Abschiebehaft: Verstoß (auch) gegen EU-Recht?

Dossier

Gegen Lagerzwang! Für ein humanes Bleiberecht!Etliche Bundesländer sperren Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung in reguläre Gefängnisse. Dort leiden die Menschen unter Telefonverboten und anderen Restriktionen. Der EU-Generalanwalt hält das für rechtswidrig. Jetzt urteilt das höchste EU-Gericht…“ Artikel in der FR online vom 16. Juli 2014 externer Link. Siehe zu dieser leider endlosen Geschichte wachsende Kritik aber auch Anwendung zugleich:

  • Caritas kritisiert: Abschiebehaft in Rheinland-Pfalz oft rechtswidrig New
    Im rheinland-pfälzischen Ingelheim werden ausreisepflichtige Personen in Abschiebehaft genommen – oft zu Unrecht, beklagt die Caritas. Doch damit nicht genug der Kritik vom Diözesanverband, der dort berät. Nach Ansicht der Caritas waren im vergangenen Jahr eine ganze Reihe der im Gefängnis in Ingelheim untergebrachten Menschen zu Unrecht in Abschiebehaft. Von insgesamt 46 Personen, die 2023 von der vom Caritasverband der Diözese Mainz angebotenen Beratung rechtlich unterstützt worden seien, seien 21 aufgrund fehlerhafter Haftbeschlüsse aus der Haft entlassen worden. Weiter teilte der Verband am Dienstag mit, von den 46 beratenen Personen seien 13 in ihr Heimatland abgeschoben worden, zwölf in ein anderes EU-Land gebracht worden. In acht dieser insgesamt 25 Fälle sei die angeordnete Haft nachträglich gerichtlich für rechtswidrig erklärt worden. Zu dem Zeitpunkt seien die Betroffenen allerdings bereits abgeschoben oder zurückgeführt gewesen, monierte der Caritasverband. In Rheinland-Pfalz fehle es nach wie vor an einer eigenständigen Rechtsgrundlage für den Vollzug von Abschiebehaft. „Die Menschen sind zum überwiegenden Teil keine Straftäter und benötigen Haftbedingungen, die ihre Rechte sicherstellen“, sagte die Caritas-Direktorin im Bistum Mainz, Nicola Adick…“ Meldung vom 19.06.2024 im Migazin externer Link
  • Abschiebezentrum in Küstrin-Kietz: Niemand will ein Alcatraz in der Oder
    Die Integrationsbeauftragte und die Bevölkerung lehnen ein Abschiebezentrum in Küstrin-Kietz ab – aus unterschiedlichen Gründen (…)
    In der Gemeindevertretung ist die AfD nicht vertreten. Sie hatte keine Kandidaten aufgestellt. Aber bei der zeitgleichen Europawahl habe die AfD in Küstrin-Kietz 50 Prozent eingeheimst, berichtet der Ortsvorsteher. Trotzdem besteht große Einigkeit über das Abschiebezentrum, das auf einer Insel in der Oder noch knapp auf deutschem Territorium eingerichtet werden soll. Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Landrat Gernot Schmidt (SPD) haben sich auf ein Containerdorf für 200 bis 250 Geflüchtete ohne Bleiberecht verständigt. Zehn Millionen Euro soll es kosten. Die Summe hätte Ortsvorsteher Henschel gern für eine vernünftige Investition und nicht für so was. Der Standort sei denkbar ungeeignet. Henschel lehnt so ein Ausreisezentrum aus humanitären Gründen ab, viele andere im Ort wollen es nicht, weil sie keine Flüchtlinge im Ort haben möchten, von denen sie beklaut oder vergewaltigt werden könnten. So wird das ganz offen gesagt. Auch die Gemeindevertretung hat sich aus verschiedenen Gründen einstimmig gegen das geplante Ausreisezentrum ausgesprochen
    …“ Artikel von Andreas Fritsche vom 14.06.2024 in ND online externer Link, siehe auch:

    • Ausreisezentrum auf Geister-Insel: Integrationsbeauftragte: Wo ist die Bushaltestelle und wo der Supermarkt?
      Das geplante Ausreisezentrum auf einer abgelegenen und verlassenen brandenburgischen Insel ist umstritten. Ausreisepflichtige sollen schneller das Land verlassen. Die Integrationsbeauftragte ist skeptisch: Das ist kein Ausreisezentrum, „es geht um Abschiebung“. Die neue Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, Diana Gonzalez Olivo, sieht das geplante Ausreisezentrum für Flüchtlinge auf der abgelegenen Oder-Insel bei Küstrin-Kietz kritisch. Es gehe in der gesellschaftlichen Debatte um immer mehr Einschränkungen für Flüchtlinge und mehr Kontrollinstrumente, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Mir wäre es wichtig, drauf zu schauen, was haben wir alles in den letzten Jahren bei der Integration geschafft und wie können wir dran bleiben. Ein Ausreisezentrum ist nicht gerade das, was wir brauchen.“…“ Beitrag vom 16.06.2024 im Migazin externer Link
  • Urteil des Bundesgerichtshofs: Zu strenge Abschiebehaft in Hof
    „… Die Bedingungen in der Abschiebungshafteinrichtung (AHE) Hof verstoßen gegen die gesetzlichen und europarechtlichen Vorgaben. Dies stellte nun der Bundesgerichtshof (BGH) fest. Die Besuchszeiten müssen ausgeweitet und die Einschluss-Zeiten eingeschränkt werden. Geklagt hatte ein Algerier, der im Januar 2022 ohne Pass und ohne Aufenthaltsrecht nach Deutschland einreiste. Da er zunächst keinen Asylantrag stellte, wurde sofort seine Zurückweisung nach Algerien angeordnet. Der Mann saß mehrere Monate in Abschiebungshaft und machte geltend, dass diese zu gefängnis-ähnlich ausgestaltet war. Die bayerischen Behörden und Gerichte wiesen die Kritik zurück. Die AHE Hof sei eine neu gebaute und nach neuesten Standards eingerichtete Abschiebungshaftanstalt, die sowohl baulich als auch organisatorisch vom Gefängnis in Hof getrennt sei. (…) Der Bundesgerichtshof hielt dies aber für ungenügend und erinnerte an die rechtlichen Vorgaben für Abschiebungshaft, die sich aus der BGH-Rechtsprechung und Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ergeben. Danach muss sich der Zwang in der Abschiebehaft auf das Maß beschränken, „das unbedingt erforderlich ist, um ein wirksames Rückkehrverfahren zu gewährleisten“. Es sei „so weit wie möglich“ zu vermeiden, „dass die Unterbringung einer Inhaftierung in einer Gefängnisumgebung gleichkommt, wie sie für eine Strafhaft kennzeichnend ist.“ Beanstandet wurde vom BGH insbesondere der 14-stündige Einschluss in den Zellen von 19 Uhr bis 9 Uhr. Dies sei in der AHE Hof strenger als in vielen anderen Abschiebehaft-Einrichtungen, wo der Einschluss nur für die Zeiten üblicher Nachtruhe von 22 Uhr bis 7 Uhr vorgesehen ist. Auch die Beschränkung von Besuchen auf vier Stunden pro Monat gehe über das unbedingt Erforderliche hinaus. Konkrete Vorgaben für eine zulässige Besuchsregelung machte der BGH nicht. Das Urteil des BGH stammt bereits vom 26. März und wurde jetzt vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst veröffentlicht. Die Entscheidung ist rechtskräftig und muss deshalb von der AHE Hof sofort umgesetzt werden.“ Artikel von Christian Rath vom 7. Juni 2024 in der taz online externer Link
  • Abschiebehaft in Deutschland: (14fache) Praxis und Kritik
    Deutschland will mehr abschieben. Es gibt 14 Abschiebegefängnisse oder haftähnliche Einrichtungen. Sie sollen laut Gesetz die Abschiebung vorbereiten und sichern. Unter welchen Bedingungen das geschieht, wird kaum diskutiert.
    Isolationshaft, Schlafentzug und Fixierung: Die Praxis bei der Abschiebehaft in Deutschland wirft nicht nur rechtliche, sondern auch moralische und ethische Fragen auf. (…) 2022 befanden sich rund 5.000 Menschen in Abschiebehaft. (…) Da Abschiebehaft weder der Bestrafung noch dem Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Kriminellen dient, soll die Haft anders behandelt werden als die Inhaftierung von Straftätern in Gefängnissen. Die europäische Rückführungsrichtlinie sieht ein sogenanntes Abstands- oder Trennungsgebot vor. (…) Rechtsexpertin Christine Graebsch beobachtet eine mangelhafte Umsetzung des Trennungsgebots: „Es gibt das Problem, dass die Abschiebungshaft schon gesetzlich so ausgestaltet ist, dass sie dem Strafvollzug bis zur Ununterscheidbarkeit ähnelt.“ Frank Gockel kritisiert, dass es in den Abschiebegefängnissen zu Isolationshaft kommt und gelegentlich sogar drastischere Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören seinen Schilderungen nach Schlafentzug und Fixierungen, bei denen Abschiebehäftlinge auf einer Art Bett festgeschnallt werden, sodass sie sich nicht mehr bewegen können. (…) Der 25-jährige Sidel Moctar berichtet vom größten Abschiebegefängnis Deutschlands in Büren, dass er die ersten 41 Tage dort in Isolationshaft verbracht habe. Eine, selten zwei Stunden pro Tag habe man aus der Isolationshaft herauskommen können. „Oft hatten wir nur eine Stunde – wegen Personalmangel und so.“ (…) Ein weiterer ehemaliger Insasse in Büren, dessen Name Dlf Kultur bekannt ist, der aber anonym bleiben möchte, berichtet von seinen Erfahrungen im sogenannten „Keller“, einem speziellen Haftraum: „Man legt dich mit dem Rücken auf den Tisch. Man bindet deine Füße, deinen Bauch und deine Hände fest, du bleibst so auf diesem Bett. Sie haben mich dort wirklich wie einen Terroristen gefesselt.“ Nach einem Suizidversuch hätten ihn fast zehn Polizisten „wie ein Tier gepackt“ und gewaltsam nach unten gebracht. Die Fixierung dauerte offenbar über zwölf Stunden, wie aus internen Dokumenten hervorgeht, die Deutschlandfunk Kultur vorliegen. (…) Es sind wiederkehrende Argumente von Gefängnisleitern und Behörden: Gefangene würden versuchen, sich durch Selbstverletzung oder Suizid der Abschiebung zu entziehen. Um das zu verhindern, müssten Maßnahmen ergriffen werden: von der Separierung von anderen Gefangenen über die fast vollständige Isolation und Überwachung im besonders gesicherten Haftraum bis zur Fixierung. (…) Das Bundeskabinett hat Anfang 2024 die Abschieberegeln verschärft. Nun können Menschen zum Beispiel nicht mehr nur zehn, sondern 28 Tage lang in Gewahrsam genommen werden. (…) Sarah Teweleit von der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter beobachtet insgesamt in Deutschland in diesem Zusammenhang eine Zunahme von entsprechenden Vorkehrungen – auch in den Abschiebehafteinrichtungen: „Immer mehr NATO-Draht, immer mehr Mauern.“ Die Nationale Stelle besucht Orte der Freiheitsentziehung, also auch Abschiebegefängnisse. Und sie zitiert in ihren Berichten dazu regelmäßig einen Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs: „Männern, Frauen und Kindern, die auf ihre Abschiebung warten, den Anschein von Straftätern zu geben, indem sie wie solche behandelt werden, verletzt für sich genommen die Menschenwürde.“ Beitrag vom 5. Februar 2024 im Deutschlandfunk Kultur externer Link („Abschiebehaft in Deutschland: Praxis und Kritik“)
  • Asylbewerber geflüchtet: Abschiebehaft kein Gefängnis, Betroffene keine Gefangenen
    Zwei Männer fliehen aus der Abschiebehaft. Umgehend werden Fragen nach den Sicherheitsstandards in der Einrichtung laut. Die zuständige Behörde will zunächst die Ermittlungen abwarten. Die Abschiebehaft sei kein Gefängnis und die Betroffenen seien keine Strafgefangenen. Nach der Flucht zweiter abgelehnter Asylbewerber aus der Abschiebehaft in Dresden hat die zuständige Landesdirektion Sachsen (LDS) Konsequenzen angekündigt. Allerdings wolle man erst das Ergebnis der Ermittlungen abwarten und keine Schnellschüsse machen, sagte LDS-Präsidentin Regina Kraushaar. Für konkrete Entscheidungen sei es zu früh. „Zunächst muss in Ruhe ausermittelt werden.“ Die Einrichtung für Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft sei kein Gefängnis und habe niedrigere Standards. Die betroffenen Personen seien keine Strafgefangenen, stellte sie klar. (…) In der Nacht zum Sonntag waren zwei Algerier im Alter von 30 und 31 Jahren aus der Einrichtung am Rande der Innenstadt geflohen. Nach Angaben der Polizei und der LDS hatten sie ein Fenster in der ersten Etage der Unterkunft geöffnet und sich dann über zwei verknüpfte Bettlaken zunächst in den Außenbereich abgeseilt. Anschließend überwanden sie ohne Hilfsmittel einen drei Meter hohen Zaun, der zudem oben mit sogenannten Nato-Draht gesichert war. Beide waren im Abstand von einer knappen halben Stunde geflohen…“ Meldung vom 18.04.2023 im Migazin externer Link, siehe auch:

    • Achtung! Nachdem zwei abgelehnte Asylbewerber heute aus der Abschiebehaft in Dresden entflohen sind, befinden sich aktuell Neonazis der Freien Sachsen laut eigener Aussage auf der Jagd nach den Beiden. Auf Fotos ist zudem mind. eine große Pfefferspraydose (vmtl. illegal) zu sehen. Natürlich dürfte es sich dabei in erster Linie um eine „Propaganda-Masche“ handeln – auch weil bisher fraglich ist, wie die Beiden erkannt werden sollen – Fotos sind bisher nicht aufgetaucht. Andererseits entsteht so ein reales Bedrohungsszenario für Personen die von den Rechtsextremen als „Algerier“ bezeichnet werden könnten. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Neonazis offenbar bewaffnet sind…“ Thread von vue.critique vom 16.4.23 externer Link
    • solidarität und kraft den beiden menschen die gestern abschiebehaft dresden geflüchtet sind – niemand ist frei bis wir alle frei sind!! #abschiebehaftAbschaffen #freedomofmovement“ engl. Tweet von No Border Assembly Berlin externer Link
  • Menschen in Abschiebehaft brauchen einen Pflichtanwalt! / Abschiebehaft in Darmstadt: Hofgang im Käfig – „nicht normal“
    • Gesetzeslücke endlich schließen: Menschen in Abschiebehaft brauchen einen Pflichtanwalt!
      Mehr als 50 Organisationen fordern den Bundestag sowie die Bundesminister*innen Nancy Faeser, Dr. Marco Buschmann und Lisa Paus auf, Menschen, die sich in Abschiebehaft befinden, Anwält*innen zur Seite zu stellen und das gesetzlich vorzuschreiben. Dass dies bislang nicht verpflichtend ist, sei „eines Rechtsstaates unwürdig“, so die Unterzeichner eines Positionspapiers. mmer wieder landen in Deutschland Menschen in Abschiebehaft und werden somit ihrer Freiheit beraubt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Mehr als fünfzig Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet kritisieren diese Praxis in einem Positionspapier externer Link scharf. Sie fordern das Bundesinnenministerium, das Bundesjustizministerium, das Bundesfamilienministerium sowie Mitglieder ausgewählter Bundestagsausschüsse auf, analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft gesetzlich einzuführen. Eine entsprechende Möglichkeit bietet das angekündigte neue Gesetzespaket zum Migrationsrecht. Die Organisationen begründen ihre Forderung damit, dass es in der Abschiebungshaft immer wieder zu schwerwiegenden Verfahrensfehlern kommt, die meist erst durch anwaltliche Unterstützung korrigiert werden können…“ Pressemitteilung vom 12.10.2022 bei Pro Asyl externer Link
    • Abschiebehaft in Darmstadt: Hofgang im Käfig – „nicht normal“
      Abgeordnete des hessischen Landtags haben die Abschiebehaft in Darmstadt besucht. Linke und SPD fordern humanitäre Verbesserungen. Die Haftbedingungen in Hessens Abschiebegefängnis in Darmstadt sollen Thema im Landtag werden. Das zumindest will die Linksfraktion erreichen, die deshalb einen Berichtsantrag an die Landesregierung stellen will, wie die sozial- und gesundheitspolitische Sprecherin Christiane Böhm der FR sagte. (…) Das Gremium aus Abgesandten von evangelischer und katholischer Kirche, Stadt Darmstadt und südhessischem Anwaltsverein hatte kürzlich dem Innenministerium einen Tätigkeitsbericht vorgelegt, der jedoch nicht öffentlich ist. Selbst Ausschussmitglieder durften das Papier nur einsehen, was bei manchen Unverständnis auslöste – laut Alexander Bauer, Fraktionsvize und innenpolitischer Sprecher der CDU aber gängige Praxis ist. Die Beiratsmitglieder seien gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. In dem Papier beklagt der Beirat etwa, dass Besuchszeiten in der Hausordnung strenger geregelt seien, als gesetzlich vorgeschrieben und dass es zu selten Einkaufsmöglichkeiten gebe. (…) Reglementierter Einkauf für Menschen, die zuvor ihr eigenes Geld verdient haben, Besuche nur einmal pro Woche für eine Stunde, Hofgang im Käfig und abgeschlossene Küchenschränke seien „nicht normal“. Auch das Recht auf einen anwaltlichen Beistand zur Überprüfung der oft rechtswidrigen Haftverfügung sei nur durch Engagement von Gruppen wie Community for all möglich. Unklar sei auch welchen Anteil der Unterbringungskosten von 455 Euro pro Nacht Insassen zahlen müssten…“ Artikel von Claudia Kabel vom 13.10.2022 in der FR online externer Link
  • »Es ist skandalös, welche Fehler in Abschiebungshaft passieren« 
    „Am 29. Juli jährt sich das »Gesetz zur besseren Durchsetzung zur Ausreisepflicht« zum fünften Mal. Essentieller Bestandteil war eine Verschärfung der Abschiebehaft. Und auch die neue Bundesregierung will diese erneut verschärfen“ Im Interview von Pro Asyl am 29. Juli 2022 externer Link erklärt Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, „der Menschen in Abschiebehaft vertritt, wieso das problematisch ist: (…) Die Hälfte meiner Mandant*innen sitzt – jedenfalls teilweise – zu Unrecht in Abschiebungshaft. Das ist nicht etwa meine »gefühlte Statistik«, sondern es handelt sich um rechtskräftig entschiedene Verfahren, bei denen die Entscheidung erging: Dieser Mensch war zu Unrecht in Haft. Ich erstelle diese Statistiken nicht etwa aus Langeweile, sondern weil es von offizieller Seite aus angeblich keine Zahlen gibt. In einem Statistik-Weltmeisterland wie Deutschland, in dem jeder Baum gezählt wird, ist es schon verwunderlich, dass nicht erhoben wird, wie viele Menschen zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt werden. Dass das hierzulande möglich ist, hätte ich mir zu Studienzeiten nicht vorstellen können. (…) Im Durchschnitt befindet sich jede*r Abschiebehäftling knapp einen Monat zu Unrecht in Abschiebungshaft. An dieser skandalösen Situation hat sich seit Jahren nichts verändert, egal, ob es viele oder wenige Gefangene gibt. Zusammengezählt komme ich momentan auf weit über 30.000 rechtswidrige Hafttage. Das sind rund 84 Jahre – länger, als der Beginn des Zweiten Weltkriegs zurückliegt. (…) Man muss es ganz klar sagen: Abschiebungshaft ist Freiheitsentziehung, ist Knast – mit dem Ziel, Menschen von A nach B zu bringen. A sind wir, B ist Pakistan oder auch Italien, so im Falle von Dublin-Abschiebungen. Man kann und muss sich fragen, was wir hier eigentlich tun. (…)Junge, Alte, Männer, Frauen, Kranke, Schwache, Schwangere, Kinder, Familien… Ich habe sechsmonatige Kinder in Abschiebehaft erlebt, Dreijährige, bis hin zu Sechzehnjährigen. Der Irrsinn kennt da leider keine Grenzen. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht, dass man Kinder und Jugendliche nur in Ausnahmefällen einzusperren gedenkt. Mal davon abgesehen, dass das bereits bisher geltendes Recht war: Wer kommt denn auf die Idee, Kinder einzusperren? Eine nicht weniger dramatische Alternative ist, dass Familien, die ausreisepflichtig sind, voneinander getrennt werden. Da kommt dann beispielsweise die Mutter in Abschiebungshaft, während die Kinder in die Obhut des Jugendamtes gegeben werden bis zu dem Tag, an dem alle in den Flieger gesteckt werden. Das wird besonders in Bayern praktiziert. Man möge sich vorstellen, das wären »unsere« Kinder – was es da für einen Aufschrei gäbe. Aber es sind eben nicht »unsere« Kinder. Und das ist ein Teil des Problems, weil es viele einfach nicht interessiert. Diese Menschen haben keine Lobby. (…) Und dafür ist der Rechtsstaat da: für einen fairen Umgang mit den Schwächsten, mit den Menschen, die keine Lobby haben. Wenn der Rechtsstaat aber dort in einem derartigen Maße versagt, dann ist das hochgradig bedenklich.“
  • Quo vadis, Abschiebungshaft? Freiheitsentziehung im Schatten der Willkommenskultur 
    Die Diskussion um Abschiebungshaft und die Abschiebungshafteinrichtung sind, nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse in Afghanistan und in der Ukraine, in den Hintergrund gerückt. Dabei ist die Thematik weiterhin aktuell und brisant. Die Frage der grundsätzlichen Menschen- und Grundrechtskonformität und die Problematik der Vielzahl rechtswidriger Haftanordnungen nach den zahlreichen Verschärfungen des Abschiebehaftrechts in den letzten Jahren ist mehr denn je aktuell, und vor dem Hintergrund des erheblichen Eingriffs in fundamentale Grundrechte unverändert brisant. Menschen, die kein Verbrechen begangen und i.d.R. nichts und niemanden gefährdet haben, finden sich unversehens und ohne Begleitung durch einen „Pflichtverteidiger“ aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen hinter viele Meter hohen Mauern und Stacheldrahtzäunen wieder. In der anwaltlichen Berufspraxis führt die Vertretung von Menschen in Abschiebehaft aber ein Schattendasein. Dabei kann die Haftdauer unter Umständen bis zu 18 Monate betragen. (…) Trotzt des erheblichen Eingriffs in fundamentale Grundrechte sind die Möglichkeiten Betroffener, sich angemessen gegen eine Haftanordnung zur Wehr zu setzten, massiv eingeschränkt: Während jedem Straftäter, dem eine Haftstrafe droht, von Anfang an ein:e Pflichtverteidiger:in zur Seite gestellt wird, steht den – zudem meist nur begrenzt mit der deutschen Sprache und den rechtlichen Gepflogenheiten in Deutschland vertrauten – Betroffenen in Abschiebungshaftsachen kein entsprechender Anspruch zu. Betroffene sind zunächst auf sich gestellt. Wo Straftäter:innen regelmäßig Wochen und Monate für eine Prozessvorbereitung zur Verfügung stehen, erfährt der/die Betroffene die Gründe seiner bereits erfolgten Inhaftnahme nur im Rahmen einer kurzen Anhörung.
    Die strengen Anforderungen an Eingriffe in das „besonders hohe Rechtsgut der Freiheit“ mussten auch höchste Gerichte wie der BGH, der Europäische Gerichtshof (EuGH), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt anmahnen. Immerhin ist die Freiheitsentziehung die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, Experte in Abschiebungshaftsachen, kämpft seit Jahrzehnten gegen Abschiebungshaft und Abschiebungshaftanordnungen und um die Rechte der Betroffenen. In einer über Jahrzehnte von ihm geführten Statistik stellt Rechtsanwalt Fahlbusch fest, dass sich regelmäßig im Jahresdurchschnitt die Hälfte der Haftanordnungen als rechtswidrig erweisen. Vielfach leiden die Beschlüsse immer wieder unter den gleichen Fehlern. (…) In einer jüngsten Entscheidung weist der EuGH darauf hin, dass Abschiebungshaftanstalten auch in der Gestaltung nicht den Eindruck einer Strafhaftanstalt erwecken dürfen. Und überhaupt: „Zwangsmaßnahmen“ seien im Lichte der Grundrechtecharta, der europäischen Menschenrechtskonvention und der Richtlinie 2008/115 auf das zu beschränken, was „für eine wirksame Vorbereitung der Abschiebung unbedingt erforderlich ist“. Folglich müssten „die in einer solchen Einrichtung geltenden Haftbedingungen so gestaltet sein, dass mit ihnen soweit wie möglich verhindert wird, dass die Unterbringung des Drittstaatsangehörigen einer Inhaftierung in einer Gefängnisumgebung gleichkommt, wie sie für die Strafhaft kennzeichnend ist“…“ Beitrag von Axel Meixner am 03.05.2022 beim Migazin externer Link
  • Wichtiges EuGH-Urteil: Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, dürfen nicht gemeinsam mit Straftätern inhaftiert werden 
    „PRO ASYL, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und Rechtsanwalt Peter Fahlbusch begrüßen, dass der Europäische Gerichtshof in seinem heutigen Urteil erstmalig Leitplanken vorgegeben hat für die Unterbringung von Menschen, die abgeschoben werden sollen. Die Bundesregierung muss Konsequenzen ziehen. Die Bundesländer sind gefordert, ihre Haftanstalten zu überprüfen und zum Teil umzubauen. Die Luxemburger Richter sind heute zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Inhaftierung von Menschen zum Zwecke der Abschiebung Mindeststandards zu beachten sind. So dürfen Abschiebehäftlinge nicht in Gefängnis-ähnlichen Einrichtungen untergebracht werden. Sollten sie aufgrund mangelnder Kapazitäten in eine Haftanstalt eingesperrt werden, auf deren Gelände sich auch Strafgefangene befinden, so muss vorab vom Haftrichter überprüft werden, ob tatsächlich eine unvorhersehbare Notlage vorliegt, die das nötig macht. Anders als von der Bundesregierung vor drei Jahren mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ beschlossen, ist dies vorab zu prüfen. Der EuGH macht nun klar: Deutschland darf nicht pauschal eine Notlage verkünden und Abschiebehäftlinge deshalb mit Straftätern zusammen einsperren. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung gibt es hier also keinen justizfreien Raum! Rechtsanwalt Peter Fahlbusch von der Kanzlei LSFW in Hannover, der das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof führt, PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass § 62a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz nun infolge des Urteils entsprechend geändert wird. Die im Sommer 2019 eingeführte Regelung, die es erlaubt, Abschiebungsgefangene bis 30. Juni 2022 zusammen mit Strafgefangenen in ein- und derselben Einrichtung unterzubringen, muss nach der heutigen Entscheidung unverzüglich ausgesetzt werden…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 10. März 2022 externer Link
  • EuGH-Generalanwalt: Zusammenlegung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen in Deutschland europarechtswidrig 
    „Die Bundesregierung verstößt gegen Europarecht, indem sie Strafgefangene und Menschen, die abgeschoben werden sollen, in derselben Unterkunft inhaftiert. Das stellte der Generalanwalt Jean Richard de la Tour vom Europäischen Gerichtshof in seinen Schlussanträgen fest. PRO ASYL, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und Rechtsanwalt Peter Fahlbusch begrüßen die Klarstellung und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Nach Auffassung von Jean Richard de la Tour, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, ist das deutsche Gesetz zur Abschiebungshaft teilweise rechtswidrig. Das niedersächsische Abschiebungshaftgefängnis genüge ebenfalls nicht den europarechtlichen Anforderungen. Dies stellte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen am vergangenen Donnerstag fest. Das Urteil steht noch aus, häufig folgen die Richter*innen am EuGH der Linie des Generalanwalts. (…) Bereits im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik, dass Abschiebungshaftgefangene nicht in Strafanstalten und nicht zusammen mit Strafgefangenen inhaftiert werden dürfen, sondern grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen untergebracht werden müssen. Dennoch setzte die schwarz-rote Bundesregierung dieses europarechtliche Trennungsgebot im August 2019 mit dem sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bis zum 30. Juni 2022 aus und erlaubte die Inhaftierung von Abschiebungshaftgefangenen in Strafanstalten. Das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium begründete diesen Schritt mit einem unvorhersehbaren Defizit an circa 600 Abschiebungshaftplätzen aufgrund der „Migrationskrise“ im Jahr 2015. Die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben bereits Abschiebungshaftgefangene in Strafanstalten inhaftiert. Die niedersächsische Landesregierung belegt ein Gebäude auf dem Gelände des zentralen Abschiebungshaftgefängnisses in Langenhagen mit Strafgefangenen. Wie Jean Richard de la Tour nun in seinen Schlussanträgen feststellt, dürfen nach europäischem Recht Abschiebungshaftgefangene nur dann in Strafanstalten inhaftiert werden, wenn „eine außergewöhnlich Zahl von Drittstaatangehörigen, deren Rückkehr sicherzustellen ist, zu einer unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen führen“ (Art. 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG). Eine derartige „Notlage“ sei in Deutschland jedoch nicht gegeben, so der EuGH-Generalanwalt…“ Pressemitteilung vom 30. November 2021 von und bei Pro Asyl externer Link
  • Nach EuGH und BGH-Urteil: Ende der Abschiebungshaft oder neues Inhaftierungsprogramm? 
    Binnen weniger Tage ist die deutsche Abschiebungshaftpraxis nahezu vollständig für rechtswidrig erklärt worden. Bedeutet dies das Ende der Inhaftierung von Flüchtlingen? Ein Gesetzentwurf aus dem Innenministerium sieht das Gegenteil vor.
    Gerade erst hatte Bayern eine neue Abschiebungshaftanstalt in Mühldorf eröffnet. Jetzt sind dort plötzlich nur noch fünf der über achtzig Plätze belegt. Doch nicht etwa, weil Bund und Länder eingesehen hätten, dass auch bei Ausländern dem Freiheitsgrundrecht der Raum einräumen ist, der einem Grundrecht gebührt, sondern weil zwei höchstrichterliche Ohrfeigen sie dazu zwingen
    …“ Pro Asyl-Mitteilung vom 25.07.2014 externer Link. Siehe dazu:

    • Nach BGH und EuGH-Urteil: Abschiebungshaft beenden statt ausweiten
      Abschiebungshaft: Bundesgerichtshof verbietet „Dublin-Haft“. PRO ASYL fordert Ende der Abschiebungshaft. Geplantes Inhaftierungsprogramm des Innenministeriums muss gestoppt werden. Presseerklärung von Pro Asyl vom 24.07.2014 externer Link 
  • Abschiebehaft in Deutschland: Tür an Tür mit Kriminellen
    Der Europäische Gerichtshof beanstandet die deutsche Praxis, Flüchtlinge in Gefängnisse zu sperren. Doch nicht alle Bundesländer reagieren darauf.
    Wenige Stunden war der Urteilsspruch alt, da öffneten sich in der JVA Volkstedt in Sachsen-Anhalt die Türen für sieben Männer. Auch die 30 Kilometer entfernte JVA Halle entließ zur selben Zeit eine Frau aus ihrer Zelle. Teils Monate hatten die Flüchtlinge aus Mali, dem Libanon und Vietnam auf ihre Abschiebung gewartet. Nun kamen sie, unverhofft, vorerst frei. Sachsen-Anhalt reagierte als erstes Bundesland auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)…“ Artikel von Konrad Litschko in der taz online vom 22.07.2014 externer Link
  • Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Knast für Abschiebehäftlinge tabu
    Illegale Migranten müssen vor ihrer Abschiebung in speziellen Einrichtungen statt Gefängnissen untergebracht werden. Bundesländer, die das nicht leisten können, müssen die Betroffenen deshalb in anderen Ländern mit entsprechenden Möglichkeiten unterbringen. Dies entschied der Europäische Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg in seinem heute verkündeten Urteil…“ Meldung vom 17.07.2014 bei tagesschau.de zum Urteil Az. C-473/13, C-474/13, 514/13 externer Link
  • Nach EuGH-Urteilen: Abschiebungsgefangene umgehend freilassen!
    Seit Jahren vollziehen die meisten Bundesländer Abschiebungshaft auf rechtswidrige Art und Weise: Asylsuchende, die nichts verbrochen haben, werden in regulären Gefängnissen inhaftiert, wo sie spürbare Nachteile einer Strafhaft erleiden. Nach zwei heutigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs steht diese Praxis vor dem Aus…“ Pro Asyl-Pressemitteilung vom 17.7.2014 externer Link
    Aus dem Text: „… Die Klagen vor dem BGH wurden notwendig, da die Bundesländer entgegen der EU-Richtlinie und zahlreicher BGH-Entscheidungen weiterhin rechtswidrig Abschiebungshaft in regulären Gefängnissen vollzogen. Die heutigen Entscheidungen des EuGH lassen nun keinen Zweifel mehr daran zu, dass dies rechtswidrig ist. Abschiebungshäftlinge in Strafhaft müssen nun unverzüglich freigelassen werden! Laut der Antifolterstelle waren 2013 bundesweit etwa 5.000 Menschen in Abschiebungshaft. Insgesamt wird Abschiebungshaft zu lange, zu oft und zu schnell verhängt. Der Hannoveraner Rechtsanwalt Peter Fahlbusch hat seit 2002 über 900 Inhaftierte vertreten. In jedem zweiten Fall erwies die Haft sich als rechtswidrig; durchschnittlich saß jeder dieser Menschen 28 Tage zu Unrecht in Haft. PRO ASYL fordert, dass die Abschiebungshaft generell abgeschafft wird.“
  • „Migrationshaft“ heißt jetzt „Asylhaft“: Warum Abschiebungen nach Ungarn immer noch die Menschenrechte der Betroffenen gefährden
    Verstoßen Abschiebungen von Flüchtlingen nach Ungarn gegen die Menschenrechte? Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof urteilte neulich in einem Fall eines afghanischen Flüchtlings, dass sei nicht der Fall. Dabei ist die Menschenrechtssituation von Flüchtlingen in Ungarn nach wie vor desaströs. Das zeigt ein neuer Bericht des Ungarischen Helsinki Komitees…“ Meldung von Pro Asyl vom 11.7.2014 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=62073
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