerk bekannt gemacht wurde, sträubt sich das Wirtschaftsministerium dagegen, auch nur einen Schritt über das europarechtlich vorgeschriebene Minimum des Whistleblower-Schutzes hinauszugehen. Jegliche Empfehlungen des Justizministeriums, die auf ein allgemeines Whistleblower-Schutzgesetz hinweisen, wurden durch das Wirtschaftsministerium in der Ressortabstimmung gestrichen. Stattdessen verlangt das Haus von Minister Altmaier, die Richtlinie praktisch Wort für Wort in deutsches Recht zu übertragen, womit der Schutz vor Repression ausschließlich für Personen gilt, die Verstöße gegen europäisches Recht aufdecken. Mit dieser an Arbeitsverweigerung grenzenden Einstellung sieht das Wirtschaftsministerium die Verantwortung des deutschen Gesetzgebers also darin, das absolute Mindestmaß dessen umzusetzen, wozu es durch die EU-Gesetzgebung ohnehin gezwungen ist. Wenn ein Rechtsbereich in nationale Kompetenz fällt, dann sollen Whistleblower, die etwa über Missstände im Gesundheitswesen aufklären, keinerlei Schutz erhalten. Offensichtlich sieht die CDU im Whistleblower-Schutz keinen Dienst an der Gesellschaft, sondern ausschließlich eins: eine Gefahr für die Interessen von Unternehmen…“ Beitrag von Julia Reda vom 27. April 2020 bei heise online - Interessenvertreter gegen Whistleblowerschutz
„Am 16. Dezember 2019 wurde die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden – EU 2019/1937 (Whistleblowerschutz-Richtlinie) verabschiedet, die bis Ende 2021 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Whistleblower-Netzwerk berichtete mehrfach. Das federführende Justizministerium (BMJV), das dem Vernehmen nach Ende dieses Sommers einen ersten Gesetzentwurf vorlegen will, hat unlängst im Rahmen der Ressortabstimmung ein „Eckpunkte“-Papier ans Wirtschaftsministerium (BMWi) weitergeleitet. Dort wurden grundsätzliche Überlegungen des BMJV kommentarlos gestrichen. Jetzt ist das Papier nur noch halb so lang. Wenngleich das „Eckpunkte“-Papier des BMJV mit seinen lediglich vier Seiten nur wenige bei der Umsetzung entscheidende Punkte in meist kursorischer Weise anspricht, wurden doch einige zentrale Aspekte zutreffend erkannt und bewertet. Das gilt vor allem für die u.E. zwingend notwendige Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf nationale Rechtsverstöße. Wie das BMJV zu Recht ausführt, ist eine bloße 1:1 Umsetzung der Richtlinie nicht zu rechtfertigen und würde zu außerordentlicher Ungleichheit und Rechtsunsicherheit führen. Eine solche Minimallösung hätte zur Folge, dass zum Beispiel Verstöße gegen europarechtliche Sicherheits- und Konformitätsanforderungen und verbraucherschutzrechtliche Vorgaben gemeldet werden könnten, nicht aber – selbst erhebliche – Straftaten. Wie möchte man einem Whistleblower erklären, warum er vom Rechtsstaat geschützt wird, wenn er Verstöße gegen europäische Produktvorgaben meldet, sich aber nicht auf ein Whistleblower-Schutzgesetz berufen kann, wenn er rassistische Gewalttaten oder schwerwiegende Pflegemängel aufdeckt? Zudem weist das BMJV Papier völlig zu Recht darauf hin, dass sowohl die meisten Whistleblower als auch die verantwortlichen Whistleblowing-Stellen praktisch überfordert wären, wenn sie in jedem Einzelfall recherchieren müssten, ob ein Rechtsverstoß nun bestimmte europarechtliche Vorschriften betrifft oder eben nicht. Trotzdem scheint das BMWi zu meinen, dass eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf nationale Rechtsverstöße nicht notwendig sei. Sämtliche einschlägigen Passagen aus dem Eckpunkte-Papier wurden gestrichen und in ihr Gegenteil verkehrt…“ Beitrag von Annegret Falter vom 17. April 2020 beim Whistleblower Netzwerk - Aufklärer unter Verdacht. Was Whistleblowern und investigativen Journalistinnen droht
„Viele gesellschaftliche Missstände oder Verbrechen würden ohne sie nie aufgedeckt. Doch sind Whistleblower wirklich ausreichend geschützt? Und wie groß ist das persönliche und juristische Risiko für investigative Journalistinnen und Journalisten? Die Pressefreiheit gilt als einer der Grundpfeiler der Demokratie, als vierte Macht mit Wächterfunktion. Eine der wichtigsten Quellen investigativer Journalisten sind Whistleblower. Als 2011 der deutsche Bundestag über Whistleblower und den Informantenschutz in Betrieben debattierte, unterstellte der langjährige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder den Hinweisgebern „Blockwart-Mentalität“. Informanten werden bis heute als Verräter und Denunzianten beschimpft und mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bestraft. Nun soll eine EU-Richtlinie Whistleblower in Zukunft besser schützen. Reicht das aus? Wie ist es um die Pressefreiheit bestellt? Und wie ergeht es denen, die sie umsetzen wollen?“ Feature von Charly Kowalczyk vom 28. Januar 2020 beim Deutschlandfunk Kultur (Audiolänge: 53 Min.) und das Manuskript - Neue EU-Richtlinie „zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“
„Mitte März dieses Jahres konnten sich Vertreter der EU-Mitgliedstaaten und des Europaparlaments auf einen Kompromiss über eine Richtlinie zum Thema Hinweisgeber bzw. „Whistleblower“ einigen. Auf dieser Grundlage hat der Rat am 07.10.2019 die entsprechende Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern förmlich verabschiedet. Im Wesentlichen bringt die Richtlinie folgende Neuerungen: Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sollen künftig dazu verpflichtet werden, sog. Meldekanäle einzurichten (Art.8 der Richtlinie). Mit Meldekanälen sind Ansprechpartner und Verfahren gemeint, die Beschäftigten für interne Hinweise und für Folgemaßnahmen offen stehen (Art.8 Abs.1 der Richtlinie), und die die Vertraulichkeit der Person des Hinweisgebers sichern (Art.9 Abs.1 Buchstabe a), Art.16 der Richtlinie). Interne und externe Meldekanäle stehen Hinweisgebern gleichberechtigt offen, d.h. es gibt keine Pflicht für Hinweisgeber, sich zunächst an unternehmens- oder behördeninterne Stellen zu wenden. Hinweisgeber können „direkt über externe Meldekanäle Meldung erstatten“ (Art.10 der Richtlinie). Der persönliche Schutzbereich der Richtlinie umfasst alle Hinweisgeber, die im privaten oder im öffentlichen Sektor tätig sind und im Zusammenhang mit ihrem Beruf Informationen über Verstöße erlangt haben (Art.4 der Richtlinie). Ausdrücklich geschützt sind neben Arbeitnehmern auch Beamte, Freiwillige, Praktikanten, Anteilseigner sowie Organmitglieder juristischer Personen. (…) Ein Kernstück der Neuregelung ist der Schutz von Hinweisgebern, d.h. das Verbot von Repressalien (Art.19). Die EU-Staaten müssen dafür sorgen, dass Hinweisgeber vor Kündigungen, Herabstufungen, Aufgabenentzug, negativen Leistungsbeurteilungen und anderen Strafmaßnahmen geschützt sind. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten auch „unterstützende Maßnahmen“ zugunsten von Hinweisgebern ergreifen. Die Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten umgesetzt werden (Art.26 Abs.1 der Richtlinie).“ Hensche-Update Arbeitsrecht 02|2019 vom 16.10.2019 , siehe dazu:
- Breite Mehrheit: EU-Parlament beschließt gesetzlichen Schutz für Whistleblower / erste Kommentare
„… Menschen, die Missstände wie Korruption oder Steuerhinterziehung melden möchten, sollen künftig rechtlichen Schutz etwa vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes genießen. Grundsätzlich sieht die Richtlinie ein dreistufiges Verfahren vor. Informanten sollen zunächst eine unternehmens- oder behördeninterne Stelle über die Missstände unterrichten. Hilft das nicht, soll eine öffentliche Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden. Erst in letzter Instanz können sie sich an die Öffentlichkeit wenden. Das EU-Parlament hat in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten allerdings weitreichende Ausnahmeregelungen von diesem System durchgesetzt. So wird der Weg über interne Kanäle nur vorgeschrieben, wenn das Problem tatsächlich auf diesem Weg gelöst werden kann. Auch wenn der Hinweisgeber etwa Vergeltungsmaßnahmen durch Vorgesetzte riskiert, darf er sich direkt an eine zuständige Behörde wenden. In bestimmten Fällen sind Hinweisgeber künftig auch rechtlich geschützt, wenn sie sich direkt an die Öffentlichkeit wenden, etwa mittels der Medien. Als Beispiel für ein solches Szenario nannte die EU-Kommission eine Situation, in der „die betreffenden Behörden und der Straftäter Absprachen getroffen haben“…“ Agenturmeldung vom 16.4.2019 bei RP online , siehe dazu- Deutschland braucht ein umfassendes Hinweisgeberschutzgesetz
„Transparency International Deutschland e.V. und Whistleblower-Netzwerk e.V. begrüßen die heutige Verabschiedung der „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ durch das Europäischen Parlament in Straßburg. Damit wird eine Harmonisierung des Hinweisgeberschutzes in den EU-Mitgliedstaaten angestrebt. Für viele Länder, darunter Deutschland, bedeutet die Richtlinie deutliche Verbesserungen der bestehenden Schutzvorschriften. (…) In Bezug auf die nun anstehende Umsetzung der Richtlinie in deutsches nationales Recht erwarten Transparency Deutschland und das Whistleblower-Netzwerk Verbesserungen, die über die Richtlinie hinaus das Schutzniveau für Whistleblower erhöhen. Die neue Richtlinie bezieht sich nur auf das EU-Recht. Bliebe es dabei, müsste ein potentieller Whistleblower wissen und entscheiden können, ob seine Information im konkreten Fall zulässig und damit geschützt ist. Nationale Regelungsbereiche müssen dringend einbezogen werden. (…) Die Richtlinie befreit den Whistleblower vom bisherigen Zwang, einen Missstand zuerst betriebs- oder behördenintern zu melden. Es stellt ihm oder ihr frei, sich direkt an eine auf nationaler Ebene zu schaffende „zuständige Stelle“ zu wenden. Die nationalen Regierungen sollen den Whistleblower lediglich „ermutigen“, zuerst interne Kanäle zu nutzen. Es muss über die Vorteile und Nutzungsmöglichkeiten interner Hinweisgebersysteme umfassend informiert werden, ohne den Entscheidungsspielraum der Arbeitnehmer im konkreten Fall direkt oder indirekt einzuschränken…“ Pressemitteilung vom 17. April 2019 von und bei Whistleblower-Netzwerk - Whistleblower-Netzwerk: Zustimmung für neue EU-Regeln
„Die Geschäftsführerin des Whistleblower-Netzwerks, Falter, hat die neuen EU-Regelungen für Informanten begrüßt. Das Europäische Parlament habe sich sehr bemüht, Meinungsfreiheit und Transparenz zu stärken, sagte Falter im Deutschlandfunk. Es sei wichtig, dass damit Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Whistleblowern ein Riegel vorgeschoben worden sei. Zudem könnten Arbeitnehmer nun wählen, ob sie Misstände in ihrer Firma oder direkt bei Behörden meldeten…“ Meldung vom 17. April 2019 beim Deutschlandfunk
- Deutschland braucht ein umfassendes Hinweisgeberschutzgesetz
- Etappensieg in Brüssel für Whistleblower und Journalist*innen
„… Die EU-Richtlinie zum Whistleblower-Schutz wird erst am 17. April, sozusagen last minute vor den Wahlen, vom EP verabschiedet. (…) Die Grünen/EFA-Fraktion und die Berichterstatterin im EP hatten sich während der zähen Verhandlungen in beispielhafter Weise gegen diese Bevormundung der Arbeitnehmer gewehrt. Dabei hatten sie die Unterstützung von über 80 wohlinformierten europäischen NGOs. „Diesmal hat sich Ausdauer und Unnachgiebigkeit in der politischen Auseinandersetzung nicht nur für die engagierten Parlamentarier und zivilgesellschaftlichen Gruppen, sondern für die ganze Gesellschaft ausgezahlt“, sagt Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk. „Whistleblower können Rechtsbrüche, Missstände und Gefahren von nun an direkt bei den Strafverfolgungs- oder Aufsichtsbehörden melden. Da prüft dann nicht der Vorgesetzte oder Dienstherr den Tatbestand, sondern der Staatsanwalt. Damit ist die Information noch lange nicht öffentlich. Aber der unternehmens- und behördeninterne Dunst aus Geheimhaltung und Verschwiegenheitspflicht kann das Verantwortungsbewusstsein von Whistleblowern nicht mehr im Keim ersticken.“ Nach dem Tauziehen um den Regierungsentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bleibt auch die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht genau zu beobachten und ggf. zu korrigieren.“ Meldung von Annegret Falter vom 18. März 2019 beim Whistelblower Netzwerk e.V.
- Einigung: Whistleblower erhalten besseren Schutz in der EU
„Whistleblower sollen in der EU künftig einheitlichen Schutz genießen. Eine interne Meldepflicht gibt es für Hinweisgeber dabei nicht. Hinweisgeber zu Skandalen wie den Panama-Papers, Cambridge Analytica oder Football-Leaks werden in der EU künftig besser geschützt. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich in der Nacht zum Dienstag in Straßburg auf EU-weite Mindeststandards zum Schutz von sogenannten Whistleblowern. „Hinweisgeber tun das Richtige für die Gesellschaft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden“, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans (…) Die nun getroffene Einigung verpflichtet Whistleblower jedoch nicht, sich als erstes an eine Stelle in ihrem eigenen Unternehmen zu wenden. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen eine solche Stelle zwar einrichten. Die Hinweisgeber können sich aber auch an eine zuständige Behörde wenden. Das Parlament hatte sich für mehr Wahlfreiheit in der Frage des Meldeweges eingesetzt. In bestimmten Fällen kann der Whistleblower auch direkt an die Öffentlichkeit gehen, beispielsweise über die Medien. Dies könnte der Fall sein, wenn die Behörden nicht angemessen auf einen gemeldeten Missstand reagieren, das öffentliche Interesse gefährdet oder das Melden an die Behören keine Option ist. Letzteres könnte etwa der Fall sein, wenn die betroffene Behörde und der Straftäter Absprachen getroffen haben. (…) Die neuen Regeln sollen Whistleblower außerdem vor Kündigungen und anderen Repressalien durch ihre Arbeitgeber schützen. Zudem sollen sie in möglichen Gerichtsverfahren unterstützt werden. Anwendung findet das Gesetz unter anderem bei Verstößen gegen EU-Recht im Bereich der Geldwäsche, der Unternehmensbesteuerung, beim Datenschutz, bei der Lebensmittel- und Produktsicherheit, beim Umweltschutz und der nuklearen Sicherheit. Jedes Land kann die Regeln aber auf andere Felder ausweiten. (…) EU-Staaten und das Parlament müssen die Einigung aus der Nacht vom Dienstag noch formell bestätigen. Anschließend haben die Länder rund zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzuwandeln.“ Artikel von Friedhelm Greis vom 12. März 2019 bei Golem
- Whistleblowerschutz ausgebremst: EU-Kommission will Hinweisgeber stärken, aber Unternehmen gleichzeitig schonen – Bundesregierung zieht mit
„Der luxemburgische Staat hat jahrelang systematisch Absprachen mit Konzernen getroffen, damit diese ihre Steuerleistungen deutlich senken konnten. Das war die wichtigste Erkenntnis der sogenannten Luxleaks im Jahr 2014. Infolge der Enthüllungen verdonnerte die EU-Kommission mehrere Unternehmen dazu, Steuern in Millionenhöhe nachzuzahlen. All dies war möglich, weil sich zwei Mitarbeiter einer Steuerberatungsfirma mit Insider-Informationen an die Öffentlichkeit gewandt hatten. Die Franzosen Antoine Deltour und Raphaël Halet deckten milliardenschweren Steuerbetrug auf, standen anschließend jedoch jahrelang wegen Datendiebstahls und Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen vor Gericht. Deltour und Halet sind sogenannte Whistleblower. Ihre Geschichte rückte die Rolle von Hinweisgebern in den Fokus der europäischen Politik. Die EU-Kommission brachte im April 2018 ein Gesetzgebungsverfahren in Gang, um Menschen, die schwerwiegende Missstände in Organisationen, Unternehmen oder Behörden melden möchten, rechtlichen Schutz zu gewähren. Jetzt steht das Verfahren kurz vor dem Abschluss, doch am gegenwärtigen Entwurf scheiden sich die Geister. (…) Unter anderem die Gewerkschaften kritisieren den dreistufigen Ansatz der Kommission und der Mitgliedstaaten heftig: So würde den Unternehmen Gelegenheit gegeben, »ihr Fehlverhalten zu vertuschen und Whistleblower zum Schweigen zu bringen«, befürchtet Esther Lynch vom europäischen Gewerkschaftsbund ETUC. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, fordert »dringend eine Korrektur der Verhandlungsposition« der Mitgliedstaaten und der Bundesregierung. Noch dramatischer fällt das Urteil der Whistleblower Deltour und Halet aus: Sollte die aktuelle Position angenommen werden, »werden künftige Whistleblower in Europa genauso viel leiden wie wir – wenn nicht sogar mehr«, warnen sie in einem Brief zusammen mit weiteren Hinweisgebern an die Verhandlungsführer der EU.“ Beitrag von Peter Eßer bei neues Deutschland vom 10. März 2019
- Kritik: Geplante EU-Whistleblower-Richtlinie birgt hohe Risiken für Hinweisgeber
„Am Montag treten die Verhandlungen für eine Whistleblower-Richtlinie in der Europäischen Union in die abschließende Phase. Auf einer letzten Verhandlungssitzung sollen dann Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission einen finalen Entwurf verhandeln, der noch vor den europäischen Parlamentswahlen im Mai verabschiedet werden soll. Der aktuelle Entwurf sieht einen dreistufigen Meldeweg vor: Whistleblower in Unternehmen, Behörden und Organisationen müssen demnach zunächst intern Alarm schlagen, bevor sie sich an Bürgerbeauftragte wenden oder Strafanzeige stellen. Erst in einem letzten Schritt sei der Gang an die Öffentlichkeit über Journalisten oder Medien legitim. Wie aus Verhandlungsunterlagen der Bundesregierung, die heise online vorliegen, hervorgeht, entspricht dies der deutschen Position. In mehreren anderen europäischen Mitgliedstaaten sehen Whistleblower-Gesetze wesentlich freiere und effizientere Regelungen vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schreibt in seiner ständigen Rechtsprechung kein Stufenmodell der internen-externen Meldewege vor. Er überlässt die Entscheidung dem Arbeitnehmer beziehungsweise der Arbeitnehmerin. (…) Mit diesem Meldeweg werde der Erstzugriff der betroffenen Unternehmen und Behörden auf brisante Informationen gesichert und sei „die höchste Hürde für öffentliche Aufklärung“. Aus Sicht des Whistleblower Netzwerks unterstellt der Richtlinienentwurf dem Hinweisgeber niedere Motive, wenn er zunächst auf dem internen Meldeweg besteht. (…). Überdies ermöglichten die internen Berichte es böswilligen Arbeitgebern, die Justiz zu behindern. Der EU-Entwurf sehe nämlich eine dreimonatige Frist vor, in der diese dann ihre Vertuschung perfektionieren und den Hinweisgeber diskreditieren könnten. Die Regelungen zum Schutz der Hinweisgeber machten damit das Whistleblowing „gefährlicher“ und „unwahrscheinlicher“.“ Kritik von Christiane Schulzki-Haddouti vom 9. März 2019 bei heise online
- Appell an die EU
„Die Verhandlungen zur Whistleblower-Richtlinie in Brüssel treten in ihre entscheidende Phase. Vor der mutmaßlich letzten Verhandlungssitzung am Montag, den 4.3.2019, richtete Whistleblower-Netzwerk e.V. nochmals einen Appell an die Vertreter*innen der drei EU-Institutionen, keine fixe Stufenregelung bei den Meldewegen für Hinweisgeber*innen zu vereinbaren. „Die obligatorische interne Berichterstattung ist eine Perversion der Idee des Whistleblowing und ein Schlag ins Gesicht aller Arbeiternehmer*innen. Die Grundannahme dahinter ist, dass diese beabsichtigen, der Organisation, für die sie arbeiten und von der sie abhängig sind, Schaden zuzufügen – und dass sie zudem nicht über ein ausreichendes Urteilsvermögen verfügen, um die richtige Entscheidung für den geeigneten Berichterstattungskanal zu treffen.“ Der offene Brief an die Rumänische Ratspräsidentschaft, den Vize-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans, Justizkommissarin Věra Jourová, sowie die zuständige Berichterstatterin des EU-Parlaments, Virginie Rozière, kann hier eingesehen werden: Appell to EU…“ Beitrag von Annegret Falter vom 4. März 2019 beim Whistleblower-Netzwerk zum Appell
- Whistleblower: Die Lüge vom deutschen Saubermann
„… Es passt so gar nicht zum Law-and-Order-Verständnis vieler Deutscher, ist aber leider so: Wir sind nicht so gesetzestreu, wie das Image des peniblen Deutschen es eigentlich vorsieht. Unsere namhaftesten Konzerne scheiterten krachend an Recht, Gesetz und Anstand und viele andere auch. Korruption bei DFB und FIFA, gepanschte Krebsmedikamente in der Apotheke, Ekelfleisch in Wurst und Döner, Milliarden Euro in Steueroasen. Und so weiter. Die Dieselsauereien bezahlen Kinder mit verkümmerten Lungen und Autobesitzer mit hohen Wertverlusten, die Profitgier in der Apotheke ließ Krebskranke vergeblich auf Heilung hoffen, die Unfähigkeit der Deutschen Bank, Gesetze einzuhalten, kostete auch Kleinaktionäre und Rentner unterm Strich Milliarden. Die entgangenen Steuermilliarden von Steuerflüchtigen fehlen im Bundeshaushalt. Aber, auch das gilt für die erwähnten Beispiele: Es gab immer ein paar Aufrechte in Unternehmen oder Banken, die vor den Umtrieben warnten oder sie später enthüllten, mutige Hinweisgeber also, auch Whistleblower genannt. Deutsche Staatsanwälte räumen ein, dass sie ohne solche Whistleblower nicht nur viele Verbrechen in Unternehmen nicht aufklären könnten – sie würden sie oft noch nicht mal entdecken. Denn anders als etwa bei Gewaltverbrechen sind die Tatwaffen der Wirtschaftskriminalität oft kaum aufzuspüren, sind vertrauliche E-Mails, tief verborgen im Firmenarchiv, oder gut getarnte Buchungen auf ausländischen Konten. Das vorausgeschickt, kommen wir zur Gretchenfrage: Wie hält es wohl Bundesjustizministerin Katarina Barley mit den Whistleblowern, den Helden einer sauberen, effizienten Wirtschaft?. (…) Die EU hat unlängst einen höheren Schutz von Firmengeheimnissen beschlossen. Diese neue Richtlinie sieht vor, dass selbst Rechtsverstöße von Managern ein Firmengeheimnis sein können, das Mitarbeiter nicht ausplaudern dürfen. Diese Einschränkung vor Arbeitnehmerrechten, von Whistleblowern und nicht zuletzt von Medien, die über solche Fälle berichten möchten, hat die EU zustande gebracht. Die lange überfällige Richtlinie für einen besseren Schutz von Whistleblowern dagegen könnte in diesen Tagen sterben, und das vor allem wegen der Gegenwehr der deutschen Justizministerin…“ Kommentar von Martin Seiwert vom 1. März 2019 bei der WirtschaftsWoche online
- Pressefreiheit: Augen zu und durch
„… Wie konnte es so weit kommen, dass ein Gesetz zu einer Hängepartie wird, weil sich Ministerium und Parlamentarier nicht über den Schutz von Whistleblowern und Journalisten einig werden? Die Frage ist nicht nur für die SPD und ihre Hoffnungsträgerin, Katarina Barley, interessant, sondern für alle Bürger. Denn im Kern wird mit diesem Gesetz die Pressefreiheit, ein Grundpfeiler der Demokratie, neu verhandelt. Und es zeigt, wie ein Gesetz fast unbemerkt durchgewunken worden wäre. Um zu verstehen, warum auch die Abgeordneten erst spät im Gesetzgebungsverfahren aufwachen, warum das Ministerium hart bleibt, ist CORRECTIV in den Maschinenraum der Demokratie gestiegen. Wir waren bei öffentlichen sowie vertraulichen Sitzungen dabei und haben die unbeobachteten Phasen rekonstruiert, in denen Gesetze geplant werden. Wir haben beobachtet, wie sich eine Ministerialbürokratie verselbstständigen kann – wenn eine Ministerin die Brisanz eines Themas nicht erkennt, keine eigene Position entwickelt und zudem Pech mit dem Timing hat. (…) CORRECTIV ist durch ein Ermittlungsverfahren selbst unmittelbar vom Thema betroffen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen CORRECTIV-Chefredakteur Oliver Schröm wegen „Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“. Eine Schweizer Privatbank hatte ihn angezeigt…“ Report über die Entstehung eines Gesetzes von Justus von Daniels und Jonathan Sachse vom 28. Februar 2018 bei CORRECTIV
- Neue Richtlinie: Warum Bundesregierung und EU-Parlament über Whistleblower streiten
„Insider, die Missstände in ihren Konzernen und Organisationen offenlegen, sollen geschützt werden. Doch wie weit der Schutz gehen soll – darüber gibt es Streit zwischen Bundesregierung und EU-Parlament. (…) Der Streit mit dem Europäischen Parlament entzündet sich am sogenannten dreistufigen Meldeverfahren: Demnach sollen Whistleblower zuerst einmal unternehmensinterne Kanäle für ihre Beschwerden nutzen. Bleibt dies drei Monate lang erfolglos, sollen sie sich an Behörden wie die Staatsanwaltschaft wenden dürfen. Und erst wenn auch das zu keinem Ergebnis führt, soll es ihnen erlaubt sein, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Deutschland, Frankreich sowie drei weitere Staaten machen dieses dreistufige Verfahren zur Voraussetzung für ihre Zustimmung. Das EU-Parlament will es Whistleblowern dagegen selbst überlassen, wie sie Missstände melden. (…) Im EU-Parlament gibt es auch Kritik daran, dass der Whistleblower-Schutz nur dann greifen soll, wenn es um Verstöße gegen europäische Gesetze geht. Damit bliebe alles, was dem öffentlichen Interesse schadet, streng genommen aber noch nicht illegal ist oder in einer Grauzone liegt, außen vor – etwa fragwürdige Steuertricks, mit denen Firmen oder Einzelpersonen ihre Steuerlast herunter rechnen. „Ein solches Verhalten mag unmoralisch sein“, sagt eine Sprecherin der Kommission dazu, „aber in einer Richtlinie können wir uns nur auf die Rechtslage beziehen.“ Fehlverhalten von Einzelpersonen bleibt im Entwurf der Kommission ganz unberücksichtigt. Er soll nur für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro gelten. Und auch für Behörden gibt es eine Obergrenze: Alle Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern sollen vom Whistleblower-Schutz ausgenommen bleiben…“ Artikel von Markus Becker und Christian Teevs vom 27. Februar 2019 beim Spiegel online
- Brüssel vor der Gretchenfrage: Sind nur Unternehmens-Interna oder auch Whistleblower schutzbedürftig?
„Auf diese Frage muss der Europäische Rat jetzt schnell seine Antwort geben. Die Mitgliedsstaaten müssen sich auf einheitliche Mindeststandards zum Whistleblowerschutz verständigen, um in den Trilog mit Kommission und dem EP eintreten zu können. Ein gemeinsamer Entwurf der geplanten „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ sollte dem Parlament im Februar vorliegen, damit ein harmonisierter Whistleblowerschutz rechtzeitig vor den Europawahlen im Mai vom gegenwärtigen EP noch beschlossen werden kann. Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, mahnt angesichts grassierender EU-Verdrossenheit zu einem klaren Signal an die europäischen Bürgerinnen und Bürger: „Es grenzte an eine demokratische Bankrotterklärung der nationalen Regierungs-Parteien, wenn sie der Zivilgesellschaft im anstehenden Wahlkampf erklären müssten, dass Whistleblower in Europa auch weiterhin unzureichend geschützt sind, während der Schutz von Geschäftsgeheimnissen (RL 2016/943) ausgeweitet wurde. Meinungs- und Informationsfreiheit, Transparenz und Rechenschaftspflicht wären demnach zweitrangig.“ (…) In Deutschland herrscht beim Whistleblowerschutz noch immer das traditionell arbeitgeberfreundliche Richterrecht, nur punktuell ergänzt durch sektorale Gesetze. Das bedeutet eine unzumutbare Rechtsunsicherheit für potentielle Whistleblower. Ein horizontales Gesetz muss hier endlich mehr Klarheit schaffen…“ Beitrag von Annegret Falter vom 10. Januar 2019 beim Whistleblower-Netzwerk
- Weitere Stärkung der Rechte von Whistleblowern in Europa angestrebt
„Am 20.11.2018 hat im Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments eine erste entscheidende Abstimmung über den Richtlinien-Entwurf zum Whistleblower-Schutz stattgefunden. (…) Hier die wichtigsten Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Kommission (…) – Hürden für öffentliches Whistleblowing wurden deutlich gesenkt. – Ein Recht auf anonymes Whistleblowing wird ausdrücklich erwähnt. – Auch für Journalisten wurde ein Mehr an Sicherheit geschaffen. Das wäre (bei Übernahme in deutsches Recht) wichtig gerade auch in Anbetracht der neueren deutschen Sicherheitsgesetze, z.B. des Datenhehlerei-Paragraphen §202d StGB. Generell werden Unterstützer (natürliche Personen) von Whistleblowern in den Schutzbereich des Gesetzes einbezogen.- Der auf Teile des Unionsrechts beschränkte Anwendungsbereich des Gesetzes wurde u.a. um Arbeitnehmerrechte erweitert. Nun wird es darauf ankommen, dass der vorliegende Entwurf in den kommenden Verhandlungen auf EU-Ebene und insbesondere bei der dann folgenden Übernahme in deutsches Recht nicht wieder verwässert wird…“ Pressemitteilung von Annegret Falter vom Whistleblower Netzwerk vom 22. November 2018 . Die vereinbarten Kompromissformulierungen finden man ab S. 95 des englischen Dokuments vom Committee On Legal Affairs vom 19. November 2018
- EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern „Kaum Hilfe für die Snowdens von morgen“
„… Nun hat die EU-Kommission am 23. April 2018 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der einen Weg aus der bisher absolut uneinheitlichen Gesetzeslage innerhalb der EU weisen könnte. Der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Neuregelung ist allerdings beschränkt. Denn geschützt wird bestenfalls die Meldung von Verstößen gegen Unionsrecht und auch dies nur in bestimmten Bereichen. Immerhin besteht die Hoffnung, dass die Formulierung von Mindeststandards zum Schutz von Whistleblowern auf europäischer Ebene auch ein Signal für die Nationalstaaten setzt. Interessant scheint vor allem die Regelung, die Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und einem hohen Jahresumsatz sowie die Landes-, Regionalverwaltungen und Gemeinden verpflichtet, ein internes Verfahren für den Umgang mit Hinweisgebern zu etablieren. Es soll ein dreigliedriges Meldesystem eingeführt werden mit a) internen Meldekanälen, b) Anzeigen an die zuständigen Behörden und c) – wenn das alles nicht funktioniert – Meldung an die Öffentlichkeit bzw. die Medien. Sogar ein gewisser Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen und Haftung ist in den Regelungen enthalten. Ebenso soll die Beweislast nicht länger beim Hinweisgeber, sondern künftig bei den Unternehmen und Behörden liegen – ein überfälliger Schritt gerade für Arbeitnehmer. Das hört sich alles nach einem vernünftigen ersten Entwurf an. Dennoch scheint er nicht ganz realitätsgerecht zu sein: Denn, wie die Piratenpolitikerin MEP Julia Reda zu recht bemängelt, enthält der Gesetzesentwurf keine klaren Regelungen zum Schutz der Anonymität der Hinweisgeber; es muss also für Ausnahmefälle die Möglichkeit, anonymer Hinweise geregelt werden. Außerdem müssen die Staaten verpflichtet werden, anonyme Anzeigen nicht ignorieren zu dürfen, sondern ihnen ernsthaft nachzugehen und ermitteln zu müssen. Es fehlt auch ein Vorschlag, wie damit umzugehen ist, wenn aufgrund konkreter Hinweise davon auszugehen ist, dass das interne Verfahren beispielsweise aufgrund von Korruption nicht nur zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch den Hinweisgeber in Gefahr bringen könnte…“ Gastbeitrag von Wolfgang Kaleck vom 11.06.2018 bei Legal Tribune Online
- Entwurf einer EU-Richtlinie zum Whistleblower-Schutz: Auf die Umsetzung in deutsches Recht kommt es an
„Die Kommission in Brüssel hat heute den Entwurf einer Richtlinie zum Whistleblower-Schutz vorgestellt. Das ist ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Vorausgegangen waren seit Jahren Forderungen von Seiten des Europäischen Parlaments und Empfehlungen des Europarats, Whistleblower angemessen zu schützen. Mit einem eigenen Gesetzentwurf und einer beispiellosen Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen europaweit hatte die Fraktion der GRÜNEN/EFA im EP erheblichen Druck aufgebaut. Spektakuläre Enthüllungen wie die Luxemburger-PWC-Steuerdeals durch Antoine Deltour mögen der Politik schließlich ihre eigene Hilflosigkeit vor Augen geführt haben, Missständen ohne Insider auf die Spur zu kommen. Im Ergebnis hat dies zu einem ansehnlichen Vorschlag von gemeinsamen Mindeststandards zum Whistleblower-Schutz im privaten und öffentlichen Sektor geführt. Als Stärken des vorliegenden Entwurfs sind hervorzuheben: Die Motivation des Whistleblowers tritt in den Hintergrund. Es zählt der Wert der Information. Behörden und Unternehmen schon ab 50 Mitarbeitern/10 Mio. € Umsatz müssen Hinweisgebersysteme einführen. Den Hinweisen muss nachgegangen und über den Verlauf Rechenschaft abgelegt werden. Behinderungen des Whistleblowing und Vergeltungsmaßnahmen aller Art sind unter Strafe zu stellen. Die Vertraulichkeit ist zu wahren. Die Beweislast im Fall von Verstößen trägt im Wesentlichen der Arbeitgeber. Soweit, so gut. Was auf dem mehrjährigen Weg bis zur Umsetzung in nationales Recht daraus wird, ist schwer vorherzusagen…“ (Positive!) Bewertung von Annegret Falter vom 23. April 2018 beim Whistleblower-Netz
- Wir erinnern an die Online-Petition von 2017: Appell an die Europäische Kommission: Whistleblower schützen, nicht bestrafen