Angebliche Notwehr gegen „Messer-Angreifer“: Der 21jährige Lorenz wurde in Oldenburg von einem Polizisten mit 3 Schüssen von hinten getötet
„Ein 21-jähriger Mann ist in Oldenburg durch mindestens vier Schüssen aus einer Polizeiwaffe verletzt worden. Der Oldenburger, der zuvor Reizgas versprüht haben soll, starb in einer Klinik. Das Opfer ist Schwarz. Die Umstände werfen Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigte am Mittwoch auf Anfrage des NDR Niedersachsen erneut, dass das Opfer nach derzeitigem Stand die Beamten nicht mit einem Messer bedroht habe. Unklar ist allerdings, ob die Beamten während des Einsatzes in der Oldenburger Innenstadt am frühen Sonntagmorgen davon ausgehen mussten, dass der 21-Jährige auch ein Messer mit sich führte. Vor den tödlichen Schüssen soll der junge Schwarze mit Reizgas gesprüht haben…“ Meldung vom 23.04.2025 im NDR
(„Tödliche Polizeischüsse in Oldenburg: Große Trauer und offene Fragen“), siehe mehr Informationen und Stellungnahmen:
- Tödlicher Polizeieinsatz in Oldenburg: Drei Schüsse von hinten
„Ein 21-jähriger Schwarzer wurde in der Nacht zum Sonntag erschossen. Nach der Obduktion sieht auch die Innenministerin „schwerwiegende Fragen“. Mindestens drei Schüsse von hinten. In Kopf, Oberkörper und Hüfte. Ein vierter soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Das ist das von der Staatsanwaltschaft bekanntgegebene Obduktionsergebnis des 21-Jährigen Lorenz, den ein Polizist in der Nacht auf Ostersonntag gegen 2:40 in der Oldenburger Innenstadt erschossen hat. Weitere Angaben zu dem Fall könne die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt nicht machen, teilte sie mit. Nicht nur Angehörige und Freunde des Toten, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger wünschten sich Antworten, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn. Das sei emotional verständlich, doch zunächst müssten die Hintergründe lückenlos aufgearbeitet werden. Er habe dabei volles Vertrauen in die Staatsanwaltschaft. (…) Lorenz war schwarz. Schon direkt nach seinem Tod hatte sich ein Bündnis aus Freund*innen und Bekannten geformt, das eine lückenlose Aufklärung des Falls fordert. „Es zeigt sich immer wieder: Polizeieinsätze enden tödlich, wenn migrantisierte Menschen, BIPoCs und schwarze Meschen betroffen sind. Es handelt sich nicht um Einzelfälle“, schreibt die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ in einem Statement. (…) Gegen den Polizisten wurde, wie in solchen Fällen üblich, nach dem Einsatz seiner Schusswaffe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags. Der Mann ist derzeit vom Dienst suspendiert, so die Staatsanwaltschaft.
Innenministerin sieht „verheerende Vorwürfe“
Inzwischen hat sich auch die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) zu dem Fall geäußert: „Die Obduktionsergebnisse werfen schwerwiegende Fragen und verheerende Vorwürfe auf, die im Rahmen der weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schonungslos beantwortet und aufgeklärt werden müssen.“ Gleichzeitig gelte die Unschuldsvermutung…“ Artikel von Aljoscha Hoepfner vom 24.4.2025 in der taz online - Nach tödlichen Schüssen in Oldenburg: Polizei entwaffnen!
„Ein Mann wird rücklings von der Polizei erschossen, die Polizeigewerkschaft fordert Taser. Gerne – wenn die Beamten dafür auf Schusswaffen verzichten (…) Verlässlich nach fast jedem Polizeitoten wird die Debatte rund um die Elektroschockpistolen als milderes Mittel angeheizt. Hätten die Polizist*inen eine Alternative zur tödlichen Waffe, heißt es, dann müssten sie auch nicht schießen. Nach dem, was wir über den Oldenburger Fall wissen, ist die Argumentation hier besonders unpassend. Na sicher doch: Wer einen jungen Mann, bewaffnet offenbar mit nichts als Reizgas, mit drei Schüssen in den Rücken tötet, der hatte einfach keine andere Wahl. Der Ruf nach den umstrittenen Elektroschockern wirkt eher wie ein Ablenkungsmanöver, um nicht stattdessen über überforderte Polizist*innen reden zu müssen – oder auch über Rassismus in der Polizei. (…) Da wir diese strukturellen Probleme nicht bis morgen wegbekommen, nehmen wir das Anliegen der Polizeigewerkschaft für einen Moment ernst – und machen einen Gegenvorschlag: um Himmels willen, ja! Besorgt euch Taser, stattet alle damit aus. Aber verdammt: Gebt im Gegenzug die Schusswaffen ab. Keine Streifenpolizistin, kein Einsatzpolizist, sollte mit geladener Knarre durch die Straßen ziehen dürfen. So revolutionär das klingt, so normal ist es andernorts: In Großbritannien beispielsweise sind Polizist:innen in der Regel unbewaffnet unterwegs. Das macht sie nicht zu besseren Menschen. Aber seit 2020 sind in Großbritannien 13 Menschen durch Polizeischüsse gestorben. In Deutschland waren es seitdem 77.“ Kommentar von Lotta Drügemöller vom 24. April 2025 in der taz online - Tödlicher Kopfschuss von hinten. Schwarzer Oldenburger von Polizei offenbar in Nebenstraße gejagt und dort erschossen
„Der am Ostersonntag in Oldenburg von einem Polizisten getötete 21-Jährige wurde durch mindestens drei Schüsse von hinten getroffen. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag zum vorläufigen Obduktionsergebnis mit. Demnach fanden sich an dem Leichnam des Schwarzen jungen Mannes Schussverletzungen an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Ein viertes Projektil soll ihn am Oberschenkel gestreift haben.
Der Oldenburger hieß nach Angaben einer Solidaritätsgruppe Lorenz. Laut Polizei war er um 2.40 Uhr nach einer Auseinandersetzung vor einer Diskothek, wo er zwei Sicherheitsdienst-Mitarbeiter sowie zwei Personen mit einem Reizstoff leicht verletzt haben soll, geflüchtet. Mehrere Personen hätten eine zunächst begonnene Verfolgung abgebrochen, da der Mann mit einem Messer gedroht haben soll. (…) Einiges an dieser Darstellung ist korrekturbedürftig. Ein Messer, von dem in der ersten Pressemitteilung der Polizei die Rede war, wurde nicht gefunden – es gebe laut Staatsanwalt auch »keinen Anhaltspunkt darauf, dass er den Polizeibeamten mit einem Messer gedroht hat«. Eine Zeugin sagte der »Taz«, dass der Mann auf der Flucht von den Beamt*innen in die besagte Straße getrieben worden sei; dann seien auch schon die Schüsse gefallen. Auch dass der Polizist von hinten schoss, lässt vermuten, dass die Situation nicht »bedrohlich« war. (…) »Mittlerweile kennen wir die polizeilichen Abläufe zum Framing nach so einem Todeseinsatz auswendig, da sie dem immer gleichen Drehbuch folgen«, erklärt Michèle Winkler vom Kölner Grundrechtekomitee. Die Organisation hat unter anderem den Prozess gegen vier Polizist*innen verfolgt, die am tödlichen Einsatz gegen den jungen senegalesischen Geflüchteten Mouhamed Dramé in Dortmund beteiligt waren. »Fraglich ist nur, warum es immer noch Medien gibt, die die polizeiliche Erstversion ungeprüft übernehmen«, sagt Winkler zu den Todesschüssen in Oldenburg. (…) In der Stadt hat sich unter dem Namen »Gerechtigkeit für Lorenz« eine spontane Initiative gegründet, die für Freitagabend ein Gedenken am Tatort organisiert. »Wir stehen geschlossen gegen Rassismus, der auch bei der Polizei strukturell ist«, heißt es in dem Aufruf. Die Polizei rechnet mit deutlich mehr als 1000 Teilnehmenden. Eine erste Spendenkampagne von Unterstützer*innen konnte seit Dienstag rund 19 000 Euro für die Angehörigen von Lorenz sammeln.“ Artikel von Matthias Monroy vom 23.04.2025 in ND online(Hervorhebung von uns)
- Tödliche Polizeischüsse in Oldenburg: Große Trauer, offene Fragen
„… Die Umstände werfen Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigte am Mittwoch auf Anfrage des NDR Niedersachsen erneut, dass das Opfer nach derzeitigem Stand die Beamten nicht mit einem Messer bedroht habe. Unklar ist allerdings, ob die Beamten während des Einsatzes in der Oldenburger Innenstadt am frühen Sonntagmorgen davon ausgehen mussten, dass der 21-Jährige auch ein Messer mit sich führte. Vor den tödlichen Schüssen soll der junge Schwarze mit Reizgas gesprüht haben. (…) Laut dem Obduktionsbericht trafen den 21-Jährigen drei Schüsse von hinten – an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Das gab die Staatsanwaltschaft am Dienstag bekannt. Ein vierter Schuss soll ihn laut Obduktionsergebnis am Oberschenkel gestreift haben. Ob der Polizist von hinten auf den jungen Mann geschossen hat, um eventuell einen möglicherweise angegriffenen Kollegen zu schützen, ist unklar. (…) Der Anwalt der Mutter des Opfers hat eine lückenlose Aufklärung gefordert, die Staatsanwaltschaft müsse schnell alle Beweise sichern. „Kameras in der Straße müssen überprüft und Handys der Einsatzbeamtinnen und -Beamten ausgewertet werden. Es muss sichergestellt sein, dass der Funkverkehr vor, während und nach dem Einsatz komplett und umfassend dokumentiert wird“, sagte Thomas Feltes am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Die Ermittler müssten verhindern, dass Beweise wie Chatverläufe oder Handyaufnahmen gelöscht würden. (…) Die Anteilnahme am Tod des 21-Jährigen ist groß. Am Tatort in der Oldenburger Innenstadt haben viele Menschen Blumen und Kerzen abgelegt sowie Bilder aufgestellt. Gleichzeitig erheben Freunde des Getöteten schwere Vorwürfe gegen die Polizei – manche sprechen von Mord. Die Ergebnisse des Obduktionsberichts, dass der junge Mann von hinten erschossen wurde, macht viele Menschen wütend und fassungslos. Für Freitagabend ist eine Demonstration auf dem Pferdemarkt in Oldenburg geplant. In dem Aufruf, der von mehreren Initiativen unterzeichnet ist, geht es auch um Rassismus. Dieser sei auch in der Polizei strukturell, heißt es…“ Meldung vom 23.04.2025 beim NDR - Stellungnahme zum Tod von Lorenz in Oldenburg – Kein Einzelfall!
„Die ISD und weitere Organisationen setzen sich seit Jahren für eine umfassende Auseinandersetzung mit institutionellem und strukturellem Rassismus ein. Der Fall des durch Polizeigewalt getöteten Lorenz in Oldenburg zeigt, wie dringend notwendig dies weiterhin ist.” Hilistina Banze , Vorstand ISD. (…) Als Folge dieser erneuten Polizeigewalt hat sich in Oldenburg ein breites Bündnisgebildet, das eine vollständige Aufklärung fordert und auf andere Fälle von Polizeigewalt gegen People of Color und Schwarze Menschen wie Qosay Khalaf in Delmenhorst oder Lamin Touray in Nienburg verweist. Das Bündnis arbeitet mit der bundesweiten Onlineberatungsstelle Pena.ger zusammen und ruft für den kommenden Freitag, den 25.04.2025 um 18 Uhr zu einer Mahnwache mit Trauermarsch am Pferdemarkt auf. Wir fordern die Medien auf, Lorenz nicht als Gewalttäter zu beschreiben, um die tödliche Gewalt zu rechtfertigen oder gutzuheißen. “ Stellungnahme vom 22.4.2025 bei ISD
– Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
- Oldenburger Polizei erschießt Schwarzen: Lorenz wurde nur 21
„Mehrere Polizeikugeln töten den jungen Mann. Er soll vorher Polizisten mit Reizgas bedroht haben. Auslöser war eine Konfrontation vor einer Disco. (…) Unter anderem die Bild schreibt von einem „Messer-Angreifer“ in Oldenburg. Belege, dass der Getötete ein Messer bei sich führte, geschweige denn Personen damit angegriffen hat, gibt es nach jetzigem Stand aber nicht. Die Ermittler schweigen derzeit zu der Frage, ob tatsächlich ein Messer gefunden wurde. Anschließend sei Lorenz laut Polizei in einer benachbarten Straße auf die erste Streife der Polizei getroffen und weiter davongerannt. Wenig später sei er in der Achternstraße auf eine zweite Streife getroffen. „Dort ging er bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte dabei Reizstoff in ihre Richtung“, so stellt es die Polizei dar. Daraufhin habe ein 27-Jähriger Beamter geschossen. Der Getötete sei mehrfach getroffen worden und im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen…“ Artikel von Aljoscha Hoepfner vom 21.4.2025 in der taz online