Wanderung, Flucht und Arbeit
„Der »Sommer der Migration« ist zu Ende. Während immer noch zahllose Initiativen die »Neubürger« unterstützen, Überleben und Feste organisieren, Sprachkurse geben und vieles mehr, versucht die Politik, diesen Schwung in sein Gegenteil zu verkehren, neue Grenzen zu errichten, soziale Verschlechterungen durchzusetzen, und die Flüchtlinge zur politischen Spaltung der Klasse zu benutzen, als Katalysator für eine sehr weitgehende gesellschaftliche Neuformierung. In der Linken gibt es grob zwei Einschätzungen: die einen fassen die beeindruckende Selbstorganisation der Flucht und das Niederreißen von Grenzabsperrungen als »Autonomie der Migration«. Andere sehen Merkels Politik rein funktionalistisch: die Einwanderung komme dem Interesse des Kapitals an billiger, gut ausgebildeter und williger Arbeitskraft und an Beitragszahlern für die Rentenkassen entgegen. In der Realität kommt beides zusammen…“ Ausgesprochen lesenswerter Hintergrundartikel in der Wildcat 99, Winter 2016 (Stand: 18.12.2015). Im Text heißt es schließlich:
- „… Die mancherorts tatsächlich vorhandene Hegemonie der Rechten baut auf eine große soziale Verunsicherung, die nicht allein auf materielle Verluste zurückzuführen ist. Die verschärfte kapitalistische Konkurrenz zersetzt auch die gewohnten sozialen Netze und das persönliche Lebensumfeld. Selbstverständlich ist gegen die kulturelle Hegemonie der Rechten klare »antifaschistische Kante« notwendig. »Kulturkampf« reicht aber nicht; wir müssen aus dem sozialen Antagonismus heraus weitergehende Handlungsperspektiven entwickeln. Die Möglichkeiten dazu sind durch die massenhafte Ankunft der Flüchtlinge besser als in den letzten Jahren! Wir können auch die Fragen beackern, die durch die Flüchtlinge wieder zu öffentlichen, gemeinsamen, sozialen Fragen geworden sind. (…) Wo auch immer wir die Flüchtlinge unterstützen, werden wir mit dem Staat konfrontiert – er macht je nach Situation Integrationsangebote oder schlägt repressiv zu. Beiden Optionen können wir nur entgegentreten, wenn wir von den Bedingungen der gesamten Klasse ausgehen – und wenn klar ist, dass wir selber uns keinesfalls in den Staat integrieren wollen.„