Außer eine Hetzkampagne gegen rebellische Jugendliche organisieren, kann die Polizei in Baden-Württemberg auch: Landesweite Razzien gegen antifaschistische Aktionen

Dossier

SWAT Team der US Polizei„… Am 02.07.2020 wurden in Baden-Württemberg neun Objekte von der Polizei durchsucht. Eine Person, der Antifaschist Jo, wurde festgenommen und sitzt in Stammheim in Untersuchungshaft. Dabei hat es auch das Tübinger Wohnprojekt Lu15 ein weiteres mal getroffen. Um sechs Uhr morgens drang erneut eine vermummte, schwer bewaffnete, homogen und gewaltbereit wirkende Meute in private Wohnbereiche der Lu15 ein. Dabei stürmten die Polizist*innen auch in Zimmer, in denen sie u.a. unbekleidete Personen antrafen, die nicht die Zeit fanden, sich in den Sekunden zwischen den „Polizei“-Rufen und dem Moment des „Zimmer-Sicherns“ anzuziehen. Diesen wurde der Einsatzleiter auch dieses Mal nicht genannt. Die von der Durchsuchung direkt betroffene Person wurde von der Polizei mit aufs Revier genommen und ihr wurde gegen ihren Willen DNA entnommen. Der vorgeschobene Grund für diesen erneuten Einschüchterungsversuch war ein am 16.05. in Stuttgart stattgefundener Angriff auf Neonazis mit guten Kontakten zum NSU-Umfeld. Dem Bewohner der Lu15 wird dabei, genau wie den Betroffenen in anderen Städten, eine Beteiligung in Form von schwerem Landfriedensbruch vorgeworfen. Es schien fast so, als wären in Tübingen vor allem die technischen Geräte des Beschuldigten im Fokus gewesen, welcher völlig zufällig auch ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Partei „Die Linke“ ist. Bei der Durchsuchung wurden auch parlamentarische Datenträger beschlagnahmt. Unklar bleibt, wie die Polizei ihr diesmaliges Überschreiten ihrer Kompetenzen erklären will, da der Beschuldigte aus Tübingen am betreffenden Tag nicht in Stuttgart war. Wer sagt uns also, dass nicht die Begründungen für alle Hausdurchsuchungen an den Haaren herbeigezogen sind?...“ – aus dem Aufruf „10.07.2020 Demo: Unsere Solidarität wächst mit mit jedem neuen Angriff“ am 05. Juli 2020 bei de.indymedia externer Link für eine Demonstration in Tübingen. Siehe dazu u.a. auch einen Beitrag zu den Hintergründen der neusten Polizeistaats-Aktion und einen ersten Bericht über Proteste:

  • Politische Justiz gegen Stuttgarter Antifas: Langjährige Haft für Jo und Dy / Demo „Freiheit für alle Antifas!“ am 23. Oktober in Stuttgart New
    Am heutigen Mittwoch, 13. Oktober 2021 endete der sog. Wasen-Prozess gegen zwei Stuttgarter Antifaschisten vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht mit extrem hohen Strafen, die offensichtlich der Abschreckung dienen sollen: Gegen Jo verhängte das Gericht 4,5 Jahre Haft, sein Genosse Dy soll sogar für 5,5 Jahre ins Gefängnis.  Den beiden Aktivisten wird vorgeworfen, am 16. Mai 2020 an einer körperlichen Auseinandersetzung mit Mitgliedern der faschistischen Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ beteiligt gewesen zu sein. Den Vorfall, der sich am Rand des rechten „Querdenken“-Aufmarschs im Stadtteil Bad Cannstadt ereignete, hatten die Repressionsorgane zum Anlass für einen massiven Angriff auf antifaschistische Strukturen in Stuttgart und umliegenden Städten genommen. Von Anfang an war ersichtlich, dass die eigens gegründete Ermittlungsgruppe „Wasen“ vor allem darauf abzielte, die antifaschistische Bewegung zu schwächen und einzuschüchtern. Im Rahmen der groß angelegten Überwachungsmaßnahmen und Durchsuchungen wurden Jo und Dy verhaftet; während ersterer nach über sechs Monaten Untersuchungshaft vorläufig freikam, ist Dy seit über elf Monaten in Stuttgart-Stammheim eingesperrt. Seit seiner Eröffnung im April 2021 war der gesamte Prozess vom unbedingten Verfolgungswillen der Justiz geprägt, die an den zwei angeklagten Aktivisten ein Exempel statuieren wollte und für die eine Verurteilung bereits im Vorfeld feststand. In den zwanzig Verhandlungstagen konnten die Ermittler*innen keine tragfähigen Beweise vorlegen, und den Zeug*innen war es nicht möglich, Jo und Dy zweifelsfrei zu identifizieren. Immer wieder trat die unsaubere Ermittlungsarbeit der Polizei zutage, so dass die vorgelegten DNA-Spuren fragwürdig erscheinen. (…) Am Ende des nur auf Indizien beruhenden Prozesses hatte die Verteidigung am 29. September 2021 Freispruch für die beiden Antifaschisten gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen auf eine Verurteilung wegen gefährlicher und besonders schwerer Körperverletzung sowie wegen besonders schweren Landfriedensbruchs plädiert und verlangte Haftstrafen von fünf Jahren bzw. sechs Jahren. Mit dem heutigen Urteil blieb das Gericht nur jeweils sechs Monate hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Vor dem Gerichtsgebäude hatte sich wie schon an früheren Verhandlungstagen eine Solidaritätskundgebung versammelt, die das Urteil mit lautstarkem Protest quittierte. Für den 23. Oktober 2021 ruft die Solidaritätskampagne „Antifaschismus ist notwendig“ zu einer Demonstration unter dem Motto „Freiheit für alle Antifas!“ auf externer Link …“ Bundesvorstand der Roten Hilfe am 13.10.21 externer Link, siehe auch:

  • Feindbild Antifaschismus: Prozessbeginn gegen Jo und Dy am 19. April in Stuttgart – samt Kundgebung 
    Am Montag, 19. April 2021 beginnt der Prozess gegen die beiden Antifaschisten Jo und Dy vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Verhandelt wird ab 9 Uhr im neuen Gerichtsgebäude auf dem Gelände des berüchtigten Gefängnisses Stuttgart-Stammheim. Dass die baden-württembergische Justiz einen Mammutprozess plant, zeigt sich allein in der Anzahl der Prozesstage: Schon jetzt sind die Termine bis Ende September festgesetzt.  Die beiden Stuttgarter werden beschuldigt, an einer körperlichen Auseinandersetzung mit Mitgliedern der faschistischen Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ beteiligt gewesen zu sein, die sich am Rand des rechten „Querdenken“-Aufmarschs am 16. Mai 2020 im Stadtteil Bad Cannstadt abspielte. Dieses Ereignis nahmen die baden-württembergischen Repressionsorgane zum Anlass für eine umfangreiche Repressionswelle gegen antifaschistische Strukturen im Südwesten, vor allem im Großraum Stuttgart. Indem sie den Vorwurf des versuchten Totschlags erhoben, konnte die eigens gegründete Ermittlungsgruppe „Arena“ einen umfassenden staatlichen Feldzug gegen linke Gruppen initiieren. Im Rahmen einer Razzia in verschiedenen Städten wurden am 2. Juli 2020 die Wohnungen von neun Antifaschist*innen durchsucht, der Stuttgarter Jo wurde verhaftet und monatelang in Stuttgart-Stammheim eingesperrt. Weitere Repressionsmaßnahmen folgten, und am 4. November 2020 wurde Dy in Untersuchungshaft genommen und ebenfalls in die Justizvollzugsanstalt Stammheim verbracht. Während Jo am 14. Januar 2021 freikam, ist Dy weiterhin in Haft. (…) Vor dem Prozessbeginn um 9 Uhr findet am 19. April 2021 ab 8 Uhr eine Kundgebung der Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim (Asperger Str. 47) statt.“ Meldung vom 18.04.21 bei der Roten Hilfe externer Link
  • Gewalttätige Hausdurchsuchung bei einem IMI-Aktivisten – für polizeistaatliches Vorgehen uninteressant, ob er auch nur in der Nähe des „Tatorts“ war… 
    Am frühen Donnerstag, den 2. Juli 2020, drangen bewaffnete und vermummte Polizeikräfte in ein Wohnprojekt in der Tübinger Südstadt ein. Sie verschafften sich mit einem Rammbock Zugang zu einer Wohnung, in der zwei aktive Mitglieder der Informationsstelle Militarisierung wohnen. Bereitschaftspolizist_innen drangen in jedes einzelne Zimmer der Wohnung ein und trafen die Bewohner_innen dabei meist noch schlafend, tw. sogar nackt an. Die eigentliche „Zielperson“ wurde zu Boden gebracht, dabei überwältigt und ihr wurden Handschellen angelegt, bevor ihr Zimmer durchsucht wurde. Sie wurde dabei an Ellenbogen und Knien verletzt. Die Hausdurchsuchung in Tübingen war Teil einer Razzia gegen linke Strukturen in Baden-Württemberg und wurde begründet mit der mutmaßlichen Anwesenheit der „Zielperson“ bei einem Angriff auf Aktivisten der rechten Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ am 16. Mai, bei der ein einschlägiges Mitglied der neo-nazistischen Szene schwer verletzt wurde. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb nun wegen versuchten Totschlags und Landfriedensbruchs. Sie scheint dies jedoch als Anlass zu instrumentalisieren, um linke Strukturen insgesamt zu durchleuchten und unbequeme Positionen einzuschüchtern. Die Badische Zeitung etwa berichtete recht pauschal mit der Meldung, dass „am Donnerstag bei Razzien in sieben Städten Zimmer und Wohnungen von Anhängern der linken Szene durchsucht worden“ seien. Unser Mitstreiter und Autor, der bei der Hausdurchsuchung überwältigt und verletzt wurde, um anschließend mitzuerleben, wie sein ganzes Zimmer auf den Kopf gestellt, seine persönlichsten Sachen durchsucht und all seine Kommunikations- und Speichermedien beschlagnahmt wurden, war allerdings zum Tatzeitpunkt nachweislich nicht in Stuttgart vor Ort...“ – aus der Stellungnahme „Repression gegen Recherche“ am 07. Juli 2020 bei IMI-Online externer Link zum Einschüchterungsversuch (nicht nur gegen IMI)
  • „Antifaschismus ist legitim und notwendig! Solidarität mit allen von Repression Betroffenen!“ am 02. Juli 2020 ebenfalls bei de.indymedia externer Link zum Hintergrund der anti-antifa-Aktion der Polizei unter anderem (einschließlich des Verweises auf eine Demonstration in Stuttgart): „… Heute morgen kam es in mehreren Städten Baden-Württembergs zu Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und DNA-Entnahmen. Eine Person wurde in U-Haft gesteckt, alle anderen sind wieder auf freiem Fuß. Die Durchsuchungen stehen laut der Ermittlungsgruppe „Arena“ im Zusammenhang einer Auseinandersetzung zwischen Nazis der selbsternannten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ und AntifaschistInnen. Auch wenn in der Presse anderes zu lesen ist: Bei „Zentrum Automobil“ handelt es sich um keine Gewerkschaft, sondern um einen faschistischen Verein. Ihr Gründer und Vorsitzender, Oliver Hilburger, komponierte mit seiner Nazi-Band „Noie Werte“ den Soundtrack für das NSU-Bekennervideo, das in Nazikreisen herumging, lange bevor die Öffentlichkeit etwas von der Existenz des NSU erfuhr. Seine Verbindungen sowohl in das direkte NSU-Umfeld als auch zum mittlerweile verbotenen, militanten Nazinetzwerk Blood & Honor sind umfangreich und lange bekannt. Demnach geht es nicht um „Linke gegen Gewerkschaften“, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen AntifaschistInnen und Freunden von Naziterroristen. In Zeiten einer immer weiter voranschreitenden Rechtsentwicklung der Gesellschaft ist es nur folgerichtig, dass Menschen antifaschistisch aktiv sind und den Nazis entgegentreten. Dies kann auf vielen verschiedenen Ebenen geschehen, sei es mit Blockaden, Gegenprotesten, Mahnwachen oder auch ganz direkt durch körperliche Konfrontation. Denn dort, wo Nazis sich wohlfühlen, breiten sie sich aus, vergiften die Gesellschaft mit ihrer menschenverachtenden Hetze und bedrohen das Leben aller, die nicht in ihr Weltbild passen. Mehr als 200 Menschen wurden seit 1990 in der BRD durch Nazis ermordet. Zuletzt in Hanau und Halle. Militantes Vorgehen gegen Nazis aller Couleur ist in Anbetracht dieser Entwicklungen Teil eines bitter notwendigen antifaschistischen Selbstschutzes. Natürlich kann es zu verschiedenen Aktionsformen im Kampf gegen Rechts unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen geben, das ist völlig legitim und Diskussionen sind innerhalb der linken Bewegung unabdingbar. Aber die heutigen Angriffe auf linke AktivistInnen sind Teil eines großen Ganzen. Sie sind das Ergebnis der wochenlangen, bewussten Stimmungsmache gegen Links durch die bürgerliche Politik, den etablierten Medien und dem Repressionsapparat in Stuttgart. Das geschieht nicht ohne Grund. In Zeiten einer immer präsenter werdenden Wirtschaftskrise ist es für staatliche Akteure wichtig, fortschrittliche Antworten und Perspektiven möglichst großflächig zu delegitimieren...“
  • „Spontandemo gegen Repression“ am 03. Juli 2020 bei de.indymedia externer Link meldet aus Tübingen: „… Am Abend des 02.Juli 2020 haben 150-200 Menschen angekündigt, aber unangemeldet gegen die Razzien am Morgen des selbigen Tages demonstriert. In sieben Städten in Baden-Württemberg wurden insgesamt neun Objekte durchsucht. Eine Person sitzt seitdem in Stammheim in Untersuchungshaft. Der Hintergrund ist ein Angriff auf Mitglieder der ultrarechten Pseudogewerkschaft „Zentrum Automobil“, die Verbindungen zum NSU-Umfeld und Blood & Honour pflegt. Die Razzien sind als klarer Angriff des Staates auf die linke Szene in Baden-Württemberg zu werten. Es sieht schwer danach aus, als hätten sich die Büttel gezielt Menschen und Projekte heraus gesucht, die ihnen aufgrund ihrer politischen Aktivitäten ein Dorn im Auge sind, unabhängig davon, ob sie an der Aktion beteiligt waren, oder nicht...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=175075
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