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EU-Medienfreiheitsgesetz: Schutz von Journalist:innen vor Überwachung mit Staatstrojanern u.a.?
Dossier
„Die Europäische Kommission hat heute ein europäisches Medienfreiheitsgesetz angenommen, ein neues Regelwerk zum Schutz des Pluralismus und der Unabhängigkeit der Medien in der EU. Die vorgeschlagene Verordnung umfasst unter anderem Schutzvorkehrungen gegen politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen und gegen Überwachung. Der Schwerpunkt liegt auf der Unabhängigkeit und stabilen Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien sowie auf der Transparenz von Medieneigentum und der Zuweisung staatlicher Werbeausgaben. Ferner werden Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit von Redakteuren und zur Offenlegung von Interessenkonflikten festgelegt…“ Pressemitteilung vom 16. September 2022 der Europäischen Kommission mit weiteren Infos, siehe erste Bewertungen:
- EU stimmt für Medienfreiheitsgesetz
„Das Europäische Parlament hat den European Media Freedom Act (EMFA) mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Das Medienfreiheitsgesetz soll die Unabhängigkeit und Vielfalt von Medien stärken und Besitzstrukturen im Mediensektor transparent machen. Medienorganisationen begrüßten das Gesetz. An der Frage, inwiefern Journalist*innen vor Ausspähung geschützt werden sollen, wäre das Vorhaben fast gescheitert. Einer Überwachung werden nun enge Grenzen gesetzt – doch Bedenken bleiben. (…) Im Laufe der Verhandlungen hatte es massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben gegeben. Ein Punkt hätte fast zu seinem Scheitern geführt: Wie „Investigate Europe“ berichtete, wollten einige Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Italien, das Gesetz an wesentlicher Stelle abschwächen. Staatliche Überwachung von Journalist*innen sollte dann möglich sein, wenn es dem „Schutz der nationalen Sicherheit“ diene. Diese Formulierung findet sich nun nicht in dem Text, das Parlament hat dem Einsatz von Überwachungssoftware enge Grenzen gesetzt. Möglich soll sie nur werden im Zusammenhang mit schweren Straftaten und nach einem richterlichen Beschluss. Betroffene müssen zudem nachträglich über die Überwachung informiert werden, auch der Quellenschutz muss gewahrt bleiben. Verheyen räumte aber ein, dass sie sich in diesem Punkt ein „stärkeres Wording“ gewünscht hätte. Die Abgeordnete Petra Kammerevert (SPD) kritisierte am Tag vor der Abstimmung im Europaparlament, dass es in dem Text noch immer zu viele Schlupflöcher beim Schutz von Journalist*innen gebe. (…) Unklar ist, wie wirksam der EMFA sein wird – besonders in Ländern, in denen er besonders gebraucht wird. Die Effizienz des Gesetzes hänge ausschließlich von seiner Durchsetzung ab, sagte die belgische Europaabgeordnete Sophia in ’t Veld (Volt) in der Parlamentsdebatte vor der Abstimmung. Das sei eine deutliche Schwachstelle. Denn viele Regierungen auch innerhalb der EU hätten kein Interesse daran, kritisch von Medien hinterfragt zu werden. Die Abgeordnete forderte daher die EU-Kommission auf, für eine strikte Durchsetzung des Gesetzes zu sorgen. Diese Forderung äußerte auch die Europäische Journalistenföderation EJF, deren Mitglied die dju in ver.di ist. Grundsätzlich begrüßt die EJF das Gesetz als „einen wichtigen Schritt zum Schutz und zur Förderung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU“. Die Organisation erinnerte aber daran, dass der EMFA in einigen Bereichen lediglich Mindeststandards festlege…“ Artikel von Sarah Schaefer vom 14. März 2024 in MMM der dju und dazu:- EU gegen Pressefreiheit: EU-Parlament beschließt sogenanntes EU-Medienfreiheitsgesetz und bringt damit unabhängige Medien in Gefahr
„Nur noch das formale O.K. der Mitgliedstaaten der Europäischen Union fehlt, dann tritt das sogenannte EU-Medienfreiheitsgesetz in Kraft. Am 13. März hatte dem Gesetzeswerk bereits das Europaparlament zugestimmt. Und zwar mit deutlicher Mehrheit: 464 Abgeordnete stimmten für die Verordnung, 92 dagegen, 65 enthielten sich. Die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Kultur und Bildung, Sabine Verheyen (CDU) sprach von einem »Meilenstein für den Schutz der Medienvielfalt«. Auch Reporter ohne Grenzen erklärten, die EU gehe einen »wichtigen Schritt für das Recht auf Information«.
Von wegen Fake News
Dabei hatte es im Vorfeld starke Kritik an dem Vorhaben gegeben. So bezeichneten rund 400 europäische Dachverbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger das Gesetz im Vorfeld als »Medienunfreiheitsgesetz« und unterzeichneten im Sommer einen offenen Brief. Auch deutsche Verlegerinnen und Verleger und der öffentlich-rechtliche Rundfunk hatten Brüssel gewarnt. Zwar wurde der Entwurf des Regelwerks im Herbst leicht angepasst, ohne jedoch substantiell etwas an den Problemparagraphen zu ändern. Noch im Dezember warnten daher der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger sowie der Medienverband der freien Presse: »Während die Presse mit wirtschaftlichen, regulativen und wettbewerblichen Herausforderungen zu kämpfen hat, schnürt die EU ein Korsett, das keines der Probleme angeht und statt dessen die Pressefreiheit gefährdet.«
Mittlerweile ist es jedoch still geworden rund um das Thema. Dabei wird mit der Einführung des Regelwerks ein neues EU-Gremium geschaffen. Diese Medienaufsichtsbehörde ist nur auf dem Papier unabhängig. Faktisch werden die Sekretariatsmitarbeiter von der EU-Kommission gestellt und sind dadurch von ihr beeinflussbar. (…)
Gegenteil von Schutz
Ein weiteres Problem: Zwar soll das Gesetz dem Wortlaut nach Journalisten besser vor staatlicher Repression und Ausspähen schützen. Doch tatsächlich schafft es genau das Gegenteil. Artikel vier schreibt zwar vor, journalistische Quellen und die Kommunikation von Medienhäusern und Journalisten zu schützen, nur um wenige Sätze später eine scheunentorgroße Hintertür offenzulassen. Demnach gilt dieser Schutz nicht, wenn beispielsweise nationale Gesetze ein Ausspähen erlauben und/oder dieses regelmäßig durch Gerichte überprüft wird. Auch was die Zensur in großen Onlineplattformen betrifft, wird das Gesetz seinem Namen nicht gerecht: Kommt es zur Löschung von Inhalten, müssen die Onlineplattformen wie Facebook, X und Co. lediglich innerhalb einer bestimmten Frist darüber informieren. Letztlich können sie jedoch aufgrund eigener schwammiger Geschäftsbedingungen selbst festlegen, welche Inhalte gesperrt beziehungsweise gelöscht werden und welche nicht…“ Artikel von Mawuena Martens in der jungen Welt vom 12.04.2024
- EU gegen Pressefreiheit: EU-Parlament beschließt sogenanntes EU-Medienfreiheitsgesetz und bringt damit unabhängige Medien in Gefahr
- European Media Freedom Act: EU einigt sich beim Hacken von Journalist:innen
„… Am Ende hat Macron seinen Willen doch nicht bekommen. Am Freitag verhandelten Kommission, Parlament und die Mitgliedstaaten der EU im sogenannten Trilog über den European Media Freedom Act (EMFA). Er soll Journalist:innen schützen, auch vor staatlicher Überwachung. Nun ist klar: Eine generelle Ausnahme für nationale Sicherheit wird es nicht geben. (…) Die Vorstellungen der verhandelnden EU-Institutionen lagen weit auseinander. Das Parlament wollte den Spyware-Einsatz nur unter strengen Voraussetzungen erlauben. Der Staatstrojaner-Einsatz sollte nur dann erlaubt sein, wenn er nicht im Zugang zu journalistischen Quellen resultiere oder im Zusammenhang mit der journalistischen Arbeit stünde. Zudem müsse es eine richterliche Bestätigung geben. Über 80 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch der Chaos Computer Club, forderten ein komplettes Verbot, auch einige Abgeordnete von S&D, Grünen und Linken waren dafür. Diese Position setzte sich aber nicht durch. „Wir können nicht jedem Individuum, was journalistische Arbeit macht, einen Blankoscheck in allen Lebenslagen und Situationen bezüglich Rechtsstaatlichkeit ausfüllen“, sagte die CDU-Abgeordnete Sabine Verheyen zur Begründung. Einen Blankoscheck der umgekehrten Art hatten jedoch die Mitgliedstaaten im Sinn. Die Regierungen wollten eine Ausnahme des Hackingverbots: Der EMFA dürfe an dieser Stelle nicht die nationale Sicherheit tangieren. Vor allem die französische Regierung stecke hinter dieser Formulierung, so erzählten es Parlamentarier:innen immer wieder. Erst diesen Sommer verhörten französische Behörden Journalist:innen und durchsuchten ihre Räume und Geräte, um an deren Quellen zu gelangen. (…) Der Konflikt spitzte sich am letzten Verhandlungstag zu. Aus Parlamentskreisen ist zu hören, dass der Trilog zwischenzeitlich auf der Kippe stand. Für das Parlament war die Ausnahme der nationalen Sicherheit eine rote Linie, die Regierungen hingegen wollten gleich den ganzen EMFA unter den Vorbehalt der nationalen Sicherheit stellen, nicht nur den Spyware-Artikel. Doch der Widerstand des Parlaments lohnte sich. Letztlich stimmte die Regierung in Paris einem Kompromiss zu. Dieser sieht nun folgendermaßen aus: Die umstrittene Formulierung mit der nationalen Sicherheit fällt weg. Sie wird aber nicht ersatzlos gestrichen: An ihrer Stelle kommt ein allgemeiner Hinweis auf die EU-Verträge, im nicht-bindenden Teil des Gesetzes steht dann noch, dass der EMFA Artikel 4(2) des EU-Vertrags respektiert. Dort ist festgelegt, dass die EU die „grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere […] die nationale Sicherheit“ achte. (…) Egal ob es um Durchsuchungen, Staatstrojaner oder andere Überwachungsmaßnahmen gegen Journalist:innen geht: Der EMFA schreibt nun vor, dass staatliche Behörden dafür eine richterliche Bestätigung brauchen und es ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ geben muss. Zudem müssen Journalist:innen informiert werden, wenn Sie gehackt wurden. (…) Das jetzige Verhandlungsergebnis ist aus Sicht der CDU-Abgeordneten ein „sehr großartiges Ergebnis“. Ihre SPD-Kollegin Kammerevert ist sich hingegen enttäuscht. „Am Ende der Trilogverhandlungen ist von den guten Parlamentspositionen nicht viel übrig geblieben.“ Der Rat habe sich in allen wesentlichen Punkten durchgesetzt. Reporter ohne Grenzen begrüßte die Einigung in einer ersten Reaktion. „Für die Informationsfreiheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist diese Verordnung unter dem Strich ein Erfolg“, sagte Geschäftsführer Mihr. Der Ministerrat und das EU-Parlament müssen dem Kompromiss noch formal zustimmen. Dies gilt als Formsache. Das Parlament plant die Abstimmung für März 2024.„ Beitrag von Leonhard Pitz vom 16. Dezember 2023 bei Netzpolitik.org - Europäisches Medienfreiheitsgesetz: Abgeschwächter Sonderstatus für Medien auf großen Plattformen
„Diese Woche verhandelten EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten über einen umstrittenen Sonderstatus für Medien auf großen Plattformen. Doch das ist nicht der einzige Streitpunkt im EU-Medienfreiheitsgesetz: Um das staatliche Hacken von Journalist:innen ringen sie weiterhin. (…) Das ausgegebene Ziel des EMFA ist der Schutz der Pressefreiheit. Diese will die Verordnung nicht nur gegen den Einfluss von autokratischen Regierungen wie in Polen unter der PiS-Partei oder im Orbanschen Ungarn verteidigen, sondern auch gegen die Macht von großen Plattformen. Um das letztgenannte Ziel geht es in Artikel 17 des EMFA. Dieser regelt die Beziehung zwischen Medien und den durch den Digital Services Act designierten, sehr großen Plattformen (VLOPs). Als solche gelten Online-Dienste mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzer:innen in der EU. Nun haben sich die drei EU-Institutionen geeinigt: Der Sonderstatus für „anerkannte“ Medien kommt, allerdings bleibt das letzte Wort bei den Plattformen. Anbieter:innen von Mediendiensten kommen an diesen Sonderstatus, indem sie bei den VLOPs bestimmte Angaben machen. Sie müssen unter anderem erklären, dass sie redaktionell unabhängig sind und KI-generierte Inhalte kennzeichnen. Die Plattform kann dann entscheiden, ob sie diese Erklärung akzeptiert. (…) Damit haben sich an diesem Punkt die Mitgliedstaaten weitgehend durchgesetzt. Das EU-Parlament wollte eigentlich, dass im Konfliktfall eine nationale Medienaufsichtsbehörde das letzte Wort hat. (…) „Wenn das Europäisches Medienfreiheitsgesetz in dieser Form beschlossen wird, könnte es die Gleichheit der Rede untergraben, Desinformation im Internet fördern und Randgruppen bedrohen“, befürchtet Schmon. Artikel 17 könne zu der absurden Situation führen, dass einflussreiche Medien und große Plattformen darüber verhandeln, welche Inhalte sichtbar sein sollen. Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) wiederum hätte die Medienausnahme am liebsten ausgeweitet und argumentiert , dass Plattformen nicht das Recht haben dürften, journalistische Inhalte zu löschen. Mit der jetzigen Einigung zeigte sich der DJV aber zufrieden. „Die 24-Stunden-Regelung ist ein Kompromiss, mit dem wir leben können. Damit wird für die großen Plattformen klar, dass sie nicht willkürlich über Löschungen entscheiden können. Das war uns wichtig und hat sich offenbar nun durchgesetzt“, sagte Hendrik Zörner vom DJV gegenüber netzpolitik.org. (…) Einen Kampf müssen die drei Trilog-Parteien noch ausfechten: Wann Staaten Journalist:innen überwachen und hacken dürfen. Die Verhandlungen hierzu sind für den Trilog am 15. Dezember angesetzt. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben grundverschiedene Ansichten. Dass strengere Regeln hier notwendig sind, zeigte sich vor allem durch die Erkenntnisse rund um Pegasus und Predator. Mit den beiden Staatstrojanern haben Behörden unter anderem in Ungarn und Griechenland Journalist:innen ausspioniert…“ Beitrag von Leonhard Pitz vom 01.12.2023 in Netzpolitik - Ausnahme für „nationale Sicherheit“: EU-Staaten schwächen Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit
„Trotz erheblicher Bedenken von Pressefreiheitsorganisationen wollen Deutschland, Frankreich und weitere Staaten ein geplantes EU-Gesetz ändern, um Geheimdiensten die Überwachung der Presse mit Staatstrojanern zu ermöglichen. Der Rat der EU-Staaten hat heute seinen Entwurf für das geplante Europäische Medienfreiheitsgesetz beschlossen . Darin hat der Rat den vorgesehenen Schutz von Journalist:innen vor staatlicher Überwachung deutlich abgeschwächt. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte das Gesetz eigentlich europaweit ein weitgehendes Verbot von Überwachungsmaßnahmen, Inhaftierung und Beschlagnahmungen gegen Journalist:innen zur Ausforschung ihrer Quellen einführen. Auch sollte es demnach ein explizites Verbot der Überwachung von Journalist:innen mit Staatstrojanern festschreiben. (…) Wie netzpolitik.org und Investigate Europe am Wochenende berichteten, hat der Rat in seinem Textentwurf mit Unterstützung von Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern für solche Überwachungsmaßnahmen eine Blanko-Ausnahme für „nationale Sicherheit“ festgeschrieben. Dieser Entwurf wurde heute mit geringfügigen Änderungen beschlossen (…) Der Rat der EU-Staaten muss sich nun mit dem EU-Parlament und der Kommission auf eine endgültige Version des Medienfreiheitsgesetzes einigen. Das Parlament hat bislang keine eigene Position beschlossen.„ Mitteilung von Alexander Fanta am 21. Juni 2023 bei Netzpolitik.org - Staatstrojaner: Blankoscheck für Geheimdienst-Überwachung der Presse
„Ein geplantes Medienfreiheitsgesetz der EU sollte Journalist:innen vor Überwachung schützen. Doch Europas Regierungen planen eine Blankoausnahme für „nationale Sicherheit“, die den Vorschlag praktisch aushöhlen würde. Kein Journalist darf wegen seiner Arbeit bespitzelt werden. Mit diesem klaren Satz begründete EU-Kommissarin Věra Jourová im vergangenen Herbst ihren Vorschlag für ein Gesetz, das die Pressefreiheit in allen EU-Staaten stärken soll. Die EU-Kommission reagierte damit auf Enthüllungen über das Ausspähen von Journalist:innen, NGOs und Oppositionspolitiker:innen in mehreren EU-Staaten. (…) Doch die EU-Staaten arbeiten hinter verschlossenen Türen an einem Gegenvorschlag, der diese Vorschläge der Kommission praktisch wirkungslos macht. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche von netzpolitik.org mit dem Rechercheteam Investigate Europe. (…) Der Rat der EU-Staaten will die Schutzbestimmungen für Journalist:innen durch eine generelle Ausnahme für die „nationale Sicherheit“ aushebeln. Das geht aus einem Textentwurf der schwedischen Ratspräsidentschaft vom 7. Juni hervor, den wir durch eine Informationsfreiheitsanfrage erhielten und im Volltext veröffentlichen. Der Rat geht damit über frühere Vorschläge zur Verwässerung des Textes hinaus, über die wir zuvor berichteten. Schon der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sah vor, dass der Staatstrojaner-Einsatz „im Einzelfall“ aus Gründen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt sein soll. Aus dem Einzelfall soll nun eine Blanko-Erlaubnis werden, die nicht nur das Trojaner-Verbot aufweicht, sondern auch das generelle Verbot der Überwachung von Journalist:innen zur Ermittlung ihrer Quellen aushebelt. Außerdem schwächt die Ausnahme das Recht, eine Beschwerde bei einer unabhängige Behörde einzureichen, wie es der ursprüngliche Vorschlag vorgesehen hätte. Diese Blanko-Ausnahme für „nationale Sicherheit“ in Artikel 4 des Gesetzesentwurfs hat Frankreich durchgesetzt. Unterstützung erhielt die Regierung in Paris dafür auch von Deutschland. Das geht aus einem vertraulichen Drahtbericht der deutschen Ständigen Vertretung in Brüssel hervor, den wir ebenfalls im Volltext veröffentlichen. (…) Der Bedenken zum Trotz planen die EU-Staaten einen Beschluss noch im Juni. Kommt kein entschiedener Widerstand aus dem EU-Parlament, das bislang noch keine eigene Position festgelegt hat, dann könnte das Medienfreiheitsgesetz die Blankoausnahme für Überwachungsmaßnahmen zur „nationalen Sicherheit“ festschreiben. Die Absicht von Kommissarin Jourová, Journalist:innen in ihrer Arbeit vor Überwachung zu schützen, bliebe damit ein frommer Wunsch.„ Beitrag von Alexander Fanta und Harald Schumann vom 17. Juni 2023 bei Netzpolitik.org - EU-Staaten planen Blankovollmacht zur Überwachung von Journalisten
„… Das Gesetzesvorhaben soll eigentlich dazu dienen, Journalisten und Medien gegen die politische Lenkung ihrer Berichterstattung durch Regierungen oder Eigentümer zu schützen. (…) Die Ausforschung von Journalisten und der Einsatz von Spähsoftware gegen sie soll nämlich, so die Forderung aus Paris, erlaubt sein, wenn es die „nationale Sicherheit“ erfordert. Mit eben dieser Begründung hatten in den Vorjahren die Regierungen in Griechenland, Bulgarien und Ungarn auch die Überwachung von Journalisten gerechtfertigt, die über Finanzskandale und Korruption im Staatsapparat berichteten. In allen drei Ländern fanden die Betroffen dann die Überwachungsprogramme „Pegasus“ und „Predator“ auf ihren Mobiltelefonen. In Spanien gingen die Behörden mit der gleichen Technik auch gegen Journalisten vor, die über die katalanische Unabhängigkeitsbewegung berichteten. Das EU-Parlament setzte daher eigens einen Untersuchungsausschuss zum Thema ein und forderte den Verkauf von Spähsoftware solange zu verbieten, bis rechtlich klar definiert ist, in welchen Ausnahmefällen der Staat sie einsetzen darf. Doch das kümmert die EU-Regierungen offenbar wenig. Auch die deutsche Bundesregierung sowie jene aus den Niederlanden, Tschechien, Luxemburgs und Griechenland schlossen sich ausdrücklich der französischen Forderung an. „FRA, DEU, CZE, NDL, LUX und GRC sprachen sich zu Art. 4 für eine Bereichsausnahme zur nationalen Sicherheit aus“, notierte der deutsche Protokollant der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates am 17. April. Und keine der übrigen EU-Regierungen legte Widerspruch ein. Darum fügte die schwedische Regierung, die zur Zeit den Vorsitz im Rat führt, kurzerhand einen Absatz hinzu, wo nach der Schutzartikel 4 „nicht die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die nationale Sicherheit“ berühre, wie es in der jüngsten Version des Gesetzentwurfes heißt. Auf Nachfrage erklärte der Sprecher der zuständigen grünen Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, der umstrittene Zusatz solle lediglich „sicherstellen“, dass die im EU-Vertrag „bestimmten Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Sicherheit unberührt bleiben“ Doch das ist irreführend, urteilt der europäische Journalistenverband. Anders als die EU-Verträge „enthält der derzeitige Vorschlag des Rates keine Bestimmungen zum Schutz der Grundrechte“, hält der Europäische Journalistenverband dem Argument entgegen…“ Beitrag von Harald Schumann und Alexander Fanta vom 17. Juni 2023 bei Investigate Europe online - EU-Medienfreiheitsgesetz: Gummiparagraf gegen Staatstrojaner
„Ein Vorschlag im Rat der EU-Staaten will Staatstrojaner-Überwachung gegen Journalist:innen erlauben – bei „zwingendem Erfordernis des Allgemeininteresses“. Dieser Gummiformulierung könnte den Sinn des Gesetzes ad absurdum führen.
Eine Reihe an EU-Staaten arbeitet hinter verschlossenen Türen daran, den Schutz von Journalist:innen vor Überwachung im geplanten EU-Medienfreiheitsgesetz zu schwächen. Das geht aus einem Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft hervor. Das Dokument veröffentlichte der Rat der EU-Staaten nach einer Informationsfreiheitsanfrage von netzpolitik.org .
Mit ihrer Gesetzesinitiative für das Europäische Medienfreiheitsgesetz reagierte die EU-Kommission im vergangenen Herbst auf steigende Besorgnis über die Lage der Pressefreiheit in EU-Staaten wie Ungarn, Polen und Griechenland. Dort sinkt zunehmend die Unabhängigkeit und Vielfalt der Medienlandschaft, zudem haben Regierungen Journalist:innen mit Staatstrojanern gehackt. Der Gesetzesvorschlag soll Einflussnahme auf die Presse und Überwachung von Journalist:innen explizit verbieten. Auch sollen die Staaten Transparenz bei der Eigentümerschaft von Medien und bei Geldflüssen an die Presse schaffen. Über das Gesetz beraten derzeit das EU-Parlament und der Rat der EU-Staaten. Wie nun bekannt wird, drängen bei den nicht-öffentlichen Beratungen im Rat einige Staaten auf eine Abschwächung des Artikels 4 des Kommissionsentwurfs . Dieser soll Journalist:innen und ihre Familienangehörigen vor Überwachung schützen. Explizit wird im Entwurf der Kommission der Einsatz von Staatstrojanern verboten, um an die Quellen von Journalist:innen zu kommen – allerdings gibt es dabei Ausnahmen „im Einzelfall aus Gründen der öffentlichen Sicherheit“ sowie in Ermittlungen bei schweren Straftaten…“ Beitrag von Alexander Fanta vom 09.05.2023 in Netzpolitik - Länder wollen kein Medienfreiheitsgesetz
„Die Bundesländer bleiben bei ihrer Ablehnung gegenüber dem geplanten Europäischen Medienfreiheitsgesetz. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), Vertreterin der Rundfunkkommission der Länder, betonte am vergangenen Mittwoch vor dem Kulturausschuss, der Vorschlag für eine Verordnung „zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt“ greife in die Kulturhoheit der Länder ein, Medien seien kein dem EU-Binnenmarkt unterworfenes Wirtschaftsgut. Die Länder monierten bereits im vergangenen Jahr , dass sich die EU mit dem Medienfreiheitsgesetz zu sehr in die Belange der Mitgliedstaaten einmische. Die Kritik richtet sich vor allem gegen das anvisierte neue Gremium zur Medienaufsicht. Außerdem favorisieren die Länder eine Richtlinie statt einer Verordnung…“ Redaktioneller Beitrag vom 30. März 2023 in „Menschen machen Medien“ von ver.di/dju - Medienfreiheitsgesetz: EU will Presse vor Überwachung schützen
„Die EU-Kommission will den Einsatz von Staatstrojanern und anderen Überwachungsmethoden gegen Journalist:innen stark einschränken. NGOs geht ihr Gesetzesentwurf aber nicht weit genug.
Die EU-Kommission stellt diese Woche ein Gesetz vor, das die Presse in der Europäischen Union vor staatlicher Überwachung und Einflussnahme schützen soll. Ein Kernpunkt dabei ist ein generelles Verbot, Journalist:innen und ihre Angehörigen festzunehmen, zu durchsuchen, zu bestrafen oder zu überwachen, um an ihre Quellen heranzukommen. Ausgenommen seien nur Überwachungsmaßnahmen „im öffentlichen Interesse“. Der Entwurf verbietet ausdrücklich den Einsatz von Staatstrojanern zur Überwachung. Deren Verwendung soll nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder bei der Aufklärung schwerer Straftaten erlaubt bleiben. Jede Maßnahme müsse mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar sein. Die Kommission reagiert mit ihrem Vorschlag für den „European Media Freedom Act“ (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) auf wachsende Sorge über die Pressefreiheit in einigen EU-Staaten. In Ungarn, Polen und Griechenland wurden zuletzt Journalist:innen mit dem Staatstrojaners Pegasus gehackt. Als Bedrohung wertet die Kommission aber auch unklare Besitzverhältnisse und die Konzentration von Medieneigentümerschaft in wenige Hände, sowie staatliche Einflussnahme durch Subventionen wie etwa in Österreich. Auch zu diesen Punkten macht die Kommission Vorschläge. (…) NGOs äußerten schon im Vorfeld Bedenken, ob die Ideen der Kommission weit genug gehen. Sie zweifeln beispielsweise daran, wie effektiv das vorgeschlagene Überwachungsverbot tatsächlich ist. Denn die ungarische Regierung und polnische Regierung beriefen sich bei der Überwachung von Journalist:innen ausdrücklich auf den Schutz der nationalen Sicherheit . Außerdem dürfe der Schutz vor Überwachung nicht auf bestimmte Technologien wie Trojaner beschränkt sein, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation Liberties.eu. „Wir brauchen zukunftssichere Lösungen, um Journalisten vor Lauschangriffen zu schützen und sicherzustellen, dass ihre verschlüsselte Kommunikation vor jeglicher Spähsoftware sicher bleibt.“ (…) Umstritten ist auch der Vorschlag der Kommission, dass Plattformen wie YouTube und Facebook für Nachrichtenmedien privilegierte Beschwerdewege gegen das Löschen oder Sperren ihrer Inhalte schaffen müssen. Demnach sollen Einsprüche von Medien gegen Löschentscheidungen bevorzugt gegenüber anderen solchen Beschwerden behandelt werden…“ Beitrag von Alexander Fanta vom 13.09.2022 in Netzpolitik
Grundinfos:
- Der Entwurf der Kommission
- Europäisches Medienfreiheitsgesetz – Dossier bei euractiv.de
Siehe zu Staatstrojanern auch:
- Dossier: [Staatstrojaner] Gesetzentwurf sieht massenhaften Einbruch in Computer und Smartphones vor: Digitaler Polizeistaat
- Dossier: Staatstrojaner stoppen! Verfassungsbeschwerde gegen den Staatstrojaner – für sichere und vertrauenswürdige IT – unterstützen!
- Dossier: [„Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“] Noch mehr Staatstrojaner: Verfassungsschutz soll hacken dürfen