[Stade] Wenn zwei Streifenwagen-Besatzungen von einem Mann mit Hantelstange umzingelt werden, dann können sie ja nur noch schießen. Totschießen.
Dossier
„… Um kurz vor 19:45 Uhr am Samstagabend ging bei der Polizei im niedersächsischen Stade ein Notruf ein. Sie erhielt Informationen über eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen in einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Bützfleth. Da es sich bei dem Verursacher um einen, der Polizei bereits aus anderen Vorfällen bekannten, 20-jährigen Asylbewerber aus Afghanistan handelte, wurden vorsorglich zwei Streifenwagen zum Tatort entsandt, wie die Polizei mitteilte. Beim Eintreffen der ersten Polizisten an der Erdgeschosswohnung des Mannes, reagierte dieser zunächst nicht auf die Ansprache der Einsatzkräfte von außen durch ein offenstehendes Fenster. Als kurze Zeit später die zweite Streifenwagenbesatzung die Wohnung betrat, ergriff der Mann eine Hantelstange aus Eisen und ging damit auf die Beamten los. Da der Einsatz von Pfefferspray durch mehrere Polizisten keine Wirkung zeigte, sah sich einer der Beamten gezwungen, seine Dienstwaffe einzusetzen und zur Unterbindung des Angriffs auf den Angreifer zu schießen. Dieser wurde dabei getroffen und lebensgefährlich verletzt...“ – aus der Meldung „Junger Mann greift mit Hantelstange an – Polizei erschießt ihn“ am 18. August 2019 in der Welt online – eine von vielen Meldungen darüber, die allesamt durch (sehr) ähnliche Formulierungen wieder einmal den Verdacht nähren, die Appelle der Journalistengewerkschaft, selbst zu recherchieren, seien ungehört verhallt… Siehe dazu weitere kritische Beiträge – auch mit Verweis auf eine Stellungnahme des Flüchtlingsrates Niedersachsen:
- Ermittlungen eingestellt: Wenn Polizisten töten
„Georg Restle: „Massenproteste gegen Polizeigewalt: Diese aktuellen Bilder aus den USA zeigen, was da los ist, wenn Polizeibeamte einen Menschen mit schwarzer Hautfarbe töten. Das sind Demonstrationen zum Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Mörder von George Floyd. Wenn etwas Vergleichbares in Deutschland geschieht, bleibt es oft still. Sehr still sogar, auch weil Staatsanwaltschaften Verfahren gegen Polizeibeamte sogar dann einstellen, wenn es handfeste Beweise für ein Tötungsdelikt gibt. Über einige solcher Fälle haben wir bei MONITOR bereits berichtet. Und jetzt gibt es wieder so einen Fall, der Fragen aufwirft. In Stade wurde ein neunzehnjähriger Flüchtling von einem Polizeibeamten erschossen, Die Ermittlungen eingestellt. Angeblich Notwehr – angeblich. Lara Straatmann und Andreas Maus.“ (…) Prof. Clemens Arzt, Polizeirechtler HWR Berlin: „Es scheint ein sehr oberflächlicher Umgang mit den minimalen Ermittlungsergebnissen zu sein. Das ist, zumindest für mich, von außen erstmal befremdlich, aber es deckt sich eben ein Stück weit mit den allgemeinen Erfahrungen von Ermittlungen gegen Polizeibeamte, wo die Staatsanwaltschaften ganz offenkundig erhebliche Zurückhaltung oder Beißhemmung zeigen, weil natürlich die Polizei und Staatsanwaltschaft zwei Behörden sind, die immer zusammenarbeiten.“ Einseitige Ermittlungen zugunsten des Polizeibeamten? Dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft uns gegenüber nicht äußern. Wir treffen Amans besten Freund am Tatort, lange war er nicht mehr hier. Zu viele schmerzhafte Erinnerungen. Eine Woche vor seinem Tod hatte Aman noch alle eingeladen – hier in den Garten. Er sei optimistisch gewesen, habe neue Pläne gehabt. Wenige Tage danach war er tot…“ Text und Video des Beitrags von Lara Straatmann und Andreas Maus in der Sendung MONITOR vom 11.03.2021 - Erschossen von deutschen Polizisten: Der Tod von Aman A. wirft bis heute Fragen auf. Dennoch wurden die Ermittlungen eingestellt
„Am 17. August 2019 wird Aman A. in Stade von der Polizei erschossen. (…) »Mit Black Lives Matter hat das nichts zu tun, die Polizei hier fragt nicht nach Hautfarbe oder Herkunft. Es geht nur darum, ob der andere gefährlich ist oder nicht«, sagt Staatsanwalt Kai Thomas Breas, ohne dass ich ihn darauf angesprochen hätte. Empört fügt er hinzu: »In der Stadt gibt es ein riesiges Graffiti mit dem Namen des Betroffenen und dann steht da noch: Erschossen von deutschen Polizisten«. Breas wartet auf eine Reaktion von mir. Dabei ist Aman A. von der Polizei erschossen worden, daran gibt es keine Zweifel. (…) Gemalt haben das Graffiti junge Leute aus der Umgebung, Freunde von Aman. Afghanen, die wie er 2015 als minderjährige, unbegleitete Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind. (…) An besagtem 17. August kommt die Polizei mit zwei Streifenwagen, zwei Männern und zwei Frauen. Der Mitbewohner steht draußen, darf jetzt nicht mehr ins Haus und wird auf eine Bushaltestelle ein paar Meter weiter verwiesen, sagt Khan. Und dann, plötzlich hört der junge Mann Schüsse. Später wird sich herausstellen, dass der Polizist fünf mal auf Aman geschossen hat. Aman hatte kein Messer, keine Pistole. Mit einer Hantelstange sei er auf die Beamten losgegangen. Ralf Poppe ist ehemaliger Polizist und Sprecher des Stader Kreisverbandes der Grünen. Er fragt sich, wieso die Polizisten*innen nicht mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst gekommen sind. »Es war bekannt, dass Aman psychische Probleme hatte. Auch bei der Polizei. Warum haben die Beamten überhaupt seine Zimmertür eingetreten? Er war zu dem Zeitpunkt alleine in seinem Zimmer. Er war also keine Bedrohung für irgendjemanden. Und vor allem: Können vier Beamte einen jungen Mann mit einer Hantelstange nicht anders unter Kontrolle bringen, als mit fünf Schüssen?« (…) Amans Bruder lebt in Australien. Per Skype sagt Rahmat mir: »Ich will Gerechtigkeit. Nicht nur für Aman, auch für alle anderen, für die Zukunft. Ich will, dass sowas nie wieder passiert. Aman ist nach Deutschland gekommen, weil er sicher sein wollte. Und jetzt ist er tot, von der Polizei erschossen.« Sein Anwalt hat noch ganz andere Fragen, als Ralf Poppe: Es gebe ein Gutachten, das besage, dass Aman am Boden gelegen habe, als die Schüsse fielen. Auch deshalb hat Rahmats Anwalt Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft muss nun erneut prüfen, ob es doch noch zu einem Gerichtsverfahren kommt. (…) [Nachtrag:] Mittlerweile ist bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Stade den Fall nochmal überprüfen muss: Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat selbige dazu angewiesen, weiter zu ermitteln. Nachdem der Anwalt des Bruders von Aman A. Beschwerde eingelegt hatte, war der Fall dort gelandet. Und die Generalstaatsanwaltschaft in Celle sagt, es gebe »weitere, erfolgversprechende Ermittlungsansätze«, denen die Staatsanwaltschaft Stade noch nicht nachgegangen sei. Welche das konkret sind, wird aus ermittlungstaktischen Gründen nicht veröffentlicht. Ob es nun doch noch zu einer Anklage gegen den Polizisten kommt, bleibt weiter offen.“ Beitrag von Helene Buchholz aus ak 662 vom 17. August 2020 - Todesschüsse statt psychiatrischer Unterstützung: Im August 2019 starb in Niedersachsen der 19-jährige Aman A. durch Polizeikugeln. Sein Bruder wehrt sich gegen Verfahrenseinstellung
„Eine Schreinerlehre hatte der aus Afghanistan geflüchtete Aman A. begonnen, eine Unterkunft hatte er im niedersächsischen Stade gefunden. Bewohner des Ortsteils Bützfleth kannten ihn als freundlichen jungen Mann. Vor knapp einem Jahr verlor A. mit nur 19 Jahren sein Leben. Am Abend des 17. August 2019 trafen ihn fünf Kugeln, abgefeuert von einem Polizisten. Einer der Schüsse war laut Staatsanwaltschaft Stade tödlich. Zum Polizeieinsatz war es wegen einer von Anwohnern gemeldeten Streiterei gekommen. Gegen den Beamten, der auf Aman A. gefeuert hatte, wurde danach ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Ende Juni wurde aber bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stade dieses bereits am 15. Juni eingestellt hat. Begründung: Der Beamte habe in Notwehr gehandelt. Das sieht der Bruder des Getöteten anders. Sein Anwalt legte deshalb jetzt Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung ein. Nun muss die Generalstaatsanwaltschaft in Celle die Entscheidung prüfen. Die Stader Behörde geht unterdessen weiter von einer »glasklaren Notwehrsituation« aus, wie ein Sprecher am Mittwoch betonte. Sollte die Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung abgewiesen werden, bliebe indes noch ein Klageerzwingungsverfahren. (…) Der NDR zitierte den Anwalt mit der Aussage, durch die Expertise sei es erwiesen, dass sich der Polizist und der Flüchtling zum Zeitpunkt des entscheidenden Schusses nicht mehr auf Augenhöhe, also auch nicht in »Angriffposition«, gegenüber gestanden haben. Folglich liege keine Notwehr vor, der Beamte müsse wegen des Verdachts auf Totschlag angeklagt werden. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft wies diese Darstellung zurück: Der Anwalt habe die Erkenntnisse aus dem Gutachten »unseriös und verkürzt dargestellt«. Unterdessen fordert auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Er erinnerte in einer Erklärung daran, dass Aman A. psychisch erkrankt war und dies der Polizei bekannt gewesen sei…“ Beitrag von Hagen Jung bei neues Deutschland vom 23. Juli 2020 - Kein bisschen Einzelfall: Mit fünf Schüssen abschlachten soll Notwehr sein. Weswegen einmal mehr Staatsanwälte keinen Grund sehen, ihre uniformierten Gesinnungsgenossen anzuklagen, weder bei Aman Alizada, noch bei Hussam Fadl
- Tod eines Afghanen durch Polizeigewalt: Keine Stille nach dem Schuss
„Ein Polizist hat in einer Flüchtlingsunterkunft in Stade einen Afghanen erschossen, der psychische Probleme hatte. Der Beamte ist wieder im Dienst, doch Freunde des Getöteten und Aktivisten kämpfen für Aufklärung des Falls. (…) Der Kriminologe Thomas Feltes, der an der Universität Bochum zu Polizeigewalt forscht, sagte der Taz, ein Angriff mit einer Hantelstange sei »ganz klar kein Grund, zur Waffe zu greifen«. Schließlich könne man einer Hantel ausweichen. Außerdem sei es bei einem solchen Einsatz sinnvoll, einen Psychologen und gegebenenfalls auch ein Spezialeinsatzkommando anzufordern. So könne die Situation aufgelöst werden, ohne dass die Beamten sich und andere gefährdeten. Dörthe Hinz vom niedersächsischen Flüchtlingsrat findet es unverständlich, dass der Schütze mittlerweile wieder im Dienst ist, obwohl das Ermittlungsverfahren noch andauert. (…) Am vorvergangenen Samstag demonstrierten Freunde des Getöteten und antirassistische Gruppen aus Niedersachsen und Hamburg in Stade. Nach Angaben des niedersächsischen Flüchtlingsrats beteiligten sich mehr als 200 Menschen an der Demonstration. Sie forderten ein transparentes Ermittlungsverfahren und kritisierten die unzureichende psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen hierzulande. Der psychische Zustand von Alizada hatte sich verschlechtert, nachdem kurz vor seinem 18. Geburtstag sein Asylantrag abgelehnt und seine psychologische Betreuung eingestellt worden war.“ Artikel von Peter Nowak in der Jungle World vom 24.10.2019
- Aman Alizada vor zwei Monaten in Stade getötet – endlich Aufklärung gefordert
„… Am Samstag haben etwa 200 Menschen in Stade demonstriert, um an den vor zwei Monaten getöteten Geflüchteten Aman Alizada zu erinnern und die Aufklärung seines Todes zu fordern. Der 19-jährige Afghane war von einem Polizisten erschossen worden (taz berichtete). Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und weitere Gruppen hatten zu der Demonstration aufgerufen (…) Dörthe Hinz vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat sagte in ihrem Redebeitrag am Samstag, Alizada sei nach ihren Erkenntnissen durch mehrere Schüsse in den Oberkörper getötet worden. Und die einzigen Zeug*innen seien die vier Polizist*innen, die mit ihm allein in der Wohnung waren. Es sei „alarmierend“, dass die Polizei nicht in der Lage sei, eine solche Konfliktsituation anders zu regeln, so Hinz. Alizada habe sich in einer psychischen Krisensituation befunden. Er sei zuvor mehrere Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. „Er brauchte eigentlich dringend Hilfe“, so Hinz. Der Polizei sollen Alizadas psychische Probleme durch einen vorherigen Einsatz bekannt gewesen sein...“ – aus dem Bericht „Demonstrant*innen wollen Aufklärung“ von Marthe Ruddat am 13. Oktober 2019 in der taz online über die Protestaktion am vergangenen Samstag. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag:- „Ermittlungen zur Tötung von Amin Alizada gefordert“ von Peter Nowak am 13. Oktober 2019 in neues deutschland online zu diesem Protest: „… Alizadas Tod ist kein Einzelfall. Der generelle Umgang der Polizei mit Menschen, die psychische Probleme haben, wurde auf der Demonstration in Stade kritisiert. Zwischen 2009 und 2017 sind jährlich zwischen zehn und zwölf Menschen von der Polizei erschossen worden. Die Hälfte von ihnen hatte psychische Probleme. Die Demonstranten forderten in Stade ein Gedenken an Alizada. Mitbewohner und Bekannte hielten Reden, um an ihn zu erinnern. Zugleich machten die Aktivisten auch die deutsche Asylpolitik für seinen Tod verantwortlich. Alizada kam 2015 als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland, lernte die deutsche Sprache und galt als gut integriert. Kurz vor seinem 18. Geburtstag wurde sein Asylantrag jedoch abgelehnt. Auch die psychologische Betreuung endete damit...“
- Das Todesopfer von Stade: Wer verhindert eine Aufklärung der Polizeischüsse?
„… Als A. der Aufforderung. die Stange abzulegen, nicht nachgekommen sei und sich auf die Polizei zubewegt habe, wurde zuerst Pfefferspray gegen ihn eingesetzt, dann seien Schüsse gefallen. Die NachbarInnen sprechen von 4 Schüssen, die Jugendlichen von mehreren Schüssen. Als die Schüsse fielen, befanden sich 6 Polizisten mit A. im Raum. Dieser Raum habe etwa 14 Quadratmeter. Die Betreuerin, die die Unterkunft kennt, sagt, dass es ihr völlig unverständlich sei, wieso in einem so kleinen Raum der Einsatz einer Schusswaffe gewählt wurde. A. wurde von den Schüssen getroffen, es wurde ein Krankenwagen gerufen, die Polizei habe die Ärzte jedoch nicht direkt zu dem Jugendlichen durchgelassen. Der Jugendliche erlag später seinen Verletzungen. Für die Ehrenamtliche sei der Gebrauch einer Schusswaffe „extrem unverhältnismäßig“ gewesen. Es gäbe darüber hinaus sogar Stimmen, die von einer Hinrichtung sprechen würden. Sie forderte eine genaue Untersuchung des Vorfalls. Die Jugendlichen, welche die Polizei gerufen hatten, machten sich laut der Helferin nun große Vorwürfe. „Ihr Vertrauen in die Institutionen ist grundlegend erschüttert.“ Die Jugendlichen, die das Geschehen miterlebten, würden bisher nicht psychologisch nachbetreut…“ – aus dem Beitrag „Polizei erschießt jungen Afghanen – Flüchtlingsrat Hamburg: „Es wird von einer Hinrichtung gesprochen““ am 27. August 2019 bei Perspektive Online , worin auch noch ein Gegenbeispiel polizeilicher Aktion in einer in etwa vergleichbaren Situation Thema ist. Siehe dazu auch einen Beitrag des Flüchtlingsrates Hamburg, in dem unter anderem die Forderung nach Aufklärung erhoben wird:- „To the violent death of a mentally sick youth in Stade“ am 26. August 2019 beim Flüchtlingsrat Hamburg (Facebook) ist ein Beitrag über – ziemlich verzweifelte – Reaktionen aus dem Umfeld des Opfers, worin nicht nur die Forderung vertreten wird, der Vorfall müsse endlich aufgeklärt werden, sondern auch darauf verwiesen, dass es in Stade immer wieder kleinere Vorfälle gegeben habe, die eine Voreingenommenheit der Behörden gegen junge Flüchtlinge nahe lege.
- „Labert nicht von Notwehr“ von David Rojas Kienzle am 19. August 2019 im Lower Class Magazin kommentiert die neuerliche tödliche Notwehr – im Zusammenhang mit den vielen anderen Notwehren..: „…Es gibt wieder mal einen tragischen Einzelfall, in dem Polizisten sich nicht anders zu helfen wussten, als den „finalen Rettungsschuss“, wie der tödliche Knarrengebrauch im Behördensprech euphemistische genannt wird, abzugeben. Ein bisher namenloser junger Mann wurde am vergangenen Samstag von der Polizei im niedersächsischen Stade erschossen. Das Opfer, ein 20-jähriger Afghane, der in einer Unterkunft für Geflüchtete untergebracht war, soll die Polizisten angeblich mit einer Eisenstange angegriffen haben, woraufhin mehrjährige Ausbildung nur einen Schluss ließ: Abknallen. Mit Sicherheit wird festgestellt werden, dass es sich um Notwehr gehandelt hat. Notwehr, wie im Fall von Adel B., der Mitte Juni nach offizieller Darstellung auch von Polizisten in Notwehr erschossen wurde. B. Hatte vorher per Telefon angekündigt, sich umbringen zu wollen. Die Cops verfolgten den mit einem Messer hantierenden Mann bis nach Hause, wo er – so hieß es – auf auf die Polizisten losgestürmt sei. Die Beamten beteuerten, sich nicht anders zu helfen gewusst zu haben und erschossen ihn. Erst als Wochen später ein von der Polizei ursprünglich beschlagnahmtes (und dabei praktischerweise vom Handy gelöschtes – die Cloud hat es gerettet) Video auf sozialen Netzwerke auftauchte, auf dem zu sehen ist, dass Adel B. in den Hauseingang seiner Wohnung geht und dann im Haus erschossen wird, wurde selbst der bürgerlichen Presse klar klar: Es war eben keine Notwehr. Wie im Fall von Fall von Hussam Fadl. Fadl wurde am 16. September 2016 in einer Unterkunft für Geflüchtete in Berlin-Tempelhof von einem Polizisten erschossen. Nachdem Fadls Tochter sexuell belästigt worden war, kam es zu einem Polizeieinsatz, bei dem der Tatverdächtige festgenommen wurde. Fadl soll dann mit einem Messer bewaffnet auf die Polizisten zugestürmt sein und wurde dann in “Notwehr/Nothilfe” abgeknallt, so der offizielle Tathergang. Das Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizisten wurde im September 2017 eingestellt…“
- „Polizist erschießt Geflüchteten“ von Friederike Gräff am 19. August 2019 in der taz online berichtet unter anderem über eine Stellungnahme des niedersächsischen Flüchtlingsrats : „… Inzwischen regt sich Kritik am Vorgehen der Polizei. „Wenn die Polizei vorab über die Problematik informiert war, kann es eigentlich nicht überraschend sein, dass der Mann nicht angemessen reagiert“, sagt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Auf solche Reaktionen muss die Polizei gefasst sein.“ Auch der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes, der zu Polizeigewalt forscht, hinterfragt das Vorgehen der Beamten. Ein Angriff mit einer Hantelstange sei „ganz klar kein Grund, zur Waffe zu greifen“, da man ihr ausweichen könne. Bereits die Tatsache, dass der 19-Jährige nicht auf den Einsatz des Pfeffersprays reagiert habe, sei ein klarer Hinweis, dass man eine Problemperson vor sich habe. Dem Impuls der Beamten, ein Problem sofort lösen zu wollen, könne man nur durch kontinuierliches Training entgegenwirken. Dafür sei aber auch „eine politische Linie“ der Führungsebene, sich in solchen Situationen stärker zurückzuhalten, notwendig. Bei einem Einsatz wie in Stade sei es sinnvoll, abzuwarten, einen Psychologen einzuschalten und gegebenenfalls das Sondereinsatzkommando, das Mittel habe, die Situation aufzulösen, ohne sich und andere zu gefährden. Für Feltes ist der Umgang der Polizei mit psychisch Erkrankten ein drängendes Problem. Die Zahl der in Deutschland von der Polizei Erschossenen schwankt von 2009 bis 2017 zwischen sechs und 13 pro Jahr – davon war die Hälfte psychisch krank. Feltes erwartet, dass sich das Problem durch den Zuzug traumatisierter Flüchtlinge verschärfen wird, denn deren Versorgung sei unzureichend...“