[„Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“] Noch mehr Staatstrojaner: Verfassungsschutz soll hacken dürfen

Dossier

Hausdurchsuchung der Redaktion und des Vorstandes von LabourNet Germany in Bochum am 05. Juli 2005… Wer dachte, die enorme Ausweitung der Befugnisse bei Staatstrojanern in der letzten Legislaturperiode sei schon das Ende der Fahnenstange, der wird nun von den neuen Plänen der schwarz-schwarz-roten Koalition zu noch mehr staatlichem Hacken überrascht. Unter der Ägide von Heimatminister Horst Seehofer (CSU) soll nun auch Geheimdiensten die Nutzung von Staatstrojanern erlaubt werden. Diesmal geht es nicht nur um die kastrierte Variante der Schadsoftware, die heimlich auf Geräten eingeschleust wird und dann ausschließlich laufende Gespräche mithören darf, sondern um die sogenannte „Online-Durchsuchung“. Dabei handelt es sich um eine Spionagesoftware, die den gesamten Inhalt von Festplatten von Computern, Smartphones und anderen informationstechnischen Geräten durchsuchen und ausleiten kann. (…) Wir dürfen gespannt sein, ob sich der Koalitionspartner SPD nun dem Wunsch des Heimatministeriums nach geheimdienstlichen Trojanern anschließen wird. Vielleicht können die Sozialdemokraten die Christenunion an das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme erinnern.“ Beitrag von Constanze Kurz vom 1. August 2018 bei Netzpolitik externer Link. Siehe dazu auch „Das Innenministerium reagiert auf die demokratische Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes: Mit einem Ausbauplan – bis ins Kinderzimmer. Und steht dank Brandenburg damit nicht alleine…“ sowie unser Dossier von 2018 [Staatstrojaner] Gesetzentwurf sieht massenhaften Einbruch in Computer und Smartphones vor: Digitaler Polizeistaat und hier:

  • Prantls Blick: Warum der Verfassungsschutz aufgelöst werden sollte New
    „Die Inlandsgeheimdienste sind verantwortlich für eine endlose Kette von Skandalen. Dafür werden sie mit immer neuen Kompetenzen belohnt, dürfen jetzt auch Smartphones und Rechner hacken. Sie abzuschaffen wäre besser. Es ist passiert. Der Bundestag hat soeben das getan, was ich in diesem Newsletter schon vor drei Wochen kritisiert habe: Er hat neue Wanzen genehmigt. (…) Um den Geheimdiensten solche Dinge zu erlauben, muss man schon sehr viel Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit und Integrität haben. Gleichzeitig mit der vom Bundestag per Gesetz gebilligten Aufrüstung der Geheimdienste erreichte die Öffentlichkeit die Nachricht von einer illegalen Datensammlung des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz; das ist der Geheimdienst des Bundeslandes Sachsen. Er hat offenbar über viele Jahre hin Informationen und personenbezogene Daten über nahezu alle Abgeordneten des Landtages gesammelt und gespeichert, auch Daten über Regierungsmitglieder – über Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zum Beispiel, den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Dieser seltsame Verfassungsschutz darf also künftig Smartphones und Computer hacken – und kann so noch viel mehr Daten von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern sammeln. Es ist veranlasst, sich die Geheimdienste, die so reichlich mit immer neuen Kompetenzen ausgestattet werden, näher anzuschauen. (…) Die Verfehlungen, Versäumnisse und Vertuschungen, die Pflichtverletzungen und Pflichtvergessenheiten addierten sich zum GAU des Verfassungsschutzes in Deutschland. GAU? Es ging mehr als nur um einen Unfall. Es ging um ein Morden, das durch das Neben- und Gegeneinander zumal von Geheimdienstbehörden des Bundes und der Länder erleichtert wurde. Gäbe es ein Strafrecht für Behörden – dieser Verfassungsschutz hätte für sein brutales Versagen die Höchststrafe verdient (…) Die Frage, wer die Verfassung vor ihren Schützern schützt, ist zwar bissig, aber wichtig und richtig. Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags und der Landtage sind gutwillig, aber überfordert. Deshalb: Wenn die Inlandsgeheimdienste immer mehr polizeiliche Aufgaben übernehmen, dann sollten sie in die Polizei eingegliedert und wie die Polizei kontrolliert werden…“ Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl vom 13. Juni 2021 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Reporter ohne Grenzen strebt Verfassungsbeschwerde an
    „Anlässlich der heutigen Bundestagsabstimmung über den künftigen Einsatz von Staatstrojanern durch die Nachrichtendienste warnt Reporter ohne Grenzen vor dem drohenden gravierenden Schaden für die Pressefreiheit und den digitalen Quellenschutz. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, planen RSF und der Berliner Rechtsanwalt Prof. Niko Härting gemeinsam zügig Verfassungsbeschwerde einzulegen. Wiederholt hatten zivilgesellschaftliche Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, betroffene Kommunikationsanbieter und zuletzt auch die im Innenausschuss angehörten Rechtsexperten scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf geübt und die Achtung von Bürgerrechten angemahnt. „Ungeachtet aller Warnungen der Sachverständigen wollen die Regierungsfraktionen nun allen Nachrichtendiensten die Möglichkeit zum Hacking vertraulicher Kommunikation und Daten einräumen. Journalistinnen und Journalisten schließen sie dabei als potenzielle Ziele bewusst nicht aus“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Einen so massiven Angriff auf die Vertraulichkeit journalistischer Recherchen und die Anonymität von Quellen dürfen wir nicht hinnehmen. Sollte das Gesetz heute Zustimmung finden, werden wir zügig Verfassungsbeschwerde einreichen, um einen angemessenen Schutz des Kommunikationsgeheimnisses im digitalen Raum und der Pressefreiheit in Karlsruhe zu erstreiten.“ (…) Mangelnde Transparenz- und Informationspflichten der Dienste hindern möglicherweise Betroffene zugleich daran, sich auf dem Rechtsweg gegen Überwachungsmaßnahmen zu wehren. Gegen diesen Missstand geht Reporter ohne Grenzen gemeinsam mit Prof. Niko Härting derzeit mit einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor, zu der die Bundesregierung bis Ende September 2021 Stellung nehmen muss.“ Kommentar von Reporter ohne Grenzen vom 10. Juni 2021 externer Link
  • Bundespolizeigesetz: Große Koalition einigt sich auf Staatstrojaner-Einsatz schon vor Straftaten
    „… Die Große Koalition im Bundestag hat sich auf einen Kompromiss zum Bundespolizeigesetz verständigt. (…) Mit dem neuen Gesetz darf die größte Polizei Deutschlands Staatstrojaner gegen Personen einsetzen, die noch gar keine Straftat begangen haben. Die Bundespolizei erhält die Befugnis zur präventiven Telekommunikationsüberwachung, auch mittels Schadsoftware auf Endgeräten. Der Einsatz soll „sich gegen Personen richten, gegen die noch kein Tatverdacht begründet ist und daher noch keine strafprozessuale [Telekommunikationsüberwachung] angeordnet werden kann“. Im Februar sagte uns die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, die Bundespolizei bekomme den Staatstrojaner „auf keinen Fall präventiv, also nicht unterhalb der Schwelle der Strafprozessordnung“. Dieses Versprechen hält die SPD nicht ein. Unsere Presseanfrage von gestern hat Esken nicht beantwortet. (…) Uli Grötsch, der für die SPD im Innenausschuss am Gesetz gearbeitet hat, kommentiert gegenüber netzpolitik.org: „Uns ist wichtig, dass die Bundespolizei im Rahmen ihrer Befugnisse nicht auf gespeicherte Inhalte zugreifen, sondern nur laufende Kommunikation überwachen kann.“ Beobachter könnten das als Eingeständnis sehen, dass auch die „Quellen-TKÜ plus“ in der Strafprozeßordnung rechtswidrig ist. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat Verfassungsbeschwerde dagegen eingereicht. Grötsch verweist auf dieses Verfahren: „Die Regelung in der Strafprozeßordnung wird derzeit durch das Bundesverfassungsgericht überprüft und auch daher sollten wir vor neuen entsprechenden Regelungen eine Entscheidung abwarten.“…“ Beitrag von Andre Meister vom 8. Juni 2021 bei Netzpolitik externer Link
  • Verfassungsschutzgesetz: ver.di appelliert an Bundestag, umstrittenes Gesetz nicht zu verabschieden
    „… Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, verwies auf die Bedrohung der Pressefreiheit: „Auch Journalistinnen und Journalisten sollen nach dem neuen Gesetz überwacht werden dürfen, obwohl sie als Berufsgeheimnisträger zu den besonders geschützten Personengruppen gehören. Das gefährdet vor allem den investigativen Journalismus, der auf eine vertrauliche Kommunikation mit Informantinnen und Informanten angewiesen ist.“ Schon jetzt gerieten außerdem immer wieder Medienschaffende auf fragwürdigen Grundlagen ins Visier des Verfassungsschutzes. „Statt hier Abhilfe durch mehr Transparenz und Kontrolle zu schaffen, zementiert das Gesetz in der jetzigen Form diesen Missstand“, kritisierte Hofmann.“ Pressemitteilung vom 09.06.2021 externer Link
  • [Google, Facebook und CCC] Offener Brief: Alle gegen noch mehr Staatstrojaner 
    In einem offenen Brief wendet sich eine denkbar breite Allianz gegen die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, mit der die Erlaubnis zur Nutzung von Staatstrojanern stark ausgeweitet und zugleich Verschlüsselungsmaßnahmen geschwächt würden. Es gibt nur wenige Gesetzesvorschläge, bei denen sich einfach alle einig sind, dass sie ganz schlechte Ideen sind. Für das Ende der Legislaturperiode hat die Koalition aus CDU, CSU und SPD gleich zwei davon auf der To-Do-Liste: Mit dem Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts sollen alle deutschen Geheimdienste die Befugnis zum Hacken erhalten. Das Bundespolizeigesetz soll der Behörde nicht nur den Einsatz von Staatstrojanern gestatten, sondern auch noch erlauben, damit Personen zu hacken, die gar keine Straftat begangen haben oder einer verdächtigt werden: Denn neben den verdächtigen Zielpersonen sollen auch Unverdächtige gehackt werden dürfen. Und mit der maßlosen Ausweitung der Trojanereinsätze ist es nicht getan: Anbieter von Internet-Diensten sollen verpflichtet werden, aktiv bei der Infektion der Geräte ihrer Kundinnen mitzuwirken. So sollen offenbar insbesondere Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger gezielt geschwächt werden. „Dies wäre der Todesstoß für das Vertrauensverhältnis zwischen Nutzerinnen und Anbieterinnen“, sagte Linus Neumann, Sprecher des CCC. Um die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu brechen, muss auf jeden Fall in die Integrität der Geräte eingegriffen werden – ein Grundrechtseingriff mit weitreichenden Konsequenzen…“ Offener Brief vom 2.6.2021 bei CCC externer Link und weiterführende Informationen
  • Staatstrojaner für Geheimdienste: „Sehenden Auges in die Verfassungswidrigkeit“​ 
    „… Bei einer Anhörung im Bundestag am Montag äußerten Sachverständige erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Plan der Bundesregierung, den deutschen Geheimdiensten künftig den Einsatz von Staatstrojanern zur Überwachung von Messengern zu ermöglichen. Der Gesetzgeber laufe damit „sehenden Auges in die Verfassungswidrigkeit“, warnte etwa der Göttinger Staatstrechtler Benjamin Rusteberg. Bei der vorgesehenen erweiterten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ plus) sollen Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und der Verfassungsschutzämter der Länder auch auf gespeicherte Chats und andere Nachrichten zugreifen können. Das werde den Anforderungen des Grundrechts auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen nicht gerecht, kritisierte Rusteberg. (…) In den geplanten weitreichenden Mitwirkungs- und Duldungspflichten für Diensteanbieter sieht Rusteberg ein „ganz erhebliches Missbrauchspotenzial“. Damit werde nicht nur eine Kopie der Kommunikation ausgeleitet, sondern gezielt Manipulation der Daten durch die Geheimdienste ermöglicht: „Jedem könnte alles auf die Rechner gespielt werden.“ Angedacht sei etwa, über ein Windows-Update ohne die Mithilfe von Microsoft einen Trojaner zu installieren. Der Anbieter könnte dann keine Garantie mehr übernehmen. In Eilfällen wäre eine Rundum-Überwachung machbar, gab der Mitherausgeber des Verfassungsblogs zu bedenken. Die G10-Kommission, die eigentlich Eingriffe ins Fernmeldegeheimnis durch die Geheimdienste vorab kontrollieren soll, könnte hier zunächst nicht eingreifen. (…) Auch Kurt Graulich, Ex-Richter am Bundesverwaltungsgericht, wertete die mit einer „Festplattendurchsicht“ kombinierte Quellen-TKÜ als „äußerst schweren Eingriff“. (…) Dass der breite Einsatz von Staatstrojanern einfach als „Fremdkörper“ ins G10-Gesetz eingeführt werden solle, das den Geheimdiensten Eingriffe ins Fernmeldegeheimnis gestattet, kritisierte Ralf Poscher, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. (…) Das Ausnutzen bislang nicht bekannter Schwachstellen „geht gar nicht“, schlug der Mainzer Staatsrechtler Matthias Bäcker in die gleiche Kerbe. Solche Zero-Day-Exploits verursachten Gefahren, die nicht zu rechtfertigen seien, Sie müssten „zwingend verboten werden“…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 17. Mai 2021 bei heise online externer Link – siehe auch [Staatstrojaner] Gesetzentwurf sieht massenhaften Einbruch in Computer und Smartphones vor: Digitaler Polizeistaat
  • Bundesregierung beschließt Staatstrojaner für alle Geheimdienste 
    „Alle 19 Geheimdienste von Bund und Ländern dürfen demnächst heimlich Geräte hacken. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Lange hatte die SPD Bauchschmerzen, jetzt ist sie umgekippt. Auch die Vorsitzende Saskia Esken war dagegen, jetzt trägt sie den Kompromiss mit. Die Bundesregierung hat soeben beschlossen externer Link, allen 19 Geheimdiensten den Einsatz von Staatstrojanern zu erlauben. Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts externer Link angenommen, er kommt damit in den Bundestag. (…) Mit dem jetzt beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung hat sich Innenminister Seehofer durchgesetzt. Der Staatstrojaner wird nicht auf den Bundes-Verfassungsschutz oder den Auslandsgeheimdienst BND beschränkt, neben dem Militärgeheimdienst MAD dürfen auch alle 16 Landesämter für Verfassungsschutz Endgeräte hacken, um Kommunikation auszuleiten. Eine zunächst diskutierte Beschränkung auf Fälle, in denen Anschläge unmittelbar bevorstehen und ausländische Geheimdienste bereits Informationen geliefert haben, findet sich nirgends. Damit können die Landesämter alle ausspionieren, die sie beobachten, beispielsweise den Verein der Verfolgten des Naziregimes in Bayern oder Ende Gelände in Berlin. Auch die umstrittene Verpflichtung von Internet-Anbietern, bei der Installation der Schadsoftware zu helfen, ist im aktuellen Gesetzentwurf enthalten. Zur Frage der IT-Sicherheit verliert die Bundesregierung kein Wort. Gestern haben Innenministerium und BSI vor einem weiteren Anstieg von Sicherheitslücken und Schadprogrammen gewarnt. Heute wird beschlossen, dass immer mehr Behörden Sicherheitslücken lieber offen halten sollen statt sie zu schließen. Das gefährdet die innere Sicherheit der ganzen Gesellschaft…“ Beitrag von Andre Meister vom 21. Oktober 2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Provider als Hilfssheriffs – protestieren / Informantenschutz: Medienbündnis warnt vor Staatstrojanern für den Verfassungsschutz 
    • Staatstrojaner: Provider sollen Internetverkehr umleiten, damit Geheimdienste hacken können
      Geheimdienste wollen Hardware bei Internet-Providern installieren, um Staatstrojaner in Datenverkehr einzuschleusen. Das steht in einem Gesetzentwurf zum Verfassungsschutzrecht, den die Bundesregierung nächste Woche beschließen will. Die Provider wollen keine Hilfssheriffs sein. Kriminelle installieren Schadsoftware oft mittels Phishing. Die Polizei installiert Staatstrojaner oft über physischen Zugriff auf das Zielgerät. In Zukunft wollen die Geheimdienste ihre Schadsoftware direkt beim Provider in Downloads der Zielperson einspeisen. Mit einer Webseite, einer App oder einem Update kommt dann auch der Trojaner auf das Gerät. Dafür will die Bundesregierung Anbieter von Telekommunikation verpflichten, Datenströme an die Geheimdienste umzuleiten. Das steht im Gesetzentwurf zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, den wir veröffentlicht haben. Konkret müssen Anbieter die Installation des Staatstrojaners „durch Unterstützung bei der Umleitung von Telekommunikation … ermöglichen“. Die Dienste-Anbieter sollen nicht nur eine Kopie der Daten ausleiten, das wäre eine normale Telekommunikationsüberwachung. Stattdessen sollen „die umgeleiteten Daten nach Durchführung der Maßnahme zur Weiterleitung an den Adressaten bestimmt bleiben“. Der Datenverkehr soll also durch einen Hacking-Proxy der Geheimdienste geleitet werden. (…) Die Internet-Anbieter kritisieren, dass die Bundesregierung sie zu Hilfssheriffs macht. Im Rahmen der Verbändebeteiligung haben sie Stellungnahmen an die Bundesregierung geschickt. Der Branchenverband eco bezeichnet die Umleitung von Datenverkehr externer Link als „besonders intensiven Eingriff“, der „eine Vielzahl an rechtlichen und prozeduralen Fragen aufwirft“. Der Verband der Internetwirtschaft sieht das Vorhaben „äußerst kritisch und lehnt insbesondere eine Veränderung und Manipulation der Kommunikation sowie deren Unterdrückung ab“…“ Beitrag von Andre Meister vom 09.07.2020 bei Netzpolitik externer Link, siehe auch:

      • Firmen sollen Geheimdiensten beim Installieren von Staatstrojanern helfen
        Die Regierung will Telekommunikationsanbieter in die Pflicht nehmen – etwa indem sie dem Verfassungsschutz helfen, Überwachungssoftware auf Geräte von Verdächtigen zu spielen. Die Branche und die Opposition protestieren…“ Artikel von Patrick Beuth vom 09.07.2020 beim Spiegel online externer Link
    • Überwachung: Medienbündnis warnt vor Staatstrojanern für den Verfassungsschutz
      Eine breite Medienallianz kritisiert den Plan von Innenminister Seehofer, alle Geheimdienste zu Staatshackern zu machen. Der Informantenschutz sei in Gefahr. Der Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium für ein Gesetz „zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ droht den Informantenschutz von Journalisten noch weiter auszuhöhlen. Davor warnt ein breites Bündnis aus neun Medienorganisationen und -unternehmen in einer gemeinsamen Stellungnahme zu der Initiative aus dem Haus von Horst Seehofer (CSU). Es sei an der Zeit, beim Quellenschutz endlich „dringend nötige Korrekturen vorzunehmen“. Nach Auffassung der Allianz, der neben ARD und ZDF die Verlegerverbände BDZV und VDZ, der Verband Privater Medien Vaunet sowie die Journalistenvertretungen DJV und dju angehören, gehen mit dem Entwurf „eine Reihe von Gefahren für die journalistische Arbeit in Deutschland einher“. Dringend nötige Korrekturen, die das Redaktionsgeheimnis in das digitale Zeitalter übertragen würden, blieben dagegen aus. Der Gesetzgeber sei damit dabei, „eine unrühmliche Geschichte“ fortzuschreiben und die Freiräume für Journalisten bei ihrem Arbeitsalltag im Internet immer mehr zu begrenzen. (…) „Der Schutz von Berufsgeheimnisträgern soll dem Referentenentwurf zufolge zwar für Rechtsanwälte, nicht aber für Journalisten gelten“, heißt es in dem Schreiben. So werde ein Zwei-Klassen-System geschaffen, „das den Informantenschutz bei Presse und Rundfunk und das Redaktionsgeheimnis nicht ausreichend gewährleistet“. (…) Die Verbände und Institutionen fordern daher, dass die Bundesregierung „ihren vielfältigen Bekenntnissen zur Presse- und Rundfunkfreiheit“ gerecht werde und den Schutz von Journalisten stärken müsse. In jedem Fall sollte die Politik der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Folge leisten. Sie müsse dazu „eine ausreichend bestimmte, enge Eingriffsermächtigung im Gesetz selbst vorzusehen, die der Bedeutung der Grundrechte, in die die Überwachungsmaßnahme eingreift, Rechnung trägt“. Zudem sei ein Vorabprüfung der Journalisten betreffenden Spionagetätigkeiten durch eine unabhängige gerichtliche Instanz sicherzustellen.“ Info von Stefan Krempl vom 7. Juli 2020 bei heise online externer Link
  • Verfassungsschutzgesetz: Bundesregierung einigt sich auf Staatstrojaner für Inlandsgeheimdienst 
    „… Seit über einem Jahr verhandeln Justiz- und Innenministerium über ein neues Gesetz für den Verfassungsschutz. Im März 2019 haben wir den Entwurf des Innenministeriums veröffentlicht und getitelt: Seehofer will Staatstrojaner für den Verfassungsschutz. Die damalige Justizministerin Katarina Barley lehnte den Entwurf vollständig ab. Jetzt konnte Seehofer ihre Nachfolgerin Christine Lambrecht überzeugen – zumindest teilweise. Nach Informationen von netzpolitik.org haben sich die Ministerien geeinigt, dass der Inlandsgeheimdienst in bestimmten Fällen die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung einsetzen darf. Über die Online-Durchsuchung streiten die Minister:innen weiter. Das berichten mehrere mit den Verhandlungen befasste Personen, denen wir Vertraulichkeit zugesichert haben, weil die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. (…) Die Verhandlungen zwischen den Ministerien befinden sich auf der Zielgeraden und könnten noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Seehofer und Lambrecht könnten sich bei einem ihrer nächsten Treffen über die letzten offenen Punkte einigen. Wenn die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen hat, kommt er in den Bundestag. Dort sind von den Regierungsparteien keine großen Änderungen mehr zu erwarten, wie das Gesetz für Staatstrojaner bei Alltagskriminalität gezeigt hat…“ Beitrag von Andre Meister vom 4. Juni 2020 bei Netzpolitik.org externer Link, siehe dazu:

    • RSF begrüßt Verzicht auf Online-Durchsuchung – Staatstrojaner heikel
      „Reporter ohne Grenzen begrüßt, dass die große Koalition bei der geplanten Reform des Verfassungsschutzgesetzes auf die vom Bundesinnenministerium vorgeschlagene Befugnis zur Online-Durchsuchung verzichten will. Dazu erklärt Geschäftsführer Christian Mihr: „Die Online-Durchsuchung für den Verfassungsschutz hätte das Redaktionsgeheimnis und damit eine der Säulen der Pressefreiheit in Deutschland ausgehöhlt. Es ist gut, dass die große Koalition auf diese maßlosen Pläne verzichtet. Dass der Verfassungsschutz künftig Staatstrojaner einsetzen dürfen soll, um verschlüsselte Kommunikation wie Online-Telefonate und sichere Chats abzuhören, wirft dennoch heikle Fragen auf. Wir werden genau beobachten, ob und wie die Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten dabei geschützt wird.“ RSF hatte den Referentenentwurf für das „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ scharf kritisiert – unter anderem wegen der darin vorgesehen Erlaubnis für deutsche Inlands- und Auslandsgeheimdienste, Server, Computer und Smartphones von Verlagen, Rundfunksendern sowie freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten zu hacken. Dem damaligen Entwurf zufolge sollten sie dabei auch verdeckt nach digitalen Daten suchen können. In Verbindung mit der ebenfalls geplanten Aufweichung des Trennungsgebots zwischen Geheimdienst und Polizei hätte dies die Strafverfolgung von Medienschaffenden deutlich erleichtert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 11 von 180 Ländern weltweit.“ Pressemitteilung vom 6. Juni von und bei ‚Reporter ohne Grenzen‘ externer Link
  • Staatstrojaner für den Verfassungsschutz? Vordertür oder Hintertür?
    „Der Staatstrojaner begleitet uns schon einige Jahre, seit 2 Jahren ist er auch auf dem Handy legal. Dabei wird eine Software auf das zu überwachende Gerät gebracht und die Kommunikation kann an der „Quelle“, also vor einer Verschlüsselung mitgelesen werden. Die „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ („Quellen-TKÜ“) dürfen bisher der Zoll und die Polizei nutzen, wenn es um Straftaten geht. Dieses „Recht“ möchte der Verfassungsschutz auch gern haben, demnächst auch auf Bundesebene mit einem Gesetz zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“. Einige Bundesländer sind bereits vorgeprescht und haben solche Befugnisse in ihren Ländern definiert. Bereits der Zugriff durch die Polizei ist höchst gefährlich, weil über den Staatstrojaner – allerdings jenseits des Erlaubten – auch ein schreibender Zugriff möglich ist und damit „Beweise“ verfälscht oder erzeugt werden können. Das ist von einem Geheimdienst noch eher zu befürchten! In den vorliegenden Ländergesetzen oder deren Entwürfen soll nun der Staatstrojaner bereits bei „Gefahren“ erlaubt sein – wer definiert diese? Auf EU Ebene wird ebenfalls heftig gestritten, wie man an verschlüsselte Kommunikation heran kommen will. Während die deutsche Position die Hintertür mittels Quellen-TKÜ befürwortet, will der Brüsseler Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove noch mehr Befugnisse als eine Überwachung durch die Trojaner-Hintertür. Er fordert, wie Telepolis berichtet, mit Verweis auf den britischen Investigatory Powers Act von 2016, die australische Telecommunications Assistance and Access Bill von 2018 und die überparteilichen amerikanischen Pläne für einen EARN IT Act eine EU-Vorschrift, die Interessenten auf der Staatsseite einen Anspruch auf Zugang zu verschlüsselten Chat-Informationen durch die Vordertür gewährt. Das heißt nichts anderes als, dass die Provider zu allen Schlüsseln der Nutzer einen Zweitschlüssel besitzen müssten, der bei Anfrage an staatliche Stellen gegeben wird. Vor diesem gefährlichen Unsinn hatten wir im Zusammenhang mit Cyberkriminalität schon oft gewarnt. Es wäre nur eine Frage der Zeit bis diese Masterkeys in die Hände von Kriminellen geraten würden.“ Beitrag vom 15. Mai 2020 von und bei der Aktion Freiheit statt Angst externer Link
  • Einsatz von Trojanern: Verfassungsschutz soll Chatnachrichten überwachen können 
    „… Der Verfassungsschutz soll künftig verschlüsselte Chatnachrichten von Extremisten und potenziellen Terroristen mitlesen können. So steht es in einem überarbeiteten Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für ein neues Verfassungsschutzgesetz. Der Entwurf liegt dem SPIEGEL vor. Laut dem Papier soll das Bundesamt für Verfassungsschutz bei „besonders schweren Bedrohungen“ die Möglichkeit der sogenannten „Quellen-TKÜ“ bekommen. Dadurch könnte der Inlandsnachrichtendienst heimlich einen Trojaner auf das Handy von Verdächtigen spielen, um so die Kommunikation über Messenger wie WhatsApp oder Telegram überwachen zu können – direkt an der Quelle, bevor die Nachrichten verschlüsselt werden. Außerdem würde der Verfassungsschutz auch die Befugnis für die sogenannte Online-Durchsuchung bekommen. Dann könnte der Dienst künftig per Trojaner auf Handys, Tablets oder Computer zugreifen und die Daten auf den Geräten durchsuchen. Überwachungstrojaner darf bisher nur die Polizei einsetzen. Als Begründung werden in dem Entwurf „die aktuellen Herausforderungen“ im Bereich des „internationalen Terrorismus und des Rechtsterrorismus“ angeführt. Um diese Gefahren abzuwehren, bräuchten die Geheimdienste „zeitgemäße digitale Aufklärungsbefugnisse“. (…) Seehofers Ministerium hatte schon im Frühjahr 2019 einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, in dem diese und weitere Befugnisse für den Verfassungsschutz gefordert wurden. Die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte das Paket rundum abgelehnt, knapp ein Jahr lag es auf Eis. Nach dem rechtsextremistisch motivierten Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hat die SPD ihre Haltung jedoch geändert…“ Beitrag von Lydia Rosenfelder und Wolf Wiedmann-Schmidt vom 18. Februar 2020 beim Spiegel online externer Link
  • Gesetzentwurf: Bundesamt für Einbruch / Seehofer verschärft Überwachung: Staatstrojaner im Schachtelsatz 
    „Innenminister Horst Seehofer will dem Verfassungsschutz weitreichende Befugnis geben: Agenten sollen künftig in Privatwohnungen einsteigen können, um dort Spähsoftware zu installieren. Ganz ohne Richterbeschluss. (…) Wie lautstark wurde protestiert, als die Kohl-Regierung 1998 das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einschränkte, den Artikel 13 des Grundgesetzes. Die Wohnungen der Deutschen wurden damals für die Ermittler der Polizei einen kleinen Spalt weit geöffnet – für deren Abhör-Wanzen, den sogenannten großen Lauschangriff. Mehr als zwanzig Jahre später nun versucht der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), durch diesen Spalt noch ein paar Geheimdienstler hinterherzuschicken. Aber diesmal nicht als Ergebnis einer größeren Debatte. Sondern eher leise – und bislang fast unbemerkt. Aus Seehofers Ministerium stammt ein Gesetzentwurf zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“. Nicht nur die Polizei, so heißt es dort, sondern „das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Wohnungen auch betreten“. Also die Agenten des Inlandsgeheimdienstes. (…) Über diese kleine Passage in Seehofers 41 Seiten starkem Gesetzentwurf ist gerade der Rechtsprofessor Fredrik Roggan gestolpert, der an der Polizeihochschule Brandenburg lehrt. (…) „Es könnte in Zukunft passieren, dass Leute in unserer Abwesenheit in unserer Wohnung gewesen sind“, sagt Roggan. „Und kein Richter hat dem zugestimmt.“ Dies erlaube Artikel 13 des Grundgesetzes eigentlich nicht…“ Artikel von Ronen Steinke vom 15. August 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link und dazu der Kommentar:

    • Seehofer verschärft Überwachung: Staatstrojaner im Schachtelsatz
      „… Horst Seehofer, der Bundesinnenminister, hat vor einer Weile etwas Kritik auf sich gezogen, als er erläuterte, wie man brisante Verschärfungen der Sicherheitsgesetze am effektivsten auf den Weg bringe, ohne viel Gegenwind auszulösen. Ganz einfach: Man müsse die Gesetze kompliziert machen. „Dann fällt es nicht so auf.“ Manche haben ihm vorgeworfen, das sei undemokratisch. Dabei sieht, wer jetzt Seehofers riesiges, 41 Seiten pralles Gesetzespaket zur Stärkung des Verfassungsschutzes studiert: Es geht sogar noch besser. Es ist nicht nur dieser besondere Stil: „Auf Aufzeichnungen nach Absatz 3 Satz 2 und §§ 9d, 9e Absatz 1 (…) ist § 3a Absatz 1 Satz 4 bis 6 und Absatz 2 des Artikel-10-Gesetzes entsprechend anzuwenden“, so liest man im dritten, dem zentralen Paragrafen dieses Geheimdienst-Gesetzespakets. Einer der heiklen Sätze kurz darauf verströmt ebenso stickige, schläfrig machende Behördenluft: „Erfolgen Maßnahmen bei einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 3b oder Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person. Übersetzt heißt dies, dass der Verfassungsschutz künftig auch journalistische Redaktionen mit Staatstrojanern ausspähen dürfen soll. Man kann dies aber nicht lesen, ohne dass der gesamte Schreibtisch übersät ist mit aufgeschlagenen weiteren Gesetzen. Ob man es dann versteht, ist immer noch eine andere Frage. Noch besser ist dieser simple Kniff: Die wirklich brisanten Neuerungen schreibt Seehofers Ministerium nicht in die Gesetzesbegründung hinein. Das würde es den Leserinnen und Lesern zu einfach machen. Die Gesetzesbegründung, das ist schließlich der Teil, der in relativ verständlichem Deutsch geschrieben ist und deshalb meist zuerst gelesen wird. (…) Der Verfassungsschutz soll, so der Plan, nicht nur die Befugnis erhalten, Kinder zu überwachen. Er soll ihre Daten auch an ausländische Geheimdienste übermitteln dürfen. Und: Der Verfassungsschutz soll, so der Plan, in private Wohnungen nicht nur einbrechen dürfen, um nach Handys oder Laptops zu suchen, auf die er Spionagesoftware aufspielen kann. Er soll auch einbrechen dürfen, schlicht um seine sogenannten V-Leute zu schützen, die später die Bewohner dieser Privatwohnungen besuchen…“ Kommentar von Ronen Steinke 15. August 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Redaktionsgeheimnis in Gefahr / Innenministerium will Überwachung von Medien erlauben 
    Reporter ohne Grenzen (ROG) warnt vor Plänen des Bundesinnenministeriums, wonach deutsche Geheimdienste Medien im In- und Ausland künftig digital ausspionieren könnten. Einem Referentenentwurf zufolge sollen deutsche Inlands- und Auslandsgeheimdienste Server, Computer und Smartphones von Verlagen, Rundfunksendern sowie freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten hacken dürfen. Sie sollen dabei verschlüsselte Kommunikation abfangen oder verdeckt nach digitalen Daten suchen können. Damit würde eine der Säulen der Pressefreiheit in Deutschland, das Redaktionsgeheimnis, fallen: Während es verboten bliebe, mit einer Redaktionsdurchsuchung die Identität journalistischer Quellen zu erlangen, könnte dies mit einer Online-Durchsuchung digital umgangen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass laut Entwurf das Innenministerium das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei deutlich aufweichen will, sodass die Strafverfolgung von Medienschaffenden erleichtert würde. (…) Hintergrund ist ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“. Reporter ohne Grenzen hat eine ausführliche Stellungnahme zu allen Kritikpunkten externer Link inklusive Vorschlägen zur Verbesserung erstellt. In einer konsolidierten Version der drei maßgeblichen Geheimdienstgesetze externer Link mit allen geplanten Änderungen können die BMI-Pläne detailliert analysiert werden. Grundlage ist ein Leak des Referentenentwurfs bei netzpolitik.org externer Link. Jüngsten Medienberichten zufolge sind die Pläne innerhalb der Großen Koalition hoch umstritten externer Link und werden derzeit vom SPD-geführten Bundesjustizministerium blockiert...“ ROG-Pressemitteilung vom 29.05.2019 externer Link, siehe dazu:

    • Journalisten im Visier der Geheimdienste: Der Spion in der Redaktion 
      „Die deutschen Geheimdienste sollen künftig Computer und Handys von Journalisten hacken dürfen. Ein Kernelement der Pressefreiheit ist damit in Gefahr: das Redaktionsgeheimnis.  Chats mitlesen, E-Mails durchsuchen oder Telefongespräche abhören – spezielle Programme, sogenannte Trojaner, ermöglichen es, die Kommunikation einzelner Personen gezielt zu überwachen und auszuwerten. Auch Journalistinnen und Journalisten sollen nun das Ziel von staatlichen Trojanern werden. Die Polizei darf diese in Deutschland bereits einsetzen. Im Rahmen der neuen Polizeiaufgabengesetze der Länder kann sie das zum Teil sogar schon präventiv tun. Mit einem neuen Gesetz will nun das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) weiteren Organen das Recht auszuspähen einräumen: Künftig sollen auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND) Personen mit technischen Mitteln überwachen dürfen. Der Verfassungsschutz soll gemäß dem Gesetzentwurf »Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts« das Recht zur Online-Durchsuchung von Computern erhalten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) befürchtet, dass damit ein Kernelement der Pressefreiheit, nämlich das Redaktionsgeheimnis, wegfallen würde. Während es verboten bliebe, mit einer Redaktionsdurchsuchung die Identität journalistischer Quellen zu erfahren, könnte dies mit einer Online-Durchsuchung digital ­erreicht werden. (…) »Der Verfassungsschutz hat kein Betretungsrecht für Wohnungen oder Redaktionsräume. Das neue Gesetz möchte das umgehen, indem es Durchsuchungen eben virtuell ermöglicht«, sagt auch Martina Renner von der Linkspartei der Jungle World. (…) Gerade wenn es um Transparenz und Kontrolle geht, sieht Renner Probleme: »Das neue Gesetz sieht vor, dass die sogenannte G-10-Kommission prüfen soll, ob durchsucht wird. Im Ergebnis gibt es also keine richterliche Überprüfung der Maßnahme, sondern eine im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbare Entscheidung eines geheim ­tagenden Gremiums. Die geheimdienstliche Kontrolle funktioniert nicht, weil in der Kommission Abgeordnete aufgrund einer Tischvorlage die Wünsche der Geheimdienste mehrheitlich abnicken.« Renners Anfrage, ob die deutschen Geheimdienste Geräte wie den digitalen Sprachassistenten »Alexa« als Abhörvorrichtung verwenden können, beantwortete die Bundesregierung unter Verweis auf das »Staatswohl« nicht. Auch als Verschlusssache könnten die Informationen nicht herausgegeben werden, hieß es. Es bestehe die Gefahr, dass die Nachrichtendienste die Fähigkeit zur Nutzung der Abhörmöglichkeit verlieren, wenn diese bekannt würden…“ Artikel von Julia Hoffmann vom 20. Juni 2019 aus der Jungle World 2019/25 externer Link
    • Schein-Dementi und Nebelkerzen von Seehofer
      „Bundesinnenminister Horst Seehofer und sein Ministerium versuchen offensichtlich, mit Schein-Dementis die Debatte über ihren Angriff auf das Redaktionsgeheimnis zu beenden. (…)  Seehofer hatte gegenüber der BILD erklärt, Terrorismus und Extremismus bekämpfen zu wollen, nicht aber Medien oder Journalisten. Diese Versprechungen Seehofers sind rhetorisch geschickt, räumen die zentrale Kritik an der Aufweichung des Redaktionsgeheimnisses jedoch nicht aus. (…) Horst Seehofer selbst sagte, dass Journalisten bei der Geheimdienstrecht-Novelle weiterhin „besonders“ geschützt würden. Er vermied jedoch die Aussage, dass der Schutz „absolut“ sein solle, wie bei anderen Berufsgruppen. Außerdem würden laut Seehofer lediglich Regelungen aus dem BKA-Gesetz übernommen. Hier vergleicht der Innenminister Äpfel mit Birnen, weil die Strafverfolgung in Deutschland durch das Trennungsgebot von den Geheimdiensten getrennt ist. Regelungen lassen sich daher nicht 1:1 übertragen. Noch schwerwiegender jedoch: Im BKA-Gesetz steht eindeutig, dass die Online-Durchsuchung von einem Richter genehmigt werden muss. Ein solcher Richtervorbehalt fehlt in Seehofers Novelle. Stattdessen soll die sogenannte G10-Kommission zustimmen: Ein geheim tagendes Gremium, besetzt mit vier ehrenamtlich arbeiten Personen, die sich alle paar Wochen treffen und zuständig sind für die Kontrolle tausender Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland. Ihre Entscheidungen werden nie öffentlich, der Rechtsweg dagegen ist de facto ausgeschlossen. Medien würden in der Praxis nie mitbekommen, wenn ihre Geräte gehackt worden sind. Die Verunsicherung, dass es passieren kann, ist für Medien und ihre Quellen mindestens genauso schlimm wie das Wissen darum, dass es passiert…“ Stellungnahme vom 2. Juni 2019 von und bei Reporter ohne Grenzen externer Link
    • Pläne des Innenministeriums zur Einschränkung der Pressefreiheit müssen komplett verworfen werden
      Mit scharfer Kritik reagiert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf Pläne des Bundesinnenministeriums, Geheimdiensten künftig sehr viel einfacher das digitale Ausspähen von Redaktionen zu ermöglichen. „Das Vorhaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer sägt an einem Grundpfeiler der Pressefreiheit, dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten als Berufsgeheimnisträgern. Die Pläne gehören sofort vollständig ad acta gelegt. Wenn Redaktionen ohne überhaupt nennenswerte Hürden digital ausgespäht werden dürften, wird damit der Quellenschutz ausgehöhlt. Aber ohne Quellenschutz ist keine kritische Berichterstattung möglich, die Missstände aufdeckt und damit einen unerlässlichen Beitrag zum Erhalt von Recht und Demokratie leistet“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke…“ Pressemitteilung der dju vom 31.05.2019 externer Link
    • Pressefreiheit: Innenministerium will Überwachung von Medien erlauben
      „… Einem Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen zufolge bestehen im Bundesinnenministerium unter der Leitung von Horst Seehofer (CSU) Pläne, die die Überwachung von Medienhäusern, Verlagen, Rundfunkanstalten und freien Journalistinnen und Reportern möglich machen könnten. Ein Referentenentwurf des Innenministeriums will die Befugnisse von Geheimdiensten ausweiten: Damit sei es In- und Auslandsgeheimdiensten auch erlaubt, die Server, Computer und Smartphones von Journalisten zu hacken. Mithilfe bestimmter Software könnten die Geheimdienste zum Beispiel verschlüsselte Kommunikation einsehen oder die Server verdeckt nach digitalen Daten durchsuchen; gespeicherte Dokumente, Browserverläufe, Gesprächsmitschnitte wären somit zugänglich. Der Einsatz sogenannter Staatstrojaner ist seit 2017 grundsätzlich erlaubt, die Verwendung gegen Medien ist davon aber explizit ausgenommen – so soll das Redaktionsgeheimnis auch digital gewahrt werden. Mit den Plänen des Bundesinnenministeriums könnte sich das ändern: Wenn die Geheimdienste ihr Interesse an den zu erlangenden Informationen als schwerwiegender einschätzten als den möglichen Schaden für die Pressefreiheit, werde die digitale Durchsuchung gestattet, schreibt Reporter ohne Grenzen. Mit derartigen Onlinedurchsuchungen ließe sich beispielsweise die Identität von journalistischen Quellen feststellen. Auch für die Überwachung verschlüsselter Kommunikation zwischen Medienschaffenden und Quellen würde der Gesetzesentwurf den Weg ebnen: Auf richterliche Anordnung hin wären Messenger-Dienste gezwungen, die Kommunikation ihrer Kunden den Behörden in lesbarer, also unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen. Zudem solle erlaubt werden, Buchungsdaten von Recherchereisen mit Bahn oder Mietwagen abzufragen…“ Meldung vom 29. Mai 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Geheimdienste: Die Polizeiarbeit wandert ins Dunkle ab 
    Polizei und Verfassungsschutz gehören strikt getrennt. Doch längst ist aus der Mauer zwischen den Diensten ein niedlicher Gartenzaun geworden. (…) Die strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten, die den Deutschen da von außen verschrieben wurde, hat ihren guten Grund. Geheimdienst und geheimdienstliche Methoden – das bedeutet immer: Der Betroffene erfährt nicht, ob und wie der Staat gegen ihn vorgeht, er kann sich nicht wehren. Aber kaum ein Versprechen ist dann so gründlich missachtet worden wie dieses. Von dem einstigen Trennungsgebot ist heute, kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag am 14. April, nicht viel übrig. Es ist schon seit Jahren aufgeweicht, verschiedene Regierungen haben es kleingeredet. Aus einer verfassungsrechtlichen Firewall ist ein putziger Gartenzaun geworden, über den die Sicherheitsbehörden jederzeit locker hinübersteigen oder Dinge hinüberreichen können. So wie im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum von Polizisten und Geheimen, wo sie seit 2004 zusammensitzen, an denselben Fällen derselben gefährlichen Extremisten arbeiten und sich eng abstimmen. Wenn nun der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seinen Plan für eine „Harmonisierung“ der deutschen Sicherheitsarchitektur bewirbt, mit neuen Befugnissen vor allem für den Inlandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz, dann treibt er dies weiter voran. Der Verfassungsschutz soll, so Seehofers Plan, selber konkrete Straftaten aufspüren und verhindern. Das ist bislang die Kernaufgabe der Polizei. Sogar die Auslandsspione vom Bundesnachrichtendienst sollen stärker ins Spiel kommen. Sie sollen der Polizei beim Hacken der Handys von deutschen Straftatverdächtigen assistieren...“ Kommentar von Ronen Steinke vom 5. April 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • [Netzpolitik] Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf: Seehofer will Staatstrojaner für den Verfassungsschutz 
    Der Verfassungsschutz soll neue Befugnisse bekommen und unter anderem Staatstrojaner einsetzen dürfen. Das steht in einem Gesetzentwurf des Innenministeriums, den wir veröffentlichen. Justizministerin Barley lehnt den Entwurf komplett ab und verlangt einen neuen Vorschlag von Innenminister Seehofer. IT-Geräte hacken und mit Trojanern infizieren: Das ist die intensivste Überwachungsmethode im Arsenal der Sicherheitsbehörden. Eingeführt wurde das staatliche Hacken, um internationalem Terrorismus zu verhindern. Seit zwei Jahren externer Link darf die Polizei damit Alltagskriminalität verfolgen. Noch während Verfassungsbeschwerden gegen diese Ausweitung laufen externer Link, legt Innenminister Seehofer nach und will Staatstrojaner auch für die Geheimdienste Verfassungsschutz und BND erlauben. Wir veröffentlichen den vollständigen Gesetzentwurf des Innenministeriums externer Link. Demnach soll dem Inlands- und Auslandsgeheimdienst der „Eingriff in informationstechnische Systeme“ erlaubt werden. Dadurch dürften die Geheimdienste Geräte wie Computer und Smartphones hacken, aber auch in andere Geräte im „Internet der Dinge“ eindringen – sogar Autos…“ Beitrag von Andre Meister und Anna Biselli vom 28.03.2019 bei Netzpolitik externer Link
  • Gegen Terrorverdächtige: Verfassungsschutz soll Erlaubnis für Online-Durchsuchung erhalten 
    Hinweise auf islamistische Terrorverdächtige erhält der Verfassungsschutz oft zuerst von ausländischen Nachrichtendiensten. Das soll sich ändern. Ein Entwurf aus dem Innenministerium sorgt aber schon vor der Verabschiedung im Kabinett für Aufregung. Der Verfassungsschutz soll mutmaßliche Extremisten nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) künftig noch besser ausspähen können. Einen Entwurf für ein Gesetz zur „Modernisierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)“ leitete sein Ministerium in der vergangenen Woche an die anderen Ressorts der Bundesregierung mit der Bitte um Stellungnahme weiter. Nach den Vorstellungen des Innenministeriums sollen die Mitarbeiter des Bundesamtes eine Lizenz zum Hacken bekommen. Konkret geht es um die Erlaubnis für „Online-Durchsuchungen“…“ dpa-Meldung vom 15.3.2019 bei der FAZ online externer Link
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