[mausgerutscht in den Abschiebeknast] Nun auch erleichterte Ausweisung nach „Terrorverherrlichung“ durch falschen Like beschlossen – ein Fest für Schnüffler

Dossier

26. Mai 1993: Änderung des Grundrechts auf Asyl - Pro Asyl„Schon ein einzelner Kommentar oder Like soll reichen: Wer terroristische Taten im Netz billigt, soll leichter aus Deutschland ausgewiesen werden können. Das Kabinett beschließt einen Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser. Ausländerbehörden sollen künftig Menschen, die terroristische Taten „billigen“, leichter ausweisen und abschieben können. Einem entsprechenden Entwurf externer Link von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes hat das Bundeskabinett heute zugestimmt. Das gilt auch für Äußerungen im Netz: Anders als bisher soll dabei schon ein Kommentar oder Like ausreichen. „Künftig kann damit schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen“, schreibt das Bundesinnenministerium externer Link …“ Beitrag von Chris Köver vom 26. Juni 2024 in Netzpolitik.org externer Link – siehe mehr daraus und dazu:

  • Juristische Einschätzung: Was die neuen Ausweisungsregeln bedeuten New
    Menschen ohne deutschen Pass sollen leichter ausgewiesen werden, wenn sie auch nur eine einzige terroristische Tat im Netz billigen oder verbreiten. Aber reicht dafür schon ein Like? Fachleute für Aufenthaltsrecht bezweifeln das – und weisen auch auf andere Schwierigkeiten hin. (…)
    Schon ein einzelner Kommentar in den Sozialen Medien soll demnach ausreichen, um ein „besonders schweres Ausweisungsinteresse“ zu begründen, sagt das Bundesinnenministerium im Gesetzentwurf. Ein Gerichtsurteil muss die Ausländerbehörde dazu nicht abwarten. Anwälte bezweifeln allerdings, dass die Schwelle für eine Ausweisung wirklich so niedrig gehängt werden kann.
    Ein Like erhöht noch nicht die Reichweite
    Für Aufsehen sorgte vor allem ein Satz aus der Gesetzesbegründung: „Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch ‚Gefällt mir‘ auf den Sozialen Medien wie You Tube, Instagram, TikTok etc. fallen“, heißt es im Begründungsteil des Entwurfs. Als Grundlage verweist der Text auf ein umstrittenes Urteil des Landgerichts Meiningen. Eine Verbreitung von terroristischen Inhalten durch einen Like? „Das ist schon heftig,“ sagt Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei Pro Asyl. „Einen Like setzt man schnell. Das ist von der Verhältnismäßigkeit sehr schwierig, wenn man das vergleicht mit anderen Ausweisungstatbeständen.“ Von Auer bezweifelt allerdings, dass schon dann eine „Verbreitung“ vorliegen soll, wenn jemand einen Inhalt mit „Gefällt mir“ markiert. Zwar würden Inhalte mit vielen Likes auf Facebook oder anderen Plattformen eine größere Reichweite bekommen. Das passiere aber nicht durch einen einzelnen Like, sondern durch viele. „Dass man etwas mit dem Like setzen schon verbreitet, halte ich deswegen für fragwürdig.“ Zweifelhaft sei auch, ob Gerichte einen gehobenen Daumen unter einem Beitrag schon als Billigung werten würden. Aus einem gehobenen Daumen lasse sich schließlich noch nicht darauf schließen, dass jemand mit der Gesamtaussage eines Inhalts einverstanden sei, das hätten andere Fälle gezeigt…“ Beitrag von Chris Köver vom 03.07.2024 in Netzpolitik
  • Mausgerutscht? Abschiebung!
    „… Vergangenen Mittwoch beschloss das Kabinett, dass in Zukunft als Grund für eine Ausweisung reichen soll, »terroristische Taten zu verherrlichen«. Damit es schnell geht, hat die Regierung den Ampel-Fraktionen eine »Formulierungshilfe« externer Link für das Gesetz geschrieben. Der lässt sich entnehmen, dass es kein eigenes Gesetz, sondern eine Ergänzung zum »Gesetz zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren« sein soll, das wiederum Teil des »Beschleunigungspakts« ist. Mit Ausländerrecht hat das überhaupt nichts zu tun, aber beschleunigt werden sollen jedenfalls Abschiebungen und dann passt es ja wieder.
    Abgeschoben werden soll, wer im Netz Zustimmung zu Terrorismus äußert. »Künftig kann damit schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen«, teilt das Innenministerium mit. Oder ein Klick auf »Gefällt mir« etwa bei Youtube, Instagram oder Tiktok – das steht etwas versteckter in der Begründung der Formulierungshilfe. Was dabei als Terrorismus verstanden wird, entscheidet die Ausländerbehörde allein. Was als Zustimmung zählt, auch. Nicht mal das Minimum rechtstaatlicher Verfahren, der Richtervorbehalt, soll noch nötig sein: Gerichte kommen erst ins Spiel, wenn die Betroffenen gegen die Entscheidung klagen, was voraussetzt, dass sie von dieser Möglichkeit wissen und Zugang zu und Geld für Anwält*innen haben, die sie dabei unterstützen. (…)
    Den Ausländerbehörden wird überlassen, Entscheidungen zu treffen, mit denen die Plattformen selbst erhebliche Schwierigkeiten haben. Wo fängt Terrorismus an, wo hört er auf? Welche Gruppierung ist aktuell deswegen in welchem Land verboten? Es ist bekannt, dass es besonders schwierig ist, Ironie und Sprachwitz im Netz zu erkennen. Insbesondere, wenn es um Sprachen geht, in denen diejenigen nicht zuhause sind, die die Inhalte kontrollieren, denn sie kennen die aktuellen politischen Diskurse und Feinheiten nicht unbedingt. Auch wenn sich viele wünschen, dass das irgendwann eine Künstliche Intelligenz übernehmen könnte: Bislang ist keine in Sicht. Offen ist, wie diese »Likes« und zustimmenden Kommentare gefunden werden sollen. Vermutlich ja nicht von den Ausländerbehörden selbst. Denkbar wäre, dass das von Polizei oder Verfassungsschutz übernommen werden soll, die dann entweder das Netz nach Terrorismus unterstützenden Inhalten (noch mehr als bisher schon) durchsuchen oder aber die Geräte von Geflüchteten und allen anderen ohne deutschen Pass, wenn sie sie in die Finger bekommen. Genauso wie es vorkommt, dass Beschuldigten gefälschte Beweise untergeschoben werden, könnten mit beschlagnahmten Geräten nachträglich »Likes« gesetzt werden, bei denen nicht mal erkennbar wäre, wann das geschehen ist. (…) Nicht alle Menschen benutzen im Netz ihren tatsächlichen Vor- und Nachnamen und selbst wenn, gibt es die manchmal mehrfach. Es kommt vor, dass mehrere Menschen dasselbe Gerät benutzen oder zumindest ab und zu Zugriff darauf haben – in Familien etwa. Das ist ein altbekanntes und schwieriges Problem, wenn es darum geht, illegale Aktivitäten im Netz bestimmten Personen zuzuordnen. All diese Dinge beschäftigen viele Gerichte und Anwält*innen
    …“ Artikel von Anne Roth vom 30.06.2024 in ND online externer Link über die geplante Beschleunigung von Abschiebungen
  • Zu früh gelikt? Kabinett beschließt erleichterte Ausweisung nach Terrorverherrlichung
    Ein Hasskommentar soll künftig reichen. Die Bundesregierung will ein härteres Vorgehen gegen Ausländer ermöglichen, die Terror gutheißen. Die Reform stehe auf wackeligen Beinen, findet ein Fachanwalt. (…)
    Demnach soll eine Ausweisung – also der Entzug einer Aufenthaltserlaubnis – schon nach Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat ermöglicht werden. Zur Frage, was als Verbreitung eines Inhalts gilt, wird in der Begründung des Entwurfs auf ein Urteil des Landgerichts Meiningen verwiesen, wonach hierfür nicht nur das Erstellen von entsprechenden Inhalten Voraussetzung sei, sondern etwa auch das Markieren eines Beitrags mit „Gefällt mir“ in sozialen Netzwerken wie Youtube, Instagram oder Tiktok. Die Bundesinnenministerin erklärte nach dem Kabinettsbeschluss jedoch auf Nachfrage, es gehe „nicht um den kleinen Klick und den kurzen Like“, sondern darum, „dass wirklich widerwärtige, terroristische Inhalte verherrlicht und gepostet werden“. Die in der Begründung des Entwurfs zur Frage der Verbreitung von Inhalten zitierte Entscheidung in einem Strafverfahren sei von verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu etwaigen Ausweisungen zu unterscheiden, hieß es ergänzend aus ihrem Ministerium – „insofern wird es hier auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ankommen“. (…) Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gesetzesverschärfung nach der Attacke von Mannheim in einer Regierungserklärung angekündigt. Faeser sagte am Mittwoch: „Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor.“ Um das Vorhaben möglichst rasch ins parlamentarische Verfahren zu bringen, soll der Entwurf als Änderungsantrag an einen Gesetzentwurf zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren angedockt werden, der inhaltlich nichts damit zu tun hat. (…) Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf für nicht zielführend. „Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines ‚Likes‘ als Verbreitung zu definieren“, sagte der Rechtsanwalt. Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht. Das habe zuletzt beispielsweise der Fall der Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, gezeigt. (…) „Dass Innenministerin Faeser nun offenbar plant, Menschen wegen eines Postings in den sozialen Medien auszuweisen“, sei der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger. Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines „Likes“ in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten – „allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung“…“ Beitrag von Anne-Béatrice Clasmann vom 27.06.2024 im Migazin externer Link mit weiteren Stimmen dazu
  • Ausweisung schon nach einem Like: Wer terroristische Taten im Netz billigt, soll leichter aus Deutschland ausgewiesen werden können
    Weiter aus dem Beitrag von Chris Köver vom 26. Juni 2024 in Netzpolitik.org externer Link: „… Zusätzlich wird ein neuer Passus in das Gesetz aufgenommen. Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse des Staates liegt demnach vor, wenn eine Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit eine terroristischen Straftat laut Strafgesetzbuch belohnt oder öffentlich billigt. Die Ausländerbehörde darf dann ausweisen, ohne eine strafrechtliche Verurteilung abzuwarten. (…) In der Begründung zum Entwurf externer Link heißt es dazu: „Bislang war eine ähnliche Regelung für den Bereich der Schleusungskriminalität und der Betäubungsmittelkriminalität vorgesehen und wird nunmehr wegen des hohen Allgemeininteresses an der Bekämpfung von Handlungen, die als Belohnung und Billigung von terroristischen Straftaten im Rahmen des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) einzustufen sind, ausgeweitet.“ Auch weitere Formulierungen im Gesetz werden angepasst. Aus der „Verbreitung von Schriften“ soll die „Verbreitung von Inhalten“ werden. „Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch ‚Gefällt mir‘ auf den Sozialen Medien wie You Tube, Instagram, TikTok etc. fallen“, heißt es im Begründungsteil des Entwurfs. Der Entwurf bezieht sich dabei auf ein Urteil des Landgerichtes Meiningen aus dem Jahr 2022 externer Link. Dieses hatte entschieden, dass auch ein gehobener Daumen unter einem Beitrag eine strafbare Äußerung sein kann, die sogar Hausdurchsuchungen rechtfertigt. (…) Kritik kommt von der rechtspolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger: „Dass Innenministerin Faeser nun offenbar plant, Menschen wegen eines Postings in den sozialen Medien auszuweisen“ sei der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung. „Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland geht, empören sich Politiker*innen hierzulande zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines ‚Likes‘ in den sozialen Medien verfolgt werden oder gar im Gefängnis landen können“, sagt Büber. Allerdings bewege sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung, so die Angeordnete der Linken. Präventivhaft für Klimaaktivist:innen, wochenlange Demonstrationsverbote, Hetze gegen Studierende und Lehrende, Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts – all das sieht Bünger als Anzeichen eines autoritären Staatsumbaus, der dringend gestoppt werden müsse. (…) Die Regelung soll an ein bereits laufendes Gesetzesverfahren zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung angefügt und schnellstmöglich im Bundestag beraten werden.
  • Eine erschreckende Entwicklung! Bitte bedenkt auch, dass am BVerfGEs-Maßstab hier sogar von einem schweren Angriff auf Art. 20 GG ausgegangen werden kann. Außerdem: Ist es nicht auch die Bundesregierung die Straftaten im Falle der Türkei und Israel unterstützt? Hier erste Kommentare:
    • Den autoritären Liberalismus gibt es nicht nur im BMBF: hier geht es weniger um die Verfolgung von Straftaten, sondern um digitale Überwachungen, Gesinnungsprüfungen nach willkürlichen Kriterien und den populistischen Kniefall vor der AfD.“ Tweet von  Oliver Nachtwey vom 27.6.24 externer Link zur entsprechenden Meldung in tagesschau.de externer Link
    • Ein Like unter dem falschen Video und Herr Kawulke in der Ausländerbehörde Raum P01.4 schiebt Dich mit einem Mausklick ab. Und wenn Herr Kawulke dann Feierabend macht, schmeißt er zuhause den Rechner an, hetzt  Und hasst auf Telegram, Facebook und X und es passiert was? Genau. Nichts.“ Post von Narkosedoc vom 27.6.2024 auf bsky externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=221362
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