Polizeirepertoire ohne Rechtsgrundlage – und ohne Konsequenzen
„Die Einkesselung oder Gewahrsamnahme gehört zum üblichen polizeilichen Repertoire bei Demonstrationen. Obwohl das in vielen Fällen rechtswidrig ist, müssen die Polizisten kaum mit juristischen Konsequenzen rechnen.“ Artikel von Jean-Philip Baeck in der jungle World vom 2. Janaur 2015 . Aus dem Text: „… Wann eine Gewahrsamnahme, Festnahme oder sonstiges längeres Festhalten durch die Polizei rechtens ist, erklärt der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam sehr eindeutig: »Ohne Richter gar nicht.« Denn so bestimmt es Artikel 104, Absatz 2 des Grundgesetzes: »Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.« Immer wieder unternehmen Anwältinnen und Anwälte Versuche, an dieser Polizeipraxis etwas zu ändern, vor allem, indem zivilrechtlich auf Schadenersatz wegen Freiheitsberaubung geklagt wird. Anfang Dezember entschieden das Oberverwaltungsgericht Bremen und das Landgericht Lüneburg in zwei derartigen Fällen.In Lüneburg ging es um den »Harlinger Kessel«: Bei den Castorprotesten 2011 hatte die Polizei fast 1 400 Atomkraftgegner stundenlang, über Nacht, bei Kälte und Regen im Freien eingesperrt. Bei Harlingen hatten sie versucht, die Schienen für den Castortransport nach Gorleben zu blockieren. Fünf Castorgegner hatten das Land Niedersachsen auf 800 bis 1 000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Doch das Gericht lehnte eine Geldzahlung ab. Der Verstoß der Polizei sei zwar klar rechtswidrig gewesen, allerdings »nicht hinreichend schwer«, weil dieser »nur« darauf beruhe, dass die Gefangenen nicht unverzüglich einem Richter vorgeführt wurden. Bereits die Feststellung der Rechtswidrigkeit sei eine »hinreichende Genugtuung«, so das Landgericht Lüneburg. Die Hamburger Anwältin Ulrike Donat vertritt die Castorgegner und kritisiert die Systematik: »Die Polizei versucht regelmäßig, polizeiliche Lagen durch Freiheitsentziehung zu bereinigen.« Das sei »gravierend«, vor allem weil es keine Folgen hat. Gewahrsam werde von der Polizei als Bestrafungsinstrument benutzt…„