Überwachen und dulden. Zwischen Repression und Toleranz, Kontrolle und Liberalität. Eigenlogiken von Staat und Markt
„Nationalstaat und Ökonomie folgen in der kapitalistischen Gesellschaft – jedenfalls in Teilen – unterschiedlichen Logiken, die man als Logik der Souveränität und als Logik des Marktes bezeichnen kann. (…) Die staatlichen Sicherheitsbehörden folgen Eigengesetzlichkeiten, die wesentlich an der Logik der Souveränität, des Gewaltmonopols und der Homogenität ausgerichtet sind, auch wenn die Behörden in den 1990ern mit Blick auf die Form der Steuerung auf eine ökonomische Logik umgestellt wurden. Weil die Logik der Souveränität und des Gewaltmonopols in den Sicherheitsbehörden dominant ist und sein muss, reagieren sie anders auf die Differenz in der Gesellschaft als andere Abteilungen des Staates. Ihre Eigenlogik gerät in ein Spannungsfeld zu den »neuen« Entwicklungen in der Gesellschaft, die in anderen Bereichen des Staates schneller rezipiert wurden und denen man dort eher folgen konnte. Polizei und Verfassungsschutz sind – das ahnt man – um die Logik der inneren Sicherheit zentriert. (…) Die Logik der Sicherheit ist keineswegs auf die Differenz der Lebensstile eingestellt und die Sicherheitsorgane versuchen geradezu panisch, die Kontrolle zu behalten. Die informationelle Aufrüstung lässt sich so – auch – als Reaktion von Teilen des Staates verstehen, den Verlust an Normalität und äußerlicher Konformität durch eine Steigerung der Kontrolle auszugleichen…“ Artikel von Andreas Fisahn in der jungen Welt vom 03.01.2022 als Vorabdruck aus seinem Buch „Repressive Toleranz und marktkonforme Demokratie. Zur Entwicklung von Rechtsstaat und Demokratie in der Bundesrepublik“ im Papy-Rossa-Verlag