„Mittelalterliche Verhältnisse“ – Eine erkrankte Afghanin, die ärztlich behandelt werden musste, wurde zu Unrecht in Abschiebehaft behalten und in der Klinik ans Bett gefesselt.
„Die Abschiebehaft war rechtswidrig. Eine Woche lang wurde die erkrankte 24-jährige Afghanin Farida Tarzi* auf Weisung der Cuxhavener Ausländerbehörde während ihres Aufenthalts im Klinikum Großburgwedel rund um die Uhr von zwei Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Hannover-Langenhagen bewacht. Darüber hinaus, so berichtet ihr Anwalt Peter Fahlbusch, wurde die 24-Jährige „drei Tage auch mit einem Fuß – und zwar Tag und Nacht – an das Gestell des Krankenhausbettes gefesselt“. Fahlbusch spricht von einem „Vollzug, der an mittelalterliche Verhältnisse erinnert“. Und der fand statt, obwohl es der Ausländerbehörde klar sein musste, dass überhaupt kein Haftgrund mehr vorlag. Zu diesem vernichtenden Urteil kommt jetzt das Landgericht Stade. (…) Da eine Abschiebehaft „ausschließlich zur Sicherung der Durchführung der Abschiebung“ dienen darf, diese aufgrund der Erkrankung aber nicht mehr realistisch war, habe die „Fortsetzung der Haft einen unzulässigen Sanktionscharakter“ angenommen und daher Tarzi „in ihren Rechten verletzt“. Auch das Landgericht erwähnt in seinem Beschluss, dass die Klägerin vom 25. bis zum 28. Mai 2018 „mit einem Fuß an das Bettgestell gefesselt“ war, um ihre Flucht zu verhindern. Das Gericht misst diesem Umstand aber keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Vollzug der Abschiebehaft in dem Zeitraum der Fesselung insgesamt und nicht nur aufgrund dieser zusätzlichen Freiheitsberaubung rechtswidrig gewesen sei. „Den eigentlichen Skandal in diesem Verfahren streift das Landgericht in seiner Entscheidung nur“, meint Fahlbusch. „Ich war bislang davon ausgegangen, dass eine solche Fesselungspraxis in Deutschland im 21. Jahrhundert nicht möglich sei“, so der Rechtsanwalt, „aber möglicherweise werden demnächst auch wieder Eisenkugeln zum Einsatz gebracht.“…“ Beitrag von Marco Carini vom 21. Februar 2019 bei der taz online