Nazi-Terror in Neukölln: Aufklärung unerwünscht?
Dossier
„… »Für das Jahr 2019 wurden bisher noch nicht alle Fälle im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität erfasst«, heißt es in der Senatsantwort. (…) Auch das »Gemeinsame Informations- und Bewertungszentrum Rechtsextremismus« von Polizei und Verfassungsschutz beschäftigt sich mit der Sicherheitslage und den rechten Bedrohungen. Zu Festnahmen hat das alles aber noch nicht geführt. (…) Ein sogenannter Beobachtungsvorgang hinsichtlich der Tatvorgänge in Neukölln wurde zwar im März 2017 vom obersten Strafverfolger eröffnet. Der Generalbundesanwalt wird seitdem auch regelmäßig von den Behörden in Berlin unterrichtet. Doch bislang sieht dieser keinen Handlungsbedarf...“ – aus dem Artikel „Mehr als 88 rechte Straftaten in Neukölln“ von Martin Kröger am 24. September 2019 in Neues Deutschland online über sehr gewollte Tatenlosigkeit und entsprechender Folgenlosigkeit von Terror-Aktionen… Siehe dazu u.a. einen Kommentar, der implizit die Auflösung der Polizei anvisiert…
- Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Erschwerte Einsicht in die Ermittlungsakten zum Mord an Burak Bektaş
„Informationen zum Mord an Burak Bektaş habe die Polizei den Angehörigen lange vorenthalten, wirft ein Anwalt den Ermittlungsbehörden und der Staatsanwaltschaft vor. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss weisen die eine Schuld von sich.
Seit Februar 2023 beschäftigen sich Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses wieder in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit dem sogenannten Neukölln-Komplex. Dabei handelt es sich um eine rechtsextreme Anschlagsserie zwischen den Jahren 2009 bis 2021. Wie viele Straftaten genau zu der Serie gehören, ist nicht eindeutig. Die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus geht von mindesten 157 Straftaten aus, während von behördlicher Seite mehr als 70 Straftaten dazu gezählt werden. Die Ermittlungen gegen die rechtsradikalen Straftäter verliefen schleppend und waren unter anderem von IT-Pannen, fragwürdigen Ermittlungsansätzen und Skandalen begleitet – sogar der Vorwurf von Beteiligten aus den Sicherheitsbehörden steht im Raum. (…)
Befragung zum Mord an Burak Bektaş
Am vergangenen Freitag fand die 28. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Neukölln II statt. An diesem Tag sollte es um das behördliche Ermittlungsvorgehen zum Mord an Burak Bektaş und dem Mordversuch an seinen Freunden am 5. April 2012 gehen. Bektaş wurde in Neukölln erschossen, die Tat ist seit zwölf Jahren nicht aufgeklärt. Die letzten Sitzungen hatten gezeigt, dass sich viele der geladenen Zeug:innen aus den Behörden nicht zu relevanten Sachverhalten äußern: Sie begründen dies mit mit mangelnder Erinnerung oder weil ihnen keine Aussagegenehmigung vorliege. Hinzu kommt, dass manche Zeug:innen sich zu bestimmten Fragen nur im nicht-öffentlichen Teil der Sitzungen äußern wollen. (…)
Behörden mauerten bei den Akten
Hauptkommissar H. und die Staatsanwaltschaft hätten Informationen in Bezug zu die Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş auch gegenüber der Familie Bektaş zurückgehalten, war einer der Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft konnte zwar entscheiden, dass Informationen geheim zu halten sind, weil sie laufende Ermittlungen gefährden. In der Nebenklage haben Betroffene und Angehörige jedoch besondere Rechte. Dazu zählt es Einsicht über den Umfang der Ermittlungen und den Ermittlungsstand durch Akteneinsicht zu gewinnen. Der Anwalt der Familie kritisierte, dass ihm dies damals als rechtlicher Vertreter der Familie mehr als üblich erschwert worden sei. Die Versuche scheiterten zum Beispiel daran, dass die Akten zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Kommissariat hin und her gereicht worden seien und sich gerade dann beim Staatsanwalt befunden hätten, als sie beim Hauptkommissar angefragt wurden. Weiterhin seien die Akten teilweise unvollständig oder gar nicht vorgelegt worden. Mit der Einstufung einer Information als „Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch“ hätte man teilweise ohne erkennbaren Grund ein Geheimhaltungserfordernis suggeriert, obwohl dies lediglich die Information schützte, dass die Ermittlungen zu keinem Ergebnis geführt hätten, so der Anwalt. (…)
Nach zwölf Jahren sind Angehörige und die Initiative Burak Bektaş immer noch im Ungewissen, auch wenn alles darauf hindeute, das das Mordmotiv Rassismus war. Ihrer Ansicht nach sollten auch die Protokolle des öffentlichen Teils des Untersuchungsausschusses transparent gemacht werden, um die Aufklärung zu ermöglichen.
Die nächste öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses findet am 26. April 2024 im Abgeordnetenhaus in Berlin in der Niederkirchnerstraße 5 statt.“ Beitrag vom 19.4.2024 in netzpolitik.org („Erschwerte Einsicht in die Ermittlungsakten“) - U-Ausschuss: Viele Polizeifehler bei Neonazi-Taten in Neukölln
„Neonazi-Schmierereien und Brandanschläge in Neukölln sorgten jahrelang für Unruhe. Verdächtige wurden spät ermittelt. Der Untersuchungsausschuss erkennt zahlreiche Fehler der Polizei – und Kontakte von Polizisten zur rechtsextremen Szene.
Die Berliner Kriminalpolizei hat bei der Aufklärung der rechtsextremen Straftaten in Neukölln vor allem bis 2017 viele Versäumnisse zu verantworten. Zu diesem Schluss kommt der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Brandanschlägen und Schmierereien von Neonazis, der am Freitag einen Zwischenstand bekannt gab. Ab 2017 seien die Ermittlungen dann wegen des Drucks der Öffentlichkeit beim Landeskriminalamt besser geführt worden, stellte der Ausschussvorsitzende Vasili Franco (Grüne) fest. Fehler habe es aber weiterhin gegeben. Seit dem vergangenen Sommer befragte der Ausschuss zahlreiche Kriminalpolizisten, die mit dem Komplex befasst waren. Franco sprach von einer „großen Kluft zwischen Theorie und Praxis“ bei der Polizeiarbeit. So habe es Mängel bei der Spurensicherung, bei den Ermittlungsmethoden und bei der Wissensübermittlung nach Personalwechseln gegeben. Die Staatsanwaltschaft habe lange den Seriencharakter der Taten ignoriert.
CDU-Politiker sieht „individuelle Versäumnisse“
Der CDU-Innenpolitiker Stephan Standfuß (CDU) sagte, für den zeitweise kursierenden Verdacht, es gebe rechtsextreme Netzwerke in der Polizei, die die Aufklärung der Taten behinderten, hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Das Problem seien „individuelle Versäumnisse“ gewesen. Die Vertreter der anderen Parteien kritisierten strukturelle Probleme wie zu wenig Personal im zuständigen Staatsschutz des LKA und zu häufige Wechsel in den Führungspositionen.
In den nächsten Monaten will sich der Ausschuss mit dem bisher nicht aufgeklärten Mord an dem 22-jährigen Burak B. im April 2012 in Neukölln befassen und Vertreter der Staatsanwaltschaften befragen. Mit der Arbeit am Abschlussbericht soll Ende des Jahres oder Anfang 2025 begonnen werden…“ Artikel von Andreas Rabenstein vom 17.03.2024 im Migazin - Neukölln-Komplex: Ermittelnder Polizist soll Dienstgeheimnisse an Neonazis verraten haben
„Angezündete Autos, an Häuserwände geschmierte Hakenkreuze, Drohungen gegen linke Initiativen. Jahrelang gab es solche Vorfälle im Berliner Bezirk Neukölln. Sie beschäftigen bis heute Politik und Justiz. Gibt es nun eine neue Entwicklung? Ein Polizist könnte Rechtsextremisten geholfen haben. Ein Berliner Polizist steht im Verdacht, interne Informationen zu Ermittlungen im rechten Milieu weitergegeben zu haben. Das Verfahren gegen ihn dürfte Auswirkungen auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum „Neukölln-Komplex“ haben. Davon gehen die Ausschussmitglieder aus. Unklar sei zum jetzigen Zeitpunkt, inwiefern ein direkter Zusammenhang zur Straftatenserie bestehe, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Vasili Franco, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. (…) Gegen ein Mitglied der Folgeeinheit richten sich die Ermittlungen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft, die am Mittwoch bekannt wurden. Der Polizist steht demnach im Verdacht, Dienstgeheimnisse zu Ermittlungen im rechten Milieu weitergegeben zu haben. Am Mittwoch wurden seine Wohnung und sein Arbeitsplatz durchsucht…“ Beitrag von Marion van der Kraats vom 28.09.2023 im Migazin (Wir erinnern an unser Dossier: Neue rassistische Chatgruppe bei der Polizei Berlin: Alltag oder Ausnahme?) - Nach dem Urteil zu den Neuköllner Anschlägen hat die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch der Verdächtigen Berufung eingelegt
„Der Prozess um rechte Brandanschläge in Berlin-Neukölln wird neu aufgerollt. Vor mittlerweile über fünf Jahren wurde ein Brandanschlag auf das Fahrzeug des linken Aktivisten Ferat Koçak verübt. Die Täter hatten bei dem Anschlag in der Nacht des 1. Februar 2018 schwere Verletzungen und den Tod Koçaks sowie der ganzen Familie in Kauf genommen. In derselben Nacht wurde auch der Buchhändler Heinz Ostermann angegriffen. Die Anschläge reihten sich in eine langjährige Serie rechten Terrors in Berlin-Neukölln ein, die sich gegen Antifaschisten, Gewerkschaftsmitglieder sowie Politikerinnen und Politiker richtete. Im Rahmen der Ermittlungen fielen immer wieder Unterlassungen und Fehlleistungen auf, die auf Verbindungen aus Behörden in die rechte Szene hindeuten.Im Prozess wurden dazu Indizien behandelt, das Gericht sah die Vorwürfe aber letztlich nicht als erwiesen an. Mehr als 70 faschistische Straftaten in Neukölln wie Aufkleber, Parolen an Hauswänden und Bedrohungen hatten Polizei und Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren gezählt, darunter mindestens 23 Brandanschläge. Die Generalstaatsanwaltschaft reichte nun die Begründungen für die bereits erfolgten Berufungen gegen die Freisprüche für zwei Männer aus der Neonaziszene ein, wie am Donnerstag mitgeteilt wurde…“ Artikel von Henning von Stoltzenberg in der jungen Welt vom 25.08.2023 („Zielgerichtete Angriffe“) - Neukölln-Komplex: Sebastian T. vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen
„Der Nazi Sebastian T. muss für eineinhalb Jahre in Haft. Das hat das Amtsgericht Tiergarten am Dienstag entschieden. Damit endet nach rund sechs Monaten der erste Strafprozess, der Brandanschläge aus der rechtsextremen Neuköllner Terrorserie verhandelte. Das Gericht sprach den 36-Jährigen der Sachbeschädigung in 27 Fällen und des Betrugs schuldig. Vom Vorwurf der Brandstiftung wurde er aber wie schon der zweite Hauptangeklagte Tilo P. im Dezember freigesprochen. Die beiden stehen unter Verdacht, am 1. Februar 2018 die Autos des Linke-Politikers Ferat Koçak und des Buchhändlers Heinz Ostermann angezündet zu haben. Das Gericht habe sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit von der Schuld des Angeklagten überzeugen können, sagte Richterin Ulrike Hauser. Damit blieb die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erneut bei einem zentralen Punkt ihrer Anklage erfolglos. Sie hatte vor dem Urteil eine vierjährige Haftstrafe für T. wegen Brandstiftung gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Erwartungen an den Ausgang waren schon im Vorfeld gering. In den Augen der Betroffenen und antifaschistischer Gruppen hatte das Gericht im Laufe des Prozesses die Chance vertan, das Wirken der Neuköllner Nazi-Strukturen aufzuklären, denen über 70 Straftaten seit 2013 zugerechnet werden. »Ich fühle mich vom Rechtsstaat im Stich gelassen. Wann gibt es eine Anklage wegen der anderen rechten Gewalttaten?«, ließ sich Claudia von Gélieu in einer Mitteilung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) zitieren. Die Neuköllnerin erlebt seit Jahren rechtsextreme Angriffe, die »Galerie Olga Benario«, in der sie sich engagiert, wurde in der Vergangenheit regelmäßig mit Schmierereien, Fensterbrüchen und Brandsätzen attackiert. Als Teil der Initiative »Rudow empört sich« kämpft sie um Aufklärung, von dem Prozess ist sie enttäuscht. »Wozu brauchen wir einen Verfassungsschutz, der die rechte Szene und damit die Angeklagten beobachtet, dessen Erkenntnisse aber nicht in einem Strafverfahren herangezogen werden?«, bezieht sie sich auf die Weigerung der Staatsanwaltschaft, die vollständigen Verfassungsschutzberichte mit den Überwachungsprotokollen von Sebastian T. und Tilo P. anzufordern. Auch Bianca Klose von der MBR äußerte sich kritisch zum gesamten Prozess: »Von Beginn an deutete sich an, dass die politische Dimension der Taten kleingehalten werden sollte und kein Interesse an umfassender Aufklärung bestand – es ist ärgerlich, dass der Prozess so weit hinter seinen Möglichkeiten zur juristischen Aufarbeitung zurückgeblieben ist«, sagte Klose. Wichtige Hintergründe und Zusammenhänge, etwa die Bedeutung der Gruppe »Nationaler Widerstand Berlin«, der Ursprung und die Sammlung von Daten Betroffener oder die Frage nach möglichen Helfer*innen, habe das Gericht ausgeblendet. »Eine weitere Chance zur Aufklärung, die ungenutzt bleibt«, zog Klose eine bittere Bilanz…“ Artikel von Nora Noll vom 7. Februar 2023 in Neues Deutschland online - [»Freifahrtschein« für Rechtsterroristen»] Freispruch im Neukölln-Komplex: Gericht sieht keine Beihilfe von Faschisten bei Brandanschlag auf Linke-Politiker Kocak
„Der Neonazi konnte das Berliner Gericht am Donnerstag nachmittag als freier Mann verlassen. Vom Amtsgericht Tiergarten war Tilo P. vom Vorwurf der Beihilfe zur Brandstiftung an den Autos des Linke-Politikers Ferat Kocak und eines Buchhändlers in der Nacht zum 1. Februar 2018 freigesprochen und sein Haftbefehl aufgehoben worden. Verurteilt wurde der 39jährige, der 2018 dem Bezirksvorstand der AfD Neukölln angehört hatte, lediglich zu einer Geldstrafe von 4.500 Euro wegen Sachbeschädigungen. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert. Das Verfahren gegen P.s Mitangeklagten Sebastian T. wird im Januar fortgesetzt. Der 36jährige frühere NPD-Aktivist hatte nach Ansicht der Staatsanwältinnen die Fahrzeuge angezündet, während P. Schmiere stand. Die Brandanschläge sind Teil des sogenannten Neukölln-Komplexes. Dieser faschistischen Anschlagsserie zwischen 2012 und 2018 werden mindestens 23 Brandstiftungen und 50 weitere Straftaten zugerechnet. Fast wäre es bei dem Brand von Kocaks Smart zur Katastrophe gekommen. Nur durch Glück griffen die Flammen nicht auf eine Gasleitung des Hauses seiner Familie über. P. hatte laut Ermittlungen Kocak, dessen Fahrzeug und dessen Wohnhaus vor dem Brand intensiv ausgespäht. Das Gericht habe zwar feststellen können, dass der Beschuldigte eine rechte Gesinnung habe und politische Gegner ausspionierte, begründete Richterin Ulrike Hauser den Spruch des erweiterten Schöffengerichts. Doch von P.s Schuld habe es sich »nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen« können. So sei nicht festzustellen, dass er sich in der Anschlagsnacht in der Nähe der Tatorte aufgehalten habe. Das Ergebnis des Prozesses überrasche nicht, meinte Nebenklageanwältin Franziska Nedelmann, die Kocak vertritt. Während die Ermittlungen für die Existenz eines neonazistischen Netzwerks in Berlin sprechen, sei lediglich gegen Einzelpersonen Anklage erhoben worden. Kocak, der für Die Linke im Abgeordnetenhaus sitzt, nannte das Urteil einen »Freifahrtschein« für Rechtsterroristen».“ Artikel von Nick Brauns in der jungen Welt vom 17. Dezember 2022 - Gegen Linke ermittelt und Rechte überführt? Immer Neues vom Neukölln-Komplex
„Am kommenden Montag werden erstmals einige Taten aus dem Berliner Neukölln-Komplex – einer Serie von rechten Brandanschlägen und weiteren Sachbeschädigungen gegen politische Gegner_innen – vor Gericht verhandelt. Derzeit sind zehn Prozesstage bis Ende November am Amtsgericht Tiergarten gegen Sebastian Thom und vier weitere Neonazis anberaumt. Bereits im September 2021 wurde Anklage erhoben. Trotz diverser Skandale wurde dieser Schritt medial als Erfolg fleißiger Polizeiarbeit gefeiert. Doch aktuelle Meldungen werfen wieder ein kritisches Licht auf die Behörden und lassen erneut das Wirken von Polizei und Justiz zweifelhaft erscheinen. Denn nun wurde öffentlich: Ein zentraler Beweis gegen die Neonazis ist ein Video, das aus einem gegen Linke konstruierten §129-Verfahren stammt. Im politischen Raum erhobene Forderungen, ein solches Verfahren auch gegen die Neonazis einzuleiten, wurden bis zuletzt abgelehnt. Ein weiteres deutliches Zeichen für die bei den sog. „Sicherheitsbehörden“ übliche Prioritätensetzung. (…) Wie berichtet, werden Thom und Tilo Paulenz (…) zwei Brandstiftungen am 1. Februar 2018 an PKWs politischer Gegner_innen vorgeworfen. Paulenz will dabei jedoch nur „Schmiere gestanden“ haben, wie er während einer Untersuchungshaft einem Mitgefangenen erzählt haben soll. (…) Der Tat überführt wurde Thom jedoch nicht durch die Ermittlungen gegen ihn, sondern durch Zufall: Das LKA hatte zum Tatzeitraum seine Observationspriorität statt auf die rechten Brand- und Farbanschläge lieber gegen Linke gerichtet und den Hauseingang eines der Betroffenen per Video überwacht. Ziel war die Konstruktion eines dubiosen §129-Verfahrens. Durch diese Videoüberwachung wurden Thom und ein weiterer Mittäter – es handelt sich augenscheinlich um Oliver Werner – beim Besprühen der Fassade nach einem missglückten Einbruchsversuch an der Haustür gefilmt. Aufgrund der Vorgehensweise, Schriftfarbe sowie der örtlichen und zeitlichen Nähe geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass auch die anderen Taten in dieser Nacht von den beiden verübt wurden. Die zufälligen Beweise gegen die Neonazis wurden – kaum verwunderlich – nicht unbedingt mit Elan in das Verfahren eingebracht. (…) Neben dem ehemaligen Neuköllner NPD-Vorsitzenden Sebastian Thom, der dem militanten Netzwerk „NW-Berlin“ zuzurechnen gewesen war und jetzt für die Kleinstpartei „Der III. Weg“ aktiv ist, sind vier weitere Neonazis Montag auf der Anklagebank. (…) Die „holprigen“ Ermittlungen und der Umgang der Justiz mit den Betroffenen der Anschläge, die als Nebenkläger nur sehr spät oder nicht zugelassen wurden, lassen einen unpolitisch geführten Prozess erwarten. Wer seine Hoffnungen im Umgang mit Neonazis auf den „starken Staat“ gelegt hat, wird voraussichtlich enttäuscht werden. Allen anderen bleibt es wie immer unbenommen, selbst antifaschistisch aktiv zu werden…“ Beitrag beim Antifaschistischen Infoblatt am 25. August 2022 - „Hitlergruß tut niemandem weh“. Berliner Polizist weiter im Dienst – seit 2,5 Jahren
„Seit zweieinhalb Jahren läuft gegen einen Berliner Polizeibeamten ein Disziplinarverfahren. Verdacht: Rechtsextremismus. Jetzt hat eine Bürgerinitiative Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizeipräsidentin eingelegt. Vorwurf: Untätigkeit. Der Innensenat glänzt mit Nichtwissen und Desinteresse. Die Bürgerinitiative „Basta“ demonstriert seit Mai 2019 wöchentlich vor dem Berliner Landeskriminalamt. Sie fordert Aufklärung rechter Straftaten in Neukölln und Offenlegung rechter Strukturen in Berliner Ermittlungsbehörden. Die Demonstrationen werden beaufsichtigt von der Polizei. Dabei fallen immer wieder kritische Kommentare von den Beamten. So auch am 20. Juni 2019. An diesem Tag sei ein Polizeibeamter im Beisein von mindestens vier Demonstranten besonders negativ aufgefallen. Einem Gedächtnisprotokoll zufolge, das dem MiGAZIN vorliegt, soll er ausländerfeindliche und rassistische Einstellungen offenbart haben. So gebe es seiner Meinung nach keine Probleme mit Rechten. NSU sei eine Ausnahme gewesen und: Wenn jemand den rechten Arm zum Hitlergruß hebe, tue das niemandem weh.
Laut Protokoll hat der Polizeibeamte die Demonstranten aufgefordert, besser gegen „Ausländer (Araber und Schwarze)“ zu demonstrieren, weil die vergewaltigten und mordeten. 99 Prozent aller Straftaten würden von Ausländer begangen – anderen Statistiken glaube der Polizeibeamte nicht, heißt es im Protokoll. Beistehende Polizisten hätten den Ausführungen ihres Kollegen nickend zugestimmt. „Es ist keine Einzelmeinung“, so „Basta“.
Deshalb zeigten Vertreter der Initiative den Beamten an und legten Beschwerde beim Polizeipräsidium Berlin ein. Im Oktober 2019 wurde ein behördliches Disziplinarverfahren eingeleitet, mehrere Zeugen wurden zum Verhör eingeladen. In einem Schreiben des Polizeipräsidiums an „Basta“ (liegt der Redaktion vor) heißt es, die Beschwerden würden „sehr ernst genommen“. Sollte ein Fehlverhalten festgestellt werden, würden „Konsequenzen gezogen“.
Darauf wartet „Basta“ – knappe zweieinhalb Jahre nach der Beschwerde – nach wie vor. Auf eine Anfrage des MiGAZIN teilte das Berliner Polizeipräsidium im Dezember 2021 mit, dass das „Verfahren noch nicht abgeschlossen“ ist. (…) Die Krux: Recherchen des MiGAZIN zeigen, in dem Strafverfahren läuft gar kein Strafverfahren. Das geht aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft hervor, datiert mit Juli 2019, bereits wenige Wochen nach der Basta-Beschwerde. Auf erneute Nachfrage teilte ein Senatssprecher der Redaktion mit, dass sie die Frage, ob in dem Fall ein Strafverfahren läuft, „nicht beantworten“ kann. Jetzt hat die Initiative eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizeipräsidentin Slowik bei der neuen Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eingelegt. „Die Innenverwaltung weiß nicht, ob bei einem namentlich bekannten Polizeibeamten, der sich rechtsextrem gegenüber ‚Basta‘ geäußert hat, ein Strafverfahren anhängig ist“, heißt es in dem Beschwerdeschreiben, das der Redaktion vorliegt…“ Beitrag vom 02.02.2022 beim Migazin - Hauptverdächtiger Neonazi verteilt Propaganda in Neukölln
„Sicherheitsbehörden ermitteln zu über 70 rechtsextremen Straftaten. Einer der Hauptverdächtigen, der Neonazi Sebastian T., geht kurz nach der Haftentlassung auf Flyer-Tour im Bezirk. Während Expert:innen und Polizei versuchen, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln aufzuklären, verteilt einer der drei Hauptverdächtigen ungehindert einschlägige Flyer im Bezirk. Vor rund einem Monat wurde Sebastian T., ehemaliger Kreisvorsitzender der Neuköllner NPD, aus der Haft entlassen. Kurz vor Weihnachten hatte die Generalstaatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt. Sie sah als bewiesen an, dass T. und sein mutmaßlicher Komplize, Tilo P., hinter einer Serie von mindestens 72 rechtsextremen Straftaten in Neukölln stecken. Die Richter sahen dann allerdings die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft als nicht erfüllt. Sebastian T. hat seit einigen Monaten offenbar seine Heimat bei der rechtsextremen Kleinstpartei „III. Weg“ gefunden. Die Partei tritt seit einiger Zeit verstärkt in der Öffentlichkeit auf. Erst am Sonntag spazierten sieben Mitglieder des III. Weg durch den Neuköllner Richardkiez und entlang der S-Bahnstrecke. Die Männer verteilten Flyer mit Sprüchen wie: „Stoppt den linken Terror in Neukölln“, sie verklebten Sticker und beschmierten Wände…“ Artikel von Madlen Haarbach vom 24.2.2021 im Tagesspiegel online - Ermittlungsgruppe im Berliner Landeskriminalamt: Polizei will rechtsextremistische Strukturen in eigenen Reihen aufklären
„… Die Berliner Polizei wird künftig mit einer eigenen Ermittlergruppe gegen rechtsextremistische Umtriebe in den eigenen Reihen vorgehen. Das hat Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses angekündigt. Ab 1. April soll den Angaben zufolge eine spezielle Ermittlergruppe eingesetzt werden, angesiedelt beim Landeskriminalamt. Diese solle „entsprechende Spuren“ innerhalb der Berliner Polizei verfolgen. „Mein prioritäres Interesse ist es, rechtsextremes Gedankengut in der Polizei Berlin zu verfolgen und auszumerzen“, sagte Slowik. Wer rechtsextremes Gedankengut habe, habe in der Polizei keinen Platz. Außerdem sollen „Kennbeziehungen“ und Verbindungen zu rechtsextremen Straftaten aufgespürt werden. Das beziehe sich auch auf mögliche Kontakte in andere Bundesländer, sagte Slowik weiter. Konkret erwähnte sie Medienberichte, wonach es womöglich Verbindungen zu rechtsextremen Polizisten in Hessen geben könne. Diese hält sie aber für nicht belegt. (…) Slowik reagiert mit der Aufstellung der neuen internen Ermittlergruppe beim LKA auf Fälle, in denen Berliner Polizisten durch rechtsextremes Gedankengut aufgefallen sind. Zugleich geht es auch um Erkenntnisse aus den Ermittlungen zu den rechtsextremistischen Anschlägen in Neukölln. In den vergangenen Jahren waren mehrfach Mitarbeiter der Berliner Polizei etwa durch rechtsextreme Chats aufgefallen, aber auch durch Aktivitäten in rechten Gruppen. 2020 hatte die Polizei 24 Strafverfahren gegen Beamte wegen rechtsextremistischer Vorfälle eingeleitet, zudem laufen 47 Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer oder rassistischer Äußerungen. Slowik hofft, mit der Ermittlungsgruppe auch den Verdacht ausräumen zu können, dass es in der Berliner Polizei rechtsextreme Netzwerke gibt. Am Montag ist im Innenausschuss der Zwischenbericht einer Expertenkommission zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln vorgestellt worden. (…) Bereits im Vorfeld hatten Betroffene und Politiker den Zwischenbericht kritisiert. So blieben viele Fragen noch offen. Unklar ist etwa die Rolle des Verfassungsschutzes: Im Bericht heißt es, dass die Kommission noch „zahlreiche als Verschlusssachen eingestufte Dokumente“ der Landesbehörde für Verfassungsschutz zur rechtsextremen Szene in Berlin prüfen und auswerten wolle. Speziell gehe es auch um die Weitergabe von Erkenntnissen an andere Behörden…“ Artikel von Frank Jansen, Alexander Fröhlich und Madlen Haarbach vom 22. Februar 2021 im Tagesspiegel online – siehe dazu auch:- Zwischenbericht zu Neuköllner Anschlagsserie: Experten finden kein Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden
„Die Kommission, die die Ermittlungen zur Neuköllner Anschlagsserie überprüfen soll, hat keine gravierenden Fehlleistungen von Polizei und Staatsanwaltschaft feststellen können. Stattdessen wird im Zwischenbericht Kritik an den Medien geübt. Im Zuge der Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln sollten die Sicherheitsbehörden ihre Kommunikation mit den Opfern verbessern. Dadurch könnte bei den Neuköllner Bürgern mehr Verständnis und Vertrauen geschaffen werden. Das geht aus dem Zwischenbericht der „Kommission Neukölln“ hervor, der am Montag im Innenausschuss beraten werden soll und vorab der Redaktion rbb24-Recherche vorliegt. Darüber hinaus haben die frühere Eberswalder Polizeipräsidentin Uta Leichsenring, der Ex-Bundesanwalt Herbert Diemer und ihr sechsköpfiges Team keine Ermittlungsdefizite der Berliner Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Dass es in Neukölln seit Jahrzehnten verfestigte rechtsextremistische Strukturen gibt, die es zu bekämpfen gilt, daran hat die Kommission derweil keine Zweifel. So bestätigt die Kommission in ihrem Zwischenbericht, dass es seit 2014 zahlreiche rechtsextreme Straftaten in Neukölln gegeben hat. Die hätten offensichtlich zum Ziel gehabt, Menschen einzuschüchtern, die sich in Neukölln für ein demokratisches und tolerantes Zusammenleben engagieren. Insofern bergen die Straftaten nach Ansicht der Kommission ein „erhebliches Bedrohungspotential“, das geeignet sei, „das gesellschaftliche Klima zu beschädigen.“ Die Geschädigten fühlten sich dadurch „tief verunsichert und bedroht“ – auch wenn viele der Taten „im Einzelfall für sich gesehen nicht als besonders schwer betrachtet werden mögen“. Leichsenring und Diemer haben laut Zwischenbericht bisher mit fünf Betroffenen der Anschlagsserie gesprochen. Bei den Gesprächen, die manchmal auch emotional gewesen seien, sei deutlich geworden, dass es neben dem Verlust des eigenen Sicherheitsgefühls durch die Anschläge auch einen massiven Verlust von Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und die Justiz gegeben habe. Das liege zum einen an den mangelnden Ermittlungserfolgen, zum anderen aber auch am entstandenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Integrität von Polizeibeamten. In diesem Zusammenhang übt die „Kommission Neukölln“ auch Kritik an der Presse…“ Artikel von Jo Goll und Torsten Mandalka vom 21.02.21 bei rbb24 , siehe auch die Meldung zum Interview vom 22.02.2021 bei Inforadio : Lux: Sonderermittler müssen tiefer nachforschen: „Die Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln haben viel Kritik auf sich gezogen. Zwei Sonderermittler haben nun in ihrem Zwischenbericht die Sicherheitskräfte entlastet. Für den innenpolitischen Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, sind jedoch noch einige Fragen offen. (…) Lux kritisierte, dass die Sicherheitskräfte entlastet und das Problem eher bei den Geschädigten gesucht wurde – zudem hätten die Medien zu hohe Erwartungen an die Ermittlungen geschürt. Er sagte, es wäre wünschenswert, „undichte Stellen“ zwischen der Polizei und den Neuköllner Neonazis zu untersuchen. Ebenso sollte noch einmal geprüft werden, ob der Berliner Verfassungsschutz rechtzeitig alle relevaten Informationen weitergegeben hätte. Der Grünen-Politiker sagte, andernfalls bräuchte es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.“ - Wir erinnern an unser Dossier: Schreibt die Berliner Polizei selbst Drohbriefe – oder beschafft sie nur das Material dazu?
- Zwischenbericht zu Neuköllner Anschlagsserie: Experten finden kein Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden
- Rechtsextreme Anschläge in Neukölln: Staatsanwaltschaft kündigt Anklageerhebung an
„Im Zusammenhang mit der Serie von über 70 rechtsextremistisch motivierten Straftaten in Berlin-Neukölln hat die Generalstaatsanwaltschaft angekündigt, Anklage erheben zu wollen. Die Verdächtigen sind auf freiem Fuß. Ein Verdächtiger zu der rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln war am vergangenen Freitag nach einer Entscheidung des Landgerichts aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Begründung des Gerichts: es liege weder ein dringender Tatverdacht vor noch andere Haftgründe. Ein zweiter Verdächtiger bereits länger auf freiem Fuß. Beide Männer waren kurz vor Weihnachten unter dringendem Tatverdacht verhaftet worden. (…)Die fortdauernden Anschläge in Neukölln halten den Bezirk seit Jahren in Atem. Ermittlungen verliefen immer wieder im Sande und wurden ergebnislos eingestellt. Im August 2020 wurde bekannt, dass zwei Staatsanwälte von den Ermittlungen zur Anschlagsserie abgezogen wurden. Sie standen im Verdacht, der AfD nahezustehen . Ebenfalls im August des vergangenen Jahres wurde ein Beamter, der als Ansprechpartner für Betroffene der Anschlagsserie fungierte, verdächtigt, mit weiteren Mittätern einen Afghanen verprügelt zu haben . Zeugen berichteten, dass er das Opfer rassistisch beleidigt haben soll.“ Meldung vom 04.02.2021 beim Migazin - Neonazi kommt frei: Sebastian T., Verdächtiger der Neuköllner Anschlagsserie, wird aus der U-Haft entlassen. Die Opfer der Anschläge sind bestürzt
„Auch der zweite der beiden Hauptverdächtigen der rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie ist wieder auf freiem Fuß. Das gab die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Freitagmittag auf Twitter bekannt. Das Landgericht sei der Beschwerde gegen die Haftverschonung des Beschuldigten Sebastian T. nicht gefolgt. Gegen die Entscheidung kündigte die Generalstaatsanwaltschaft eine weitere Beschwerde beim Kammergericht an. Über eine Beschwerde gegen die Haftverschonung des anderen Verdächtigen Thilo P. hat das Gericht noch nicht entschieden. Die Vorbereitung einer Anklage sollte aber weiter laufen. T. und P. sind die Hauptverdächtigen in einer seit 2016 andauernden Anschlagsserie mit mehr als 70 Anschlägen auf Menschen, die sich gegen Rechts engagieren. Kurz vor Weihnachten wurden sie nach lange erfolglosen Ermittlungen wegen dringenden Tatverdachts festgenommen. Während P. sofort wieder entlassen wurde, war T. seither in Untersuchungshaft. Betroffene der Anschläge reagierten auf die Freilassung mit Bestürzung. Der linke Kommunalpolitiker Ferat Kocak sagte: „Wir stehen in der Schusslinie und fühlen uns gefährdet. T. steht jetzt wütend auf der Straße. Für uns ist entscheidend, dass wir geschützt und Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden.“ Darüber hinaus war der Beschuldigte P. laut einem Tagesspiegel-Bericht offenbar innerhalb der AfD Neukölln Obmann des rechtsextremen AfD-Flügels. Das sei in einem diese Woche vom Verfassungsschutz an die AfD durchgestochenen Bericht allerdings verschwiegen worden. „Das ist ein Skandal im Skandal“, sagt Kocak dazu, „es zeigt einmal mehr, dass wir einen Untersuchungsausschuss brauchen, um die immer wieder auftretenden Probleme in den Behörden aufzuklären.“…“ Artikel von Gareth Joswig vom 22. Januar 2021 in der taz online - Berlin-Neukölln: Anschlagsserie aufgeklärt – Haftbefehle gegen »polizeibekannte Neonazis« vollstreckt
„Im Zusammenhang mit der Anschlagsserie auf linke Treffpunkte, Kleinbetriebe und Einzelpersonen im Berliner Bezirk Neukölln hat die Polizei am Mittwoch zwei Haftbefehle gegen zwei Tatverdächtige vollstreckt. Dies teilte die zuständige Generalstaatsanwaltschaft über Twitter mit. Nach Informationen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) handelt es sich bei den Verhafteten »um die polizeibekannten Neonazis Tilo P. und Sebastian T.«. Gegen den früheren Neuköllner AfD-Vorstand Tilo Paulenz und den ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden Sebastian Thom war diesbezüglich schon längere Zeit ermittelt worden – angeblich hätten die Beweismittel aber bisher nicht für eine Anklage gereicht. Der RBB zitierte am Mittwoch »Quellen in Sicherheitsbehörden«, denen zufolge keine wesentlichen neuen Beweismittel gefunden und auch keine Fehler bei den bisherigen Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft entdeckt worden seien. Dennoch habe eine kontinuierliche und intensive Weiterentwicklung der Ermittlungen jetzt zu den Haftbefehlen geführt. (…) Insgesamt rechnet die Berliner Polizei der Anschlagsserie 72 Straftaten zu – darunter Brandanschläge, Körperverletzungen, eingeschlagene Scheiben, zerstörte Briefkästen sowie gestohlene Stolpersteine, die an Opfer des Naziterrors erinnerten. Ermittler des Landeskriminalamtes hatten Paulenz und Thom sowie den vorbestraften Neonazi Julian Beyer als Tatverdächtige identifiziert. Thom war kurz vor Beginn der Anschlagsserie 2016 aus der Haft entlassen worden. Kocaks Namen hatten die Verdächtigen im September 2017 in einem abgehörten Telefonat erwähnt. Auch in Chatnachrichten, aus denen der RBB am Mittwoch zitierte, sprachen sie eindeutig über den Linke-Lokalpolitiker, dessen Ausspähung und Kocaks roten Smart, der gut zwei Wochen später in Flammen aufging. »Während sich alle freuen, dass die Täter in Haft sind, habe ich Angst. Angst, dass sie wieder freikommen. Angst, dass es zu einem Racheakt kommt«, erklärte Kocak am Mittwoch auf Twitter und erinnerte an nicht aufgeklärte »Verflechtungen der Nazis mit den Behörden«“ Artikel von Claudia Wangerin in der jungen Welt vom 24. Dezember 2020 - „Neukölln-Komplex“: Kein Vergessen. Opfer der rechten Anschlagsserie in Neukölln machen Druck für einen Untersuchungsausschuss
„… Genau ein Jahr nach der Übergabe von mehr als 25 000 Unterschriften für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex wollen die Betroffenen der rechten Anschlagserie, zu der die Polizei 72 Fälle, darunter mindestens 23 Brandstiftungen sowie jede Menge Nazi-Schmierereien und Drohungen zählt, dieser Forderung mit einem Video Nachdruck verleihen. Denn passiert ist seitdem nichts. Zumindest nicht in Hinblick auf Aufklärung darüber, warum trotz jahrelanger Ermittlungen und zahlreicher Sonderkommissionen bis heute keinerlei Ermittlungsergebnisse erzielt wurden. Stattdessen kamen jede Menge Verstrickungen der Ermittlungsbehörden ins Tätermilieu ans Licht (siehe Kasten). Dass die Hauptverdächtigen Neonazis Sebastian T., Tilo P. und Julian B. überführt werden, glauben die Betroffenen längst nicht mehr. »Uns geht es schon lange nicht mehr nur um die Täter«, sagt Kocak bei einer Pressekonferenz am Mittwoch im Anton-Schmaus-Haus der Neuköllner »Falken«, das 2011 vermutlich von Neonazis angezündet worden war. Stattdessen wollen sie wissen, was innerhalb der Ermittlungsbehörden schief gelaufen ist und wie so etwas in Zukunft verhindert werden kann. Auch frühere Vorfälle ab 2003 müssten Gegenstand der Ermittlungen sein sowie der Kreis der Tatverdächtigen erweitert und auf Verbindungen zu NPD, AfD und Neonazi-Gruppierungen in anderen Bundesländern überprüft werden. Die Betroffenen hoffen, das Thema im anstehenden Wahlkampf auf die Tagesordnung setzen zu können, damit spätestens in der nächsten Legislatur ein solcher Ausschuss eingerichtet wird. (…) Sollte in der nächsten Legislatur immer noch kein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, wollen die Betroffenen ein entsprechendes Volksbegehren starten, sagt Kocak zu »nd«. Er hofft jedoch, dass es gar nicht erst soweit kommt. »Das müsste doch auch ohne Volksbegehren möglich sein, das sind doch angeblich alles Antifaschisten«, sagt er mit Blick auf Rot-Rot-Grün.“ Artikel von Marie Frank vom 04.11.2020 im ND online - Der Neukölln-Komplex: Neonazis terrorisieren, die Behörden schauen zu
„Im Berliner Bezirk Neukölln wurden ein Jahrzehnt lang Immigranten und Menschen, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagieren, attackiert. Sie wurden verprügelt, auf der Straße und am Telefon bedroht, die Scheiben ihrer Häuser, Läden und Cafés und Büros wurden eingeworfen und mit Morddrohungen beschmiert, ihre Autos und Häuser angezündet. Auf Grund des Zeitpunktes, zu dem sie begangen wurden, und der verwendeten Materialien tragen die Taten eine eindeutige Handschrift und können einer bestimmten Gruppe von Neonazis zugeordnet werden, die von Rudow aus operieren, einem Stadtteil im Süden Neuköllns. (…) Auf die Sicherheitsbehörden und die Justiz ist nur bedingt Verlass. Wenn man die Neonazibanden loswerden will, muss man sich selbst helfen. Mit ähnlichen Methoden zurückschlagen wie die Faschisten – damit würde sich die Linke diskreditieren. Den Angegriffenen solidarisch zur Seite stehen, Verflechtungen und Kumpanei von Polizei, Armee, Staatsanwaltschaft usw. mit den Faschisten aufdecken – das ist der richtige Weg. In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen von engagierten Antifaschist*innen gegeben. Ohne diese beharrlichen Aktivitäten wären die Verbindungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den faschistischen Tätern bis heute nicht bekannt geworden. Denn nicht nur Seehofer, auch die Innenminister der Länder und deren Polizeiapparat – selbst im rot-rot-grün regierten Berlin – versuchen rassistische, völkische und faschistische Einstellungen in ihren Reihen und deren Verbindungen unter den Teppich zu kehren.“ Beitrag (mit Chronologie) vom Oktober 2020 von und bei Arbeiterpolitik - Wahrheit unter Verschluss: Ermittler sehen keine Beweise für rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln. Abschlussbericht für die Öffentlichkeit gesperrt
„Ihr bisheriges Versagen wurde den Ermittlern dabei von den eigenen Kollegen bescheinigt. Für verschiedene Aspekte des Neukölln-Komplexes habe man nämlich bis heute keinerlei handfeste Beweise ermitteln können, wie aus dem Abschlussbericht der Sonderkommission »Fokus« hervorgeht, den Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorstellten. Die 42köpfige Komission wurde 2019 bei der Kriminalpolizei eigens eingerichtet, um die Ermittlungsarbeit polizeiintern aufzuarbeiten. Den gesamten Abschlussbericht bekommen nur Mitglieder des Ausschusses zu Gesicht. Das Dokument wurde als »Verschlusssache« eingestuft, wie Geisel am Montag im Ausschuss erklärte. In der Sitzung wurde deshalb nur aus einer wenige Seiten langen Zusammenfassung zitiert, was mehrere Ausschussmitglieder – unter anderem von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen – deutlich kritisierten. Geisel will den Abschlussbericht nicht so gedeutet wissen, »dass die Dinge nunmehr abgeschlossen sind«. Zudem zeige das Dokument, dass es kein »rechtsextremes Netzwerk« in Neukölln gebe. Geisel kündigte an, gemeinsam mit Jusitzsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) an diesem Dienstag dem Senat das Einsetzen einer unabhängigen Expertenkommission vorzuschlagen. (…) Die Ermittler rechnen mittlerweile neun weitere Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen der Anschlagsserie zu, damit sind es 23. Das hatte der RBB am Sonntag mit Verweis auf das vollständige Abschlussdokument berichtet. Demnach spricht aus Sicht der Polizei allerdings nicht mehr als eine »hohe kriminalistische Wahrscheinlichkeit« dafür, dass die Neonazis Sebastian T., Tilo P. und Julian B. für den rechten Terror in Neukölln verantwortlich sind…“ Artikel von Marc Bebenroth in der jungen Welt vom 29. September 2020 - Anschlagsserie in Neukölln: Geisel will externe Ermittler holen
„Nachdem die Ermittlungen zu der rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln weitgehend erfolglos geblieben sind, will Berlins Innensenator Geisel nun eine Kommission in der Polizei einrichten. Diese soll allerdings nur aus externen Ermittlern bestehen…“ Meldung vom 13.08.20 beim rbb - Polizist schlägt, Staat schiebt ab: Ein Polizist, der zu rechten Anschlägen ermittelte, beging mutmaßlich einen rassistischen Übergriff. Das traumatisierte Opfer wird abgeschoben
„Ein Polizist, der sich derzeit wegen eines rassistischen Angriffs vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten muss, war nach Antifa-Recherchen Mitglied der Ermittlungsgruppe Rex, die von 2007 bis 2016 mit Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln betraut war. Die elfköpfige Polizeigruppe überwachte Neonazis und ihre Treffpunkte in Südneukölln und hielt auch enge Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Bündnissen. Brandanschläge konnte sie dabei ebenso wenig verhindern wie die Morde an Burak Bektaş oder Luke Holland, ersterer immer noch unaufgeklärt. Seit Januar steht dieser Polizeibeamte K. zusammen mit zwei vermeintlichen Mittätern vor Gericht, weil er selbst einen rassistischen Übergriff begangen haben soll. Am 5. April 2017 nach einem Spiel des 1. FC Union soll er einen damals 26-jährigen Afghanen am S-Bahnhof Karlshorst entsprechend beschimpft und zusammengeschlagen haben. Der Beamte, der an jenem Abend nicht im Dienst und deutlich alkoholisiert war, sagte beim Eintreffen der alarmierten Polizist*innen, das kein Problem vorliege, schließlich seien keine deutschen Interessen betroffen. (…) Für den Geschädigten war der Angriff nach zwei Jahren in Deutschland laut seiner Anwältin eine heftige Zäsur: Bis dahin soll er gut integriert im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in einem Kreuzberger Kinderladen gearbeitet haben. Das geregelte Leben des jungen Mannes, der neben körperlichen psychische Schäden davontrug, sei danach durcheinandergeraten. Unter den Folgen des Angriffs flüchtete er nach England, sei dort drogenabhängig und obdachlos geworden. Zurück in Berlin, sei er dann mit Drogen- und sonstiger Kleinkriminalität aufgefallen. Nach Angaben seiner Anwältin landete er im Krankenhaus des Maßregelvollzugs, ohne Anklage, weil ihn ein gerichtlicher Gutachter aufgrund seines psychischen Zustands für schuldunfähig erachtet. Am 11. März, mitten zur Coronazeit, sei er dann aus dem Krankenhaus heraus im Rahmen einer bundesweiten Sammelabschiebung nach Afghanistan abgeschoben, „direkt in die Obdachlosigkeit nach Kabul“, wie seine Anwältin Jenny Fleischer sagt. Sie stehe mit ihm Kontakt, sagt aber: „Ihm geht es schlecht.“…“ Artikel von Erik Peter vom 13. August 2020 in der taz online , siehe dazu auch:- Rechter Polizist arbeitete jahrelang in Neukölln-Ermittlungsgruppe
„Update und Korrektur zu Stefan Kollmann – Er gehört nicht zum LKA, sondern zur ersten Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“ bis 2016. In seine Dienstzeit fallen viele schwere Angriffe sowie die Morde an Burak Bektaș und Luke Holland. Letzte Woche veröffentlichten wir Informationen zu Stefan Kollmann , einem Berliner Polizisten der aktuell wegen eines brutalen rassistischen Übergriffs vor Gericht steht. Fälschlicherweise haben wir ihn dem LKA-Dezernat 64 „Aufklärung/Operative Dienste“ zugeordnet, da er mit bekannten LKA-Beamten bei rechten Demonstrationen eingesetzt war. Ein möglicher Neukölln-Bezug war uns nicht bekannt. In den vergangenen Tagen erreichte uns dazu eine ganze Reihe von Hinweisen. Es gab im fraglichen Zeitraum eine weitere Einheit, die nicht zum LKA gehörte, aber zeitweise ebenfalls berlinweit bei rechten Demonstrationen eingesetzt wurde: die Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“, oder kurz EG Rex, die am Abschnitt 56 (jetzt 48) in Rudow angesiedelt war und 2016 aufgelöst wurde. Stefan Kollmann gehörte mindestens ab 2008 und bis zu ihrer Auflösung zu eben jener EG Rex…“ Meldung vom 12.8.2020 von recherche030
- Rechter Polizist arbeitete jahrelang in Neukölln-Ermittlungsgruppe
- Neonazis beim Namen nennen – Antifaschisten wegen Outing der Hauptverdächtigen im Neukölln-Komplex freigesprochen
„Darf man Neonazis als das bezeichnen, was sie sind? Die Staatsanwaltschaft findet Nein und verklagte drei Antifaschisten, die im Februar 2017 im Neuköllner Ortsteil Rudow Plakate mit Konterfeis der Hauptverdächtigen der rechten Anschlagserie in Neukölln, Sebastian T. und Thilo P., verklebt hatten, wegen übler Nachrede und Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Die Din A3 großen Poster mit der Aufschrift »Know your enemy. Achtung Neonazis«, auf denen T. und P. abgebildet waren und für die Anschläge in Neukölln verantwortlich gemacht wurden, seien geeignet, diese »verächtlich zu machen«, sagte die Staatsanwältin am Mittwochmorgen vor dem Berliner Kriminalgericht in Moabit, wo der Prozess gegen zwei der drei Antifaschisten verhandelt wurde. (…) Und obwohl dort keinerlei Beweise gefunden werden konnten und selbst der Richter mehrfach darauf hinwirkte, das Verfahren einzustellen, bestand sie auf einem Prozess. Das Verfahren führt wohlgemerkt dieselbe Abteilung der Staatsanwaltschaft, die erst vergangene Woche in die Schlagzeilen geraten war, weil Staatsanwalt Matthias F. wegen seiner Nähe zur AfD befangen sein soll, woraufhin die Generalstaatsanwältin sämtliche Ermittlungsverfahren im Neukölln-Komplex an sich zog. Nach den lückenhaften und widersprüchlichen Aussagen der Polizisten vor Gericht musste am Mittwoch dann selbst die Staatsanwältin einsehen, dass die Angeklagten freizusprechen sind. In der Verhandlung hätten die Vorwürfe weder bestätigt noch habe die Tat den Personen zweifelsfrei zugeordnet werden können, räumte sie ein. Den Verteidigern geht es hingegen weniger um die konkrete Tat, als vielmehr darum, »dass die Staatsanwaltschaft es als Ehrverletzung ansieht, wenn ein stadtbekannter Neonazi auch als solcher bezeichnet wird«, wie von Klinggräff erstaunt anmerkt. »Es ist unbestritten, dass Sebastian T. ein Neonazi ist«, so der Anwalt, das würden nicht nur seine Vorstrafen belegen, sondern auch seine Mitgliedschaften in den rechtsextremen Gruppen »Freie Kräfte Berlin Neukölln« und »Nationaler Widerstand Berlin« sowie seine ehemalige Funktion als Kreisvorsitzender der NPD Neukölln. »Er ist tief verwurzelt in der gewaltbereiten militanten Neonaziszene. Alle Angaben auf dem Plakat entsprechen also der Wahrheit«, so von Klinggräff. (…) »Es ist ein Skandal, dass die Staatsanwaltschaft diese Sache überhaupt zur Anklage bringt«, sagt nach dem Prozess auch Lukas Theune. »Es ist wichtig, dass Menschen aus der Zivilgesellschaft vor solchen gefährlichen Personen warnen.« Wenn die Staatsanwaltschaft in der rechten Terrorserie schon nichts unternehme, sei dies umso wichtiger…“ Artikel von Marie Frank vom 12. August 2020 in neues Deutschland online - Rechtsextremistische Anschläge in Neukölln: Drückte der Staatsanwalt wegen AfD-Sympathien ein Auge zu?
„Es geht um angebliche Nähe zu einem Verdächtigen und kollektives Schweigen: Die Generalstaatsanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen zu mehr als 70 Anschlägen. Bei den Ermittlungen zur rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln bahnt sich ein Justizskandal an. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers ist am Mittwoch eingeschritten und hat das Ermittlungsverfahren an sich gezogen. Alle Fälle sollen von der Generalstaatsanwaltschaft neu aufgerollt werden. Grund sind Umstände, „die die Befangenheit eines Staatsanwalts als möglich erscheinen lassen“, hieß es in einer am Mittwochnachmittag von Justizsenator Dirk Behrendt verbreiteten Erklärung. Nach Tagesspiegel-Information aus Justizkreisen soll ausgerechnet der Leiter der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft betroffen sein, ebenso der im Neukölln-Komplex ermittelnde Staatsanwalt. Die Behörde wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Dem Leiter der Staatsschutzabteilung, zuständig für politisch motivierte Straftaten, wird nach Tagesspiegel-Informationen eine Nähe zu einem der Hauptverdächtigen vorgeworfen. Es geht um den früheren Neuköllner AfD-Lokalpolitiker Tilo P. Der Leiter Staatsschutzabteilung könnte, so der Vorwurf, das Verfahren nicht mit dem nötigen Nachdruck geführt oder sogar verschleppt haben, hieß es am Mittwoch. Nach Tagesspiegel-Informationen fielen Ungereimtheiten nach einer Beschwerde einer Opferanwältin auf. Bei einer Prüfung der Ermittlungsakten soll zufällig das Protokoll einer Telefonüberwachung der beiden Hauptverdächtigen Sebastian T. und Tilo P. gefunden worden sein. Bei dem abgehörten Gespräch soll P. davon berichtet haben, wie er vom Leiter der Berliner Staatsschutzabteilung vernommen worden sei. Dabei soll ihm der Staatsanwalt erklärt haben, dass er sich keine Sorgen machen brauche, er sei selbst AfD-Wähler…“ Artikel von Alexander Fröhlich vom 6.8.2020 beim Tagesspiegel online , siehe dazu den RAV:- RAV am 6.8.20 bei Twitter : „Einige Fakten zu den Gründen der Versetzungen der beiden Staatsanwälte im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen der rechtsradikalen Anschlagsserie in #Neukoelln: #Staatsanwalt F. war seit vielen Jahren Leiter der Abteilung 231. Diese ist für die Verfolgung politischer Delikte zuständig. (…) Die Fachaufsichtsbeschwerde der Kollegin bei der Generalstaatsanwaltschaft führte jetzt zu den genannten Konsequenzen. Die Brisanz der Ereignisse liegt auf der Hand. Alle Berliner Ermittlungsverfahren gegen rechtsradikale Tatverdächtige wurden unter Leitung des StA F. geführt…“ Lesenswert!
- Was die Berliner Polizei wegen der Neuköllner Terror-Aktivitäten tut – oder eben nicht – soll trotz aller Kritik weiterhin geheim bleiben
„… Nun wird der Bericht der BAO Fokus zur Geheimsache erklärt. Dies zeigt ganz deutlich, dass es dem Berliner Innensenat nicht um Aufklärung im Neukölln-Komplex geht und die Betroffenen allein gelassen werden oder schlimmer: der „Sicherheitsapparat“ arbeitet nicht für die Sicherheit der Betroffenen der Nazi-Anschlagsserie in Neukölln. Auftrag der im Frühjahr 2019 nach dem Brandanschlag auf Ferat Kocaks Auto und Haus eingerichteten BAO Fokus war es offiziell, nach möglichen Verbindungen zwischen drei Morden in Neukölln und der dortigen Anschlagserie durch Neonazis zu suchen, um dadurch einer Aufklärung all dieser Taten näher zu kommen. Seit 2012 beobachten wir die Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft insbesondere im Zusammenhang mit den Morden an Burak Bektaş und Luke Holland und müssen leider das Gegenteil feststellen. Anstatt Zusammenhänge zu untersuchen, wird jede Tat als Einzeltat behandelt. Dies gilt auch für die beiden aktuell von BAO Fokus mit untersuchten Morden an Burak Bektaş und Luke Holland. Im Juli 2016 wurde Rolf Zielezinski zwar für den Mord an Luke Holland verurteilt, aber er wurde zum Einzeltäter erklärt und die Motivation für die Tat wurde ausgeblendet, geradezu geleugnet. Woher bekam er seinen Sprengstoff, seine Waffen und Nazi-Devotionalien?...“ – so beginnt die „Pressemitteilung anlässlich der Geheimhaltung des Berichts der BAO Fokus zu den Nazi-Anschlagsserien in Neukölln“ am 16. Februar 2020 bei der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş nach dem neuerlichen Geheimhaltungs-Beschluss zum Terrorwesen in Neukölln. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge – darunter auch eine Darstellung, wie Polizei und Senat ihre fortgesetzte Geheimhaltung öffentlich begründen:- „Rechtsextreme Taten in Neukölln – Feindesliste mit 500 Namen“ am 17. Februar 2020 in der Berliner Zeitung online berichtet über die polizeiliche Begründung von Geheimhaltung und Tatenlosigkeit unter anderem: „… Hinter der Serie rechtsextremer Anschläge in Berlin-Neukölln stand nach Einschätzung der Polizei kein überregionales Netzwerk von Neonazis. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach am Montag von drei Verdächtigen und betonte, es gebe keine Hinweise zu anderen Taten von Rechtsextremisten aus jüngster Zeit: weder zu den Morden an einem Engländer 2015 in Neukölln und an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer 2019 noch zu dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle im Herbst vergangenen Jahres. Das ist laut Slowik eines der Ergebnisse eines ansonsten weitgehend geheimen Berichts der Polizei zu den langwierigen und bislang nicht sehr erfolgreichen Ermittlungen in Neukölln. (…) Die Polizeipräsidentin betonte weiter, es seien keine Informationen zu Opfern aus den Reihen der Polizei gekommen. Diese habe allerdings einige Hinweise zu Opfern nicht im richtigen Zusammenhang erkannt. Daher sei mindestens eine Warnung an ein Opfer wie auch eine Ansprache der Polizei an einen Verdächtigen nicht erfolgt. Geisel verteidigte die weitgehende Geheimhaltung des Berichts: „Wir müssen die laufenden Ermittlungen schützen.“ Vor allen Dingen müsse man „die Täter schnappen“, sagte er. „Diesem Ziel muss alles untergeordnet werden.“...“
- „Feindesliste lag im Papierkorb“ von Martin Kröger am 17. Februar 2020 in neues deutschland online zur Vorgehensweise der Behörden und des Senats: „… Was genau im Zwischenbericht der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) »Fokus« der Berliner Polizei zur rechtsextremen Terrorserie in Neukölln steht, ist geheim. »Wir wollen maximale Transparenz, gleichzeitig müssen wir die laufenden Ermittlungen schützen«, erklärte Innensenator Andreas Geisel am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. »Vor allem müssen wir die Täter schnappen, diesem Ziel muss alles untergeordnet werden.« Der SPD-Politiker hatte den Zwischenbericht daher mit dem Geheimhaltungsgrad »VS-Vertraulich« versehen, die Abgeordneten konnten deshalb nur im Geheimschutzraum Einblick nehmen. Von der Opferberatung Reach Out, aber auch von einigen Abgeordneten wurde die Geheimhaltungspraxis des Senats scharf kritisiert. »Dass der Bericht zur bisherigen Arbeit der BAO ›Fokus‹ nun zur Verschlusssache erklärt wurde, ist empörend«, so Reach Out in einer Pressemitteilung. »Das ganze Vorgehen ist kein gutes Signal an die Öffentlichkeit und die Betroffenen«, kritisierte auch der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, in der Innenausschuss-Sitzung...“
- Demonstration gegen rechten Terror in Neukölln: Und was von der Polizei zu erwarten ist…
„… Rund 800 Menschen haben laut Polizei am Samstagnachmittag gegen rechte Gewalt in Berlin-Neukölln demonstriert. Der Protestzug zog auf der angemeldeten Route vom Hermannplatz zum Rathaus Neukölln, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Demonstration, die das Motto „Kein Platz für Nazis!“ trug, verlief demnach zunächst ohne Zwischenfälle. Aufgerufen hatte das „Bündnis Neukölln: Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt“. Die Veranstalter fordern, dass ausreichend finanzielle Mittel für die Aufklärung rechter Straftaten in Neukölln zur Verfügung gestellt werden. In Neukölln haben mutmaßlich rechtsextremistische Täter in den vergangenen Jahren Autos von bekannten Mitgliedern linker Parteien und Einrichtungen angezündet, Drohungen verschickt und linke Treffpunkte beschädigt. Zuletzt war im Innenausschuss von 16 Brandanschlägen, 35 Beschädigungen mit Bedrohungen und 14 Diebstählen die Rede. Mit der Serie befasst sich eine eigene Ermittlungsgruppe….“ – aus der Meldung „800 Menschen demonstrieren gegen rechte Gewalt“ am 21. Dezember 2019 bei rbb24 über die Demonstration vom Samstag. Siehe dazu auch einen Kommentar zu den Ermittlungen:- „Der Wille fehlt“ von Marie Frank am 22. Dezember 2019 in neues deutschland online unter anderem: „… Von der Polizei ist trotz eigens dafür eingerichteter Ermittlungsgruppen keine Hilfe zu erwarten – im Gegenteil: Hier häufen sich so viele »Pannen«, dass man schon misstrauisch werden muss. Statt Neonazis den Kampf anzusagen, setzt die Politik lieber auf die Bekämpfung der sogenannten Clan-Kriminalität. Mit öffentlichkeitswirksamen und meist wenig ergiebigen Aktionen, wie massenhaften Razzien in Shisha-Bars, werden arabischstämmige Menschen pauschal als kriminell stigmatisiert. Dadurch wird ein Klima geschaffen, das Nazis zu ihren Angriffen noch ermutigt…“
- [21. Dezember 2019 in Berlin] Demonstration gegen Naziterror in Neukölln
„Das Bündnis Neukölln ruft zu einer Solidaritätsdemonstration für die Betroffenen der aktuellen rechtsextremen Angriffe im Bezirk auf. Vom 09. auf dem 10. Dezember kam es in Neukölln erneut zu rechtsextremenen Vorfällen. Seit Jahren gibt es in Neukölln eine rechtsextreme Angriffserie auf Menschen die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Berlin gegen Nazis berichtete in den letzten Jahren über zahlreiche Solidaritätsaktionen. In diesem neuen Fall handelt es sich um rechtsextreme Angriffe in Form von Schmierereien an Geschäften und Wohnhäusern und zerstochene Autoreifen. Seit 2014 gab es in der gleichen Straße bereits mehrere rechtsextreme Angriffe auf linke Cafés und Räume die von Migrant_innen genutzt werden. (…) Unabhängig von den genauen Zusammenhängen kommt die Berliner Zivilgesellschaft kurz vor den Feiertagen zu einer Solidaritätsdemonstration zusammen. Vom Startpunkt am Hermannplatz wird die Demonstration zu den Betroffenen in der Wildenbruchstraße und von dort zum Rathaus Neukölln ziehen…“ – aus dem Aufruf „Solidaritätsdemonstration in Neukölln“ bei Berlin gegen Nazis zur Demonstration, die am Samstag, 21. Dezember 2019 um 14.00 Uhr am Hermannplatz beginnt. Siehe dazu auch einen aktuellen Beitrag über das neuerliche Platzen einer polizeilichen Entschuldigung für ihre Enthaltsamkeit gegenüber den Naziumtrieben in Neukölln:- „Zweifel an Erklärung der Polizei“ von Erik Peter am 17. Dezember 2019 in der taz online zu einem zusätzlichen Aspekt aktueller polizeilicher Vernebelungsversuche: „… Die zweite Begründung schien zwar fahrlässig, aber doch handfester. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte erläutert, dass der Beamte, der das Telefonat abhörte, in dem Koçaks Name fiel, den Namen „Kotschak“ vermerkte. Der Schreibfehler sei ursächlich gewesen, warum man diese Information nicht mit jener der Ausspähung des Wohnhauses zusammenbringen konnte, so Slowik. Zu einem phonetischen Abgleich, der eine Suche nach gleich ausgesprochenen Lauten in verschiedenen Schreibweisen ermöglicht, sei die Datenbank technisch nicht in der Lage, hieß es. Auch BKA-Chef Oliver Stepien hatte „softwarebedingte Defizite“ als Fehlerquelle ausgemacht. Doch an dieser Darstellung gibt es nun Zweifel: Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader hat in einer schriftlichen Anfrage beim Abgeordnetenhaus, die der taz exklusiv vorliegt, nach dem technischen Stand der polizeilich genutzten Datenbanken Poliks, Casa (beide Polizei Berlin) und Inpol (BKA) gefragt. Die überraschende Antwort: In allen Datenbanken ist die „phonetische Namenssuche möglich“; bei Poliks bereits seit 2005, bei Casa seit 2007…“
- Naziterror in Neukölln geht immer weiter. Unbestraft
„… Aber diese Geschichte spielt in Berlin-Neukölln. Ein Großteil der mehr als 60 Angriffe, Anschläge und Brandstiftungen, die der seit Mai 2016 laufenden Serie zugerechnet werden, ereignet sich dort, wo auch die mutmaßlichen Täter zu Hause sind, im Süden des Bezirks, viel weniger großstädtisch und viel weniger medial bekannt als der Norden. Aber ab und an trifft es auch den Norden, der dem Rest der Republik wahlweise als Hipster-Mekka oder Clankriminalitäts-Gruselmärchen bekannt ist. Zum Beispiel in dieser Woche, als die Fenster eines Imbissrestaurants, eines Spätkaufs sowie ein Treppenhaus großflächig mit Hakenkreuzen und SS-Runen besprüht wurden. (…) Die Betroffenen der Anschlagserie, die vereint, dass sie sich gegen rechts engagieren, sei es als linke Aktivistin oder als Mitglied der Kirchengemeinde, kämpfen seit Jahren für Aufmerksamkeit und Aufklärung. Dabei haben sie schon viel erreicht: Wurde jahrelang selbst ein Zusammenhang zwischen den Taten angezweifelt, spricht mittlerweile auch Berlins Innensenator Andreas Geisel von rechtem Terror...“ – aus dem Bericht „Hipsterkiez mit Hakenkreuzen“ von Malene Gürgens am 12. Dezember 2019 in der taz online , worin auch noch ausführlich die Ermittlungsarbeiten thematisiert werden – die nun wahrlich geeignet sind, Vermutungen zu Gewissheiten zu machen… - … desto dümmer die Ausrede: „Ooops…“ da ist uns bei der Aufklärung des Brandterrors in Neukölln einer kleiner Fehler unterlaufen…“
„… Um welche Taten es sich handelt, verriet Oliver Stepien, stellvertretender Leiter des Berliner Landeskriminalamtes (LKA), am Montag im Innenausschuss nicht. Dennoch war es eine aufschlussreiche Sitzung, in der neben Stepien auch Innensenator Andreas Geisel (SPD), Verfassungsschutzschutzpräsident Michael Fischer und Oberstaatsanwalt Jörg Raupach Auskunft über den Stand der Ermittlungen gaben und dabei versuchten zu erklären, warum Ermittlungserfolge bis zum heutigen Tag ausgeblieben sind. Sie alle, das vorweg, bedauerten, dass noch keine Täter überführt werden konnten. „Das wurmt mich zutiefst“, so Geisel. Im Vordergrund der offenen Fragen steht der Anschlag auf den Linken-Lokalpolitiker Ferat Koçak am 1. Februar 2018 (…) Warum aber wurden die Verdächtigen, die offensichtlich konkrete Anschlagsziele verfolgten, nicht mit einer Gefährderansprache ins Visier genommen? Wie LKA-Mann Stepien erläuterte, erfolgte die Übermittlung der Informationen vom VS an die Polizei mit der Auflage, diese nicht zu verwenden, also auch nicht für eine Gefährderansprache. Der Verfassungsschutz (VS) wollte seine Quelle, also seine Informationsbeschaffung mittels Telefonüberwachung eines der Hauptverdächtigen, schützen. Vom „Prinzip Quellenschutz vor Opferschutz“ spricht Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken; dies erinnere ihn an Ermittlungen im NSU-Komplex. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagte, es stünde der Straftatbestand der „Nichtanzeige geplanter Straftaten“ im Raum...“ – aus dem Bericht „Ermittler scheitern an sich selbst“ von Erik Peter am 11. November 2019 in der taz online – der dann doch deutlich macht, dass es weniger ein Versehen war, und mehr die rechten Prinzipien der Behörden, die die Aufklärung verhinderten. Siehe dazu zwei weitere Beiträge zur LKA-Tätigkeit beim Neuköllner Brand- (und anderem) Terror, sowie eine Meldung, wie die Nazibanden hinter der ganzen „Fehler“-Wand – weiter machen…- „Fehler bei Ermittlungen zu rechten Anschlägen“ von Philip Blees am 11. November 2019 in neues deutschland online spricht zwar ebenfalls von „Fehlern“ (und nicht von „Absichten“), muss aber unterstreichen: „… Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus stellte Mitte des Jahres eine Liste der verübten Anschläge zusammen. Seit 2016 wurden an 21 Tagen 55 Angriffe von Neonazis auf Antifaschisten gezählt, die Polizei nennt 63. Neben Bedrohungen durch Graffitis gab es Steinwürfe und andere Sachbeschädigungen. 14 Autos wurden angezündet und zwei Brandanschläge auf Häuser verübt. Experten machen immer den einen Täterkreis aus: Neonazis rund um den ehemaligen »Nationalen Widerstand Berlin«...“
- „LKA-Vize gibt Fehler im Umgang mit Neuköllner Anschlagsserie zu“ von Alexander Fröhlich und Sabine Beikler am 11. Novenber 2019 im Tagesspiegel online zur „Fehlerdebatte“ konkret – woraus schon deutlich wird, dass „Fehler“ wirklich falsch ist: „… Doch die Ermittler gingen davon aus, dass nur Personen, die sich für Flüchtlinge engagierten und gegen Rechts äußerten, gefährdet seien. Den Links-Politiker Kocak zählten die Ermittler nicht dazu, obwohl eine einfache Suche im Internet gereicht hätte. Wegen dieser Panne wurde Kocak nicht vor einem Anschlag gewarnt. LKA-Vizechef Stepien räumte weitere Fehler ein. So wäre einer der beiden Tatverdächtigen ein Jahr vor dem Anschlag an der Wohnanschrift des Opfers gesehen worden und im Herbst 2017 gab es bereits einen Hinweis auf Anschlagspläne. Doch diese Informationen wurden nicht mit dem Hinweis des Verfassungsschutzes auf den geplanten Brandanschlag zusammengebracht…“
- „Angriff auf linkes Lokal in Neukölln – Kein Fußbreit den Rechten!“ am 11. November 2019 bei Klasse gegen Klasse meldet über weitere fehlerhafte Umtriebe rechter Banden in Neukölln während der Weißwaschung: „… Am vergangenen Sonntag, den 3. November, wurde das linke Neuköllner Lokal Heart’s Fear von Unbekannten angegriffen. Zwei leere Glasflaschen wurden gegen 21 Uhr an die Glastür des Lokals geworfen, während RIO – eine der politischen Gruppen, die gemeinsam mit den Berlin Migrant Strikers, resist.berlin, den Critical Workers, IWW im Raumprojekt involviert ist –, dort ihr Plenum abhielt. Die Flaschen haben die Scheiben der Tür beschädigt, zum Glück wurde niemand verletzt. Die Täter sind sofort weggerannt. Heart’s Fear wurde von Migrant*innen gegründet und ist nun für verschiedene Gruppen zum Treffpunkt geworden. Auch letztes Jahr fand ein ähnlicher Angriff auf dasselbe Lokal statt. Es handelt sich um rechte Angriffe in Neukölln und anderen Kiezen, die nach einem ähnlichen Muster laufen und das Ziel verfolgen, linke und migrantische Strukturen und Aktivist*innen einzuschüchtern. Als politische Gruppen, Aktivist*innen und Einwohner*innen/Mieter*innen von Neukölln verurteilen wir diese Einschüchterungsversuche und stehen gemeinsam in Solidarität gegen jegliche Form von Angriff auf uns!…“
- Die Aufklärung der Anschlagsserie in Neukölln: Nicht den Behörden überlassen!
„… Nur ein Zufall, schlechtes Timing, aber gleichzeitig auch kein unpassendes Bild. Denn im Foyer des Abgeordnetenhauses hat sich an diesem Montagvormittag eine Traube aus Kameraleuten gebildet, weil eine Petition übergeben wird: 25.000 Unterschriften haben die Betroffenen der mutmaßlich rechtsextremen Anschlagserie in Neukölln gesammelt. Sie fordern die Einrichtung eines Untersuchungsausschuss, der nicht nur klären soll, warum es seit Jahren keine Ermittlungserfolge zu dieser Serie gegeben hat, sondern auch, ob rechte Netzwerke in den Berliner Sicherheitsbehörden existieren. Und die rot-rot-grüne Koalition tut sich schwer, den richtigen Umgang mit dieser Forderung zu finden, allen voran die SPD. (…) Die Übergabe der Petition verdeutlicht: Die Betroffenen machen weiter Druck. Während der ehemalige CDU-Innensenator Frank Henkel seinerzeit die polizeiliche Ermittlungsgruppe auflöste, sobald es mal ein paar Monate keine Anschläge gegeben hatte, will die rot-rot-grüne Koalition vermitteln, dass sie das Thema ernst nimmt. Dass Innensenator Geisel die Sonderkommission zur Anschlagserie personell aufgestockt hat, reicht nicht aus, um die Betroffenen zu beruhigen – zumal inzwischen bekannt ist, dass ein Teil dieser Aufstockung aus Mitarbeitern der polizeilichen Pressestelle besteht. Ein Kompromiss könnte die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers sein: Dieser Forderung der Grünen hat sich mittlerweile auch Raed Saleh angeschlossen…“ – aus dem Bericht „25.000 für Aufklärung“ von Malene Gürgen am 04. November 2019 in der taz online über die „Aktion Übergabe“. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Bericht, in dem auch nochmals die verschiedenen Terror-Aktionen von Nazis in Neukölln zusammen gefasst werden:- „Zweifel an Polizeiarbeit zu rechtem Terror“ von Claudia Krieg am 04. November 2019 in neues deutschland online zur selben Aktion: „… »Viele wollen nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten«, sagt die Betreiberin der Galerie Olga Benario, Claudia von Gélieu, ebenfalls Opfer der Anschlagsserie. Kein Wunder, ganze 55 Angriffe hat die Mobile Beratung gegen Rechts (MBR) für die vergangenen drei Jahre allein in Neukölln gezählt. Laut Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion gab es im Jahr 2019 sogar 80 Attacken in dem Bezirk. Die Angriffe gegen antifaschistisch und zivilgesellschaftlich Engagierte reichen über Morddrohungen per Telefon und an privaten Wohnadressen bis hin zu Anschlägen auf Kneipen, Projekte, private PKWs, bei denen auch Tote in Kauf genommen werden. Die polizeilichen Ermittlungserfolge sind verschwindend gering, die meisten Verfahren werden eingestellt. »Wir brauchen den Untersuchungsausschuss, jetzt. Wenn Judikative und Exekutive derart versagen, muss die Legislative aktiv werden«, fordert von Geliéu. »Sie muss untersuchen, wie demokratisch verfasst unsere Polizei ist...“
- „Soko Fokus nur mit halber Kraft“ von Malene Gürgen am 24. September 2019 in der taz online zur selben polizeilichen Arbeits-Bilanz: „… 30 unvoreingenommene Ermittler also, die mit Hochdruck an der Aufklärung der Anschlagserie arbeiten? Das entspricht offenbar nicht der Realität. Wie aus der Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine bislang unveröffentlichte Anfrage der Linken-Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader hervorgeht, die der taz vorliegt, sind es aktuell nur 15 statt 30 Mitarbeiter:innen der Polizei, die der BAO Fokus, wie die Einheit offiziell heißt, zur Verfügung stehen. „Die Gesamtstärke der BAO Fokus ist anlassbezogen bis auf 30 Mitarbeitende anwachsend“, heißt es dort. Bei diesen 15 Beamten handele es sich außerdem nicht nur um Ermittler:innen aus dem polizeilichen Staatsschutz und der Abteilung 1 des Landeskriminalamts, sondern auch um Mitarbeiter:innen der Pressestelle. Wie viele für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei zuständige Beamte genau in der BAO Fokus eingesetzt sind, wollte die Pressestelle auf taz-Anfrage „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht beantworten…“
- „Die Aufklärung der rechten Terrorserie braucht neue Impulse“ von Martin Kröger ebenfalls am 24. September 2019 in neues deutschland online kommentiert dies unter anderem so: „… Wenn die Schaffung neuer Ermittlungsgruppen bei der Polizei diesem Treiben kein Ende bereiten kann, braucht es andere, weitergehende Ansätze. Viele Betroffene von rechter Gewalt und Einschüchterungen fordern einen Untersuchungsausschuss. Ein solches Parlamentsgremium wäre aber immer in die Vergangenheit gerichtet, aktuelle Fälle könnten nicht beleuchtet werden. Auch wenn es viele Vorgänge gibt, auch behördeninterne, die Ungereimtheiten aufweisen. Praktikabler und schneller erfolgversprechend scheint da der Vorschlag der Grünen zu sein, einen unabhängigen Ermittler oder eine Ermittlerin einzusetzen…“