Internationaler Kampf gegen Gewalt gegen Frauen nicht nur am Orange Day 25. November
Dossier
„Die UN-Kampagne „Orange the World“ macht seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam: vom Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen am 25. November bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. Sie ist seit 2008 Teil der „UNiTE to End Violence against Women“ Kampagne des UN-Generalsekretärs, die von UN Women durchgeführt wird...“ So die Kampagnenseite von UN-Women neben der zur Instanbul-Konvention – eine Kampagne (dazu gehören auch #16Days vom 25. November bis 10. Dezember), die längst über die UN hinaus fortgeführt wird in der Frauenbewegung wie in den Gewerkschaften. Siehe mehr Informationen und den Überblick zu unseren Femizid-Seiten in aller Welt – wobei die neueste Statistik zeigt, dass Deutschland mit 360 getöteten Mädchen und Frauen in 2023 kaum besser da steht als die „üblichen Verdächtigen“:
- Aufschrei ohne Folgen: Gewalt an Frauen und Kindern
„Es sind nur wenige Tage im Spätherbst, an denen eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen in Deutschland die gebührende Aufmerksamkeit findet. Am 25. November wird weltweit der Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen begangen. Auch hierzulande jähren sich dann die Rituale, mit denen alarmiert wird: An beinahe jedem Tag ein Femizid, steigende Zahl der Straftaten gegen Frauen und Mädchen, hohe Dunkelziffer – so präsentierte die Politik im November 2024 die Statistik des Bundeskriminalamts. Als ob alle längst verstanden hätten. (…) Sehr eindrucksvoll und konkret belegt die Defizite der Hamburger Soziologe Wolfgang Hammer in einer neuen Studie, die Ende November erschien. Ihm geht es um den Fakt, dass Gewalt nach einer Trennung oft nicht aufhört, erst recht, wenn Kinder im Spiel sind. Und um die unrühmliche Rolle von Familiengerichten und Jugendämtern dabei. Hammer hatte schon 2022 mit einer Studie zum Familienrecht für Aufsehen gesorgt – und dürfte das wohl wieder schaffen. Er analysierte nun auf 133 Seiten die Medienberichterstattung über 154 familienrechtliche Fälle und kommt zu dem Schluss, dass es in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – 147 – vonseiten der Gerichte und Jugendämter eine „vorurteilsgeleitete“ und „ideologische“ Grundannahme gegenüber Müttern und Kindern gegeben habe. (…) Operiert werde mit unwissenschaftlichen Begriffen wie „Bindungsintoleranz“, „Entfremdung“, „Mutter-Kind-Symbiose“, teilweise würden Müttern zu Unrecht psychische Störungen unterstellt. Im Ergebnis komme es zu Inobhutnahmen, Heimunterbringungen, Umplatzierungen oder Zwangsvollstreckungen. Hammer kritisiert eine „Täter-Opfer-Umkehr durch Jugendämter und in Familiengerichten“, systematisch und inzwischen auch systemisch werde Machtmissbrauch betrieben, ein „Muster inhumaner Praktiken“. (…) Besonders verwundert, dass in der Justiz offenbar noch immer vielfach mit einem Begriff operiert wird, der längst als überholt gelten sollte: dem der „Eltern-Kind-Entfremdung“. Er geht zurück auf das Stichwort „Parental Alienation Syndrome“ (PAS), 1985 geprägt von dem US-amerikanischen Kinderpsychiater Richard Alan Gardner. Gemäß dieser Logik wird Elternteilen – zumeist Müttern – vorgeworfen, mit Falschbehauptungen zu physischer und psychischer Gewalt das andere Elternteil aus dem Umgangs- und Sorgerecht heraushalten zu wollen. Eine „pseudowissenschaftliche Deutungsschablone“ nennt Wolfgang Hammer das, die vor allem dazu führt, dass gewaltbetroffenen Kindern und Frauen oftmals nicht geglaubt wird. PAS ist über die Jahre zu einem Kampfbegriff der Väterrechtler-Bewegung geworden – und damit jener Zirkel, die laut einer aufrüttelnden Correctiv-Recherche aus dem Jahre 2023 vehement Einfluss in Politik und Gesellschaft nehmen, um den Gewaltschutz von Frauen und Kindern zu untergraben. (…) Sehr regelmäßig wäre sich das Gericht einig, dass es kindeswohldienlich sei, wenn Kinder nach einer Trennung so schnell wie möglich Kontakt zu beiden Elternteilen hätten – auch wenn es konkrete Gewaltvorwürfe gibt. „An dieser Stelle wird der Begriff des Kindeswohls und der ,Kinderrechte‘ von der familiengerichtlichen Praxis pervertiert und gedeiht zu einem Druckmittel gegen Kinder und gewaltbetroffene Mütter.“ Diese werden – oftmals gegen den erklärten Willen auch der Kinder –, gezwungen, mit dem gewalttätigen Vater Kontakt zu halten. In schlimmsten Fällen, von denen auch Hammer berichtet, wird Müttern sogar das Sorgerecht entzogen und deren Kinder werden ohne deren Zustimmung und unter Protest mit Polizeigewalt den Vätern zugeführt. Mit anderen Worten: Die Väterrechtlerlobby hat offenbar ganze Arbeit geleistet. Vergleicht man die Aufmerksamkeit über die wachsende Gewalt gegen Frauen mit anderem Terror, fällt auf: Das Thema wird in der Öffentlichkeit geradezu marginalisiert. Viele Taten werden verharmlost. Es wird übersehen, dass die Täter aus allen Schichten der Gesellschaft kommen. Justizskandale bleiben ohne Aufschrei. Und wenn ein Femizid schockiert, dann ist das beileibe kein heilsamer Schock. Denn dafür müsste sich grundlegend etwas ändern. Das ist leider nicht der Fall.“ Artikel von Matthias Meisner in den „Blättern“ 1/2025 - Täglicher Terror. Konvention zum Schutz von Frauen: Erster Bericht kritisiert Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland „Die Botschaft ist klar: Frauen sind in Deutschland nicht ausreichend vor männlicher Gewalt geschützt. Das spiegelt auch der am Dienstag vorgestellte Monitor »Gewalt gegen Frauen« vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) wider. Laut der lang erwarteten Studie zur Entwicklung von Gewalt gegen Frauen in Deutschland, die vom DIMR erstellt und aus dem Bundeshaushalt finanziert wurde, wurden 2023 täglich mehr als 700 Frauen Opfer von körperlicher Gewalt. Hinzu kommen rund 400 Fälle von psychischer Gewalt. Diese Zahlen beziehen sich jedoch nur auf die gemeldeten und registrierten Fälle. Das tatsächliche Ausmaß dürfte deutlich höher sein. Erst im November hatte das Bundeskriminalamt die neuste Statistik herausgegeben: Fast jeden Tag stirbt demnach eine Frau oder ein Mädchen; 360 Todesfälle sind es insgesamt. (…) Der Monitor analysiert neben den Trends geschlechtsspezifischer Gewalt auch den Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland und erfüllt eine der Anforderungen des internationalen Abkommens des Europarates. 2018 war sie in Deutschland in Kraft getreten, ein solcher Bericht daher längst überfällig. Seit 2020 wurden Daten analysiert und verglichen. Beate Rudolf, Direktorin des Instituts, erklärte bei der Vorstellung, dass die nächste Bundesregierung mehr Frauenhäuser schaffen sowie Beratungsangebote ausbauen müsse. Zudem seien spezifische Schulungen für Polizei und Justiz notwendig, um Täter effektiver verfolgen und bestrafen zu können…“ Artikel von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 06.12.2024 zu:
- Erster „Monitor Gewalt gegen Frauen“: Strategien, Standards und mehr Geld dringend nötig
Pressemitteilung und Studie vom 03.12.2024 beim Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR)
- Erster „Monitor Gewalt gegen Frauen“: Strategien, Standards und mehr Geld dringend nötig
- [Appell an den französischen Präsidenten Macron und alle europäischen Staats- und Regierungschefs] Für einen ehrgeizigen Plan zur Bekämpfung von Vergewaltigungen
„Wir fordern Sie auf, Ihr Versprechen zu halten und ein ganzes Arsenal an Maßnahmen zu ergreifen, um der Kultur, die Vergewaltigungen und die damit einhergehende Straflosigkeit begünstigt, ein Ende zu setzen.
Warum das wichtig ist
In seiner Kleinstadt hatte Gisèle Pelicots Ehemann keine Probleme, 80 Freiwillige – vom Krankenpfleger bis zum Stadtrat – zu finden, die seine Frau vergewaltigten. Während der Prozess gegen ihren Ehemann und 50 Mitangeklagte nun läuft, deckt Gisèles schreckliche Erfahrung eine tiefere Krise auf: Männer, die als vertrauenswürdige Gemeindemitglieder galten, begingen diese Verbrechen, ohne irgendwelche Konsequenzen zu fürchten. Die Justiz lässt Gisèle im Stich, wie unzählige andere auch. Tausende haben ihre Stimme erhoben und fordern Veränderungen. Wir müssen Druck auf die Staats- und Regierungschefs in ganz Europa ausüben, damit sie strenge Maßnahmen gegen Vergewaltigungen ergreifen, einschließlich spezieller Einsatzgruppen, der Verfolgung von Serienvergewaltigern und einer Definition von Vergewaltigung, unter Berücksichtigung einer ausdrücklichen Zustimmung. Schließen Sie sich dieser Forderung an: Unterzeichnen und teilen Sie, damit es nicht die Opfer sind, die die Scham zu tragen haben!“ Petition bei WeMove Europe , siehe zum Hintergrund von vielen:- Gisèle Pelicot – Du bist kein Subjekt
„Die meisten Männer schweigen bisher zum Fall Gisèle Pelicot. In letzter Konsequenz drückt sich damit Komplizenschaft aus…“ Artikel von Julius Twardowsky vom 26.11.2024 in ND online - und weitere in Frankreich: #Noustoutes – Proteste in mehreren Städten Frankreichs: Aufstehen gegen Gewalt an Frauen
- Gisèle Pelicot – Du bist kein Subjekt
- Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen 2024 kurz nach dem Lagebild des BKA: Istanbul-Konvention umsetzen! Gewalthilfegesetz beschließen!
- Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Klassenkämpferische Aktionen in zahlreichen Städten
„Am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, fanden in zahlreichen deutschen Städten politische Aktionen gegen patriarchale Gewalt statt. Auch international gab es zahlreiche Proteste von feministischen und klassenkämpferischen Organisationen…“ Überblick vom 26.11.2024 mit Fotos von und bei Perspektive Online - Demonstration in Stuttgart zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen: „Schutz vor Gewalt ist menschenrechtliche Verpflichtung“
„Weit über tausend Menschen haben an einer kämpferischen Demonstration anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am 25. November in Stuttgart teilgenommen. Die Demonstration wird vom Aktionsbündnis 8. März organisiert. In diesem Jahr nahmen mehr als doppelt so viele Menschen teil wie in den vergangenen Jahren. Junge Frauen bildeten die Mehrheit der Teilnehmer…“ Bericht von Christa Hourani vom 26.11.2024 im UZ-Blog - Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen 2024: Istanbul-Konvention umsetzen! Aktionen der DGB-Frauen zum 25. November 2024
„In diesem Jahr machen die DGB-Frauen und DGB-Jugend mit gemeinsamen Aktionen auf den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25.11.) aufmerksam. Inhaltlich stehen die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention und die zügige Einführung des geplanten Gewalthilfegesetzes im Fokus unserer Aktivitäten. Unsere Forderungen: Prävention und Schutz vor häuslicher Gewalt! (…)
Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ist in Deutschland seit 2018 in Kraft. Dennoch weisen Gesetzgebung, Hilfestrukturen und deren Finanzierung nach wie vor eklatante Lücken auf – obwohl sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat, die Istanbul-Konvention vorbehaltlos und wirksam umzusetzen und dafür
– das Hilfesystem bedarfsgerecht auszubauen,
– einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern zu schaffen,
– den Bund an der Regelfinanzierung zu beteiligen.
Doch die dringend notwendigen Verbesserungen gehen nur im Schneckentempo voran. Die Finanzierung der Frauenhäuser erfolgt je nach Bundesland und Kommune in unterschiedlichem Maße aus Landes- und Kommunalmitteln, und etliche Frauenhäuser sind auch auf Spenden angewiesen. Betroffene, die nicht sozialleistungsberechtigt sind, müssen in vielen Bundesländern ihren Platz teilweise selbst finanzieren. Große Unterschiede bestehen hinsichtlich der Quantität und der Qualität der Hilfsangebote.
Ob Frauen Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt finden oder nicht, darf aber nicht vom Wohnort abhängen. Schutz und Unterstützung in Frauenhäusern müssen in allen Regionen Deutschlands gleichermaßen gesichert und zugänglich sein. Deshalb fordert der DGB ein Bundesgesetz, das endlich einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sicherstellt. Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt gemeinsam handeln, um den eklatanten Mangel an Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten zu beseitigen. Der DGB macht sich stark dafür, dass alle staatlichen Institutionen bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt handlungsfähig ausgestattet werden, d. h. die personellen Ressourcen und die notwendige Qualifikation der Beschäftigten gewährleistet sind…“ Beitrag der DGB-Frauen vom 12.11.2024 zum DGB-Forderungspapier und mit Aktionsvorlagen. Siehe auch:- Orange Day 2024: STOP! Schluss mit Gewalt an Frauen!
„Nächste Woche ist „Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen“. Die Lage ist dramatisch. Seit Jahren steigen die weiblichen Opferzahlen von häuslicher Gewalt. Um Frauen besser zu schützen, müssen die Istanbul-Konvention konsequent umgesetzt und das Gewalthilfegesetz auf den Weg gebracht werden, meint das #schlaglicht 34/2024 aus Niedersachsen…“ schlaglicht 34/2024 vom 22.11.2024 beim DGB Niedersachsen mit einigen Grundinformationen - Gegen Gewalt: Bundesweit wird zum internationalen Gedenktag zum Schutz von Frauen und Mädchen mobilisiert
„Brötchentüten, orange Beflaggung und Demonstrationen: Viele Städte und Organisationen haben sich rund um den 25. November aufgestellt, um öffentlich geschlechtsspezifische Gewalt anzuprangern. Seit 1991 fordert die UN-Kampagne »Orange the World«, Gewalt an Frauen und Mädchen zu beenden. Das Datum geht zurück auf den 25. November 1960, als in der Dominikanischen Republik drei Schwestern vom militärischen Geheimdienst getötet wurden – sie hatten sich aus dem Untergrund heraus an Aktivitäten gegen den damaligen Diktator, General Rafael Trujillo, beteiligt. Frauenfeindliche Gewalt gibt es jedoch nach wie vor in allen Ländern, Gesellschaften und Bereichen des Lebens: in Familie und Partnerschaft, im Gesundheitsbereich oder am Arbeitsplatz.
Wiederkehrende Forderung hierzulande: Endlich das 2018 geschlossene Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Gewalt an Frauen und Mädchen, die sogenannte Istanbul-Konvention, umzusetzen. Nachdem die Bundesregierung das vollständige Inkrafttreten zunächst für vier Jahre verzögerte – es waren Vorbehalte gegen einzelne Artikel eingelegt worden –, gilt die Konvention seit Februar 2023 auch hierzulande uneingeschränkt. (…) Allerdings liegt auch zum diesjährigen Gedenktag vor allem der Gewaltschutz in der BRD im argen: »Noch immer fehlen in Deutschland über 14.000 Frauenhausplätze, noch immer sind die Wartelisten in den Beratungsstellen lang, und noch immer sind die Mitarbeiter*innen und Einrichtungen aufgrund schlechter Finanzierungsstrukturen am Limit«, mahnte der Paritätische im Februar an. Und so werden kommende Woche zwar zahlreiche Brötchentüten mit Notrufnummern verteilt werden, ob die Betroffenen dann aber auch die notwendige Unterstützung erhalten, kann ihnen niemand versprechen. (…)
Neben der Beflaggung zahlreicher öffentlicher Gebäude in Orange sind bundesweit verschiedenste Aktionen zum Gedenktag geplant, die auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. So verweist der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem Aufruf auf die in diesem Sommer in Kraft getretene Norm der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO 190, die Mindeststandards zur Prävention und Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz festlegt. Gefordert wird die Aufnahme der Norm in hiesige Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Auf eine Verbesserung der Situation im Gesundheitsbereich konzentriert sich zum Beispiel das Klinikum Osnabrück. Seit Oktober 2022 gehört das Krankenhaus dem Netzwerk »Pro Beweis« an, das es Betroffenen ermöglicht, die Spuren von Angriffen sowie Befunde und Beweismittel gerichtsverwertbar dokumentieren und sichern zu lassen. Das soll es erleichtern, zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige erstatten zu können und Schritte gegen die Täter einzuleiten. Zudem werden Beschäftigte des Klinikums im Erkennen von Gewaltanzeichen und dem Umgang mit Betroffenen geschult. Letztlich braucht es jedoch einen gesetzlichen Rahmen, so dass Frauen- und Fachverbände am Donnerstag erneut forderten, das von der Bundesregierung geplante Gewalthilfegesetz endlich auf den Weg zu bringen.“ Artikel von Ina Sembdner in der jungen Welt vom 22.11.2024 - Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen – ver.di fordert Umsetzung der Istanbul-Konvention trotz Ampel-Aus
„Alle 72 Stunden wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Alle 3 Minuten sind Frauen Opfer von häuslicher Gewalt. Diese nimmt in Deutschland seit Jahren zu, aber es wird nicht angemessen reagiert. Die Hilfestrukturen sind völlig unzureichend und überlastet. Es fehlen ca. 14.000 Frauenhausplätze in Deutschland. Das ist die erschreckende Realität. Daher fordert Silke Zimmer, Bundesvorstandsmitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), anlässlich des morgigen Internationalen Tages gegen Gewalt gegen Frauen: „Die erschreckenden Zahlen müssen die Politik endlich aufrütteln! Trotz Ampel-Aus muss jetzt gehandelt werden: Das Gewalthilfegesetz muss kommen und die Istanbul-Konvention muss lückenlos umgesetzt werden!“…“ Pressemitteilung vom 24.11.2024 - Gewalt gegen Frauen: Eine ganz normale Woche in Deutschland
„Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen getötet. Eine Woche in zwei deutschen Städten. In Erfurt und Ludwigshafen kommt es in dieser Woche zu über 100 Fällen von Gewalt gegen Frauen…“ taz-Recherche vom 23.11.2024 von Sophie Fichtner, Anne Fromm, Patricia Hecht, Carolina Schwarz, Lorenzo Gavarini, Lilly Schröder und Amelie Sittenauer - Und bsp. international:
- Make work safe for women transport workers. ITF-Kampagne zur Beendigung der Gewalt gegen weibliche Verkehrsbeschäftigte
- Women and Gender Equality Committee call for end to violence against women. EPSU-Aufruf zu Aktionen für 25. November in ganz Europa
- Orange Day 2024: STOP! Schluss mit Gewalt an Frauen!
- Petition/Brandbrief: Stoppt Gewalt gegen Frauen – JETZT! Die Ampel darf ihr Versprechen nicht brechen – Verabschieden Sie das Gewalthilfegesetz
„… die Zahlen sind alarmierend: Jeden zweiten Tag wird in unserem Land eine Frau durch die Hand ihres (Ex)Partners getötet – Tendenz steigend! Diese Gewalt ist kein fernes Problem, kein Phänomen, das „in anderen Kreisen“ auftritt. Diese Gewalt passiert überall – in unserer Nachbarschaft, unserem Freundeskreis, unseren Familien. Sie haben im Koalitionsvertrag angekündigt, ein Gesetz zu schaffen, das Betroffene besser vor Gewalt schützt. Jetzt drängt die Zeit! Ihre Regierung hat nur noch wenige Wochen um dieses Versprechen einzulösen. Als Mitglieder der Bundesregierung tragen Sie Verantwortung für das Leben und die Sicherheit von Frauen, Mädchen und queeren Menschen in unserem Land. Wir sagen es in aller Deutlichkeit: Ohne das Gewalthilfegesetz werden weiterhin Menschen sterben, werden weiterhin Menschenleben zerstört – weil ihnen der Schutz verwehrt bleibt, den sie so dringend brauchen!. Obwohl die Gewaltstatistik Jahr um Jahr ansteigt, fehlen tausende Plätze in Deutschlands Frauenhäusern, sind Beratungsstellen chronisch überlastet und die Wartezeiten auf einen Platz im Frauenhaus oder einen Termin für eine Beratung für Personen nach einer Vergewaltigung unerträglich lang. Besonders in ländlichen Regionen ist die Situation verheerend: Betroffene werden häufig völlig allein gelassen mit ihrem Schmerz, weil es einfach keine Hilfsangebote gibt. Wir bitten nicht, wir fordern. Im Namen all derer, die bisher ungehört blieben und all derer, die der Gewalt bereits zum Opfer gefallen sind. Die Zeit des Handelns ist jetzt! Verabschieden Sie das Gewalthilfegesetz – und geben Sie den Menschen in diesem Land den Schutz, der ihnen zusteht…“ Petition vom Deutschen Frauenrat und dazu:- PRO ASYL fordert Verbesserungen für geflüchtete Frauen im Gewalthilfegesetz
„Das geplante Gewalthilfegesetz soll das Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt verbessern. PRO ASYL begrüßt das dringend notwendige Vorhaben ausdrücklich, vermisst aber den Abbau von Zugangshürden für geflüchtete Frauen. Über das Gesetz wird voraussichtlich noch in diesem Jahr im Bundestag entschieden...“ Presseerklärung vom 25.11.2024 anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, siehe auch:- Geflüchtet aus der Sklaverei – Kein Schutz für Semira? PRO ASYL fordert zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen endlich angemessenen Schutz für Frauen wie Semira
„Semira [Name zum Schutz der Betroffenen geändert] (29) ist eine junge Frau. Sie kommt aus Äthiopien und hat 2022 in Deutschland Asyl beantragt. Ihr Lebensweg ist geprägt von massiven Menschenrechtsverletzungen, doch ihr Antrag auf Schutz wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Nun kämpft Semira mit Unterstützung des PRO ASYL Rechtshilfefonds im Klageverfahren vor Gericht um das Recht, hier in Deutschland sicher leben zu dürfen. Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November macht PRO ASYL auf ihr Schicksal – das leider von vielen Frauen geteilt wird – und die dahinterstehenden strukturellen Probleme aufmerksam. PRO ASYL fordert, dass frauenspezifische Fluchtgründe, insbesondere geschlechtsbezogene Gewalt, endlich adäquat in die Entscheidungspraxis des BAMF mit einbezogen werden. Bereits mit neun Jahren wird Semira Opfer einer Genitalbeschneidung, die bis heute Schmerzen verursacht. Als sie 17 Jahre alt ist, soll sie gegen ihren Willen einen Mann heiraten, der mehr als doppelt so alt ist wie sie. Ihre Hoffnung, weiter zur Schule zu gehen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wird zerschlagen. Als die Hochzeit bevorsteht und die Einladungen überbracht sind, sieht Semira nur einen Ausweg: die Flucht. Eine Bekannte vermittelt sie als Haushaltskraft an eine Familie in die Vereinigten Arabischen Emirate. Semira hofft auf Arbeit und Sicherheit. (…) Was stattdessen folgt, ist ein weiteres Kapitel schwerster Misshandlung. Viele Jahre lang lebt Semira in der Familie unter extremen Bedingungen – ohne Entlohnung, ohne Rechte, ohne Freiheit. 2023 berichtet sie beim Bundesamt darüber: »Ich war die zehn Jahre bei demselben Arbeitgeber, ich habe ohne Gehalt gearbeitet, ich musste so viel arbeiten, bekam keinen Urlaub, nicht genug Schlaf. Wenn ich krank war, bekam ich keine Behandlung. […] Ich wurde geschlagen. […] Ich bekam nicht genug zu essen. Meine Arbeit ging über meine Kraft.« An ihrem vermeintlichen Zufluchtsort beginnt Semiras Arbeitstag um fünf Uhr morgens und endet erst spät in der Nacht. Als sie um Arbeitslohn bittet, erklärt ihr die Arbeitgeberin, dass der Schleuser bereits Geld bekommen hätte. Der Arbeitgeber behält ihren Pass, kontrolliert ihre Bewegungen und verhindert so jede Flucht. Und schlimmer noch: Auch sexuell wird Semira von dem Mann der Familie missbraucht. Semira wird wie eine Sklavin gehalten und jeder Versuch, sich zu befreien, bleibt lange Zeit aussichtslos. (…) Das BAMF jedoch verweigerte Semira einen Schutzstatus. Die Flüchtlingseigenschaft lehnt das Amt ab. Denn es fehle »bereits an einem Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 AsylG«. Das ist eine kühne Behauptung, denn einer der gesetzlichen Verfolgungsgründe ist die »Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe«. Das BAMF ignoriert, dass Semira immer wieder systematischer Gewalt ausgesetzt war, die vor allem einen einzigen, simplen Grund hatte: Sie ist eine Frau. (…) Auch eine Rückkehrgefährdung verneint das Amt, als Semira berichtet, dass der Mann, den sie heiraten sollte, sie bedroht hätte: »Keiner kann mich dort schützen, ich habe Angst, dass er mich umbringt.« Das Bundesamt teilt diese Sorge nicht und argumentiert: »Vielmehr betrachtet der Mann offenbar das von ihm an die Familie der Antragstellerin gezahlte Geld als ‚Fehlinvestition‘ und will das Geld zurückerhalten oder das ursprüngliche Ziel der Zahlung erreichen.« (…) Semiras Fall zeigt, dass Fluchtgründe auch während und nach der Flucht entstehen können. Viele Frauen, die in Deutschland um Schutz nachsuchen, sind zuvor mehrfach zum Ziel sexualisierter oder geschlechtsbezogener Gewalt geworden. Es ist notwendig, frauenspezifische Gewalt in dieser Häufung, in ihrem Zusammenwirken zu erkennen und zu berücksichtigen – anstatt, wie das Bundesamt es tut, eine erfolgte Misshandlung zynisch als Berufserfahrung umzudeuten und obendrein als Argument gegen einen Schutzanspruch zu verwenden…“ Bericht vom 22. November 2024 von und bei Pro Asyl
- Geflüchtet aus der Sklaverei – Kein Schutz für Semira? PRO ASYL fordert zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen endlich angemessenen Schutz für Frauen wie Semira
- Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbands vom 20. November 2024 zum Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt
- Gewalthilfegesetz: Aus vor der Ziellinie?
„Wenige Stunden vor dem Ende der Koalition hat das Bundesfamilienministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen sichern sollte. Der Entwurf könnte nur noch mit den Stimmen der Union verabschiedet werden – doch die winkt ab…“ Beitrag von Chris Köver vom 20.11.2024 in Netzpolitik - Terre des Femmes: Morde an Frauen sind strukturelles und kein importiertes Problem – Gewalthilfegesetz muss noch beschlossen werden
„Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat an die Abgeordneten des Bundestages appelliert, das geplante Gewalthilfegesetz von Familienministerin Paus trotz des Ampel-Aus noch vor der Neuwahl im Februar zu beschließen. Es sei eine Verpflichtung aller Parlamentarier, dass das Gesetz schnell verabschiedet werde…“ Beitrag vom 23.11.2024 im Deutschlandfunk
- PRO ASYL fordert Verbesserungen für geflüchtete Frauen im Gewalthilfegesetz
- Im Jahr 2023: Fast ein Femizid pro Tag
„Laut einem neuen BKA-Lagebild nimmtt die Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen zu. Die Expertin Asha Hedayati ordnet die Zahlen für »nd« ein
Fast jeden Tag wurde im Jahr 2023 ein Femizid begangen. Das geht aus dem aktuellen Lagebild »Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten« hervor, das Lisa Paus (Grüne) und Nancy Faeser (SPD), die Bundesministerinnen für Frauen und Inneres am Dienstag vorgestellt haben. (…) 938 Mädchen und Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten – 360 von ihnen wurden ermordet. Die größte Gefahr für Frauen geht weiterhin von ihren eigenen Ehemännern oder Partnern aus: 80,6 Prozent der Femizide wurden laut BKA-Lagebild im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen begangen. In allen erfassten Bereichen von Gewalt gegen Frauen sind die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr und im Fünfjahrestrend angestiegen. Etwa wurden im Berichtsjahr 2023 52 330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten, eine Zunahme um 6,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. Besonders erschreckend: Über die Hälfte von ihnen waren minderjährig. Die Dunkelziffer wird allerdings als sehr hoch eingeschätzt…“ Artikel von Pauline Jäckels vom 19.11.2024 in ND online und dazu:- Neue Femozid-Statistik: Es sind schlimme Zeiten für Frauen
„Es war wirklich kein guter Herbst für Frauen. Anfang September ging die Geschichte der ugandischen Olympia-Läuferin Rebecca Cheptegei um die Welt, die von ihrem Partner getötet wurde. In der gleichen Woche wurden in Berlin gleich zwei Frauen durch ihre Ex-Partner umgebracht. Zeitgleich begann der beispiellose Vergewaltigungsprozess gegen Dominique Pelicot in Frankreich, der seine Frau über zehn Jahre hinweg betäubt und Männern im Internet zur Vergewaltigung angeboten haben soll. Als Anfang November dann der verurteilte Sexualstraftäter Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA gewählt wurde, verfestigte sich, was man vorher ahnte: Die Zeiten sind nicht gut für Frauen, vor allem aber werden sie schlimmer. (…) Es gibt natürlich allerhand diskutierte politische Maßnahmen, um gegen diesen eklatanten Notstand anzukämpfen: das seit Jahren hinausgezögerte Gewalthilfegesetz zum Beispiel. Doch da das FDP-geführte Bundesfinanzministerium bis zuletzt blockiert hat und man auf den neuen Bundeskanzler in spe Friedrich Merz (CDU) nun wirklich nicht setzen will, muss man seine Hoffnungen langfristig an jemand anderes richten. Denn politische Maßnahmen sind ohne einen gesellschaftlichen Wandel nichts wert…“ Kommentar von Livia Sarai Lergenmüller vom 20.11.2024in ND online - Femizide in Deutschland: Unterlassene Hilfeleistung des Staates
Anton Benz über das Lagebild »Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023« des BKA. Artikel vom 19.11.2024 in ND online
- Neue Femozid-Statistik: Es sind schlimme Zeiten für Frauen
- Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Klassenkämpferische Aktionen in zahlreichen Städten
Siehe auch:
- #GewaltHilfeGesetzJetzt
- #GegenGewaltanFrauen
- #16TagegegenGewalt
- #OrangeTheWorld
- #ViolenceAgainstWomen und #SafePlace4Women
- Coalition on Violence Against Women (COVAW)
- https://www.onebillionrising.de/ und https://www.onebillionrising.org/
- EU-Richtlinie gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt: Machen Sie Europa zu einem sicheren Ort für alle Frauen und Mädchen!
Siehe im LabourNet international:
- Argentinien » Dossier: Frauen in Argentinien gegen die Kettensäge, Femizide und den Machismo: „Ni una Menos“ (Nicht eine weniger)
- Brasilien » Dossier: Frauen gegen Feminizide in Brasilien – begleitend dazu ein neuer Mord
- Chile » Dossier: Die neue Frauenbewegung in Chile: Proteste erzielen erste Zugeständnisse, nicht nur bei Abtreibung
- Ecuador: Landesweite Empörung in Ecuador nach Femizid an María Belén Bernal
- Frankreich: #Noustoutes – Proteste in mehreren Städten Frankreichs: Aufstehen gegen Gewalt an Frauen
- Indien » Dossier: Gewalt gegen Frauen in Indien: Eine Million Ärztinnen und Ärzte streikt landesweit nach Vergewaltigung und Ermordung einer Kollegin, unterstützt von massiven Protesten
- Iran: Dossier: Jina Mahsa Amini, 22-Jährige Kurdin aus Seqiz, stirbt nach Festnahme durch iranische „Moralpolizei“ – Festnahmen bei Protesten gegen ihren Tod und gegen Hijab
- Kuba: Spätes feministisches Erwachen auf Kuba: Nach dem 16. Femizid allein in 2023 ist die Schweigespirale durchbrochen
- Latein- und Zentralamerika » Alle zwei Stunden stirbt in Lateinamerika eine Frau eines gewaltsamen Todes
- Marokko » Dossier: Nach zu vielen toten Frauen: Internationale Petition für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Marokko
- Österreich: 16 Tage gegen Gewalt in Österreich: Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, sondern politisch
- Schweiz: 23. November 2024: Nationale Demonstration gegen Gewalt an Frauen – 25. November bis 10. Dezember: 16 Tage gegen Gewalt an Frauen in der Schweiz
Türkei » Dossier: HDP-Verbot, Austritt aus der Frauen-Konvention in der Türkei – AKP will die Sache jetzt „rund machen“. Und trifft auf wachsenden Widerstand… - Und in den alljährlichen Dossiers zum 8. März