Der Herr Schäuble hat seine Ansichten seit seinem Feldzug gegen Griechenland nicht geändert: Das Leben (des Pöbels) ist nicht so wichtig…

"Capitalism is the Virus" - Statement from IWW Ireland on a class response to Covid-19Man kann das Recht auf Leben nicht immer über alles Andere setzen, so Schäuble. Und natürlich fanden Schäubles Tiraden sofort jede Menge mediales Echo, von Journalisten und Professoren (deren jeweiliges Leben – natürlich – sowieso – genau – ganz besonders wichtig ist), die es allesamt verdienstvoll fanden, solche „Überlegungen“ anzustellen. Auch potenzielle Koalitionspartner in Berlin zeigten sich am Thema „interessiert“, die Schamlosigkeit kennt ja schon lange keine Parteigrenzen mehr. Wo – und wogegen – die Grenzen des Lebensrechtes denn nun gezogen werden sollen, das genau zu sagen ist, der menschenfeindliche Erzreaktionär zu klug, außerdem kann er ja auf das vorweg genommene Grundeinverständnis seinesgleichen bauen. Inklusive übrigens der Herren Trump, Bolsonaro oder Modi, die das ja genau so sehen, wie ihr bundesdeutscher Gesinnungsfreund. Nicht zu sagen, wer damit gemeint ist, wenn die Wichtigkeit des Lebens herabgesetzt wird, ist ja bei diesen Leuten ebenfalls Tradition: Niemand hat jemals gesagt, es sollen Menschen in Griechenland halt verrecken, wenn das dem Kapital viel zu teure Gesundheitswesen wegen des Schuldendienstes an die Deutsche Bank kahl geschlagen werden muss – das versteht man in den Kreisen, die ihm wichtig sind, auch so. Innerhalb des gleichgeschaltet lobenden medialen Echos gab es zwar einige Tollpatschigkeiten – Ausfälle etwa gegen jene, die sich weigern, dem faschistoiden Zwang zur Selbstoptimierung zu folgen – und peinliche Loblieder auf die zwar nicht Virus, aber Krebs zuhauf produzierende deutsche Autoindustrie, aber es wurde auch kaum genauer benannt, wer denn nun das Opfer dieser philosophischen Vernichtungsüberlegungen werden soll. Weswegen wir unsere kommentierte Materialsammlung „Wertes Leben und Anderes“ vom 29. April 2020 zu Schäubles Tiraden auch in unsere Rubrik Rechtsruck einordnen:

„Wertes Leben und Anderes“

„Schäuble bricht Corona-Debatte los: „Nicht alles vor dem Schutz von Leben zurückzutreten““ von Marina Kraut am 28. April 2020 im Merkur online externer Link ist einer der zahllosen Beiträge, die Schäubles Aussagen berichten, wieder geben – und allein schon durch den verfassten Rahmen („verdienter Politiker“ und ähnliche Hymnen) positiv darstellen. „„… Vor allem ein Thema stößt Schäuble in der Corona-Krise auf: die Einschränkung der Grundrechte. „Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Denn der Tod sei eben Bestandteil eines jeden Lebens, erklärt er…“. Den ersten, den allerersten Jubel für diese Aussagen, inklusive der in dem Blatt üblichen Kritik am zu wenig rechten Kurs von Angela Merkel, erhielt Schäuble natürlich von der „Blöd“ – die wir hier nicht zitieren und verlinken, weil wir „Blöd“ nicht zitieren und verlinken…

„Schäubles Mahnung zur Corona-Krise: Dem Schutz des Lebens alles unterzuordnen, “das ist in dieser Absolutheit nicht richtig““ vom 27. April 2020 ist eine dpa-Meldung externer Link (hier beim Business Insider), die die Ausführungen Schäubles verstanden hat: „… Schäuble warnte vor dem Hintergrund der staatlichen Hilfen in der Corona-Krise vor einer Überforderung des Staates. Es gebe im Moment ein verbreitetes Gefühl, „wir könnten jedes Problem mit unbegrenzten staatlichen Mitteln lösen, und die Wirtschaft kriegen wir hinterher wieder mit einem Konjunkturprogramm in Gang“, sagte der CDU-Politiker. „Der Staat kann aber nicht auf Dauer den Umsatz ersetzen“. In seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister war es gelungen, von 2014 an Haushalte ohne Neuverschuldung aufzustellen. „Wir werden mit den klassischen Mitteln umso weniger anfangen können, je länger die Krise dauert“, betonte Schäuble. Es werde zu strukturellen Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik kommen“.

„Schäuble beklagt ausufernden Sozialstaat“ am 24. Februar 2020 in der Welt online externer Link meldete vor ziemlich genau 2 Monaten die vorhergehende Klage Schäubles so: „… Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor einem ausufernden Sozialstaat gewarnt. „Wir geben im Bundeshaushalt einen immer größeren Teil für Soziales aus. Das ist nicht besonders weitsichtig“, sagte der frühere Bundesfinanzminister dem „Handelsblatt“ vom Montag. Zur Krise des politischen Systems trägt laut Schäuble auch der lang anhaltende Aufschwung bei. „Alles, was wir glauben im Überfluss zu haben, ist nichts wert“, sagte Schäuble und sprach von einer „Erschöpfung unserer Wohlstandsgesellschaft“. Das gelte derzeit auch für die Politik, die so tue, als gebe es unendlich viel Geld. Die derzeitige Rentenpolitik etwa hält Schäuble auf Dauer für nicht finanzierbar. Als konkretes Beispiel nannte er die von der CSU durchgesetzte Mütterrente. „Schließlich kam noch die SPD und forderte im Gegenzug für die Mütterrente die Rente mit 63. Da hat ein Fehler den anderen nach sich gezogen.“...“

„Schäuble nennt Teile Neuköllns Slum – Scharfe Kritik des Bezirks“ bereits am 09. April 2006 in der Morgenpost online externer Link steht hier als Beispiel dafür, dass der Herr Schäuble nicht erst seit diesem Jahr eine aggressive Art hat, die Klagemauer zu geben, wenn da gemeldet wird: „… Führende Unionspolitiker haben gestern mehr Engagement gegen die Bildung von Ausländergettos gefordert. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) verlangte größere Bemühungen gegen die „Bildung von Parallelgesellschaften“. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief dazu auf, die Verslummung von Problemvierteln in deutschen Großstädten zu bekämpfen. Laut Schäuble gebe es bereits Slums. Das seien zwar nicht ganze Stadtviertel, aber schon Teile von ihnen, etwa in Hamburg-Billbrook und Berlin-Neukölln...“ – und seine ganze Tiraden über Jahre hinweg gegen Griechenland ersparen wir uns hier und verweisen auf unsere Rubrik „Krise in Griechenland“…

„“Schutzpflicht gegenüber dem Leben““ am 28. April 2020 im Dom-Radio externer Link zeigt sowohl durch die Quelle, als auch durch den Inhalt, welch breite Unterstützung Schäubles „Überlegungen“ sofort genießen: „… Er stimme Schäuble darin zu, dass man nicht sagen könne, „der Schutz von Leben rechtfertigt alles und jedes in dieser Absolutheit“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck am Montag nach Beratungen des Grünen-Vorstands in Berlin. „Es rechtfertigt sehr viel. Der Staat hat eine hohe Schutzpflicht gegenüber dem Leben“, so Habeck. „Das Gesundheitssystem darf nicht kollabieren. Aber ‚alles‘ ist falsch.“ In der Demokratie stecke man insofern stets in einem Dilemma, und das müsse Politik jetzt aushalten. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford Strohm, sagte dem Hessischen Rundfunk: „Ich finde, dass sich Bundestagspräsident Schäuble hier sehr klug geäußert hat.“ Der Grundsatz vom Schutz des Lebens gelte natürlich. Er rechtfertige Einschränkungen, auch beim Gottesdienst, sagte Bedford Strohm…“

„Laschet verteidigt Schäuble in Debatte über Schutz von Leben“ am 27. April 2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link berichtet über einen nicht zufälligen Unterstützer Schäubles „der ersten Stunde“, der dann auch zur Sache kommt: „… Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich in der Debatte über den Schutz von Leben und Grundrechten in der Corona-Krise hinter Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gestellt. „Schäuble hat recht“, sagte Laschet der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“, Dienstag). Die ernsthafte Abwägung zwischen Gesundheitsrisiken sowie den Schäden des Lockdowns fordere schon das Gebot der Verhältnismäßigkeit im Grundgesetz. (…) Laschet, der auf einen Kurs schnellerer Lockerungen der Corona-Auflagen dringt, sagte der „FAZ“, Virologen und Epidemiologen seien wichtige Berater, aber sie trügen aus ihrer besonderen Perspektive zur Entscheidungsfindung bei. „Gute Politik muss möglichst viele Sichtweisen und Perspektiven interdisziplinär vereinen, die Konsequenzen der Entscheidungen in alle Richtungen eruieren.“ Besonders Kinder aus bildungsfernen Schichten und auch junge Familien generell mit ihren enormen Belastungen im Corona-Alltag dürften nicht aus dem Blick geraten. „Auch die weiteren sozialen Folgen, die ökonomischen Schäden und medizinischen Folgen, etwa durch Einsamkeit von älteren Menschen, Massenarbeitslosigkeit oder durch verschobene Operationen, müssen in den Fokus“, sagte Laschet…“. So wie der Wirtschaftsankurbler Laschet reagierten viele – die einzige aus „etablierten Krisen“ bekannte (nicht eben radikale) Kritik kam vom SPD-Vorsitzenden, woraus sich aber weder irgendwelche Konsequenzen, noch ein größeres Echo auch nur in der eigenen Partei ergaben.

„Das Wochenende schadet der Gesundheit!“ am 27. April 2020 bei Dem Volke Dienen externer Link mag zunächst als eher abstruse Meldung gelten, macht aber deutlich, welche Breitseiten da (im Sinne des Grundrechtes auf Privateigentum an Produktionsmitteln) abgefeuert werden: „… Viele die arbeiten, berichten, dass das an ihrem Arbeitsplatz nicht im geringsten beachtet wird. Jetzt hatte ein „Arbeitswissenschaftler“ eine zündende Idee. Die Leute sollen alle einfach kein Wochenende mehr haben, dann kann man die Schichten der Angestellten besser „entzerren“. „In der Corona-Krise darf Arbeit am Wochenende aus Sicht eines Arbeitswissenschaftlers kein Tabu sein – um Arbeitszeiten im Zuge des Gesundheitsschutzes zu entzerren. „Wir könnten Arbeiten auf Distanz einfacher realisieren, wenn sich die Präsenzarbeitszeiten besser auf die Tageszeiten und Wochentage verteilen ließen“, sagte der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Professor Dieter Spath, der Deutschen Presse-Agentur.“ so steht es in der Welt. Wenn es darum ginge, dass die Leute nicht so nah beieinander stehen, und trotzdem auf ihre Lohnstunden kommen, dann könnte man ja auch einfach die dreißig Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich einführen. Das wäre doch was, oder nicht? Dann sind alle von Montag bis Freitag seltener da, also nicht so viele gleichzeitig, also nicht so nah bei einander. Darauf kommt der besagte „Arbeitswissenschaftler“ nicht. Denn für ihn steht der Profit der Bourgeoisie an erster Stelle“.

„Warum das Gerede vom Ende der Globalisierung ungesund ist“ von Han Steutel am 25. April 2020 in der Wirtschaftswoche online externer Link ist zwar ein abopflichtiger Beitrag, muss aber auch wirklich nicht ganz gelesen werden, um zu verstehen, wer da wofür Druck macht –die Einleitung dazu reicht (und zwar, dem Datum zu entnehmen, vor Schäubles Überlegungen): „… Bei den meisten Medikamenten halten die Lieferketten aus China und Indien – auch und gerade in der Coronakrise. Forderungen, dass alle Länder nun alles selbst produzieren müssten, sind Unsinn. Es gibt bessere Alternativen, schreibt Han Steutel vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller in seinem Gastbeitrag…“

„Novartis verlost Medikament für todkranke Babys“ am 03. Februar 2020 in der Frankfurter Rundschau online externer Link steht hier als Beispiel dafür, dass gerade die Konzerne der Pharmaindustrie das „Spiel“ von Tod und Leben andauernd spielen, nahe liegender Weise niemals auf Kosten der Aktionäre: „… Für die verzweifelten Eltern todkranker Babys ist eine neue Gentherapie ein Hoffnungsschimmer in dunkelsten Zeiten. Aber was, wenn das Mittel noch nicht zugelassen ist, wenn es mit zwei Millionen Euro pro Dosis das teuerste Medikament der Welt ist? Der Schweizer Pharmahersteller Novartis verlost ab Montag (3. Februar) Behandlungen für 100 Säuglinge und Kleinkinder bis 2 Jahren. Bewerben konnten sich Familien aus aller Welt, deren Kind an spinaler Muskelatrophie (SMA) leidet, und bei denen keine andere Therapie hilft. Ist das eine Überlebenslotterie, wie Kritiker sagen? (…) Der Medizinethiker Norbert W. Paul widerspricht. Ethischer wäre es gewesen, klare Kriterien als Voraussetzung für die Verabreichung des Medikamentes festzulegen, sagt der Professor der Universitätsmedizin Mainz. Zum Beispiel, ob es für die Kinder alternative Therapien gebe, ob eine Klinik in der Nähe sei, die mit Gentherapie umgehen könne, ob eine Nachsorge und im Notfall auch eine Krisenversorgung möglich sei. Das Losverfahren lehnt er ab. „Novartis unterläuft mit dieser Abgabe aus Mitleid die Zulassung, um einen Fuß im Markt zu haben und so Druck zu machen, dass die Zulassung gar nicht mehr erforderlich zu sein scheint“, sagt er. Es sei wie eine verdeckte Marketingkampagne. Es entstehe der Eindruck, als handele es sich bei dem Medikament um eine Zauberkugel, und als sei die Standardtherapie mit Spinraza schlechter oder eine Billigvariante…

„Triage bleibt höchst umstritten“ von Kirsten Achtelik am 22. April 2020 in neues deutschland online externer Link steht hier vor allem als Erinnerung daran, dass Schäubles Vorstoß ja keineswegs von Originalität gekennzeichnet ist – schließlich wird über „Leben und sterben lassen“ schon die ganze Zeit geschrieben und geredet: „… Ende März hatte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ihre Empfehlungen zur Priorisierung von Patient*innen veröffentlicht. Auch der Deutsche Ethikrat ging in seinen Ad-hoc-Empfehlungen darauf ein. Beide wurden dafür scharf kritisiert. Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) schreibt in seiner Stellungnahme, dass »solche Abwägung von Leben gegen Leben zuvorderst gegen die elementarsten Grundsätze der deutschen Rechtsordnung« verstoßen. Anders als vom Ethikrat angenommen dürfe der Gesetzgeber solche Festlegungen aber nicht den Ärzt*innen selbst oder deren Fachgesellschaften überlassen, sondern müsse »im Rahmen der verfassungsrechtlich Zulässigen Kriterien für die Abwägung aufstellen«. Zwar schreiben die Fachgesellschaften, dass eine Priorisierung nicht allein aufgrund des Alters oder sozialer Kriterien vorgenommen werden dürfe, aber die Ausrichtung auf vermutete verbleibende Lebensqualität oder Erfolgschancen könnten indirekt doch dazu führen, dass ältere, vorerkrankte oder behinderte Menschen benachteiligt würden, befürchten die Betroffenen. Das FbJJ hält eine solche Auswahl für »verfassungsrechtlich nicht zulässig«, da Personen »ihr Recht auf Leben trotz hoher Erfolgsaussicht der Behandlung im konkreten Einzelfall abgesprochen werden könnte, weil anhand abstrakter Kriterien die Erfolgsaussicht einer anderen Person als höher bewertet würde«...“

„Debatte um Ende des Shutdowns – wird die nationale Einheit von rechts aufgekündigt?“ von Robert Müller am 28. April 2020 bei Klasse gegen Klasse externer Link sieht unter dieser leitenden Fragestellung auch Schäubles Attacke: „… Am 23. April wurde im Bundestag über die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel diskutiert. Sie warnte, wie auch das Robert-Koch-Institut, die Lockerungen der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie nicht zu weit zu treiben, um keine neue Ansteckungswelle zu riskieren. Dabei wurde sie besonders hart von Christian Lindner (FDP) und Alexander Gauland (AfD) angegriffen, die forderten, die Lockerungen schneller durchzuführen und nicht zu zögerlich zu reagieren. Damit wollen sie die Einheit zwischen Regierung und Opposition aufkündigen, die in den vergangenen Wochen beim Beschluss der Maßnahmen zur Coronakrise im Parlament herrschte. Schon zuvor hatte es eine Debatte über das weitere Vorgehen in der Coronakrise gegeben. Angesichts sinkender Neuinfektionen steigt der Druck, die Schutzmaßnahmen teilweise aufzuheben. Dies betrifft zum einen die Industrie, die gerne die Produktion wieder in vollem Maße aufnehmen will, zum anderen den Dienstleistungs- und Einzelhandelssektor, der am stärksten von den Einschränkungen betroffen ist. (…) Bundestagspräsident und Merkel-Kritiker Wolfgang Schäuble forderte sogar, dem Schutz des Lebens nicht alles unterzuordnen. Damit meinte er die wirtschaftlichen Interessen des deutschen Kapitals. Diese liegen darin, trotz massiver Geldgeschenke und Angriffe auf Arbeiter*innenrechte (Ausweitung der Kurzarbeit, 12-Stunden-Tag), die Produktion sobald wie möglich wieder aufnehmen, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zu begrenzen. Damit nehmen sie bewusst im Interesse der Profite eine zweite Infektionswelle in Kauf…“

„Schäuble will Menschenleben dem Profit opfern“ von Johannes Stern am 27. April 2020 bei wsws externer Link stellt dazu auf „kurzem Weg“ fest: „… Die „Back to work“-Offensive, die eine noch viel größere Katastrophe vorbereitet, wird seit längerem von einer Kampagne in Politik und Medien begleitet, die faschistische Züge trägt. Nun hat sich mit Bundestagspräsident Wolfang Schäuble (CDU) der protokollarisch zweithöchste Repräsentant des Staates an ihre Spitze gestellt. In einem Interview mit dem Tagesspiegel plädiert er offen dafür, das Leben von Menschen zu opfern, um die Wirtschaft wieder hochzufahren und die Interessen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus durchzusetzen. „Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig“, erklärt er provokativ. „Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“ Auf die Nachfrage der Zeitung, ob man „in Kauf nehmen muss, dass Menschen an Corona sterben?“, antwortet Schäuble kaum verhohlen mit „Ja“. Der Staat müsse zwar „für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten“, aber Menschen würden „weiter auch an Corona sterben“. Zynisch fügt er hinzu: „Sehen Sie: Mit allen Vorbelastungen und bei meinem Alter bin ich Hochrisikogruppe. Meine Angst ist aber begrenzt. Wir sterben alle. Und ich finde, Jüngere haben eigentlich ein viel größeres Risiko als ich. Mein natürliches Lebensende ist nämlich ein bisschen näher.“ Mit seinem abstoßenden Versuch, die Würde des Menschen gegen das Recht auf Leben auszuspielen, unterstreicht Schäuble, dass die herrschende Klasse 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder an ihre faschistischen Traditionen anknüpft. Der Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen in unantastbar“) wurde nach dem Terror und der Vernichtungspolitik der Nazis in das Grundgesetz aufgenommen – erklärtermaßen um Grundrechte zu schützen, und nicht etwa, um sie erneut auszuhebeln. Doch die Zeiten, in denen die deutschen Eliten auf Grund ihrer historischen Verbrechen in zwei Weltkriegen gezwungen waren, etwas Kreide zu fressen, sind vorbei. 30 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion und der Wiedervereinigung stellen sie ihre ganze Ignoranz, Brutalität und Unmenschlichkeit wieder offen zur Schau. Schäuble, der dienstälteste Abgeordnete des Bundestags und frühere Innen- und Finanzminister, verkörpert diese Entwicklung wie kaum ein anderer Vertreter der herrschenden Klasse. Auf die Feststellung des Tagesspiegel, dass „die meisten Virologen allerdings klar für einen weiteren strikten Lockdown plädieren“, erwidert Schäuble: „Wir dürfen nicht allein den Virologen die Entscheidungen überlassen, sondern müssen auch die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen abwägen. Zwei Jahre lang einfach alles stillzulegen, auch das hätte fürchterliche Folgen.“...“

„Die Wirtschaft wird leben, auch wenn wir sterben müssen!“ von  Tomasz Konicz am 28. April 2020 bei telepolis externer Link zieht ebenfalls eine eindeutige Schlussfolgerung und zwar aus der Einordnung von Schäubles Attacke in seine eigene Tradition und in die seiner internationalen (und provinziellen, grün-plumpen) Gesinnungsfreunde: „… Was haben sich Ende März noch alle aufgeregt, als reaktionäre Republikaner in Texas ihre Mitbürger angesichts des einsetzenden Wirtschaftseinbruchs aufforderten, ihr Leben für das Wohl der US-Wirtschaft zu opfern – und trotz Pandemie zu arbeiten. Dabei bildeten die USA auch damals nur die Avantgarde der krisenbedingten Verrohung der veröffentlichten Meinung. Wenige Wochen später ist eben dieser monströse Opferdiskurs in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik plötzlich präsent. Und es sind keine bloßen Hinterbänkler, die Menschenleben gegen ein Ende des „Lockdowns“ abwägen. Wolfgang Schäuble, der in der Eurokrise ganze Länder – etwa das geschundene Griechenland – mittels eines drakonischen Sparregimes zu immer neuen, sinnlosen Opfern nötigte, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Leben der höchste der Werte nun wirklich nicht sei. Wenn er höre, „alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten“, dann müsse er konstatieren, dass dies „in dieser Absolutheit“ nicht richtig sei. Die Grundrechte würden sich gegenseitig beschränken. Falls man von einem „absoluten Wert“ im Grundgesetz sprechen könne, dann nur von der Würde des Menschen, die unantastbar sei, meinte Schäuble. Die Aufrechterhaltung der schäublerischen Menschenwürde könnte aber leider auch den Umstand einschließen, „dass wir sterben müssen“, so Schäuble. Implizit bedeutet dies: Lebensumstände könnten dermaßen unwürdig sein, dass der Tod als ein Schutz der Menschenwürde fungiert – das kleinere Übel darstellt. Sterben für die Menschenwürde – Schäubles Interviewpartner wollte leider nicht so genau wissen, welche Vorstellung von Menschenwürde dieser pflegt, der schon mal mies bezahlte und prekäre Lohnarbeit als den Urquell des Glücks und der „persönlichen Lebenserfüllung“ der betroffenen Lohnabhängigen definiert. Rein rechtlich betrachtet hat Schäuble aber recht – das Grundgesetz kennt, mit Ausnahme der Menschenwürde, keine Rangfolge der Grundrechte, das Recht auf Leben ist nicht „höherwertig“ als etwa die Meinungsfreiheit. Die Grundrechte können somit gegeneinander abgewogen werden. Was für Werte könnten über dem Lebensrecht stehen? An erster Stelle nennt Schäuble im Interview den Wert. Man dürfe die Entscheidungen über die Pandemiebekämpfung nicht einfach irgendwelchen Virologen überlassen, sondern müsse auch „die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen abwägen“, so Schäuble, der Lockdown hätte „fürchterliche Folgen“. Damit spricht der ehemalige Finanzminister relativ offen aus, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, einen längerfristigen Lockdown zu überstehen. Anstatt also über eine grundlegende Transformation einer Gesellschaft nachzudenken, die im blinden und selbstzerstörerischen Wachstumszwang verfangen ist, legt der Bundestagspräsident den Bundesbürgern einen – buchstäblichen – Opfergang nahe. Auf rechtliche Feinheiten und bloße Andeutungen legt man offenbar keinen großen Wert mehr. Tübingens „Grüner“ Oberbürgermeister Boris Palmer erklärte am Dienstag, dass man derzeit auf Kosten der Wirtschaft Menschen retten würde, die ohnehin bald das Zeitliche segnen würden…“

„Profit vor Leben – Wolfgang Schäuble findet Zustimmung“ von Peter Schwarz am 29. April 2020 bei wsws externer Link fasst zur bisherigen Unterstützung von Schäubles Attacke zusammen: „… Das hindert führende Vertreter der Bundestagsparteien nicht daran, Schäuble zu unterstützen und die rasche Aufhebung noch bestehender Schutzmaßnahmen zu verlangen. Am deutlichsten sprach FDP-Chef Christan Lindner aus, dass Menschenleben für seine „Partei der Besserverdienenden“ lediglich ein „Kostenfaktor“ sind – besonders wenn es sich um Arbeiter und Rentner handelt. Im Fernsehsender Welt stellte sich der FDP-Chef ausdrücklich hinter Schäuble. „Natürlich, der Schutz des Lebens ist eine hohe Priorität, aber es sind immer auch Abwägungsfragen“, sagte er. Die krasse Einschränkung des öffentlichen Lebens habe „einen so hohen Kostenfaktor“, dass er glaube, man könne in der Tat einen anderen Weg gehen als in den vergangenen Wochen. „Also bitte: Geschäfte aufmachen, Bildungswesen hochfahren, Gastronomie ermöglichen, Produktion ermöglichen.“ Applaus gab es auch von Seiten der rechtsextremen AfD. Ihr Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, erklärte: „Bundestagspräsident Schäuble hat hier absolut recht. Wenn die Behandlung einer Krankheit beginnt, mehr Schaden anzurichten als die Krankheit selbst, dann muss diese Behandlung beendet werden.“ Bei so viel Zustimmung durften auch die Grünen nicht fehlen, die keine Gelegenheit versäumen, der Wirtschaft und der Finanzwelt ihre Dienste anzubieten…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=171362
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