Spitzeleinsatz vor Gericht. Schwerin: Prozess um Einsatz eines britischen Agenten gegen Globalisierungskritiker beim G8-Gipfel vor 15 Jahren
„Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers der britischen Polizei, der anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007 für die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern tätig war, wurde am Freitag vor dem Verwaltungsgericht Schwerin behandelt. Geklagt hatte der in Berlin lebende US-Amerikaner Jason Kirkpatrick, der als Pressekoordinator für das Protestbündnis gegen den Gipfel damals von dem Undercoveragenten ausspioniert wurde. Der britische Polizist Mark Kennedy hatte für den Polizeigeheimdienst National Public Order Intelligence Unit (NPOIU) zwischen 2003 und 2009 die Umweltschutz-, Klima- und Antiglobalisierungsbewegung observiert und war in dieser Zeit auch mehrfach in Deutschland im Einsatz…“ Artikel von Nick Brauns in der jungen Welt vom 29. Januar 2022 – siehe mehr daraus und Hintergründe:
- Weiter im Artikel von Nick Brauns in der jungen Welt vom 29. Januar 2022 : „(…) Kennedy, der unter der falschen Identität eines Umweltaktivisten namens Mark Stone auftrat, habe ihn 2007 in seiner Berliner Wohnung besucht, versucht, ihn auszuhorchen und auch während des Gipfels mehrfach den Kontakt mit ihm gesucht, gibt der Kläger Kirkpatrick an. Obwohl er nie in Straftaten verwickelt war, sondern als Medienaktivist tätig gewesen ist, seien Berichte über ihn verfasst und weitergegeben worden. Ein verdeckter Einsatz wäre nur erlaubt gewesen, wenn ihr Mandant im Zusammenhang mit schweren Straftaten gestanden hätte, meint Kirkpatricks Berliner Anwältin Anna Luczak. Und der Einsatz eines ausländischen Polizeispitzels sei schlicht rechtswidrig gewesen. Die Anwältin forderte am Freitag vor dem Verwaltungsgericht, Beweisakten aus Großbritannien anzufordern und Kennedy sowie seinen Führungsoffizier bei der britischen Polizei als Zeugen vorzuladen. Anschließend vertagte der Einzelrichter die weitere Verhandlung. Dem Landesinnenministerium wurde ein Monat Zeit für eine schriftliche Erwiderung eingeräumt. Sollte das Gericht die Beweisanträge ablehnen, könnte es dann ohne eine weitere Verhandlung zur Entscheidung kommen. Es sei bereits ein Erfolg, dass es überhaupt nach so langer Zeit noch zu einem Prozess gekommen sei, zeigte sich Kirkpatrick am Freitag gegenüber junge Welt zufrieden. Sollte das Schweriner Gericht nicht zu seinen Gunsten entscheiden, behält er sich eine Klage vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vor. Infolge von Kennedys Enttarnung im Jahr 2010 war ans Licht gekommen, dass die Londoner Metropolitan Police seit Ende der 1960er Jahre mehr als 1.000 linke Gruppen und Protestbewegungen infiltriert hatte. In diesem Zusammenhang laufen eine Reihe von Prozessen in Großbritannien. (…) »Da britische Gerichte mehrere Versäumnisse von Kennedy und hochrangigen Polizeibeamten festgestellt haben, sollte klar sein, dass deutsche Gerichte den Präzedenzfällen dieser Gerichte folgen und anerkennen müssen, dass Kennedy die Menschenrechte von Jason Kirkpatrick verletzt hat«, erklärte die Sprecherin der britischen »Kampagne gegen Polizeiüberwachung«, Lois Austin, Mitte der Woche.“
- Siehe unsere Rubrik zum G8-Gipfel in Heiligendamm im LabourNet-Archiv und im aktuellen Zusammenhang Kriminalisierung der G8-Proteste und Grundrechte und dort (neben vielen Links zum Einsatz von „Zivil-Beamten“):
- Ein Jahr nach G8-Durchsuchungen: Informant enttarnt
„Über ein Jahr liegt es zurück, seitdem Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt in einer bemerkenswert hastig eingefädelten Aktion versucht haben, Teile des G8-Widerstandes zur terroristischen Vereinigung zu stilisieren. Juristisch und politisch sind die Behörden mit ihrem Ansinnen bekanntlich gescheitert – ja, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wurde zu Beginn des Jahres sogar vom Bundesgerichtshof zurückgepfiffen. Stattdessen ist das Verfahren mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig, und niemand weiß so richtig, wann es endgültig eingestellt wird. Doch das ist nicht der Grund dieses Textes. Im Folgenden soll es vielmehr um einen in den Akten anonym benannten Belastungszeugen bzw. Informanten gehen, welcher mittlerweile enttarnt werden konnte.“ Artikel von „Einige Leute aus dem G8-Widerstand“ vom 1. August 2008 bei Gipfelsoli