Kennzeichenerfassung? Es geht auch ohne Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

Dossier

Aktion am Ostersamstag (26.3.16): Datenschützer nehmen illegale Videoüberwachungskameras der Europäischen Zentralbank (EZB) vorübergehend außer BetriebDie Bundespolizei soll an den deutschen Grenzen die Kennzeichen von Fahrzeugen automatisch erfassen und mit Fahndungsdatenbanken abgleichen dürfen. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der am Freitag im Bundestag debattiert wurde. Die Opposition bezweifelt den Nutzen für den Anti-Terror-Kampf. Der Gesetzentwurf externer Link der Bundesregierung sieht vor, dass die Bundespolizei künftig „vorübergehend und nicht flächendeckend“ die Kennzeichen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen scannen darf. Dabei erfassen mobile Kameras die Nummernschilder mit einem nicht sichtbaren Infrarotblitz und gleichen sie automatisch mit den Fahndungsdatenbanken ab. Ist ein Kennzeichen nicht in der Fahndungsdatei vorhanden, soll das System es automatisch löschen. Die Daten von „Treffern“ werden an die Polizei übermittelt und manuell überprüft. (…) Bereits jetzt setzen die Polizeibehörden einiger Bundesländer Kennzeichenscanner ein – etwa in Brandenburg und Bayern. Im Juli 2013 veröffentlichte netzpolitik.org die Standorte von vier stationären Scannern in Brandenburg, an deren rechtmäßigem Einsatz Bürgerrechtler zweifeln. Das Bundesverfassungsgericht kippte im Jahr 2008 die Regelung von Schleswig-Holstein zur Kennzeichenerfassung und legte dem Gesetzgeber hohe Hürden für den Einsatz der Scanner auf. Demnach ist eine  anlasslose und flächendeckende Erfassung verboten…“ Artikel „Bundespolizei soll Kfz-Kennzeichen an Grenzen automatisch erfassen“ von Simon Rebiger vom 27.01.2017 bei Netzpolitik externer Link, siehe auch unser Dossier: Änderung des Straßenverkehrsgesetzes: Diesel-Skandal wird zu Überwachungs-Skandal und hier die Entwicklung der Kennzeichenerfassung seitdem:

  • Kennzeichenscanner: Große Koalition einigt sich auf bundesweite Auto-Rasterfahndung New
    Die große Koalition wird kurz vor Ende der Legislaturperiode die Strafprozessordnung verschärfen. Mit dem Gesetz werden Kennzeichenscanner bundesweit legalisiert. Ein weiterer Punkt erlaubt nächtliche Hausdurchsuchungen der Polizei. Die große Koalition hat sich auf mehrere Gesetzesverschärfungen in der Strafprozessordnung externer Link geeinigt, wie aus einem Änderungsantrag hervorgeht, den wir veröffentlichen (PDF) externer Link . Mit dem Gesetz wollen die Regierungsparteien unter anderem die Kennzeichenfahndung, die in vielen Bundesländern nach Landesgesetzen und teilweise in der Grauzone stattfand, legalisieren und auf eine rechtliche Basis stellen externer Link. Kennzeichenscanner fotografieren alle vorbeifahrenden Fahrzeuge und erkennen Text und Zahlen auf Kennzeichen. Bei der Kennzeichenfahndung werden Listen mit Nummernschildern in die Lesegeräte eingespeist und abgeglichen. Das Gerät schlägt Alarm, wenn ein Kennzeichen aus der Liste erkannt wird. Auch wenn das Gesetz die Kennzeichenscanner –  „automatisierte Kennzeichenlesesysteme“ wie sie euphemistisch genannt werden – bundesweit einführt, so verbietet es in Zukunft eine Speicherung der Nummernschilder. Für eine solche Auto-Vorratsdatenspeicherung hatten im Bundesrat aber noch viele Bundesländer gestimmt. Manche Bundesländer speichern bereits seit vielen Jahren alle Kennzeichen in Datenbanken. Allein Brandenburg betreibt eine Auto-Vorratsdatenspeicherung mit 40 Millionen Kennzeichen, jeden Tag kommen 55.000 neue dazu. Das neue Gesetz wird diese Praxis der Auto-Vorratsdatenspeicherung illegal machen. Eine spätere Ausweitung des Gesetzes auf eine Vorratsdatenspeicherung ist damit natürlich nicht ausgeschlossen, auch wenn eine solche anlasslose Speicherung von Mobilitätsdaten verfassungswidrig sein könnte…“ Beitrag von Markus Reuter vom 08.06.2021 bei Netzpolitik externer Link
  • Digitalcourage warnt vor Kfz-Kennzeichenerfassung: Regierungspläne werden vor Gericht scheitern 
    „Die Bundesregierung plant, die Erfassung von Kfz-Kennzeichen weiter zu legalisieren. Die Datenbanken sollen dann von Polizei, Zoll und anderen Fahndungsbehörden genutzt werden können. Eine entsprechende Rechtsgrundlage hat das Bundeskabinett am Mittwoch, 20.1.2021 auf den Weg gebracht. Der Strafprozessordnung (StPO) soll dafür ein §163g hinzugefügt werden, so planen es die Ministerinnen und Minister. „Damit soll bundesweit legalisiert werden, was schon auf Länderebene äußerst umstritten ist“, kommentiert Frank Rosengart die Regierungspläne. Frank Rosengart ist der Vertreter des Chaos Computer Clubs in der Jury der BigBrotherAwards und hatte im September 2020 den BigBrotherAward an das Land Brandenburg für die anlasslose und dauerhafte Kennzeichenerfassung auf der A 12 verliehen. Auch Bayern steht seit längerem in der Kritik wegen Kfz-Kennzeichenerfassung. „Es ist zu erwarten, dass die geplante bundesweite Erlaubnis vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hat“, gibt Rena Tangens, Vorstandsmitglied von Digitalcourage zu bedenken. Denn schon 2008 stellte das höchste Gericht klar, dass es enge Grenzen für die Verhältnismäßigkeit dieses Grundrechtseingriffes gibt. Die geplante Neuerung in der StPO lässt aber vieles vage: So sollen Kfz-Kennzeichen „vorübergehend“ und „örtlich begrenzt“ beim Verdacht auf „erhebliche Straftaten“ erlaubt werden – „Das ist viel zu viel Ermessensspielraum“, so Tangens. „Außerdem: Einen Richtervorbehalt soll es offenbar nicht geben. Eine schriftliche Anordnung der Staatsanwaltschaft soll ausreichen – bei „Gefahr im Verzug“ darf die Anordnung sogar mündlich und durch „die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“ ergehen. Die Polizei kann sich also im Zweifel selbst dazu berechtigen.“ „Das steht in keinem Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die Grundrechte durch Kennzeichenerfassung“, sagt Frank Rosengart…“ Pressemitteilung vom 22. Januar 2021 von und bei digitalcourage externer Link
  • StPO-Reform: Justizministerium will Kfz-Kennzeichen-Scanning ausweiten
    Zur Gefahrenabwehr setzen viele Bundesländer die automatische Nummernschilderfassung schon ein, nun soll sie zur Strafverfolgung zulässig werden. Das Bundesjustizministerium will eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen, auf der die Polizei die automatisierten Kennzeichenlesesysteme (AKLS) im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken nutzen können soll. Dies geht aus einem nun veröffentlichten Referentenentwurf zur „Fortentwicklung der Strafprozessordnung“ (StPO) hervor. Laut dem geplanten Paragraf 163g StPO sollen Ordnungshüter „an bestimmten Stellen im öffentlichen Verkehrsraum“ ohne das Wissen der betroffenen Personen „amtliche Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung durch den Einsatz technischer Mittel automatisch“ erheben dürfen. Es müssen „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist“. Zugleich soll die Annahme gerechtfertigt sein, dass so der Aufenthaltsort des Beschuldigten ermittelt werden kann. Das Ministerium hofft damit, eine „klare Zweckbindung der Maßnahme“ zu kodifizieren. Schon mit dem Verweis auf Delikte von „erheblicher Bedeutung“ verwendet es aber einen weitgehend unbestimmten Rechtsbegriff. (…) Die Daten dürfen laut dem Entwurf externer Link nur vorübergehend und nicht flächendeckend erhoben werden. Eine ausdrückliche und pauschal geltende Höchstfrist sei nicht nötig. Die erhobenen amtlichen Kfz-Nummernschilder dürften automatisch abgeglichen werden mit Halterdaten von Autos, die auf den Beschuldigten oder Kontaktpersonen zugelassen sind oder von diesen genutzt werden…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 16.10.2020 bei heise-news externer Link
  • Kennzeichenscanner in Brandenburg: Polizei hockt auf Datei aus jahrelanger Überwachung von Autobahnen 
    „Die brandenburgische Polizei kann bis zu drei Jahre in die Vergangenheit blicken und sehen, wer wann mit dem Auto durch das Bundesland gefahren ist. (…) Die brandenburgische Datenschutzbeauftragte fordert die Polizei auf, die nahezu dauerhafte Überwachung von Autobahnen zu beenden. Darüber hinaus soll die Polizei den Datensatz löschen, der Informationen über Fahrten der vergangenen drei Jahren enthält. Von der Rüge der Datenschutzbeauftragen nicht betroffen ist der punktuelle Einsatz von Kennzeichenscanner zum Abgleich, etwa bei Fahndungen nach vermissten Personen oder nach gestohlenen Fahrzeugen. (…) An elf Standorten in Brandenburg erfasst die Polizei nahezu dauerhaft Kfz-Kennzeichen. Schätzungen zufolge landen jeden Tag etwa 55.000 neue Einträge auf dem Server. Sie speichert die Daten auf Vorrat, zur möglichen Strafverfolgung. Nach fünfjähriger Prüfung kommt die Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge zu dem Schluss, dass diese Vorratsspeicherung unzulässig ist. Hartge argumentiert, die Mehrzahl der erfassten Autofahrer*innen seien nicht an Straftaten beteiligt. Durch die Speicherung ihrer Kennzeichen werde ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Hartge hat nun eine Warnung ausgesprochen, die Polizei hat bis Februar Zeit dazu Stellung zu nehmen. (…) Mit Marie Schäffer (Grüne) hat sich bereits ein Mitglied der Regierungskoalition der Forderung nach einem Ende der Speicherung von Kfz-Kennzeichen angeschlossen. Zeitgleich klagt ein Mitglied der Piratenpartei, Marko Tittel, vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Speicherung der Kennzeichendaten auf Vorrat. Darüber hinaus gibt es Bestrebungen, bundesweit die Standorte von stationären Kennzeichenscannern zu sammeln.“ Artikel von Marie Bröckling vom 8. Januar 2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Kennzeichen-Scanner: Netzpolitik veröffentlicht das Gutachten, das ein Ende der Auto-Vorratsdatenspeicherung fordert 
    „… Wer durch Brandenburg fährt, landet in einer Datenbank der Polizei. Seit Jahren fotografiert die Polizei an elf Standorten sämtliche Kfz-Kennzeichen und speichert sie auf Vorrat. Jeden Tag landen 55.000 neue Einträge auf dem Server, insgesamt sind es schon 40 Millionen. Diese Auto-Vorratsdatenspeicherung ist unverhältnismäßig und illegal – sagt ein Gutachten des Innenministeriums, das wir an dieser Stelle in Volltext veröffentlichen externer Link. Das brisante Papier verschwand jedoch im Aktenschrank und wurde nicht veröffentlicht. Stattdessen wurde der verantwortliche Abteilungsleiter versetzt und das Gutachten massiv überarbeitet – die endgültige Version rechtfertigt die Verkehrsüberwachung. Zusätzlich zum Original-Gutachten veröffentlichen wir fünf weitere Dokumente, aus denen die Auseinandersetzung zwischen den Behörden hervorgeht. (…) Schon 2012 haben wir über den Aufzeichnungsmodus berichtet und die Standorte der Kennzeichen-Scanner veröffentlicht. Im März 2019 hat die Polizei das System offiziell bestätigt und musste sich rechtfertigen, Staatssekretärin und Innenminister verteidigten das System im Landtag. Innerhalb des Ministeriums hingegen kritisierte der zuständige Abteilungsleiter die Kennzeichenerfassung und forderte, die Speicherung abzuschalten…“ Bemerkungen von Andre Meister zur Gutachtenveröffentlichung vom 16. August 2019 bei Netzpolitik externer Link
  • Kennzeichenerfassung: Brandenburgs Innenministerium will weitermachen 
    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hält das brandenburgische Innenministerium Kfz-Kennzeichenerfassung weiterhin für legal. Die Polizei Brandenburg erfasst mit elf Kennzeichen-Scannern täglich rund um die Uhr etwa 55.000 Nummernschilder von Fahrzeugen und speichert diese in einer Datenbank auf unbestimmte Zeit. Die Daten werden nur auf Mitteilung der Staatsanwaltschaft gelöscht. Seit Anfang 2017 gab es keine solchen Mitteilungen mehr, wohl weil es ständig ein laufendes Verfahren gab. Inzwischen sollen 40 Mio. personenbezogene Daten im Rahmen dieser Schleierfahndung gespeichert worden sein. Nach Auffassung des Innenministeriums handelt es sich aufgrund der laufenden Speicheranordnungen um keine Vorratsdatenspeicherung. (…) Im Mai wurde bekannt, dass die brandenburgische Polizei die Kennzeichenerfassung unverändert fortführte. Ein vom brandenburgischen Innenministerium am 1. Juli fertiggestellter Bericht, der von Netzpolitik.org publiziert wurde, rechtfertigt die Anwendungspraxis. Erstellt wurde er von Beamten des Innenministeriums und der Polizei, wobei es zu Überwerfungen gekommen sein soll: Der zuständige Abteilungsleiter des Innenministeriums wurde versetzt. Er hatte die Praxis als „unverhältnismäßig“ bezeichnet. Der Personalrat hat deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Innenminister erstattet. (…) Die Piratenpartei will mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die brandenburgische Speicherpraxis gerichtlich prüfen lassen und legte Beschwerde beim Amtsgericht und Landgericht ein. „Dass ein deutsches Bundesland völlig wahllos alle Autofahrer verfolgt und auf Vorrat speichert, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei Deutschland…“ Beitrag von Christiane Schulzki-Haddouti vom 11.7.2019 bei heise news externer Link
  • Kennzeichen-Scans: Polizei Bayerns hat Kennzeichen gespeichert und ausgewertet 
    „Die Polizei in Bayern hat offenbar nicht nur KFZ-Kennzeichen mit Listen abgeglichen, sondern die Kennzeichen-Scans auch gespeichert und ausgewertet. Das Verfassungsgericht hatte den Abgleich und die Überwachung gestoppt. (…) Bisher war man davon ausgegangen, dass die durch die Polizeibehörden erfassten Kennzeichen nach dem Abgleich mit Fahndungslisten wieder gelöscht worden sind. Dies ist aber offenbar nicht der Fall. Vielmehr sind die Kennzeichen für eine spätere Auswertung gespeichert worden. Anfang Februar diesen Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht unverdächtige Autofahrer vor zu weitgehender Erfassung ihrer Kennzeichen durch die Polizei geschützt. Demnach sei schon das Durchführen der Erfassung an sich freiheitsbeeinträchtigend. In dem Beschluss heißt es: „Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein.“ Beitrag von Sebastian Grüner vom 11. Mai 2019 bei golem.de externer Link
  • BVerfG: Autofahrer-Überwachung in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg teilweise illegal / HU: „Ein großer Sieg für die Bürgerrechte!“
    Gegenwind für automatisierte Nummernschild-Scanner: Das Bundesverfassungsgericht hält den Einsatz der Geräte in drei Bundesländern für teilweise rechtswidrig. Nummernschilder zu erfassen und mit Fahndungslisten abzugleichen sei ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. (…) Die jetzt ergangenen Beschlüsse sind unabhängig von der Diskussion um die Einführung von Kennzeichenscannern zur Überprüfung von Dieselfahrverboten, könnten sich aber auf diese auswirken. (…) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sorgt für erheblichen Widerstand bei Opposition, Datenschützern und Automobilclubs. Als datenschutzfreundliche Variante schlagen diese eine blaue Plakette vor sowie Stichproben- und Schwerpunktkontrollen an den betreffenden Straßenabschnitten.“ Beitrag von Markus Reuter vom 05.02.2019 bei Netzpolitik externer Link und das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes externer Link sowie dessen PM:

    • Bundesverfassungsgericht: Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz in Teilen verfassungswidrig
      „Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz als Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Teilen für verfassungswidrig erklärt. In solchen Kontrollen liegen Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen, deren Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und abgeglichen werden, unabhängig davon, ob die Kontrolle zu einem Treffer führt (Änderung der Rechtsprechung). Diese Eingriffe sind nur teilweise gerechtfertigt. Hinsichtlich der angegriffenen Vorschriften steht dem Freistaat Bayern überwiegend die Gesetzgebungskompetenz zu. Die Regelung von Kennzeichenkontrollen, die als Mittel der Gefahrenabwehr ausgestaltet sind, liegt bei den Ländern, auch wenn sie im Ergebnis zugleich der Strafverfolgung nutzen, für die der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hat. Kompetenzwidrig sind die bayerischen Regelungen jedoch, soweit sie Kennzeichenkontrollen unmittelbar zum Grenzschutz erlauben. Kennzeichenkontrollen bedürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich eines hinreichend gewichtigen Anlasses. Dem genügen die Vorschriften nicht, soweit die Kontrollen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränkt sind und als Mittel der Schleierfahndung keinen hinreichend bestimmten Grenzbezug aufweisen. Soweit sie automatisierte Kennzeichenkontrollen zur Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen erlauben, ist das nicht zu beanstanden, weil die Einrichtung solcher Kontrollstellen bei verständiger Auslegung eine konkrete Gefahr und damit selbst einen rechtfertigenden Anlass voraussetzt. Die Vorschriften zum Abgleich der erfassten Kennzeichen müssen verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden, dass jeweils nur die Fahndungsbestände zum Abgleich herangezogen werden dürfen, die zur Abwehr der Gefahr geeignet sind, die Anlass der jeweiligen Kennzeichenkontrolle ist. Im Übrigen fehlt es den Regelungen an einer Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen. Der Senat hat die verfassungswidrigen Vorschriften größtenteils übergangsweise für weiter anwendbar erklärt, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2019…“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 8/2019 vom 5. Februar 2019 zu Beschluss 1 BvR 142/15 vom 18. Dezember 2018 externer Link
    • Mit ähnlicher Begründung erklärte das BVerfG mit den Beschlüssen 1 BvR 2795/09 und 1 BvR 3187/10 vom 18. Dezember 2018 in der BVerfG-Pressemitteilung Nr. 9/2019 vom 5. Januar 2019 externer Link auch die Baden-württembergische und hessische Regelungen zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle in Teilen für verfassungswidrig
    • Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Kfz-Kennzeichenkontrolle: Ein großer Sieg für die Bürgerrechte!
      „… Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß, der die Beschwerdeführer aus Bayern und Baden-Württemberg mit Unterstützung der Humanistischen Union vertritt, erklärt hierzu: „Mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts werden der pauschalen und anlasslosen Kontrolle des öffentlichen Raumes durch die Polizei enge Bandagen angezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Auffassungen allein schon im Tatbestand der elektronischen Video-Kontrolle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesehen. Vor allem hat das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen Kontrolle eine Absage erteilt und die Zulässigkeit solcher Massenkontrollen vom Vorliegen einer konkreten Gefahrensituation abhängig gemacht. Auch dürfen nicht mehr pauschal polizeiliche Dateien für den Abgleich mit den eine Kontrollstelle passierenden Fahrzeugen eingesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat damit den Phantasien einer rundherum und ohne konkreten Anlass permanent überwachten Gesellschaft einen Riegel vorgeschoben. Ein großer Sieg für Bürgerrechte!“…“ Pressemitteilung der HU vom 5.02.19 externer Link
  • Niedersachsen: Klage gegen Geschwindigkeitsmessung mit Kennzeichenscanner
    In Niedersachsen ist heute ein Pilotversuch zu so genannter „Section Control“ gestartet. Es handelt sich bei der Abschnittskontrolle um eine Maßnahme zur Geschwindigkeitsüberwachung im Straßenverkehr, bei der das Nummernschild eines Autos an Punkt A erfasst wird und dann wieder an Punkt B. Mittels dieser Daten wird dann die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt – und gegebenenfalls ein Bußgeld verhängt…“ Artikel von Markus Reuter vom 19.12.2018 bei Netzpolitik externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151593
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