Verfassungsschutz 2021: 350 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in deutschen Sicherheitsbehörden
„In deutschen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden gibt es laut einem Lagebericht des Verfassungsschutzes Hunderte rechtsextreme Verdachtsfälle. Hessen ist besonders betroffen. (…) Dies geht aus dem erstmals erstellten Entwurf des Lageberichts zu dem Thema hervor, über den die „Welt am Sonntag“ berichtet. Das als vertraulich eingestufte Dokument beleuchtet demnach den Zeitraum von Anfang Januar 2017 bis Ende März 2020. Das BfV fragte demnach den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, die 16 Länderpolizeien und die Verfassungsschutzämter ab, die zusammen etwa 300.000 Mitarbeiter haben. Die Behörden mussten einen Fragebogen zu rechtsextremen Fällen in ihren Häusern ausfüllen, den das BfV dann zentral auswertete. (…) In Hessen liefen demnach in den vergangenen drei Jahren 59 dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Bei 50 davon seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, 29 seien eingestellt worden, schrieb die Zeitung. In elf Fällen seien Entlassungen oder Nichternennungen ins Beamtenverhältnis erfolgt. (…) Nordrhein-Westfalen hat für das bundesweite Lagebild 43 Verdachtsfälle von Anfang 2017 bis Ende März 2020 gemeldet. (…) Seitdem sind jedoch zahlreiche Fälle dazugekommen, vor allem bei der Polizei Essen, sodass das Land inzwischen von 100 Rechtsextremismus-Verdachtsfällen seit 2017 spricht…“ Meldung vom 27.09.2020 beim Spiegel online , siehe dazu:
- AfD-Gutachten-Affäre: Berlins Innensenator stellt Verfassungsschutz-Beamten frei
„Wie kam die Berliner AfD an ein 43 Seiten langes Gutachten des Berliner Verfassungsschutzes über sie? Andreas Geisel zog nun erste Konsequenzen in der Affäre. (…) Die „Arbeitsgruppe Kontrolle Verfassungsschutz“ habe in der Abteilung der Innenverwaltung Technik gesichert, wurde jetzt mitgeteilt. Offenbar sollen in Computern, Speichern und Servern Spuren zu dem Leck beim Verfassungsschutz gefunden werden. Daneben ist der Referatsleiter Rechtsextremismus, in dem das Zwischengutachten zur AfD erstellt worden ist, vorerst von seiner Dienstpflicht freigestellt worden. Zudem erstattete die Innenverwaltung eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats. Ob der Mann auch den Bericht, der mit Begleitschreiben an die AfD gegangen war, durchgestochen hat, ist unklar. Er wird jedoch als ein „Maaßen-Typ“ beschrieben, wie in Anspielung auf den früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz zu hören ist…“ Artikel von Alexander Fröhlich vom 23.01.2021 beim Tagesspiegel online - Rechter Schulterschluss: Berliner Verfassungsschutz gibt geheime Informationen an AfD weiter
„Offenbar sind aus dem Berliner Verfassungsschutz heraus als vertraulich eingestufte Unterlagen an die AfD weitergegeben worden, wonach diese nicht als Beobachtungsfall einzustufen sei. Die Senatsinnenverwaltung bestätigte am Mittwochnachmittag, dass man »Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Geheimnisverrats« stellen wird. Für Niklas Schrader, den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist der Vorfall nicht zuletzt ein weiterer Beleg für ein Problem struktureller Art: »Die Sympathien für oder gar Kontakte zur extremen Rechten bei den Sicherheitsbehörden sind keine Einzelfälle.« Ebenfalls am Mittwoch waren genau diese Nicht-Einzelfälle zuvor auch Thema im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Konkret beschäftigte sich das parlamentarische Gremium auf Antrag der CDU mit dem bereits im August vergangenen Jahres von Innensenator Andreas Geisel (SPD) vorgestellten Elf-Punkte-Plan zur Bekämpfung von rechtsextremen Tendenzen bei der Berliner Polizei. Wobei in der Debatte schnell eines klar wurde: Die Christdemokraten gefallen sich insbesondere in der Rolle als Kämpfer gegen die vermeintliche Diskriminierung der Sicherheitsbehörden durch den rot-rot-grünen Senat. Der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz sorgte sich im Ausschuss mit Blick auf das im Elf-Punkte-Plan vorgesehene »Anonyme Hinweisgebersystem« etwa um den Zusammenhalt der Polizeieinheiten. Die seien schließlich »auf Kameradschaft angewiesen«, und da sei es doch »ganz, ganz heikel, in die Einheit Misstrauen zu bringen«. Und auch in der Öffentlichkeit generell dürften all die Maßnahmen gegen rechts »auf keinen Fall das Grundvertrauen in die Polizei beschädigen«, so Lenz. (…) Allein: Die Zahl der letztlich auch disziplinarrechtlich verfolgten Fälle hält sich schwer in Grenzen. Nach Akmanns Angaben hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr gerade einmal 24 Strafverfahren gegen eigene Kollegen wegen rechtsextremer Vorfälle eingeleitet. Gleichzeitig laufen aktuell 47 Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremer oder rassistischer Äußerungen. Die insgesamt niedrige Zahl der Fälle nimmt sich umso erstaunlicher aus, als immer wieder neue Fälle von Polizeibeamten mit ausgeprägtem Rechtsdrall bekannt werden. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt vor allem die Existenz einer Chatgruppe aus 26 Polizisten, von denen mehrere Nachrichten mit rassistischen Inhalten oder Hakenkreuzen ausgetauscht hatten. Von Berlins Datenschutzbeauftragter Maja Smoltczyk gab es nun eine zusätzliche Beanstandung. In ihrem noch unveröffentlichten Jahresbericht rügt sie laut nd-Informationen die rechtswidrige Praxis der Berliner Polizei, in Strafanzeigen, Durchsuchungs-, Zwischen- oder Schlussberichten Begriffe wie »Roma«, »Sinti« und »Zigeuner« zu verwenden.“ Artikel von Rainer Rutz vom 20. Januar 2021 in neues Deutschland online - Rechtsextremismus-Verdachtsfälle beim NRW-Verfassungsschutz
“… Nach der Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist nach Berichten des ARD-Magazins »Monitor« auch in Berlin ein rassistischer Polizeichat aufgetaucht. Darin sei in Bezug auf Muslime von »fanatischer Primatenkultur« die Rede, Flüchtlinge würden mit Vergewaltigern oder »Ratten« gleichgesetzt und Neonazis als mögliche »Verbündete« bei linken Demonstrationen bezeichnet. In dem internen Chat einer Dienstgruppe der Berliner Polizei hätten sich mehr als 25 Beamte ausgetauscht. Dem vom WDR verantworteten Magazin lag nach eigenen Angaben der Chatverlauf über mehrere Jahre bis Mitte 2020 exklusiv vor. Mehrere Beamte hätten sich darin regelmäßig klar rassistisch geäußert, häufig in Form von vermeintlichen Witzen. Kollegen hätten die Äußerungen häufig mit Zustimmung kommentiert. Laut »Monitor« vorliegenden Unterlagen sei ein Vorgesetzter über rassistische Äußerungen im Chat informiert gewesen, berichtet das Magazin weiter. In einer E-Mail habe er die Beamten aber offenbar lediglich aufgefordert, keine strafrechtlich relevanten Inhalte zu teilen. Die Ausstrahlung der Sendung stand für Donnerstagabend im Programm. Auch beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz gibt es jetzt Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus. Drei Mitarbeiter des Observationsteams stünden unter diesem Verdacht, wie das Landesinnenministerium der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Donnerstagsausgabe) mitteilte. Zudem stehe eine vierte Person unter Rechtsextremismus-Verdacht, die im Innenministerium als »Verwaltungssachbearbeiter/in in der Polizeiabteilung« tätig gewesen sei. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes seien aufgefallen, weil sie in Onlinenetzwerken und Chats Videos »mit islam- oder fremdenfeindlicher Konnotation« verschickt hätten, erklärte das Ministerium der Zeitung zufolge. Den Hinweis auf die Chatgruppe innerhalb des Observationsteams hätten Kollegen geliefert, die diese Videos erhalten hätten. Bei dem oder der Angestellten in der Polizeiabteilung waren demnach Facebook-Kontakte zu Mitgliedern der rechtsextremistischen Szene aufgefallen. Die drei verdächtigten Mitarbeiter im Verfassungsschutz waren den Angaben zufolge unter anderem für die Beobachtung von Rechtsextremisten zuständig. Die Observationsteams würden grundsätzlich in allen Bereichen eingesetzt, also auch in jenem des Rechtsextremismus, erläuterte das Innenministerium…” Bericht vom 1. Oktober 2020 in neues Deutschland online
Siehe zuletzt: Verfassungsschutzbericht 2020: Der Staat und seine Delegitimierer