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Übergriffsskandal auf einen syrischen Flüchtling in Kassel: Sanitäter als Täter, Polizei schaut weg – und die Politik empört sich nach Monaten

Dossier

Pro Asyl: Rassismus führt zum Verlust Ihres MitgefühlsIn Kassel ist ein Video aus einer Flüchtlingsunterkunft externer Link aufgetaucht: Einem auf einer Trage fixierten Bewohner wird von einem Sanitäter ins Gesicht geschlagen. Die Szenen sorgen für Empörung – Ministerpräsident Bouffier fordert Klarheit. Ein Video, das zeigt, wie ein Sanitäter einen auf einer Trage fixierten Mann mit voller Wucht ins Gesicht schlägt, hat Empörung und Kritik hervorgerufen. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dem hr, die Bilder seien „schrecklich“: „Die Umstände und der Tathergang müssen jetzt so schnell wie möglich aufgeklärt werden.“ Das Video ist vom 8. November, aufgenommen in einer Kasseler Flüchtlingsunterkunft. Die Bild-Zeitung veröffentlichte die Szenen am Donnerstag. Zwei Polizisten standen neben der Trage, auf der der 32-jährige Syrer fixiert war, als der Sanitäter zuschlug – griffen aber aber nicht ein. In der offiziellen Polizeimeldung zum betreffenden Einsatz externer Link wird der Angriff durch den Sanitäter nicht erwähnt, die Polizisten sollen laut Staatsanwaltschaft den Vorfall jedoch in einem internen Bericht gemeldet haben. (…) Wie die Staatsanwaltschaft Kassel auf hr-Nachfrage mitteilte, wird gegen den Flüchtling wegen tätlichen Angriffs auf Rettungskräfte, Widerstands gegen Polizeibeamte, Beeinträchtigung von Nothilfemitteln und Sachbeschädigung ermittelt. Gegen den Sanitäter wurden Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet. Der 44-Jährige war beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) beschäftigt. Ihm wurde direkt nach dem Vorfall fristlos gekündigt (…) Auch die Polizeibeamten stehen im Visier der Ermittlungsbehörde, die nach eigener Auskunft prüft, ob sich die Polizisten strafbar machten, indem sie nicht auf den Übergriff reagierten…“ hessenschau-Bericht vom 12.03.21 externer Link: Bouffier fordert Aufklärung: Sanitäter prügelt auf gefesselten Flüchtling ein. Siehe weitere Artikel:

  • Flüchtling in Unterkunft von Sanitäter verprügelt: „Polizei sagte, ich soll Video löschen“ New
    „… Polizisten stehen daneben und schauen zu. Als das Opfer anschließend Anzeige erstatten wollte, sagte ihm die Polizei, er solle das Video löschen. (…) Am nächsten Morgen ist Amars Gesicht blau und geschwollen. Der Sanitäter hatte ihm das Jochbein gebrochen. „Ich bin erst am nächsten Morgen in der Zelle wieder zu mir gekommen“, sagt er gegenüber der „Bild“. Die Polizei brachte ihn zurück in die Unterkunft. Dort erzählt ihm der Hausmeister, dass der Vorfall der vergangenen Nacht von einer Überwachungskamera gefilmt wurde. Amar war erschrocken von den brutalen Bildern und ging zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Die Beamten versprachen, das Material zu sichern: „Sie sagten mir, ich solle es löschen. Und bloß nicht veröffentlichen.“ Amar, der 2016 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist, habe noch nie Probleme mit der Polizei gehabt. Ihm tue sein alkoholisiertes Randalieren leid: „Ich möchte mich dafür bei allen entschuldigen. Ich hätte nicht trinken sollen.“ Der Sanitäter, der brutal auf ihn einschlug, hat mittlerweile seinen Job verloren. „Auch das tut mir leid“, sagt Amar. „Er hat ja vielleicht Familie.“ Der Sanitäter war beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) beschäftigt. Ihm wurde direkt nach dem Vorfall fristlos gekündigt (…) Gegen Amar läuft nun ein Ermittlungsverfahren mit einigen Vorwürfen, unter anderem des tätlichen Angriffs auf Rettungskräfte. „Das könnte bei einer Verurteilung auch Konsequenzen für das Aufenthaltsrecht meines Mandanten haben“, sagte sein Anwalt Adnan Aykac. Amar vertraue aber, dass die deutsche Justiz die richtigen Entscheidungen treffen werde…“ Beitrag vom 15. März 2021 bei Focus online externer Link
  • Und die Polizei schaut zu 
    Am 12.03.2021 berichteten die Medien aufgrund der Online-Berichterstattung der Bild-Zeitung bundesweit über ein Video, das durch eine Überwachungskamera in einer Kasseler Flüchtlingsunterkunft aufgezeichnet worden war. Das Video sei der Bild-Zeitung zugespielt worden.
    Es zeigt einen Rettungssanitäter des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Kassel, der im Beisein von zwei Polizisten einem auf einer Trage fixierten 32-jährigen Mann derart in das Gesicht schlug, dass der Mann einen Jochbeinbruch erlitten haben soll, ohne dass die anwesenden Polizisten einschritten und auch später keine Strafanzeige erstatteten.
    Die Straftat ereignete sich in der Nacht von Sonntag, den 08.11.2020 als gegen ein Uhr Polizei und Rettungsdienst zur Flüchtlingsunterkunft in der Kasseler Unterneustadt gerufen wurden, weil ein betrunkener Mann randalieren sollte. In dem Flüchtlingswohnheim war in einem Vorraum ein Feuerlöscher entleert worden. Beim Eintreffen der Einsatzkräfte habe der betrunkene Mann zunächst reglos auf dem Boden gelegen und im weiteren Verlauf einen Sanitäter mit einer Alu-Leiter angegriffen, weshalb die Polizisten Pfefferspray einsetzten und den Mann überwältigten. Gegen die medizinische Behandlung habe sich der Mann mit Tritten und durch Spucken gewehrt.  Letztendlich sei es gelungen, den Mann zur Ausnüchterung in das Polizeigewahrsam einzuliefern. Es sei Strafanzeige wegen tätlichen Angriffs auf Rettungskräfte, Widerstands gegen Polizeibeamte, Beeinträchtigung von Nothilfemitteln und Sachbeschädigung erstattet worden.
    So die Pressemitteilung der Kasseler Polizei vom 09.11.2020, in der nichts über die Fixierung des Mannes auf einer Trage geschweige denn von dem Faustschlag des Rettungssanitäters erwähnt wurde.
    Nachdem das Video öffentlich geworden war, gab der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und aus Nordhessen stammende Stefan Rüppel im hessischen Fernsehen eine Stellungnahme ab. Nach seiner Auffassung hätten die eingesetzten Beamten keine Chance gehabt, den Schlag zu verhindern. Stefan Rüppel sagte sogar, dass er im Nachgang wisse, dass dem Dienstvorgesetzten sofort Meldung erstattet worden und der Sachverhalt auch in den Berichten erfasst worden sei. Es würden aus Sicht der GdP keinerlei Dinge vertuscht, weil das Strafverfahren laufe und der Rettungssanitäter entlassen worden sei.
    Doch der Sanitäter wurde erst nach Veröffentlichung des Videos entlassen und auch die Strafverfahren gegen den Sanitäter und die Polizisten erst danach eingeleitet. Es ist das alte Lied der Polizeigewerkschaften. Im Falle von Vorwürfen wird statt aufzuklären der Deckmantel der Beschwichtigung über den Sachverhalt gezogen. Das damit Vertrauen in die Polizei verloren geht, spielt keine Rolle. Der Schutz der Polizeifamilie ist ein Gebot und verhindert mehr Zivilcourage als dass sie gefördert würde. Der Kasseler Polizeipräsident Konrad Stelzenbach fordert dagegen in Politikermanier eine lückenlose und konsequente Aufklärung, die er ein Stück weit selbst vorantreiben kann.“ Artikel von Thomas Brunst und Jürgen Korell vom 14.3.2021 – wir danken! Textquellen:

  • Polizisten äußern sich anonym zum Video. Sanitäter schlägt fixierten Mann: Anwalt erhebt schwere Vorwürfe – Sollte Verfahren eingestellt werden?
    „… Adnan Aykac, der Hamburger Anwalt des Flüchtlings, sagte, man habe mit Reaktionen auf das Video gerechnet. Vom Ausmaß sei er jetzt aber doch überrascht. Die Intention hinter der Veröffentlichung sei gewesen, dass man die mögliche Einstellung des Verfahrens verhindern wollte. „Beim Lesen der Akten hat sich mir der Eindruck vermittelt, dass es genau darauf hinauslaufen könnte“, sagte Aykac. „Das zeigt, dass die Justiz auf dem rechten Auge blind ist“, so Aykac. (…) Auch mehrere Beamte haben sich anonym zu dem veröffentlichen Video geäußert. Wegen der heiklen Situationen wollen sie ihre Namen nicht nennen. Laut ihrer Ansicht kommen Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute bei Einsätzen mit aggressiven Personen immer wieder an ihre Grenzen – vor allem, wenn sich Randalierer nicht beruhigen lassen. „Wenn du dahin fährst, ist das eine komplette Ausnahmesituation – auch wenn du ausgebildet bist“, sagt einer von ihnen. Allerdings sind sich alle einig: Der Schlag des Sanitäters gegen den fixierten Mann war falsch. „Sowas habe ich auch noch nie erlebt“, sagt ein Polizist. Was er nachvollziehen kann, ist, unter welchem Druck die im Video zu sehenden Beteiligten gestanden haben müssen. (…) Inzwischen habe die Polizei in Kassel drei Strafverfahren eingeleitet und an die Staatsanwaltschaft übergeben. Ein Strafverfahren richtet sich gegen den 32-jährigen Geflüchteten, unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Aber auch gegen den Sanitäter wird ein Strafverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet. Drei Polizeibeamte müssen unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt ebenfalls mit Konsequenzen rechnen. Gleichzeitig wurden gegen die Beamten disziplinarrechtliche Überprüfungen eingeleitet, heißt es seitens des Polizeipräsidents…“ Artikel von Jan-Frederik Wendt, Alina Schröder und Ulrike Pflüger-Scherb vom 13.03.2021 in der FR online externer Link
  • Wir erinnern an den Polizeiübergriff auf einen Flüchtling in Kassel im Mai ’20 – die (internen) Ermittlungen wurden sehr schnell eingestellt: https://www.hna.de/kassel/kassel-brutaler-angriff-gegen-fluechtling-ermittlungen-gegen-polizist-zr-13753594.html externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187789
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