Besser selbst die Verfassung schützen
„Die deutschen Geheimdienste BND, MAD und Verfassungsschutz haben eines gemeinsam. Immer dann, wenn sie mal wieder knietief im meist selbst produzierten braunen Morast waten oder ihnen Gesetzesbrüche nachgewiesen wurden, kommt ihnen die Politik zur Hilfe (…) Dabei ist eines sicher – ein demokratischer Rechtsstaat, in dem sich auch die Regierung an die eigenen Gesetze hält, braucht keinen Geheimdienst. Geheimdienste braucht man nur, wenn staatliches Handeln außerhalb der Legalität ermöglicht werden soll. Vor Gericht entscheiden die Dienste, ob und was sie oder ihre oft kriminellen Zuträger aussagen. Ich habe erlebt, dass ein solcher „V-Mann“ eines Geheimdienstes vor Gericht in seiner eigenen Verhandlung keine vollständigen Angaben zur eigenen Person machen durfte. (…) In den Parlamenten werden oftmals aus jenen, die die Geheimdienste eigentlich kontrollieren sollten, schon oft nach wenigen Jahren deren Fürsprecher, kaum noch zu unterscheiden von PR-Beratern oder Pressesprechern (Hartmanns Erzählungen). Von einer kritischen Distanz ist dann nichts mehr zu spüren, von Kontrollwillen ganz zu schweigen. Auch von den „Terrorismusexperten“ der öffentlich-rechtlichen Sender sind viele Mitglied im „Gesprächskreis Nachrichtendienste“. Erzähle mir niemand, dass das sich nicht in der Berichterstattung oder Nicht-Berichterstattung niederschlägt. (…) Im Zuge der NSU-Verstrickungen sollte der Verfassungsschutz mal wieder reformiert werden. Der damalige Präsident Maaßen versprach, dass der Dienst „sich selbst reformieren“ würde. Tatsächlich bekam der Verfassungsschutz erneut mehr Mittel und mehr Personal. Allerdings begann auch eine verstärkte Diskussion darüber, ob man dem Verfassungsschutz überhaupt noch brauche.“ Teil 1 eines Beitrags von Helmut Lorscheid bei Telepolis am 7. September 2020 und nun Teil 2:
- Verfassungsschutz endlich auflösen
„Nach jedem größeren Verfassungsschutzskandal reden Innenpolitiker von einer notwendigen Reform des „Sicherheitsapparats“. Bürgerrechtsorganisationen verlangen seit Jahren die ersatzlose Auflösung des Verfassungsschutzes. Weg mit dem Verfassungsschutz fordern u.a. die Humanistische Union und das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Internationale Liga für Menschenrechte, PRO ASYL, der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.V. sowie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. seit Jahren ein Umdenken, eine Stärkung der Demokratie durch Auflösung des Verfassungsschutzes. Im Bundestag wird die Forderung lediglich von den Linken in dieser Konsequenz erhoben. (…) Die Erwähnung von „Ende Gelände“ im Verfassungsschutzbericht 2019 (Seite 162) brachten die SPD-Jugendorganisation Jusos, die Grüne Jugend und die Linksjugend Solid dazu, ihre Forderung nach „Abschaffung des Verfassungsschutzes“ zu erneuern. In einer gemeinsamen Erklärung stellten sich Grüne Jugend, linksjugend [’solid] und Jusos auf die Seite der Bewegung Ende Gelände: „Wir sind stolz, Teil dieser Klimabewegung sein zu dürfen und seit Jahren gemeinsam mit Ende Gelände für einen lebenswerten Planeten einzustehen. Die Entscheidung, Ende Gelände als linksextrem einzustufen, verurteilen wir gemeinsam deutlich. Wer Klimaschutz mit Verfassungsfeindlichkeit verwechselt, hat die Dringlichkeit und Wucht der Klimakrise nicht verstanden.“ Der Bericht müsse „umgehend“ korrigiert werden. (…) Die Jusos stehen damit in deutlichem Widerspruch zu den in Bund und Ländern regierenden Sozialdemokraten. Der innenpolitische Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Tom Schreiber, erklärte im Zuge der Diskussion über die Erwähnung von „Ende Gelände im Verfassungsschutzbericht: „Die SPD-Fraktion steht 100%ig an der Seite des Berliner Verfassungsschutzes. Naive Debattenbeiträge zur Abschaffung der Behörde grenzen mehr an politisches Mobbing und politischen Karneval als an ernsthafte Diskussionsbeiträge.“ Beitrag von Helmut Lorscheid vom 12. September 2020 bei Telepolis