Der Massenmord von Hanau war laut BKA kein Rassismus – und die 1.700 jährlichen Anschläge? Warum die Polizei so offensichtlich Rassismus fördert

[M] NICHT EINFACH SO WEITER! Aufruf der antifa nt zur antifaschistischen Demo anlässlich des NSU-Prozesses am 13.04. in München„… Die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) arbeiten derzeit an einem Abschlussbericht zum Attentat- und haben dabei nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung eine überraschende wie kontroverse These formuliert. In einer Analyse zum Täter heißt es, Tobias R. sei in erster Linie nicht von einer rechtsextremen Gesinnung getrieben worden. Er habe seine Opfer vielmehr ausgewählt, um möglichst viel Aufmerksamkeit für seine Verschwörungstheorie zu bekommen. Rassismus sei nicht das Hauptmotiv von Tobias R. gewesen, so die BKA-Ermittler. Der Anschlag von Hanau – eine rassistische Tat, begangen von einem Verschwörungstheoretiker, aber eben nicht von einem Rechtsextremisten? Die BKA-Ermittler gehen davon aus, dass Tobias R. seine Opfer nach rassistischen Kriterien auswählte. Darüber hinaus aber gebe es, so heißt es, keine Indikatoren dafür, dass R. ein Anhänger einer rechtsextremistischen Gesinnung war…“ – aus dem Beitrag „Gefährliche Botschaften“ von Florian Flade und Georg Mascolo am 28. März 2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link über die freche Attacke der organisierten Einzelfälle – die vermutlich aus eigener Erfahrung wissen, dass etwas nach rassistischen Kriterien zu betreiben (etwa: Razzien auf Shisha-Bars) noch lange gar nicht kein Rassismus ist, denn sonst… Zur Gegenwart und Tradition der Förderung rassistischer und antisemitischer Nazi-Verbrechen durch bundesdeutsche uniformierte (und zivile) Einheiten vier weitere Beiträge:

  • „Über 1.700 Angriffe auf Geflüchtete“ von Anna Lehmann am 27. März 2020 in der taz online externer Link über alltäglichere Aktionen von Nichtrassisten nach rassistischen Kriterien unter anderem: „… Wie das Innenministerium ausführte, konnten zu 840 dieser Delikte insgesamt über 1.039 Tatverdächtige ermittelt werden. Das betrifft also nicht einmal die Hälfte aller angezeigten Straftaten. Besonders niedrig ist die Aufklärungsquote bei Angriffen auf Asylunterkünfte. Hier ermittelten die Ermittlungsbehörden nur in 27 Fällen Verdächtige. Über den Stand oder den Ausgang der Strafverfahren kann das Ministerium keine Auskunft geben, da die Bundesländer nicht verpflichtet sind das Bundeskriminalamt zu informieren. „Die tödliche Gefahr durch Rechtsextremismus und Rassismus, die sich vor erst einem Monat in Hanau erneut gezeigt hat, gehört leider zum Alltag zahlreicher Menschen in diesem Land“, so Jelpke. Sie forderte, endlich eine dauerhafte Förderung der Beratungs- und Präventionsprojekte für die Opfer von Rassismus und gegen Rechtsextremismus gesetzgeberisch abzusichern...“
  • „Polizei liefert Steilvorlage für rechten Hass“ von Henrik Merker am 23. März 2020 im Störungsmelder der Zeit online externer Link zu einer noch direkteren Variante der polizeilichen Förderung von Naziumtrieben: „… In weißen Schutzanzügen, mit Helmen und Atemmasken rücken Polizisten in einem Flüchtlingsheim im thüringischen Suhl an. In der Unterkunft droht die Stimmung zu kippen, seit die über 500 Bewohner unter Quarantäne stehen. Einer von ihnen war positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet worden. Beim Einsatz am Dienstag vergangener Woche holten die Beamten knapp 20 Flüchtlinge ab, die gegen die Maßnahme protestierten und für Unruhe sorgten. Das Geschehen von Suhl ist mittlerweile Grundlage einer rechten Hasskampagne. Die Szene-Autoren Boris Reitschuster und Vera Lengsfeld etwa verbreiteten in Texten die Botschaft, dass die Flüchtlinge eine Fahne der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bei sich gehabt hätten. Außerdem hätten sie Kinder als „Schutzschilde“ missbraucht. Beide behaupten, das sei eine IS-Taktik. Sie rücken die Geflüchteten in die Nähe von terroristischen Islamisten. Nach derzeitiger Faktenlage stimmt nichts davon. Allerdings sind die Urheber dieses Mythos nicht die Autoren, sondern die Suhler Polizei. In einer Pressekonferenz sprach der örtliche Polizeichef Wolfgang Nicolai von Flüchtlingen, „die unter Zeigen einer IS-Fahne versuchten, das Tor zu überwinden und eine sehr aggressive Stimmung an den Tag legten“. Die Geflüchteten hätten „vor allen Dingen Kinder in der ersten Reihe postiert“ und sie „als Schutz für ihre Handlungen genutzt“. In einer Pressemitteilung behauptete die Behörde anschließend, einige Männer hätten islamistische Symbole gezeigt. Sogar der Staatsschutz ermittle deswegen. Doch auf Nachfrage von ZEIT ONLINE dementierte die Suhler Polizei, dass die Flüchtlinge eine IS-Fahne hatten. Nicht einmal die Existenz irgendeiner Fahne bestätigte die Pressestelle im Nachhinein...“
  • „„Nur noch eine Randerinnerung““ von Christiane Ried am 11. Februar 2020 in der FR online externer Link zum mörderischen Brandanschlag auf das Münchner Altersheim im Jahr 1970 – von der Polizei noch geringschätziger  „behandelt“ (warum wohl?) als das Oktoberfest-Attentat von 1980 – und wie man so Nazimorde vergessen macht: „… Erst glaubt man noch an einen Unfall, doch der Fund eines Benzinkanisters vor Ort bringt die traurige Gewissheit: Das Feuer wurde absichtlich gelegt. Sechs Bewohner ersticken oder verbrennen in den Flammen, ein siebter überlebt den Sprung aus dem vierten Stock nicht. Der 13. Februar 1970 markiert bis heute einen der schwersten Anschläge auf die jüdische Gemeinschaft im Nachkriegsdeutschland. Die Täter werden nie ermittelt. (…) Das mit der „Randerinnerung“ können prominente Münchner Juden wie die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch (87), und der SPD-Stadtrat Marian Offman (71) nur bestätigen. Sie nennen noch einen weiteren Grund, warum der Anschlag nicht so sehr im Vordergrund stehe: der Umgang Deutschlands mit der NS-Vergangenheit. Für Knobloch sei der 13. Februar 1970 „ein schlimmer Tag“ gewesen, sagt sie. Viele der Opfer und Bewohner des Seniorenheims habe sie persönlich gekannt. Offman erzählt, dass in der jüdischen Gemeinde „völlige Verzweiflung“ darüber geherrscht habe, dass nach dem Holocaust in Deutschland wieder Juden ermordet worden seien. Er bezeichnet es als „unglaublich“, dass Holocaust-Überlebende an einem vermeintlich sicheren Ort getötet werden konnten. Es blieben bis heute viele offene Fragen. Dass es nach der „Stunde null“ immer noch antisemitische Angriffe auf Juden gab – das habe nicht ins Selbstbild des neuen und demokratischen Deutschlands gepasst, sagt die Leiterin der städtischen Fachstelle für Demokratie, Miriam Heigl. Deshalb würden solche Anschläge oftmals als Einzeltaten abgetan und verschwänden daher schnell aus dem öffentlichen Fokus. Das sei übrigens auch kein Phänomen von München, wo etwa mit dem Anschlag auf dem Flughafen München-Riem (1970), dem Olympia-Attentat (1972) oder dem Oktoberfestattentat (1980) besonders schwere Anschläge stattfanden, sondern typisch für das Nachkriegsdeutschland, betont Heigl. Ihre Fachstelle organisiert die Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag unter anderem mit der Israelitischen Kultusgemeinde…“
  • „Keine Unterlagen vom Verfassungsschutz“ von Michael Thaidigsmann am 25. März 2020 in der Jüdischen Allgemeinen online externer Link zeigt unter anderem, dass die Münchner Morde unbedingt „ruhen sollen“ bis heute (obwohl, laut BKA-Verteidigungslogik antisemitische Verbrechen ja nicht von Antisemiten stammen müssen): „… Möglichen Verwicklungen von Informanten des Verfassungsschutzes in den Brandanschlag auf das jüdische Altenheim in der Münchner Reichenbachstraße am 13. Februar 1970, bei dem sieben Menschen ums Leben kamen, soll nicht mehr nachgegangen werden. Das teilte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei hin mit. Diese hatte insbesondere wissen wollen, welche Erkenntnisse den Verfassungsschützern zu dem Anschlag vorlägen und ob die betreffenden Unterlagen von den Ermittlern in dem Fall ausgewertet worden sind. Nach »sorgfältiger Abwägung«, so die Bundesregierung in ihrer Antwort, sei man »zu der Auffassung gelangt, dass die Frage nicht beantwortet werden kann«. Eine inhaltliche Auswertung der Akten des Verfassungsschutzes müsste »händisch« vorgenommen werden, was einen enormen personellen Aufwand nach sich ziehen würde. Außerdem müsste dann in jedem Einzelfall geprüft werden, »ob das Geheimschutzinteresse des Staates das parlamentarische Informationsrecht« überwiege. Vor einigen Jahren war über einer mögliche Verwicklung von V-Leuten in das Verbrechen spekuliert worden. Die zuständigen Ermittler hätten aber keine Akten von den Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder angefordert, so die Bundesregierung, und auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe habe nicht um die Offenlegung der Identitäten von Informanten des Verfassungsschutzes gebeten...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=168166
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