Bundespolizeigesetz: Bundesinnenministerium will u.a. Gesichtserkennungssysteme an Bahnhöfen und Flughäfen

Dossier

[Kinofilm] Face_It! - Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus„Die Kompetenzen der Bundespolizei sollen deutlich erweitert werden. Das sieht ein Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium vor, der derzeit laut SPIEGEL-Informationen mit dem Justizministerium abgestimmt wird. (…) So sollen Bundespolizisten künftig nicht nur an der Grenze, auf Flughäfen, in Bahnen und auf Bahnhöfen eingesetzt werden, sondern für jedes Verkehrsmittel zuständig sein, bei dem der Verdacht besteht, dass Menschen damit geschleust werden. Wer ohne Aufenthaltserlaubnis erwischt würde, bliebe dann bis zur Abschiebung in Händen und Verantwortung der Bundespolizei. Zu den Plänen gehört außerdem die Einführung von Gesichtserkennungssystemen an 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen, ein vorbeugender Gewahrsam, um die Ausreise gewaltbereiter Fußballfans oder Dschihadisten zu verhindern, sowie ein eigenes Zeugenschutzprogramm bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität…“ Meldung von Andreas Ulrich vom 3. Januar 2020 bei Spiegel online externer Link, siehe dazu und danach:

  • Geplantes Bundespolizeigesetz auf „verfassungsrechtlich dünnem Eis“: Der Entwurf des Bundespolizeigesetzes sieht weitere Überwachungsbefugnisse vor New
    „… Im Dezember 2023 hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Reform des Bundespolizeigesetzes beschlossen. Nun berät der Bundestag über die geplante Neustrukturierung. Am 22. April wurden der Gesetzentwurf und die Befugnisse der Bundespolizei in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat mit Sachverständigen besprochen. (…) Im BPolG gibt es derzeit eine sogenannte allgemeine Befugnisnorm. Sie ermöglicht es der Bundespolizei schon jetzt, weitreichende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzusetzen. Sie darf die „notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren“, wenn es nicht speziell geregelt ist. Eine solche Regelung bleibt in der geplanten Neuregelung bestehen. Mehrere Vorschriften des Entwurfs zeigen aber: Etwa bei Überwachungsmaßnahmen will die Regierung der Bundespolizei mehr Befugnisse geben. Die Bereiche betreffen Abfragen von Daten bei den Telekommunikationsanbietern bis hin zur erleichterten Ausstellung von Meldeauflagen, also die Verpflichtung, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Kontrolle bei der Polizei zu melden. Auch bei der Telekommunikationsüberwachung sind Erweiterungen geplant. Eine Befugnis zur Überwachung von Kommunikation mit Staatstrojanern, also Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Onlinedurchsuchung, ist nicht vorgesehen. (…) Nahezu alle Sachverständige äußerten Kritik am Inhalt und an den Formulierungen im Gesetz. Etwa dass Situationen, in denen die Polizei eine Maßnahme ergreifen kann, zu unkonkret blieben. Die Gesetzgeberin habe entscheidende Gefahrensituationen nicht konkret genug definiert. Dies sei aus Sicht des angehörten Juristen Felix Ruppert von der Ludwig-Maximilians-Universität München aber wichtig. Beamt:innen könnten sonst den Anwendungsbereich von besonders eingriffsintensiven Maßnahmen ausdehnen. Dieses Problem betreffe unter anderem die Regelungen zur Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten und zur Telekommunikationsüberwachung. Bei ersterem kann die Polizeibehörde bei Telekommunikationsanbietern und Netzwerkbetreibern beispielsweise abfragen, wer wann an einem Anrufbeteiligt ist oder war. Der Entwurf des Bundespolizeigesetzes würde solche Abfragen zur Abwehr einer dringenden Gefahr erlauben, ohne Wissen der Betroffenen. Genauso verhält es sich auch mit dem neuen Paragrafen zur Überwachung der Telekommunikation. Das würde bedeuten, dass in Situationen eingegriffen werden könne, in denen üblicherweise noch kein Tatverdacht begründet ist, schreibt der Sachverständige Ruppert in seiner Stellungnahme. (…) Dass neue Bundespolizeigesetz soll nicht nur die alte Rechtsgrundlage modernisieren, es soll auch verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Weg schaffen. Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht im April 2016 Teile des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKA-Gesetz) für verfassungswidrig erklärte. Die Richter:innen haben in ihrem Urteil neue Anforderungen an die Durchführung von besonders eingriffsintensiven Überwachungsmaßnahmen aufgestellt, die sich so auch im Bundespolizeigesetz wiederfänden. Auf sie seien die verfassungsrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes anzuwenden. Das gelingt nach Ansicht des Sachverständigen Ruppert aber nicht vollständig…“ Beitrag von hekta vom 25. April 2024 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Neuer Entwurf für Bundespolizeigesetz schützt nicht vor rassistischen Kontrollen
    „Bundesinnenministerin Nancy Faeser legt dem Bundestag einen Entwurf zur Erneuerung des Bundespolizeigesetzes vor. Amnesty International kritisiert, dass wichtige Maßnahmen gegen Racial Profiling und andere Menschenrechtsverletzungen nicht darin vorkommen. (…) Anlasslose Kontrollen sind weiter erlaubt und ermöglichen Racial Profiling. Verpflichtend angeschaltete Bodycams während Zwangsmaßnahmen sowie die Kameraüberwachung von Gewahrsamsräumen sind dagegen nach wie vor nicht vorgeschrieben. Beate Streicher, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland, sagt: „Dass die Polizei ohne begründeten Verdacht Menschen kontrollieren darf, führt im Alltag dazu, dass manche Beamt*innen vor allem diejenigen kontrollieren, die ihnen ’nicht Deutsch genug‘ aussehen. Andere gehen unbewusst davon aus, dass nicht-weiße Personen keinen deutschen Pass hätten. Das erleben People of Color jeden Tag, wenn Polizist*innen am Bahnhof nach dem Ausweis fragen oder aufgrund eines Nachnamens ‚Clankriminalität‘ unterstellen. Ein neues Bundespolizeigesetz ist eine große Chance, Polizeiarbeit rechtstaatlich und transparent zu gestalten. Dafür müssen die Abgeordneten jetzt legislativ nacharbeiten und Lücken schließen.“ Einige wichtige Forderungen von Amnesty International und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sind im aktuellen Entwurf vorhanden. Vollzugsbeamt*innen der Bundespolizei sollen sich zukünftig kennzeichnen müssen. Technologien zu Gesichtserkennung und Online-Durchsuchungen durch sogenannte „Staatstrojaner“ sind nicht vorgesehen. Wer von der Polizei kontrolliert wird, soll nach dem aktuellen Entwurf eine sogenannte Kontrollquittung erhalten – allerdings mit vielen Ausnahmen, die diese Regelung zu unterwandern drohen…“ Pressemitteilung von Amnesty International vom 13. März 2024 externer Link
  • Neue Überwachungsbefugnisse für die Bundespolizei
    Die Ampelregierung gibt grünes Licht für die umstrittene Reform des Bundespolizeigesetzes. Kritik gibt es bereits von der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung.
    Am Mittwoch hat das Bundeskabinett den neuen Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes verabschiedet. Die Bundesregierung begründet die Reform unter anderem mit „aktuellen Gefährdungslagen“, ohne näher darauf einzugehen, welche das sein sollen. Dafür soll die Bundespolizei jetzt mehr Befugnisse erhalten, insbesondere im Bereich der Telekommunikationsüberwachung. Weitere Befugnisse gibt es beim Betreiben eigener Drohnen und bei der Drohnenabwehr, bei der Speicherung von DNA-Identifizierungsmustern sowie zum Erlass von Meldeauflagen und Aufenthaltsverboten. Die erweiterten Überwachungsbefugnisse beinhalten unter anderem die Überwachung von Telekommunikation sowie die Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten. Zusätzlich soll die Bundespolizei Mobilfunkkarten und Telefone identifizieren und lokalisieren dürfen. Außerdem sollen Polizist:innen nach eigenem Ermessen und lediglich zum eigenen Schutz entscheiden, ob sie Bodycams einschalten oder nicht. In Deutschland liegt die Kontrolle über die Kamera und das erhobene Material bei der Polizei. Wie wir bereits berichtet haben, führt das zu einem weiteren Anstieg des Machtgefälles zwischen Polizei und Bürger:innen. (…) In der Koalition war lange darum gestritten worden, ob die polizeiliche Praxis des Racial Profiling, also rassistische Kontrollen, im Gesetz verboten werden soll. Am Ende kam ein Kompromiss heraus, der die umstrittene Praxis wohl kaum beenden wird. (…) Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, warnt bereits jetzt vor mehr Diskriminierung durch das neue Gesetz. Es sei an vielen Stellen allein auf die Bedürfnisse und den Schutz der Polizei zugeschnitten. „Das Recht der Bürger:innen auf Nichtdiskriminierung kommt zu kurz“, sagt Ataman. Als Gegengewicht zu diesen Kontrollen sieht das Gesetz nur vor, dass die Polizist:innen in Zukunft auf Nachfrage Kontrollquittungen ausstellen müssen. Sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet, Betroffene über dieses Recht zu unterrichten. (…) Immerhin sieht der Gesetzesentwurf vor, eine individuellen Kennzeichnungspflicht bei der Bundespolizei einzuführen. (…) Sie ist eine langjährige Forderung von Bürgerrechtsorganisationen und soll die Identifizierung von Beamt:innen erleichtern, die etwa mit rechtswidriger Polizeigewalt auf Demonstrationen auffallen. Eine solche Kennzeichnungspflicht wurde in den vergangenen Jahren bereits in mehreren Bundesländern eingeführt. David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisiert das Gesetzesvorhaben gegenüber netzpolitik.org dennoch: „Statt effektiv gegen rassistische Diskriminierung bei verdachtsunabhängigen Kontrollen vorzugehen, weitet die Bundesregierung polizeiliche Befugnisse immer weiter aus. (…) Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, werden wir eine Verfassungsbeschwerde prüfen“, so Werdermann. (…) Der Entwurf soll voraussichtlich im März 2024 im Bundestag diskutiert und beschlossen werden. Beitrag von Zeynep Yirmibesoglu vom 21. Dezember 2023 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Amnesty-Stellungnahme zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes 
    „Das Bundesinnenministerium hat einen Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes vorgelegt. Hierzu hat Amnesty International im Rahmen der Verbändebeteiligung eine Stellungnahme eingereicht. Aus Sicht von Amnesty International enthält der Gesetzesentwurf einige positive Signale. An anderen Stellen werden menschenrechtliche Standards dagegen nicht vollständig berücksichtigt. Amnesty International begrüßt die folgenden Punkte: – Die Kennzeichnungspflicht für Polizeivollzugsbeamt*innen der Bundespolizei wird gesetzlich verankert. (…) – Der Gesetzesentwurf verzichtet auf Maßnahmen der Gesichtserkennung sowie der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung, sogenannte „Staatstrojaner“. (…) – Die Einführung von Bescheinigungen über polizeiliche Kontrollmaßnahmen nach § 23 Abs. 2 BPolG-E (sog. „Kontrollquittungen“) ist vorgesehen. (…) – Eine einfache Sicherheitsprüfung soll eingeführt werden. Diese kann ein Schritt sein, um menschenfeindlichen Einstellungen in der Bundespolizei vorzubeugen. Amnesty International bewertet die folgenden Punkte kritisch: – Die Beibehaltung von Kontrollbefugnissen durch die Bundespolizei, ohne dass konkrete Tatsachen zur Begründung eines personenbezogenen Verdachts vorliegen müssen, birgt die Gefahr von Racial Profiling und ist menschenrechtlich bedenklich. – Zwar hat das Bundesinnenministerium erfreulicherweise endlich eine Ausschreibung für eine „Überwachungsgesamtrechnung“ auf den Weg gebracht. Erneut sollen mit dem Bundespolizeigesetz jedoch Überwachungsbefugnisse erweitert werden, bevor diese vorliegt und berücksichtigt werden kann. – Die weitreichende Anordnungsbefugnisse für Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote sind mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit problematisch. – Die weiten Eingriffsbefugnisse für den Einsatz von mobilen Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten und für die polizeilichen Ingewahrsamnahme sind menschenrechtlich problematisch. Eine Verpflichtung zur Einschaltung der Bodycams bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Videoüberwachung von Gewahrsamsräumen sollten ergänzt werden.“ Pressemitteilung von Amnesty Deutschland vom 12. Juni 2023 externer Link zur 15-seitigen AI-Stellungnahme vom 9. Juni 2023 externer Link externer Link zum Gesetzesentwurf
  • Bundespolizei erhält Kompetenzen zur Gefahrenabwehr – Entwurf für neues Gesetz erlaubt zahlreiche neue Überwachungsmaßnahmen 
    „2005 wurde der Bundesgrenzschutz (BGS) in Bundespolizei umbenannt, bereits 1994 hatte er seinen Kombattantenstatus verloren. (…) Seit Jahren will die Bundesregierung das Bundespolizeigesetz von 1994 modernisieren, diese Woche hat das Innenministerium einen ersten Entwurf vorgelegt. Im Mittelpunkt stehen neue Befugnisse zur Gefahrenabwehr. Hierzu gehört etwa die Telekommunikationsüberwachung, die dem Entwurf zufolge auch »präventiv« erfolgen darf. Die Beamten dürfen dazu von Mobilfunkbetreibern Verkehrsdaten erheben, um mithilfe »Stiller SMS« Bewegungsprofile von Verdächtigen zu erstellen oder deren Kontaktpersonen aufzuspüren. So sollen »unerlaubte Einreisen« oder die Ausreise »extremistischer oder gewaltbereiter Personen« verhindert werden. Ebenfalls zur Gefahrenabwehr sollen Bundespolizisten in Wohnungen abhören und Bildaufnahmen anfertigen dürfen, wenn dies der Bekämpfung der »schweren Schleusungskriminalität« oder »organisiert handelnden Tätergruppierungen« dient. Seit 2016 darf die Bundespolizei verdeckte Ermittler einsetzen und Vertrauenspersonen führen, auch dies soll auf die Gefahrenabwehr ausgedehnt werden. (…) Neu ist die ausufernde Nutzung von Drohnen, die im Gesetzentwurf als »mobile Sensorträger« bezeichnet werden und bei allen öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen sowie an Bahnhöfen Bild und Ton aufnehmen können. Zudem erhält auch die Bundespolizei Mittel zur Abwehr unerwünschter Drohnen. In der Vorlage findet sich zudem die Möglichkeit zur Verhängung eines bis zu drei Monate gültigen Aufenthaltsverbotes, wenn eine Person nach Einschätzung der Beamten eine Straftat von erheblicher Bedeutung »begehen wird«. Begründet wird die neue Vorschrift mit Gewaltdelikten »im Kontext des Fußballfanreiseverkehrs«. Rassistische Polizeikontrollen werden im neuen Gesetz nicht ausgeschlossen. Zur Bekämpfung »unerlaubter Einreise« kann die Bundespolizei Personen aufgrund ihres Äußeren anhalten, »soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung« ein Verdacht besteht. Betroffenen kann auf Verlangen eine – auch digitale – Bescheinigung über die Maßnahme und ihren Grund ausgestellt werden. Schließlich wird auch die Bundespolizei der Kennzeichnungspflicht unterworfen…“ Artikel von Matthias Monroy vom 11. Mai 2023 in Neues Deutschland online externer Link, siehe auch:

    • Bundespolizeigesetz: Horchen, aber nicht hacken
      Die Bundespolizei soll künftig vermehrt Drohnen einsetzen und auch präventiv Telekommunikation überwachen dürfen. Ein „Gewahrsam“ droht für maximal vier Tage. Das geht aus dem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz hervor. Für staatliches Hacken soll es aber keine neuen Befugnisse geben.
      Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat vergangene Woche den Referentenentwurf zum neuen Bundespolizeigesetz externer Link vorgestellt. Damit wird das Bundespolizeigesetz (BPolG) von 1994 überarbeitet, auch um dabei einigen Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz externer Link aus dem Jahr 2016 gerecht zu werden. Da der Referentenentwurf nun vorliegt, läuft die Stellungnahmefrist. Dass der Entwurf noch verändert wird, ist wahrscheinlich. Hat das Gesetz später den Bundestag passiert, ist es auch im Bundesrat noch zustimmungspflichtig.
      Zwar sollen die Befugnisse der Bundespolizei zur technischen Überwachung in mehreren Bereichen erweitert werden, wenn es nach dem Entwurf aus dem Haus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) geht, nicht jedoch in Sachen Staatstrojaner: Der direkte Eingriff in informationstechnische Systeme von Verdächtigen ist weder in Form der „Quellen-TKÜ“ noch als „Online-Durchsuchung“ im Entwurf enthalten.
      Beim Abhören der Telekommunikation im Zusammenhang mit der Sicherheit der Grenzen oder des Luft- und Bahnverkehrs soll die Befugnis der Bundespolizei allerdings um den Bereich der „präventiven“ Überwachung erweitert werden. „Präventiv“ bedeutet hier, dass noch kein konkreter begründeter Tatverdacht gegen eine Person vorliegt und damit die Strafprozessordnung zur Überwachung nicht herangezogen werden kann, aber dennoch das Abhören von Gesprächsinhalten von Zielpersonen bereits möglich ist.
      Maximal für drei Monate kann die Überwachung der Telekommunikation von solchen Fast-schon-Verdächtigen richterlich angeordnet werden. Die betroffenen Telekommunikationsanbieter haben sie dann umzusetzen. Eine Erweiterung der Zeitspanne auf ein weiteres Vierteljahr ist jeweils möglich.
      Neu aufgenommen ins Gesetz ist zudem die Verkehrsdatenabfrage, die bei Mobilfunkbetreibern vorgenommen werden darf, wenn eine dringende Gefahr besteht. Diese Befugnis zur Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten soll in bestimmten Fällen auch schon im Vorfeld einer dringenden Gefahr gelten, also ohne konkreten Anfangsverdacht, etwa im Zusammenhang mit „lebensgefährdenden Schleusungen“. Dazu kommt die mit der Verkehrsdatenabfrage technisch eng verbundene und neu ins Gesetz aufgenommene Befugnis für die Bundespolizei, die sogenannte „Stille SMS“ auch präventiv zu nutzen. (…) Die Bundespolizei darf künftig unter bestimmten Bedingungen auch weiterhin Kennzeichen von Fahrzeugen heimlich automatisch erfassen und abgleichen. Die Maßnahmen sollen anlassbezogen, vorübergehend und nicht flächendeckend passieren und müssen dokumentiert werden. (…) Die Bundespolizei soll künftig auch Drohnen mit Bild- und Tonaufnahmegeräten mit Aufzeichnungsmöglichkeit nutzen dürfen, nämlich dort, wo sie auch sonst Bild und Ton aufzeichnen darf. Ohne Frage werden die Augen und Ohren der Polizei im Vergleich zu fest installierten Systemen damit mobiler und flexibler, entsprechend höher ist auch der Grundrechtseingriff für die Betroffenen bei jeder Nutzung. Auch eine Livebildübertragung von den Drohnen darf vorgenommen werden. (…) Die Bundespolizei soll aufgrund ihres Aufgabenprofils besonders die Grenzen sowie Bahnhöfe, Häfen und Flughäfen im Blick haben, weswegen in den Begründungen im Referentenentwurf oftmals grenzpolizeiliche Beispiele herangezogen werden. In der Fußballszene dürfte der Entwurf mit wenig Freude aufgenommen werden, denn die Überwachungsbefugnisse werden auch mit Veranstaltungslagen beim Sport und Auslandsfußballspielen begründet. Es drohen mehr Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote und auch Ausreiseverbote für Fußballfans, die nun auch durch die Bundespolizei verhängt werden dürfen. Weiterhin droht ein „Gewahrsam“, um ausgesprochene Aufenthaltsverbote und Ausreiseuntersagungen durchzusetzen: Bis zu maximal vier Tage darf die Freiheitsentziehung andauern…“ Beitrag von Constanze und Markus Reuter vom 18.05.2023 in Netzpolitik externer Link
  • Neuer Anlauf: Problematischer Entwurf eines neuen BuPolG will Befugnisse der Bundespolizei massiv erweitern 
    Die Regierung will mit neuem Gesetz die Bundespolizei und ihre Kontrolle neu aufstellen. Hinter den Kulissen ringen die Fachleute. (…) Bis heute wurde es kaum reformiert, nur einzelne Vorschriften geändert. Doch die Sicherheitslage ist eine völlig andere. Verbrecher agieren globaler, sie sind online vernetzt. „Kriminelle arbeiten mit neuester Technik – die Verbrechensbekämpfung sollte dies auch können“, sagt der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese. (…) Wachsende Bedrohungen, mächtige Technik einerseits, aber auch höhere Anforderungen an Datenschutz und Transparenz – es ist das Spannungsfeld, in dem nun Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein neues Gesetz für die rund 50.000 Beamtinnen und Beamte vorlegen will. Fast 30 Jahre nach Kohls Vorlage. (…) Doch hinter den Kulissen wird noch gerungen, wie viel Macht die Polizisten an Bahnhöfen, Flughäfen und Grenzen bekommen sollen. Schon in der vergangenen Regierungszeit unter der Großen Koalition war ein neues Polizeigesetz am Widerstand der Länder gescheitert. Eigentlich sollte nun das Gesetz der neuen Regierung noch in diesem Jahr vom Kabinett beschlossen werden, nun wird es Januar. Und auch Datenschützer und Verbände wollen den Entwurf dann noch prüfen, die Debatten können zäh werden.
    Neues Gesetz: Das sind die Knackpunkte
    Faeser will die Bundespolizei bemächtigen, auch präventiv Mobiltelefone zu überwachen und den Standort orten zu können. „Die präventive Telekommunikationsüberwachung soll eine Erkenntnislücke der Bundespolizei schließen“ und sich gegen Personen richten, von denen eine „dringende Gefahr“ ausgehe, heißt es in einem Gesetzentwurf des Innenministeriums, der unserer Redaktion vorliegt. (…) Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) geht der Entwurf nicht weit genug. (…) Zum Einsatz sollen vermehrt auch Drohnen kommen. (…) Bewährt hat sich die „Bodycam“, eine Kamera, die an der Uniform des Beamten befestigt ist und den Einsatz dokumentiert. Diese Technik soll ausgebaut werden – und künftig auch an nichtöffentlichen Orten, etwa im Rahmen von Abschiebungen in Büros, Fluren oder Warteräumen an Flughäfen sowie Bussen oder dem Inneren eines Flugzeugs. 2021 waren allein knapp 12.000 Beamte auf Abschiebungen dabeiArtikel von Jan Dörner und Christian Unger vom 09.12.2022 in der WAZ online externer Link („Bundespolizei: Neues Gesetz sorgt für Diskussionen – das sind die Knackpunkte“), siehe dazu:

    • Problematischer Entwurf eines neuen #BuPolG will der #Bundespolizei massiv Befugnisse erweitern. Präventive Handyüberwachung & -ortung, Drohnen an Bahnhöfen, Flughäfen, in Grenzregionen verstärken #RacialProfiling & Kriminalisierung von #Protest.“ Tweet vom Grundrechtekomitee vom 10. Dez. 2022 externer Link
  • Keine neuen Befugnisse für Abschiebungen: Bundesrat stoppt Bundespolizei-Reform 
    Der Bundesrat hat neue Befugnisse für die Bundespolizei gestoppt. Das Gesetz sollte eine leichtere Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer ermöglichen. Die Linkspartei spricht von einem „guten Tag für Zehntausende Geduldete“. (…) Die Ablehnung im Bundesrat bedeutet, dass sich wohl die nächste Bundesregierung erneut mit dem Vorhaben befassen wird. Theoretisch könnten zwar auch Bundestag oder Bundesregierung noch den Vermittlungsausschuss anrufen. Das gilt aber als unwahrscheinlich, weil die Union aus ihrer Sicht schon bei der Erarbeitung des nun abgelehnten Entwurfs große Zugeständnisse an die SPD gemacht hatte. Die Bundesregierung wolle „zeitnah eine Entscheidung darüber treffen, ob sie den Vermittlungsausschuss anruft“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, auf Anfrage. Darüber, dass das Bundespolizeigesetz, das zuletzt 1994 in wesentlichen Punkten überarbeitet wurde, nicht mehr zeitgemäß ist, herrscht weitgehend Konsens…“ Meldung vom 25.06.2021 bei tagesschau.de externer Link
  • Drohende Änderung des Bundespolizeigesetzes: Zuständigkeitsroulette statt schlanke Verfahren
    „… Am morgigen Freitag stimmt der Bundesrat über den Gesetzentwurf „zur Modernisierung der Rechtsgrundlagen der Bundespolizei“ ab. PRO ASYL lehnt Artikel 3 der Novelle ab, da dieser zu willkürlich wechselnden Zuständigkeiten zwischen deutschen Behörden und Beamt*innen führen würde. Die Menschenrechtsorganisation befürchtet, dass dadurch Rechtsunsicherheit entsteht und appelliert an die Bundesländer, für eine Streichung des Artikel 3 einzutreten. In diesem Artikel werden die Zuständigkeiten der Bundespolizei für aufenthaltsbeendende Maßnahmen ausgeweitet. So soll sich die Zuständigkeit allein aus einem zufälligen Aufgriff im Zuständigkeitsgebiet der Bundespolizei ergeben – also zum Beispiel, wenn Polizist*innen Menschen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung anlasslos in Zügen kontrollieren. Dadurch ist zu befürchten, dass die diskriminierende Praxis des racial profiling vonseiten der Polizei zunehmen wird. Sind unter den zufällig Kontrollierten ausreisepflichtige Menschen (deren Abschiebung nicht ausgesetzt ist oder, nach Einschätzung der Bundespolizei, innerhalb von sechs Monaten durchführbar ist), soll künftig die Bundespolizei zuständig sein. Das ist nach Ansicht von PRO ASYL nicht sachgerecht, da die jeweiligen Ausländerbehörden, die bislang zuständig sind, besser mit den betreffenden Fällen vertraut sind. Unter Umständen befinden sie sich in einer aktuellen Prüfung rechtlicher Abschiebungshindernisse oder bereiten die Legalisierung des Aufenthalts vor. (…) Tritt das Gesetz in Kraft, wäre ein verwirrendes Zuständigkeitsroulette die Folge – dabei soll genau das verhindert werden…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 24. Juni 2021 externer Link
  • Bundespolizeigesetz: Professor Ulrich Kelber kritisiert Novelle
    „… Prof. Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), hält nach eigenen Angaben die geplante Neufassung des Bundespolizeigesetzes für verfassungsrechtlich bedenklich: „Die Befugnisse der Bundespolizei sollen erweitert und den Möglichkeiten des Bundeskriminalamtes angeglichen werden. Dabei wird verkannt, dass es sich bei der Bundespolizei um eine Sonderpolizei mit begrenztem Aufgabenspektrum handelt. Sie soll Bahnhöfe, Flughäfen und die Landesgrenze schützen.“ Zur Novelle des Bundespolizeigesetzes habe sich der BfDI gegenüber dem Deutschen Bundestag unter anderem in einer schriftlichen Stellungnahme geäußert. (…) Zukünftig soll demnach die Bundespolizei präventiv die Telekommunikation der Bürger überwachen dürfen – dies betreffe auch Fälle ohne konkreten Anfangsverdacht. Hierbei wäre die Schwelle angesichts der Tiefe eines solchen Grundrechtseingriffs viel zu niedrig angesetzt. (…) Die Befugnis der Bundespolizei zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie etwa das Abnehmen von Fingerabdrücken oder das Anfertigen von Fotos einer Person, solle mit dem neuen Entwurf auf Fälle noch gar nicht begangener Straftaten erweitert werden. Auch hierbei stelle sich die Frage, „ob die im Gesetzentwurf vorgesehene Eingriffsschwelle einer möglichen verfassungsgerichtlichen Prüfung standhält“. Die europäischen Vorgaben zu den wesentlichen Aufsichtsbefugnissen der Datenschutzbehörden würden im Entwurf nur ansatzweise umgesetzt. „Damit werden dem BfDI unnötige Hürden für die Ausübung seiner Datenschutzkontrolle auferlegt.“ (…) Die sei besonders problematisch, weil an anderer Stelle die bisher vorgesehene datenschutzrechtliche Vorabprüfung und Beratung durch die sogenannten Errichtungsanordnungen ersatzlos gestrichen worden sei. Kelber warnt: „Das beschädigt den Rechtsstaat. Aufgrund der mangelhaften Umsetzung meiner Befugnisse in nationales Recht halte ich ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland für möglich.“ Beitrag vom 22. März 2021 von und bei datensicherheit.de externer Link zur 17-seitigen Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 9. März 2021 externer Link
  • Staatstrojaner für Bundespolizei: Massive verfassungsrechtliche Einwände
    „Der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber und Juristen warnen vor der geplanten maßlosen Reform des Bundespolizeigesetzes, die in Karlsruhe scheitern dürfte. (…) In einer Anhörung zu dem Vorhaben am Montag im Bundestag brachte auch der Berliner Rechtsprofessor Clemens Arzt verfassungsrechtliche Einwände vor: die „sonderpolizeiliche Rolle“ der Bundespolizei, die das Bundesverfassungsgericht 1998 in einem Urteil festgeschrieben habe, werde weiter ausgehöhlt. Besonders kritisch bewertete der Jurist die geplante Ermächtigung, sämtliche Daten selbst mit Drittländern zu teilen, deren Rechtsstaatlichkeit infrage stehe. „Staatliches Hacking, egal durch welche Rechtsgrundlage, bleibt eine Gefährdung aller“, betonte Klaus Landefeld vom eco-Verband der Internetwirtschaft. Der Staatstrojaner sei ein Schaden für IT-Systeme und eine Bedrohung der Sicherheit von Bürgern, Unternehmen und Behörden. Landefeld ordnete den Entwurf in eine Reihe gleichartiger aktueller Gesetzesinitiativen ein, die alle eine „Vielzahl neuer Überwachungsmaßnahmen“ enthielten. Der Gesetzgeber lasse hier jedes Maß zwischen Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden und Rechten Betroffener vermissen. Für den Deutschen Anwaltsverein (DAV) beklagte die Bremer Strafrechtsexpertin Lea Voigt die Tendenz, polizeiliche Instrumente „erheblich auszuweiten“. Es dürfe „keinen umfassenden Zugriff auf die Bürger“ geben. Bundespolizeipräsident Dieter Romann begrüßte den Entwurf dagegen als Signal „parlamentarischer Wertschätzung“. Die Novelle sei überfällig.“ Beitrag von Stefan Krempl vom 23. März 2021 bei heise news externer Link
  • Bundespolizeigesetz: Große Koalition will Staatstrojaner gegen Personen einsetzen, die noch keine Straftat begangen haben 
    „Die Bundespolizei soll die IT-Geräte von Personen hacken, die noch gar keine Straftat begangen haben. Das steht im Entwurf zum Bundespolizeigesetz externer Link , der bereits im Bundestag behandelt wird. (…) Damit weitet die Große Koalition den Einsatz von Staatstrojanern erneut aus. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2008 enge Grenzen gefordert und extra ein neues Grundrecht geschaffen. Seit 2009 darf das Bundeskriminalamt IT-Geräte hacken, um internationale Terroranschläge zu verhindern. Kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode 2017 hat die Große Koalition den Staatstrojaner auf 44 Straftaten erweitert. (…) Auf den letzten Metern der aktuellen Legislaturperiode folgt der nächste Schritt: Die Bundespolizei soll Staatstrojaner nicht nur einsetzen, um schwere Straftaten aufzuklären, sondern schon präventiv. Die Regierungsparteien schreiben in der Gesetzesbegründung externer Link : Die präventive Telekommunikationsüberwachung soll […] sich gegen Personen richten, gegen die noch kein Tatverdacht begründet ist und daher noch keine strafprozessuale [Telekommunikationsüberwachung] angeordnet werden kann. (…) Die Beschränkung auf „Menschenhandel und Schleuserkriminalität“ war ebenfalls Teil der Einigung für die Eckpunkte. Migrations-Expert:innen kritisieren dieses Framing: Da ein Asylantrag nur nach einem Grenzübertritt gestellt werden kann und der Grenzübertritt nicht regulär möglich ist, gibt es keinen legalen Weg, einen Asylantrag zu stellen. Fluchthilfe ist politisch unerwünscht, wird als Schleusung kriminalisiert und jetzt noch genauer überwacht. Doch der Gesetzentwurf geht noch darüber hinaus. Neben der Beihilfe zum irregulären Grenzübertritt soll die Bundespolizei Staatstrojaner auch bei „gefährlichen Eingriffen in den See-, Luft- oder Bahnverkehr“ einsetzen. Laut Gesetzentwurf passiert das circa 70 Mal pro Jahr. Darunter fallen auch ein Kabelbrand bei der Berliner S-Bahn oder Blockaden von Castor-Transporten. Das soll jetzt nicht nur als Straftat verfolgt, sondern mit Trojaner-Einsatz verhindert werden. Auch an anderer Stelle arbeitet die Große Koalition daran, das staatliche Hacken auszuweiten. Der „große Staatstrojaner“ Online-Durchsuchung, mit dem sämtliche Inhalte eines Geräts überwacht werden, darf aktuell bei 27 Straftaten eingesetzt werden. Der Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung will die Liste beispielsweise um Computerbetrug und Drogen-Delikte erweitern, der Gesetzentwurf zu kriminellen Handelsplattformen um das Bereitstellen von Server-Infrastrukturen. (…) Dem Deutschen Anwaltverein geht das zu weit. Rechtsanwältin Lea Voigt, Vorsitzende des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht, kommentiert: „Der Gesetzentwurf sieht vor, dass auch archivierte Kommunikation abgeschöpft werden darf. Das überschreitet die Grenze zur Online-Durchsuchung und ist daher verfassungsrechtlich höchst problematisch. Wir empfehlen, diese Regelung zu streichen.“ Auch die demokratische Opposition im Bundestag kritisiert diese Ausweitung und warnt vor „verfassungsrechtlich hochproblematischen Instrumenten“ und einer „einer verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Situation“…“ Beitrag von Andre Meister vom 17. Februar 2021 bei Netzpolitik externer Link, siehe die Anmerkung von Armin Kammrad dazu:

    • Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass der Ausweitung der Überwachung der Bevölkerung, zunehmende Einschränkungen der parlamentarischen Kontrolle der Überwacher gegenüberstehen. Dazu gehören nicht nur die Versuche, die Kontrolle des privatwirtschaftlichen Einflusses auf Gesetzesausarbeitung und Beratung mit dem Argument „Geschäftsgeheimnis“ jeder Kontrolle zu entziehen. Auch im Bereich der Geheimdienste verfestigt sich fehlende parlamentarische Kontrolle mit der Behauptung, dass zu viel Kontrolle der Exekutive angeblich dem Staatswohl schaden würde. So bestritt das BVerfG bereits 2016, dass die G 10-Kommission, die ursprünglich als Organ zur parlamentarischen Überprüfung der exekutiven Eingriffe in Art.10 GG schaffen wurde, „keine verfassungsrechtlich notwendige Institution“ sei und deshalb auch keinen einklagbaren Anspruch beim BVerfG auf Information hätte (BVerfG-Beschluss 2 BvE 5/15 externer Link vom 20. September 2016). Auch bezüglich der Verfassungsbeschwerde des Untersuchungsausschusses zu den Hintergründe des Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 (BVerfG.Beschluss 2 BvE 4/18 externer Link vom 16. Dezember 2020) vertritt das höchste deutsche Gericht, dass „das parlamentarische Aufklärungsinteresse unter Berücksichtigung der Besonderheiten des spezifischen verfahrensgegenständlichen Quelleneinsatzes ausnahmsweise hinter den Belangen des Staatswohls zurückstehen muss.““ – wir danken!
  • Eckpunkte für das neue Bundespolizeigesetz: Große Koalition will Staatstrojaner auch noch für Bundespolizei 
    Die Bundespolizei soll in Zukunft heimlich Geräte hacken und verschlüsselte Kommunikation ausleiten. Darauf haben sich die Regierungsfraktionen in Eckpunkten für das neue Bundespolizeigesetz geeinigt, die wir veröffentlichen. Ob auch gespeicherte Kommunikation abgehört werden darf, ist noch umstritten. (…) Das Innenministerium sagt: „Die Novellierung des Bundespolizeigesetzes findet sich nicht im Koalitionsvertrag.“ Das Ministerium von Horst Seehofer verfasste trotzdem einen Gesetzentwurf mit vielen neuen Befugnissen, darunter intelligente Videoüberwachung und biometrische Gesichtserkennung externer Link oder auch einen digitalen Gegenangriff per Hack-Back externer Link. Die SPD-geführten Ministerien lehnten diese Vorschläge ab, seitdem liegt der Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung auf Eis. Jetzt unternimmt die Große Koalition im Bundestag einen neuen Anlauf. Union und SPD haben Eckpunkte für ein Bundespolizeigesetz erarbeitet und an die Ministerien verschickt externer Link , die sie „für eine beschleunigte Umsetzung“ als Fraktionsinitiative einbringen wollen. Zuerst berichtete die FAZ [siehe unten]. Wir veröffentlichen die Eckpunkte in Volltext externer Link. Demnach wollen die Koalitionsfraktionen das Bundespolizeigesetz noch in dieser Legislaturperiode modernisieren. Sie haben 30 Punkte erarbeitet, die Aufgaben erweitern und Befugnisse ausweiten. Netzpolitisches Kernthema ist der Staatstrojaner. Ursprünglich nur zur Verhinderung von internationalem Terrorismus eingeführt, dürfen mittlerweile BKA, Zoll und Landespolizeien sowie bald auch alle 19 Geheimdienste heimlich Geräte hacken und Kommunikation ausleiten. Demnächst soll auch die Bundespolizei eine sogenannte „Telekommunikationsüberwachung an der Quelle“ durchführen. (…) Die Große Koalition fordert auch eine „Befugnis zur Identifizierung/Lokalisierung von Mobilfunkkarten/Handys“. (…) Der Bundesgerichtshof hatte vor zwei Jahren die „Stille SMS“ erlaubt, aber die Rechtsgrundlage präzisiert. Die Bundespolizei darf das Mittel demnach zur Strafverfolgung einsetzen, aber nicht zur Prävention. Die Koalition will nun „eine gesonderte Rechtsgrundlage schaffen“, damit sie das auch in diesen Fällen darf. Die Eckpunkte umfassen eine ganze Reihe weiterer Punkte wie Drohnen-Abwehr oder finaler Rettungsschuss, auf die sich Union und SDP geeinigt haben. Einigkeit herrscht vor allem über die großen Linien, noch nicht über alle Details. Das zeigen die widersprüchlichen Aussagen zur Quellen-TKÜ. Darüber hinaus muss dieser Entwurf der Fraktionen noch mit dem Entwurf des Innenministeriums zusammengebracht werden…“ Beitrag von Andre Meister vom 01.12.2020 bei Netzpolitik externer Link, siehe auch (zuerst gefunden):

    • Einigung über neues Bundespolizeigesetz – Nach langer Blockade einigen sich die Fraktionen von Union und SPD auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz.
      „… Die umstrittene Gesichtserkennung, die von der Bundespolizei im Rahmen eines Pilotprojekts am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet worden war, findet sich gar nicht mehr in dem Papier. Hier sind sich Union und SPD einig, dass die Technik noch nicht reif sei. Erweitert werden die Befugnisse der Polizisten aber um die sogenannte Quellen-TKÜ, über die Sicherheitsbehörden die Kommunikation mit Messenger-Diensten auf dem Smartphone mitlesen können. Aus Sicht von CDU-Mann Frei handelt es sich dabei weniger um eine Befugniserweiterung als um eine Anpassung der Kompetenzen an die technische Umwelt. „Die Bundespolizei soll in gleichen Fällen und unter den Voraussetzungen die Nachrichten in Messenger-Diensten mitlesen dürfen, in denen sie bisher schon die Telefone abhören konnte“, sagt Frei der F.A.Z (…) Eine bittere Pille musste die Union dafür schlucken: Die Online-Durchsuchung, die sie der Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgaben gerne zugestanden hätte, wird es nicht geben. Eine andere Befugniserweiterung ist auf die Lehren aus dem Fall Anis Amri zurückzuführen. Künftig soll die Bundespolizei nach dem Willen der Parlamentarier die Strafverfolgung bei „unerlaubtem Aufenthalt“ in Deutschland auch selbst durchführen können. Bisher stellte sie die Delikte nur fest und übergab den Fall dann an die Landespolizeibehörden. (…) Die Bundespolizei soll etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben nehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien herangezogen werden. Zudem soll sie künftig nicht nur für Vergehen, sondern auch für Verbrechen zuständig sein. Der alte Bundesgrenzschutz war nicht in erster Linie als Strafverfolgungsorgan gedacht gewesen. (…) Neu ist zudem die Zuständigkeit bei Delikten mit Drohnen oder Laserpointern. Die Union hätte sich zudem eine Regelung für den Taser-Einsatz gewünscht, doch das war mit der SPD nicht zu machen. (…) Die Eckpunkte der aktuellen Einigung sollen nun in einem Gesetzestext ausformuliert werden, entweder durch die Bundesregierung oder die Fraktionen selbst. Dann wird sich auch zeigen, wie weit die Parteispitzen hinter der Einigung stehen, die die Fraktionen ausgehandelt haben – in Kenntnis ihrer jeweiligen Führung, aber in eigener Regie.“ Artikel von Alexander Haneke vom 30. November 2020 bei der FAZ online externer Link
  • Hackback im Bundespolizeigesetz: Seehofer wollte den digitalen Gegenangriff starten
    „Werden IT-Systeme angegriffen, soll die Bundespolizei zurückhacken und im Extremfall andere Systeme lahmlegen dürfen. Das plante Horst Seehofers Innenministerium laut einem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz. Mittlerweile ist der Vorschlag offenbar vom Tisch. Laut einer Antwort auf Nachfrage von Patrick Beuth beim Innenministerium sei der Paragraf in der Version, über die aktuell die Ressorts abstimmen nicht mehr vorhanden. Damit könnte das gleiche passiert sein, wie bei der automatisierten Gesichtserkennung: Sie ruht. Dass die lange bestehenden Pläne damit für immer vom Tisch sind, ist vermutlich nicht zu erwarten. (…) Die Bundespolizei sollte bei Angriffen auf IT-Systeme zurückhacken dürfen. Laut einem neuen Paragrafen zur „Abwehr von Cyberangriffen“ sollte die Bundespolizei Angriffe auswerten, umlenken und zurückverfolgen dürfen. Über solche defensiven Maßnahmen hinaus sollte sie bei einer gegenwärtigen Gefahr in IT-Systeme eingreifen sowie daraus „Daten erheben, übernehmen, löschen und verändern“ können. In schweren Fällen dürfte sie die Systeme sogar außer Gefecht setzen, indem sie „zu einer Überlastung, Nichtverfügbarkeit oder sonstigen Störung der Funktion“ führt. Das sollte etwa dann erlaubt sein, wenn sich der Angriff gegen kritische Infrastrukturen wie Energieversorger richtet. Alle Maßnahmen sollten nicht nur bei dem System erlaubt sein, von dem ein Angriff ausgeht, sondern auch bei Systemen, „die für den Cyberangriff verwendet werden“. Das müssen die Besitzer der Systeme nicht einmal wissen, geschweige denn wollen. (…) Spezialisten kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass Hackbacks gefährlich und ineffektiv sind. Das erklärte zuletzt das Gutachten eines Bundeswehrangehörigen für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags. Gerade bei der Zerstörung und Ausschaltung fremder Systeme kann es zu Kollateralschäden kommen. Das Zurückhacken kann leicht eskalieren und es ist schwer, mit hundertprozentiger Sicherheit den wirklichen Gegner zu treffen. Der Abschreckungseffekt hingegen ist nur begrenzt. Sicherheitslücken, die für Hackbacks ausgenutzt werden, können genauso gut gegen einen selbst verwendet werden, nach einmaliger Nutzung verlieren sie ihren Wert. Denn spätestens dann wird der Zurückangegriffene merken, wo seine Schwachstelle liegt. Kurzum: Echte Verteidigung, also die defensive Stärkung von IT-Systemen, ist die beste Verteidigung. Zurückhacken ist keine Lösung, sondern verstärkt das Problem…“ Beitrag von Anna Biselli vom 29. Januar 2020 bei Netzpolitik externer Link, siehe dazu auch:

    • Reaktionen auf die Hackback-Pläne des Innenministeriums
      „„Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, „Militarisierung des Cyberraums“, „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“, „Gegenreaktionen sind zu erwarten“: So lauten die ersten Reaktionen auf frühere Pläne des Innenministeriums, der Bundespolizei das Zurückhacken zu erlauben. (…) Wir tragen hier einige Reaktionen zusammen und aktualisieren den Artikel, sobald neue eintreffen…“ Reaktionen zusammengestellt von Anna Biselli am 29. Januar 2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Bundespolizeigesetz: Seehofer opfert Gesichtserkennung für Staatstrojaner 
    Der Innenminister verzichtet nicht nur wegen offener Fragen auf biometrische Fahndung bei der Bundespolizei. Er will andere Überwachungsbefugnisse durchbringen. Überraschend hat Bundesinnenminister Horst Seehofer einen besonders umstrittenen Passus aus seinem jüngsten Entwurf zur Reform des Bundespolizeigesetzes gestrichen, der den Beamten etwa an 135 Bahnhöfen den Einsatz von Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung erlaubt hätte. Es seien noch „einige Fragen“ vor allem rund um die gesellschaftliche Akzeptanz der Fahndungstechnik offen geblieben, ließen der CSU-Politiker und das von ihm geführte Haus am Freitag durchblicken. Doch im Kern geht es bei dem Schachzug vor allem darum, den Ermittlern zumindest andere neue Überwachungsinstrumente rasch an die Hand zu geben. Dem Minister lag insbesondere daran, die geplante Novelle nach langen internen Debatten in das Abstimmungsverfahren mit den anderen Ressorts zu geben, um die Initiative zeitnah durchs Bundeskabinett und anschließend durch den Bundestag zu bringen. „Ich muss jetzt endlich mal das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eröffnen“, betonte Seehofer bei einem informellen Treffen mit Kollegen aus der EU in Zagreb. Biometrische Gesichtserkennung sei zwar „keine ganz nebensächliche Angelegenheit“. Andere Punkte des Vorhabens scheinen dem Bayern derzeit aber dringlicher. Mit dem Entwurf wolle Seehofer unter anderem die Kompetenzen der Bundespolizei ausweiten, damit diese verschlüsselte Kommunikation belauschen könne, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung externer Link. Die Ermittler sollen also den Bundestrojaner einsetzen dürfen, um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung durchführen zu können. Dabei geht es um den Zugriff auf die laufende Kommunikation etwa über Messenger wie WhatsApp vor einer Ver- beziehungsweise nach einer Entschlüsselung auf dem Endgerät…“ Artikel von Stefan Krempl vom 25.01.2020 bei heise news externer Link
  • Innenministerium streicht automatisierte Gesichtserkennung „An mehr als 100 Bahn- und Flughäfen wollte Horst Seehofer biometrische Videoüberwachung einsetzen. Nach erheblichem Widerstand hat er diesen Plan nun kassiert. Die Grünen wollen verhindern, dass er es sich in Zukunft noch einmal anders überlegt, und fordern deshalb ein konsequentes Verbot. (…) Es reiche nicht aus, lediglich medial zurückzurudern. „Die Bundesregierung muss den Einsatz sogenannter ‚intelligenter Videoüberwachung‘ und automatisierter Gesichtserkennung umgehend gesetzlich ausschließen.“ Ein solches Gesetz müsse „sich sowohl auf polizeiliche wie unternehmerische Überwachung durch biometrische Gesichtserkennung öffentlicher Räume beziehen“. Die Grünen kündigen an, in der kommenden Woche eine entsprechende Bundestagsinitiative einzubringen. Fraglich bleibt, ob Horst Seehofer auch ohne Gegenwehr zurückgerudert wäre. (…) Bei der Debatte um den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung geht es im Wesentlichen um die Frage, ob es mit einer freiheitlichen Gesellschaft vereinbar ist, wenn sich Bürger:innen nicht mehr unerkannt im öffentlichen Raum bewegen können. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass die Europäische Kommission offenbar überlegt, den Einsatz entsprechender Software zu verbieten, zunächst für drei bis fünf Jahre. Hervor geht dies aus einem Papier, über das verschiedene Medien berichtet hatten, und das Politico inzwischen im Volltext veröffentlicht hat. (…) Es bleibt jedoch unklar, wie ernst die Bemühungen auf dieser tatsächlich gemeint sind, wenn es darum geht, die Überwachung der Bürger:innen zu beschränken. Zum einen, weil der Entwurf des Whitepapers auf den 12. Dezember datiert ist und damit womöglich nicht mehr aktuell. Zum anderen relativierte die Kommission ihren Vorschlag direkt selbst: Eine so „weitreichende Maßnahme“ könne schließlich Innovationen verhindern. Es liegt also an Bundesregierung und Bundestag, festzulegen, wie es mit der Technologie weitergeht…“ Beitrag von Daniel Laufer vom 24. Januar 2020 bei Netzpolitik externer Link

Siehe auch unsere Dossiers:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160191
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