Grenzschutz: EU-Asylbehörde EASO beschattete Flüchtende in sozialen Medien
„Die EU-Agentur EASO überwachte jahrelang soziale Netzwerke, um Flüchtende auf dem Weg nach Europa zu stoppen. Der oberste Datenschützer der EU setzte dem Projekt nun ein Ende. (…) Mitarbeiter von EASO durchforsteten soziale Medien seit Januar 2017. Ihr Hauptziel waren Hinweise auf neue Migrationsbewegungen nach Europa. Die EU-Behörde übernahm das Projekt von der UN-Organisation UNHCR, berichtete EASO damals in einem Newsletter. Die Agentur durchsuchte einschlägige Seiten, Kanäle und Gruppen mit der Hilfe von Stichwortlisten. Im Fokus standen Fluchtrouten, aber auch die Angebote von Schleusern, gefälschte Dokumente und die Stimmung unter den Geflüchteten, schrieb ein EASO-Sprecher an netzpolitik.org. (…) Die wöchentlichen Berichte von EASO landeten bei den EU-Staaten und Institutionen, außerdem bei UNHCR und der Weltpolizeiorganisation Interpol. Die EU-Staaten forderten EASO bereits 2018 auf, Hinweise auf Schleuser an Europol zu übermitteln. (…) Gräueltaten gegen Flüchtende standen hingegen nicht im Fokus von EASO. In Libyen werden tausende Flüchtende unter „KZ-ähnlichen Zuständen“ in Lagern festgehalten, befand ein interner Bericht der Auswärtigen Amtes bereits Ende 2017. Über die Lage in Libyen dringen über soziale Medien und Messengerdienste immer wieder erschreckende Details nach außen. Die EU-Agentur antwortete ausweichend auf unsere Frage, ob ihre Mitarbeiter bei ihrem Monitoring Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen gefunden hätten. (…) Der oberste EU-Datenschützer übte heftige Kritik an dem Projekt. Die Behörde kritisiert, die EU-Agentur habe sensible persönliche Daten von Flüchtenden gesammelt, etwa über deren Religion, ohne das diese informiert worden seien oder zugestimmt hätten. Die Asylbehörde habe für solche Datensammelei keinerlei Rechtsgrundlage, urteilte der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski in einem Brief an EASO im November. (…) Die Datenschutzbehörde ordnete die sofortigen Suspendierung des Projektes an. Es gebe vorerst keine Pläne, die Überwachung sozialer Medien wieder aufzunehmen, schrieb der EASO-Sprecher an netzpolitik.org…“ Beitrag von Alexander Fanta vom 9. Dezember 2019 bei Netzpolitik . Siehe dazu:
- Migrationsabwehr: Internetüberwachung durch Europol, Frontex, Bundespolizei ist rechtswidrig
„Der oberste EU-Datenschützer verbietet der Asylbehörde EASO, weiterhin Daten zu Geflüchteten in Sozialen Medien zu sammeln. Die Sammelwut besteht aber weiter und wird jetzt von Europol und ihrem sogenannten ‚Ermittlungsbüro gegen Schlepperei‘ in Wien übernommen. Das ist ein Skandal und muss von der EU-Kommission sofort gestoppt werden. Die Antwort der Bundesregierung muss auch Konsequenzen für die Bundespolizei haben, die in dem österreichischen Büro von Europol mitarbeitet“, kritisiert der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. (…) „Ich kritisiere auch die Ausweitung der Internetkontrolle über die Meldestelle für Internetinhalte. Diese sollte sich ausschließlich mit islamistischem Terrorismus befassen, jetzt werden auch Webseiten von Fluchthelfern mithilfe von Europol entfernt. Im Jahr 2018 lag die Erfolgsquote der Löschbitten zur Migrationsabwehr bei 98 Prozent und damit weitaus höher, als im Bereich des Terrorismus. Bislang unbekannt war auch, dass die Bundespolizei die Meldestelle bei Europol für migrationsbezogene Ermittlungen nutzt und dabei personenbezogene Daten wie Namen, Telefonnummern oder Lichtbilder verarbeitet. Auch dies ist aus meiner Sicht ein Missbrauch der unter engen Voraussetzungen eingerichteten Abteilung, vor dem wir immer gewarnt haben. Dass die Bundesregierung die IRU bei Europol ausbauen will ist ein weiterer Schritt zur Kontrolle des Internet, den wir nicht hinnehmen können. Die Entfernung der Internetauftritte von Fluchthelfern wird Asylsuchende nicht aufhalten. Allerdings werden Fluchten dadurch erschwert, noch mehr Tote sind die Folge.“…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 17. Januar 2020 mit Link zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Ausforschung sozialer Netzwerke durch Frontex und Europol zur Aufdeckung von ‚Migrantenschmuggel‘“ - Siehe dazu auch unser Dossier: Digitalisierte Migrationskontrolle. Von Handyauswertung, intelligenten Grenzen und Datentöpfen