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Schon wieder war ein guter Freund in Berlin. Name: Al Sisi. Beruf: Ägyptischer Diktator
Dossier
„Öffentlich Kritik an al-Sisi und seiner Regierung zu äußern, wagt so gut wie niemand. Einzig ein Schotte, der seit einigen Monaten in Ägypten lebt, nennt al-Sisi in einem Hostel in Luxor ein »Riesenarschloch« und schaut sich dabei panisch um, ob dies womöglich jemand gehört habe. Nicht zuletzt gelten solche Aussagen nach der Verschärfung des Strafrechts als strafbares Delikt, als »Mitwirkung an einer ausländischen Verschwörung«. Wer mit Graffiti Statuen oder Hauswände beschmiert, kann als Terrorist mehrere Jahre hinter Gitter kommen. Doch es ist vor allem die Praxis des »Verschwindenlassens« von Kritikern und Oppositionellen, die den Machthabern in Kairo immer wieder vorgeworfen wird. (…) Um eine Familie mit mehreren Kindern zu ernähren, braucht es meist zwei Personen im Haushalt, die arbeiten. Das gibt den Frauen Ägyptens abseits der traditionellen Rolle der Hausfrau und Erzieherin vor allem in den Ballungsräumen mehr gesellschaftliches Gewicht und ökonomische Möglichkeiten. Der Kampf um mehr Frauenrechte bleibt im Überwachungsstaat unter al-Sisi jedoch schwierig, selbst wenn Ägyptens Feministinnen lange als Speerspitze der Bewegung im Nahen Osten galten. Mittlerweile gelten jene, die mehr Rechte einfordern, mitunter gleich als Staatsfeinde…“ – aus dem Beitrag „Geknebelt unter dem General“ von Jan Marot am 01. November 2018 in der jungle world , eine aktuelle Bestandsaufnahme der Repression in Ägypten. Ein Dossier zum erneuten ägyptischen Besuch 2018 in Berlin und zur Fortführung dieser Kooperation auch 2022:
- „Ein vertrauenswürdiger Partner”: Ägyptens Präsident Al Sisi besucht zum Ausbau der bilateralen Kooperation Berlin. Kritiker protestieren – wegen schwerster Menschenrechtsverbrechen der ägyptischen Behörden
„Proteste von Menschenrechtsorganisationen überschatten den aktuellen Besuch des ägyptischen Präsidenten Abd al Fattah al Sisi in Berlin. Al Sisi hält sich zur Zeit in der deutschen Hauptstadt auf, um die Zusammenarbeit zwischen Ägypten und Deutschland zu intensivieren. Dabei geht es nicht nur um Milliardengeschäfte für deutsche Konzerne; kürzlich hat Siemens den größten Auftrag der Firmengeschichte in dem nordafrikanischen Land erhalten. Vor allem hat Berlin Kairo als Lieferanten von Energieträgern im Visier. So ist geplant, dass Ägypten israelisches Erdgas verflüssigt und in die EU exportiert; künftig soll es auch grünen Wasserstoff produzieren. Ägypten sei als Energielieferant „ein vertrauenswürdiger Partner“, lobte unlängst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Pikant ist, dass der „Energiepartner“ sich schon seit vielen Jahren mit schweren Menschenrechtsverletzungen hervortut; seit sich die Militärs im Jahr 2013 in Kairo an die Macht putschten, sind laut Berichten bis zu 65.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert worden. Folter ist verbreitet, zahllose Regierungsgegner sind verschwunden. (…) Nicht zuletzt zielt die Bundesregierung mit ihrer Kooperation mit Ägypten darauf ab, in dem nordafrikanischen Land nicht noch mehr Einfluss gegenüber China zu verlieren. Chinesische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren zweistellige Milliardensummen in Ägypten investiert und nehmen eine führende Rolle in der Suez Canal Economic Zone (SCEZ) ein, einer strategisch äußerst günstig direkt am Suezkanal gelegenen Sonderwirtschaftszone, die als „Eckstein der langfristigen Wirtschaftsstrategie der ägyptischen Regierung“ gilt.“ Bericht vom 18. Juli 2022 von und bei German-Foreign-Policy.com - „Sisi in Berlin (III)“ am 31. Oktober 2018 bei German Foreign Policy zum erneuten Besuch Al Sisis in Berlin (auf Beiträge zum früheren Besuch – 2015 – bezieht sich die Numerierung) einleitend: „Der Empfang für Ägyptens Präsidenten Abd al Fattah al Sisi in Berlin ist in der ägyptischen Presse schon vorab als Beleg für die Normalisierung der deutsch-ägyptischen Beziehungen gewertet worden. Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht: Nach dem Militärputsch am 3. Juli 2013 und der anschließenden blutigen Niederschlagung islamistischer Massenproteste, bei der mutmaßlich mehr als 3.000 Menschen zu Tode kamen, sahen sich die ägyptischen Generäle eine Zeitlang scharfer Kritik aus dem Ausland ausgesetzt. Kritik wird in Berlin offiziell immer noch geäußert, vorzugsweise von der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), die sich etwa im September „bestürzt“ über 75 Todesurteile gegen Oppositionelle zeigte; die Urteile waren in einem Massenprozess gegen Regierungsgegner wegen angeblicher oder tatsächlicher Verbrechen während der Unruhen im Sommer 2013 verhängt worden. Folgen hat die Kritik allerdings nicht. So wiesen ägyptische Medien jetzt darauf hin, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe al Sisi schon im Juni 2015 nach Berlin eingeladen und sei dann ihrerseits im März 2017 nach Kairo gereist. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier habe sich 2015 und 2016 mit seinem ägyptischen Amtskollegen getroffen, sein Nachfolger Sigmar Gabriel im August 2017. Der Siemens-Konzern habe im Jahr 2015 das größte Geschäft seiner Firmengeschichte abgeschlossen – mit Ägyptens Regierung. Am Montag ist Al Sisi nun von Bundespräsident Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble empfangen worden, am gestrigen Dienstag von Kanzlerin Merkel. Das entspreche, heißt es in ägyptischen Medien, den guten Wirtschaftsbeziehungen in vollem Maß…“
- „Berlin hofiert Al-Sisi“ von Sofian Philip Naceur am 01. November 2018 auf seinem Blog (ursprünglich in der jungen welt) unter anderem über die anstrengende Tagesordnung des Diktators aus Kairo in Berlin: „Kaum ein anderer Staats- und Regierungschef wurde im Rahmen des »Afrika-Gipfels« in Berlin am Dienstag von der deutschen Politik derart umgarnt wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi. Zuvor war der seit 2013 autoritär regierende frühere General am Montag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und den Bundesministern für Wirtschaft und internationale Entwicklung, Peter Altmaier (CDU) und Gerd Müller (CSU), zusammengetroffen. Am Dienstag standen zudem Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm. Dabei seien Agenturberichten zufolge vor allem Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutiert worden. Themen waren aber auch die Ausweitung der Bildungskooperation und die sogenannte »illegale« Migration, die Berlin mit einem zuletzt massiv intensivierten Sicherheits- und Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten und anderen afrikanischen Staaten umfassend einschränken will. Bereits am Sonntag hatte sich Al-Sisi mit Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie und des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) getroffen…“
- „Ägypten unter Sisi“ am 30. Oktober 2018 bei der Rosa Luxemburg Stiftung ist eine Infografik über die Menschenrechtsverletzungen im Ägypten der letzten fünf Jahre, in der es unter anderem heißt: „Während die täglichen Razzien von Polizei- und Armeeeinheiten zunächst auf die Kader der Muslimbruderschaft auf höchster, mittlerer und unterer Ebene abzielten, uferte die Repression bald zu einem umfänglichen Angriff auf Dissident*innen aller Couleur aus, einschließlich Politiker*innen und Aktivist*innen, die den Militärputsch anfänglich begrüßt hatten, auf säkulare Linke, Liberale, Mitglieder der LGBTQ-Community, Schriftsteller*innen und Künstler*innen. Universitäten – unter den Regierungen der Präsidenten Sabat und Mubarak lange als polizeifreie Zonen geachtet – wurden von Sondereinheiten und den Sondereinsatzkräften des Innenministeriums unter Anwendung scharfer Munition gestürmt. Studierende wurden am helllichten Tage erschossen. Elite-Fallschirmjäger wurden wiederholt eingesetzt, um friedliche Proteste von Studentinnen niederzuwerfen. Gewerkschaftsmitglieder in Fabriken wurden verhaftet und Anführer*innen von Streiks zuweilen vor Militärgerichte gestellt. Unabhängige Gewerkschaften, die nach dem Aufstand von 2011 wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, wurden unterdrückt…“
- „Das militärische Imperium“ von Ingy Salama am 26. Januar 2018 bei Qantara.de über die Rolle der ägyptischen Armee in der Gesellschaft des Landes hebt unter anderem hervor: „Heute ist Abdel Fattah al-Sisis Regierung finanziell von den Golfstaaten abhängig. Der Einfluss des Militärs hat unter seiner Präsidentschaft zugenommen. So betreibt Al-Sisi beispielsweise zwei Megaprojekte mit direkter militärischer Beteiligung: den Ausbau des Suez-Kanals und den Bau einer neuen Hauptstadt. 2015 erlaubte seine Regierung Offizieren des Militärs, Polizei und des Geheimdienstes, private Sicherheitsfirmen zu gründen. Gleichzeitig sind militäreigene Unternehmen in allen wirtschaftlichen Bereichen aktiv. Obwohl das Regime scheinbar strikte Kontrolle über das Land ausübt, gibt es offenbar Konflikte mit dem „tiefen Staat“: So säuberte Al-Sisi den Geheimdienst, mehr als 100 Beamte wurden entlassen. Mitte Januar entließ der Präsident den Direktor des Geheimdienstes und ersetzte ihn vorläufig mit seinen Stabschef General Major Abbas Kamel. Währenddessen wächst die Unzufriedenheit in anderen staatlichen Institutionen. Al-Sisi wurde öffentlich von mehreren Militärführern kritisiert, weil er zwei Inseln im Roten Meer an Saudi-Arabien übergeben und Ägyptens Anspruch aufgegeben hatte. Obendrein tweetete Generalleutnant Ahmed Shafiq ein scharf formuliertes Statement gegen Al-Sisi, als Ägypten den Bau des äthiopischen Renaissance-Damms stromaufwärts am Nil nicht unterbinden konnte. In der Regel ist jedoch öffentliche Kritik an dem Regime selten geworden. Ägyptens Medien sind nicht frei…“
Siehe zur Kooperation mit dem ägyptischen Militär-Regime zuletzt im LabourNet Germany:
- vom März 2019: Die ägyptische Armee baut ihr Repressions-System weiter aus. Das deutsche Kapital seine profitable Unterstützung dafür
- und vom Februar 2019: Der ägyptische Diktator wird nicht nur von Berlin unterstützt: Staatsbesuch des französischen Präsidenten. Als Vermittler der Waffenhändler Frankreichs
- Nach Erdogan nun auch al Sisi: Despoten als Europas Kriegsherren gegen Flüchtlinge – der „Fall“ Ägypten und seine (nicht nur) österreichischen Fans am 21. September 2018