Nutzung von Gesundheitsdaten: Sammeln auf Vorrat
„Von Patienten „gespendete“ Daten und Biomaterialien sollen für Forschungsprojekte genutzt werden. Doch über die Ziele erfährt der Patient nichts. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert, mit rund 160 Millionen Euro und vorerst bis zum Jahr 2021, eine sogenannte Medizininformatik-Initiative (MII). Ihr erklärtes Ziel ist es, „Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung“ durch „innovative IT-Lösungen“ zu verbessern. Die MII besteht aus vier „Konsortien“ mit Partnern an über 30 Standorten hierzulande. Sie sollen sich digital vernetzen und Daten aus Krankenversorgung, klinischer und biomedizinischer Forschung austauschen und nutzen; beteiligt sind zahlreiche Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen sowie das Robert Koch-Institut (RKI), außerdem einige Unternehmen, darunter Siemens Healthcare GmbH und die Bayer AG. Mitten in der Coronakrise, am 27. April, gab die MII einen „Meilenstein für den Forschungsstandort Deutschland“ bekannt, per Pressemitteilung erklärte sie, quasi in eigener Sache: „Medizininformatik-Initiative erhält grünes Licht für bundesweite Patienteneinwilligung“. Besagtes Signal habe ihr die Konferenz der Datenschutzbeauftragten aus Bund und Ländern gegeben – und zwar für einen deutschlandweit einheitlichen, von der MII selbst entworfenen Mustertext zum Datensammeln auf Vorrat…“ Artikel von Klaus-Peter Görlitzer vom 3.7.2020 in der taz online
- Weiter aus dem Artikel: „… Das von der MII ausgearbeitete Standardpapier soll allen volljährigen und einwilligungsfähigen PatientInnen , die in eine Universitätsklinik aufgenommen werden, künftig „vor Behandlungsbeginn oder am Anfang des Behandlungsprozesses“ routinemäßig vorgelegt werden. Sie können es nach „ausreichend Bedenkzeit“ unterschreiben, sie müssen dies aber nicht tun. Der 11-seitige Mustertext, der neben der Einwilligungserklärung auch eine „Patienteninformation“ enthält, ist keine einfache Lektüre, schon gar nicht für juristische Laien. Begehrt wird die „Einwilligung in die Nutzung von Patientendaten, Krankenkassendaten und Biomaterialien (Gewebe und Körperflüssigkeiten) für medizinische Forschungszwecke“. Im Mustertext wird aufgezählt, welche Informationen und Materialien man zur Verfügung stellen soll, zum Beispiel: Daten aus Arztbriefen, persönliche Krankengeschichte, medizinische Befunde, Laborergebnisse, auch Untersuchungen der Erbsubstanz, falls durchgeführt. Außerdem molekulargenetisch analysierbare Biomaterialien wie Blut, Urin, Speichel, Hirnwasser oder Gewebe, inklusive Tumoren. Zudem werden PatientInnen gebeten, ihre Krankenkasse zu ermächtigen, Daten für „wissenschaftliche Nutzung“ zu übermitteln, etwa über ärztliche Leistungen und Arzneimittel, die ihnen in den vergangenen fünf Kalenderjahren vor Aufnahme in die Uniklinik verschrieben wurden. (…) Welche Forschungsfragen mit den bereitgestellten Daten und Körpersubstanzen genau und von welchen WissenschaftlerInnen oder Unternehmen untersucht werden sollen, lässt die „Patienteninformation“ offen. Statt Details über konkrete Projekte liest man: „Ihre Patientendaten sollen im Sinne eines breiten Nutzens für die Allgemeinheit für viele verschiedene medizinische Forschungszwecke verwendet werden.“ Diese sogenannte „breite“ Einwilligung ist wohl innovativ, aber durchaus fragwürdig; bisher gilt ja auch in der klinischen Forschung das rechtliche Prinzip der „informierten Einwilligung“, was bedeutet, dass jeder Proband verständlich aufgeklärt werden muss, worauf er sich mit der Teilnahme an einer Studie genau einlässt…“