Staatliches Hacken als neue BKA-Befugnis: Heimliche Wohnungsdurchsuchung mit Staatstrojaner, Biometrie, Big Data…

Dossier

„SOGenannte Sicherheit“ - Bündnis gegen die Verschärfung des SOG in MVDas BKA soll heimlich in Wohnungen einbrechen dürfen, um Staatstrojaner zu installieren. Das steht in einem Gesetzentwurf des Innenministeriums. Beim Staatshacken sind offenbar alle Maßstäbe verloren. Die Innenministerin und Sozialdemokratin Nancy Faeser möchte eine neue Befugnis für das Bundeskriminalamt schaffen: Nach einem Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium, über den die taz externer Link und die tagesschau berichten externer Link, sollen Beamte künftig heimlich in Wohnungen einbrechen und die Räumlichkeiten „verdeckt“ durchsuchen dürfen. Das allein ist schon ein Novum, über das in einem Rechtsstaat intensiv gesprochen werden müsste. Aber diese Befugnis zum „verdeckten Betreten von Wohnungen“ ist auch geplant als „Begleitmaßnahme für die Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung“. Gemeint ist damit der Staatstrojaner, entweder als Möglichkeit, um das betroffene System verdeckt vollständig zu durchleuchten, oder als Variante, um nur Kommunikation heimlich zu belauschen…“ Kommentar von Constanze am 14.08.2024 in Netzpolitik externer Link („Heimliche Wohnungsdurchsuchung mit Staatstrojaner“), siehe u.a. auch den Gesetzentwurf:

  • BKA-Gesetz: Wenn der Staat zum Spanner wird New
    Die Bundesregierung will Polizei und Migrationsbehörden erlauben, alle Gesichtsfotos im Internet zu speichern und zu nutzen. AlgorithmWatch kritisiert diese neue Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Die Bundesregierung muss stattdessen geltendes Recht umsetzen – und Gesichtssuchmaschinen verbieten. (…)
    Wir alle sind im Netz wiederzufinden, ob wir wollen oder nicht. Jedes Mal angestrengt wegzugucken, wenn jemand im Vorbeilaufen ein Foto macht, ist auf Dauer mindestens etwas anstrengend. Am Ende landet das Bild dann doch auf Social Media. Firmen wie Clearview AI und PimEyes haben es zu ihrem Geschäftsmodell gemacht, öffentlich einsehbare Bilder aus dem Netz in Datenbanken abzuspeichern und sie durchsuchbar zu machen. Eine Geschäftspraxis, die von Datenschützern über die Jahre immer wieder beanstandet und mit Bußgeldern geahndet wurde – allein schon, weil die abgebildeten Personen nie in die Bildernutzung eingewilligt haben. Erst diese Woche hat die niederländische Datenschutzbehörde eine Strafe von 30,5 Millionen Euro gegenüber Clearview AI wegen des illegalen Aufbaus einer Datenbank verhangen, die mittlerweile mehr als 50 Milliarden Fotos umfassen soll. Wenn Polizeigewerkschaften in Deutschland fordern, dass sie solche riesigen Gesichtsdatenbanken nutzen wollen, sagen sie also gleichzeitig, dass sie damit eine illegale Praxis unterstützen wollen. (…)
    Die Rufe nach mehr biometrischen Überwachungsbefugnissen sind aber mitnichten neu. Seit mehreren Jahren läuft die Debatte um KI-getriebene Überwachungsmaßnahmen im öffentlichen Raum. (…)
    Der Fall von Woodruff externer Link zeigt das reale Risiko, das auf künstlicher Intelligenz basierende Tools für unschuldige Menschen darstellt. Untersuchungen weisen außerdem immer wieder darauf hin, dass die Falschpositivraten für People of Color und insbesondere Schwarze Frauen besonders hoch sind.
    In erster Linie hätte ihr Bild aber erst gar nicht in der Polizeidatenbank landen sollen. (…) Nach dem Anschlag von Solingen ist dieses Vorhaben zu einem Teil des „Sicherheitspakets“ der Bundesregierung geworden, obwohl völlig unklar ist, was eine Polizeibefugnis zur massenhaften Gesichtserkennung in dem Fall hätte bewirken sollen. Dennoch ist es Faeser so gelungen, ihre Ampel-Partner, insbesondere Justizminister Buschmann, als Unterstützer zu mobilisieren, der sich zuvor zu ihren Plänen skeptisch geäußert hatte. In diesem Sicherheitspaket taucht also neben erweiterten Befugnissen für Big-Data-Analysen und Wohnungsdurchsuchungen auch die Forderung nach Gesichtserkennungstools für die Polizei wieder auf. In welchem Ausmaß dieser Wunsch nach Befugnissen in dem Sicherheitspaket ausbuchstabiert wird, verwundert dabei allerdings doch. Ermittlungsbehörden sollen die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten bekommen, um Tatverdächtige identifizieren zu können. Man beachte: Der Begriff Internetdaten ist hier viel weiter gefasst als Gesichtsbilder. Künftig dürfte vor allem auch Videomaterial relevant werden, beispielsweise um die individuelle Gangart, die Stimme und spezifische Sprechmuster von Menschen zu erfassen und identifizierbar zu machen. Das kommt einer neuen Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung gleich…“ Gastbeitrag von Pia Sombetzki vom 06.09.2024 in Netzpolitik externer Link
  • BKA-Gesetz: Wenn Polizisten zu Einbrechern mutieren – das Gesetz würde den Informantenschutz aushöhlen und die Pressefreiheit schwächen
    Innenministerin Faeser will der Polizei erlauben, heimlich in Wohnungen einzubrechen, auch um Staatstrojaner zu installieren. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband erinnert das an die Watergate-Affäre in den USA. Das Gesetz würde den Informantenschutz aushöhlen und die Pressefreiheit schwächen. (…)
    Wer schützt Journalist:innen?
    Vor sieben Jahren hat die Große Koalition beschlossen, dass Polizei und Geheimdienste sogenannte Staatstrojaner einsetzen dürfen, um die Geräte von Verdächtigen zu hacken und ihnen Überwachungssoftware unterzuschieben. Ziel der Maßnahmen ist nicht nur, Straftaten aufzuklären, sondern auch Kommunikation präventiv zu überwachen, bevor eine Straftat begangen wird. Das darf das BKA zur Abwehr „einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt“. Unter Umständen dürfen dazu auch Kontaktpersonen der Verdächtigen gehackt werden. Soweit, so schlecht. Denn wer gehört zu den Kontaktpersonen? Und wer entscheidet über die „dringende Gefahr“, die es abzuwehren gilt? Wie kann ausgeschlossen werden, dass etwa die Kommunikation zwischen recherchierenden Journalisten und Tatverdächtigen abgeschöpft und ausgewertet wird? Und wer schützt Journalistinnen und Journalisten vor übereifrigen Ermittlern? (…)
    Pressefreiheit massiv unter Druck
    Was würde sich ändern, wenn Polizisten Wohnungen heimlich aufbrechen und Staatstrojaner installieren dürften? Der Informantenschutz, den Journalisten ihren Tippgebern garantieren müssen, würde ausgehöhlt, das Redaktionsgeheimnis auch. Die Pressefreiheit, in Deutschland wegen der Übergriffe von Rechtsextremisten auf Medienschaffende eh schon massiv unter Druck, würde weiter an Bedeutung verlieren. Wie viele Straftaten sich so verhindern ließen, steht in den Sternen. Und wer garantiert, dass die fürsorglichen Besuche der Hacker in Uniform nicht auch dann erfolgen, wenn gegen besonders renitente Klimaaktivisten mit weitreichenden Pressekontakten ermittelt wird? Das Pressetelefon der Letzten Generation hat die Polizei bereits abgehört. Ob sich Polizisten eigentlich gern als Einbrecher im Staatsauftrag einsetzen lassen? Im Fall Watergate waren die Klempner Kriminelle und keine Polizisten. Aber das ist auch schon über ein halbes Jahrhundert her.“ Gastbeitrag von Hendrik Zörner vom 28.08.2024 in Netzpolitik externer Link
  • Trojaner, Biometrie, Big Data: Wir veröffentlichen den Entwurf zum neuem BKA-Gesetz
    „Innenministerin Nancy Faeser fordert neue Befugnisse für die Polizei. Beamte sollen Wohnungen heimlich betreten und biometrische Überwachung im Internet durchführen. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf zur Änderung der Polizeigesetze. Mehrere Vorhaben widersprechen dem Koalitionsvertrag.
    Die Bundesregierung will die Befugnisse für Polizeibehörden wie das Bundeskriminalamt ausweiten. Das Innenministerium von Nancy Faeser hat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Zunächst berichteten der Spiegel und Christian Rath in mehreren Medien. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf in Volltext.
    Das BKA-Gesetz zu ändern, steht nicht im Koalitionsvertrag. Offizieller Anlass ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Datenaustausch zwischen Polizeibehörden externer Link . Doch das Innenministerium plant mehrere Vorhaben, die mit der Richtlinie nichts zu tun haben und dem Koalitionsvertrag widersprechen.
    Heimlich in Wohnungen einbrechen
    Das BKA soll in Zukunft „Wohnungen ohne Wissen der Betroffenen durchsuchen“. Die Polizei soll Durchsuchungen durchführen, „potentielle Tatmittel unbrauchbar machen“ – und IT-Geräte hacken. Seit 15 Jahren darf das BKA Staatstrojaner einsetzen, seit sieben Jahren darf jede Polizei hacken. Der Staat hackt jede Woche, vor allem wegen Drogen. Bisher darf die Polizei Wohnungen nicht heimlich betreten, um Trojaner zu installieren. Das will Innenministerin Faeser jetzt erlauben (…)
    Biometrische Überwachung im Internet
    Das neue Gesetz erlaubt der Polizei, Personen anhand biometrischer Daten in „öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet“ zu suchen. So sollen „Personen identifiziert und lokalisiert sowie Tat-Täter-Zusammenhänge erkannt werden“. Prominentes Beispiel ist Gesichtserkennung mit Tools wie Clearview AI und PimEyes. Diese Befugnis gilt nicht nur für Bundeskriminalamt und Bundespolizei, sondern mittels Strafprozessordnung für alle Polizeibehörden. Die Polizei soll nicht nur nach Verdächtigen suchen, sondern auch andere Personen wie „Kontaktpersonen, Opfer und Zeugen“. Biometrische Merkmale sind dabei nicht nur „Lichtbilder und Fingerabdrücke“, sondern auch „weitere Identifizierungsmerkmale“ wie zum Beispiel „Bewegungs-, Handlungs- oder Sprechmuster“. Dazu steht im Koalitionsvertrag: „Den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“
    Big Data wie Palantir
    Polizeibehörden nutzen viele Datenbanken, je nach Zweck und Rechtsgrundlage. Der neue Gesetzentwurf soll es der Polizei ermöglichen, die „verschiedenen Datenbestände technisch zusammenzuführen“. Mit „automatisierter Datenanalyse“ wollen die Behörden „neues Wissen erzeugen“. Das Versprechen von Big Data und Palantir…“ Beitrag von Andre Meister vom 15.08.2024 in Netzpolitik externer Link mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes und weiterer Gesetze“ im Volltext
  • Bundesinnenministerium: BKA soll heimlich Wohnungen durchsuchen dürfen
    „… Das Bundesinnenministerium will dem Bundeskriminalamt (BKA) die Befugnis geben, künftig heimlich Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen. Das BKA habe eine zentrale Position in der Strafverfolgung und zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, dafür benötige es wirksame und moderne Instrumente in der analogen wie digitalen Welt, heißt es aus Sicherheitskreisen. Zuerst hatten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks (RND) Deutschland berichtet. Der Entwurf zur Reform des BKA-Gesetzes, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, umfasst „die Befugnis zum verdeckten Betreten von Wohnungen als Begleitmaßnahme für die Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung“, also das Anbringen von Spähsoftware auf Desktops oder Smartphones, sowie die Befugnis „zur verdeckten Durchsuchung von Wohnungen“…“ Meldung vom 14. August 2024 bei tagesschau.de externer Link

Siehe dazu auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=222517
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