Digitalisierte Migrationskontrolle. Von Handyauswertung, intelligenten Grenzen und Datentöpfen

Dossier

[FragDenStaat] Frontex übergeht EU-Parlament und treibt Geld von uns einDie sogenannten digitalen Assistenzsysteme des BAMF, „intelligente Grenzen“ in der EU und immer größer werdende Datenbanken: Wer ins Land kommt und bleiben darf, wird immer mehr von IT-Systemen bestimmt. Davon profitiert die Überwachungsindustrie, während Menschen von automatisierten Entscheidungen abhängig werden. Deutschland hat in den letzten Jahren massiv in Technik investiert, um Asylverfahren zu digitalisieren. Biometrische Bilder mit Datenbanken abgleichen, Handys ausgelesen und analysieren, Sprache durch automatische Erkennungssysteme schleifen. Ganz abgesehen von der Blockchain, die alles noch besser machen soll. Doch nicht nur in Deutschland werden zum Zweck der Migrationskontrollen immer mehr Daten genutzt. (…) Datenbanken werden EU-weit ausgebaut und zusammengelegt. Rechtschutzmechanismen versagen größtenteils...“ Audio und Video des Vortrags von Anna Biselli and Lea Beckmann am 27.12.2019 beim 36c3 externer Link. Siehe dazu:

  • „Was an den Grenzen passiert, bleibt nicht dort“: Weltweit überwachen Staaten ihre Grenzen mit neuen Technologien New
    Die Juristin Petra Molnar warnt im Interview von Christian Jakob am 15. November 2024 in der taz online externer Link vor den Folgen: „Wir leben in einer Welt, die sehr diskriminierend und ausgrenzend ist, wenn es darum geht, wer mobil sein darf und wer nicht. Technologie verschärft diese Unterschiede. Es gibt eine schockierende Bereitschaft von Staaten, den Grenzschutz mit Technologie zu externalisieren und zu militarisieren, ohne dass man darüber spricht, was das vor Ort bewirkt und welche Auswirkungen es auf die Menschenrechte hat. (…) Eines dieser Projekte ist iBorderCtrl. Die KI in Form eines Avatars soll Gesichter und Emotionen erkennen und damit feststellen, ob jemand bei der Einreise lügt. Es wurden Fragen gestellt, um herauszufinden, ob jemand vorhat, Asyl zu beantragen, oder ob es Sicherheitsrisiken gibt. Auf Grundlage der Interaktion wird eine Risikobewertung formuliert – etwa, weil die Person keinen Augenkontakt hergestellt hat, wie es bei Ehrlichkeit zu erwarten wäre. Dann wird eine Warnung im Profil der Person hinterlegt. (…) Menschen sind heute zu Recht besorgt darüber, was KI tut. Aber die Diskussion über die Regulierung kommt nicht voran. Im August trat das EU-Gesetz zur künstlichen Intelligenz in Kraft. Ich war ab 2021 Teil einer Gruppe von Fachleuten namens „Schützen statt überwachen“. Wir forderten unter anderem ein Verbot von KI-Modellen, die Migrationsbewegungen vorhersagen sollen und für Pushbacks eingesetzt werden könnten. Leider ohne Erfolg. (…) Ich beschäftige mich seit 2008 mit Migrationsfragen und kann sagen: Was an den Grenzen und in Flüchtlingslagern passiert, bleibt nicht dort. Gesichtserkennung ist heute weitgehend als biometrische Massenüberwachung normalisiert, sogar in Sportstadien. Robohunde wurden 2022 an der Grenze getestet, 2023 setzte die Polizei sie auf den Straßen von New York ein. Einer war sogar weiß mit schwarzen Flecken bemalt, wie ein Dalmatiner. Was in einem Flüchtlingslager passiert, ist dem Durchschnittsbürger vielleicht egal, weil es ihn vermeintlich nicht betrifft. Aber wenn dieselbe Technologie dann Teil unseres öffentlichen Lebens wird, dann fangen die Leute vielleicht an, sich dafür zu interessieren. (…) Die Achtung des Rechts geht den Bach runter, das ist ein breiterer Trend. Wir können alle Gerichtsentscheidungen der Welt haben, aber was bringt es, wenn sie nicht respektiert werden? Ich war an der polnisch-weißrussischen Grenze, als es diese Sperrzone gab, es war ein klares Beispiel für die Formbarkeit des Rechts in Krisensituationen. Sofort wurde die etablierte Norm außer Kraft gesetzt, dass Medien Zugang haben. Als jemand, der versucht, das Zusammenspiel zwischen Technologie, Macht und Migration zu verstehen, denke ich, dass wir aus dem Blick verloren haben, dass es echte Menschen sind, die im Mittelpunkt stehen…“
  • Abschiebungen sind teuer: Z.B. Niedersachsen gibt für die Durchsuchung von 81 Geräten (meist Handy) zwecks Identitätsfeststellung fast 80.000 Euro aus
    „… Seit 2022 können Ausländerbehörden in Niedersachen Geräte an die Landesaufnahmebehörde schicken, um in den Daten nach Hinweisen auf Identität oder Staatsangehörigkeit zu suchen. Gesetzlich ist das erlaubt, wenn ausreisepflichtige Ausländer:innen ihre Identität nicht auf anderen Wegen nachweisen können, etwa über ein Passdokument. Die zentrale Behörde in Braunschweig durchsucht die Geräte in solchen Fällen nicht selbst, teilt uns eine Sprecherin mit, sondern extrahiert lediglich die Daten. Das heißt: Personal der Behörde schließt das Handy an ein spezielles Gerät an, umgeht im Zweifel auch Zugangssperren und extrahiert dann die darauf befindlichen Daten – von Fotos, verschlüsselt versendeten Nachrichten und angerufenen Nummern bis zur Browserhistorie. Dieses Daten-Paket bekommen anschließend die Ausländerbehörden. (…) Für diese Arbeit greift die Landesaufnahmebehörde auf Werkzeuge des Forensik-Unternehmens Cellebrite zurück. Diese kämen auch in den niedersächsischen Polizeidienststellen zum Einsatz, teilt ein Sprecher des Innenministeriums mit. Allerdings wollte das Ministerium und die Behörde bisher nichts zu den Kosten sagen. Diese seien „Bestandteil vertraulicher Vertragsverhandlungen“. Erst nach mehrfachem Nachhaken teilt uns die Landesaufnahmebehörde weitere Details mit. Demnach nutzt die Behörde die Software von Cellebrite innerhalb eines Rahmenvertrages, der von der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen geschlossen wurde. Die Kosten für die Lizenz: 33.328 Euro für das Jahr 2022 und 44.910 Euro für 2023. Zusammengenommen sind das fast 80.000 Euro allein für die Software. Wie viele Geräte sind bislang mit Hilfe der Software bearbeitet worden? 81 Geräte hätten Ausländerbehörden seit Anfang 2022 eingeschickt, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Damit gab das Land in den vergangenen zwei Jahren rund 1.000 Euro pro Durchsuchung aus. (…) Cellebrite vertreibt Geräte und Software, mit denen man Computer oder Smartphones knacken und durchsuchen kann. Das Unternehmen mit Sitz in Israel sammelt zu diesem Zweck Schwachstellen in Betriebssystemen oder Programmen, über die es auf die Geräte zugreifen kann. Vermarktet werden diese Produkte vor allem an Strafverfolgungsbehörden. (…) Seine Lizenzvereinbarungen und Preise hält Cellebrite geheim. Auch Kund:innen verpflichtet das Unternehmen im Rahmen von Verträgen, die Kosten für die Lizenzen geheim zu halten. Das geht etwa aus Ablehnungsbescheiden hervor, die netzpolitik.org von verschiedenen Behörden und Ministerien erhalten hat. (…) Deutsche Bundesländer zahlen jährlich mehrere Hunderttausend Euro, um Handys von Ausreisepflichtigen auf der Suche nach Spuren zu durchleuchten. Allein aus Bayern fließen vom Landesamt für Asyl und Rückführungen jedes Jahr 200.000 Euro Lizenzgebühren an Cellebrite, wie Recherchen von netzpolitik.org zeigen. (…) Fachleute bezweifeln, dass die Handydurchsuchungen überhaupt Vorteile für das erklärte Ziel der Identitätsfeststellung bringen. (…) Die Ampelregierung hält trotzdem an der Maßnahme fest. In der jüngsten Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts hat sie nicht nur klargestellt, dass die Durchsuchungen weiter stattfinden sollen, sondern die Befugnisse noch erweitert: Behörden dürfen nun auch in die Privaträume von Menschen eindringen, die abgeschoben werden sollen, um darin nach Dokumenten oder Geräten zu suchen. Beitrag von Chris Köver vom 25. Juli 2024 bei Netzpolitik.org externer Link („Abschiebungen: Was Niedersachsen ausgibt, um Geräte zu durchsuchen? Fast 80.000 Euro, um 81 Geräte zu durchsuchen“)
  • [Cellebrite] Hunderttausende Euro, um Handys von Geflüchteten zu knacken
    Recherchen für den netzpolitik.org-Podcast „Systemeinstellungen“ zeigen, wie Bundesländer viel Geld für Handy-Kontrollen von ausreisepflichtigen Geflüchteten aufwenden. Fachleute bezweifeln den Sinn der Ausgaben und bezeichnen den Grundrechtseingriff als „reine Schikane“.
    Deutsche Bundesländer zahlen jährlich mehrere Hunderttausend Euro, um Handys von Ausreisepflichtigen zu durchleuchten. Allein aus Bayern fließen vom Landesamt für Asyl und Rückführungen dafür jedes Jahr 200.000 Euro Lizenzgebühren, wie Recherchen von netzpolitik.org für den Podcast „Systemeinstellungen“  externer Link Audio Datei zeigen. Von dem Geschäft profitiert Cellebrite, eine israelische Firma für digitale Forensik.
    Von Cellebrite versprechen sich Unternehmen und Behörden: mit nur wenigen Klicks in ein Smartphone eindringen und die Daten darauf systematisch durchsuchen – selbst dann, wenn man keine Zugangsdaten hat. Das Unternehmen vertreibt Geräte und Software, mit denen man Computer oder Smartphones knacken und durchsuchen kann.
    Dabei geht es nicht mehr nur um Strafverfolgung – mehrere Bundesländer haben sich mittlerweile Produkte von Cellebrite angeschafft, um damit Smartphones von Geflüchteten zu durchsuchen. Ihr Ziel: effektivere Abschiebungen. Die Ausländerbehörden suchen dafür nach digitalen Hinweisen auf die Identität oder Staatsbürgerschaft von ausreisepflichtigen Ausländer:innen. Diese sind seit 2015 per Gesetz verpflichtet, ihre Geräte durchsuchen zu lassen, wenn sie keinen gültigen Pass vorlegen oder ihre Identität auf anderen Wegen nachweisen können. (…) Mittlerweile haben mindestens fünf Bundesländer eigene zentrale Stellen eingerichtet, die Ausländerbehörden bei ihren Aufgaben unterstützen sollen – auch bei der „Identitätsfeststellung“ mit Hilfe von IT-Forensik. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben dafür auch Forensik-Werkzeuge eingekauft. Das schreiben die zuständigen Ministerien auf Anfrage von netzpolitik.org. (…)
    Cellebrite gegen Aktivisten und Journalistinnen
    Cellebrite wurde 1999 in Israel gegründet und stellt mittlerweile verschiedene Hardware- und Softwareprodukte zur Sammlung und Analyse von Daten her. Bekannt ist das Unternehmen vor allem für Produkte, mit denen man sich Zugang zu eigentlich gesperrten Smartphones verschaffen kann, auch für das als besonders sicher geltende iOS-Betriebssystem von Apple. Mit einer einmaligen Anschaffung von Software ist es aber nicht getan: IT-Forensiker müssen ihre Produkte ständig aktualisieren. Schließen Geräte- und App-Hersteller Sicherheitslücken, die Cellebrite ausgenutzt hatte, muss das Unternehmen neue Schwachstellen finden. Cellebrite brüstet sich damit, bei digitalen Ermittlungswerkzeugen Marktführer zu sein. Der Börsenwert des Unternehmen wurde zuletzt auf 2,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Unternehmen steht jedoch seit Jahren in der Kritik, weil seine Produkte auch in autoritären Staaten gegen Journalistinnen, Aktivisten oder unterdrückte Minderheiten eingesetzt wurden: Russland, Bahrain und Myanmar sollen Kunden gewesen sein
    …“ Beitrag von Chris Köver vom 24.05.2024 in Netzpolitik externer Link
  • ZDF Magazin Royale – KI an EU-Außengrenzen: Die smarte Dystopie
    Künstliche Intelligenz ist so allgegenwärtig, es ist an der Zeit, dass sie mal etwas für unsere Sicherheit tut. Zum Beispiel zum Schutz der EU-Außengrenzen. Wie genial wäre es, unmenschliches Handeln endlich an Maschinen outsourcen zu können?Video der Sendung am 24.05.2024 externer Link (31 min, Video verfügbar bis 23.05.2025)

    • Wie die EU mit Künstlicher Intelligenz ihre Grenzen schützen will
      AlgorithmWatch und das ZDF Magazin Royale haben sich angeschaut, wo an den EU-Grenzen sogenannte Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Es geht um Lügendetektoren, Migrationsvorhersage und Grenzen vor der Grenze: https://fuckoffai.eu/ externer Link
  • Eurodac: Der biometrische Albtraum im Herzen des EU-Asylsystems – kann die Gewalt gegen Menschen auf der Flucht massiv verschärfen
    „Die Europäische Union wird am 10. April 2024 über ein neues Paket von Asyl- und Migrationsreformen abstimmen. Unter den vielen umstrittenen Änderungen, die im „Neuen Migrationspakt“ vorgeschlagen werden, blieb eine weitgehend unbemerkt – eine scheinbar harmlose Reform der EU-Asyldatenbank EURODAC. Das System besteht seit 2003 und enthält bisher Fingerabdrücke von Asylsuchenden und illegalisiert eingereisten Personen. Allein im Jahr 2022 übertrugen die EU-Mitgliedstaaten 1,5 Millionen Fingerabdruck-Datensätze an die EURODAC-Datenbank. Obwohl die geplanten Reformen als rein technische Anpassungen des Fingerabdruck-Systems dargestellt werden, ist die Realität weitaus schwerwiegender. Die Änderungen an EURODAC werden die Gewalt gegen Menschen auf der Flucht massiv verschärfen. Die Reform dieser 20 Jahre alten Datenbank macht sie zum verlängerten Arm der feindlichen Asyl- und Grenzpolitik der EU. Zu diesem Zweck werden die problematischsten Überwachungstechnologien eingesetzt, die uns zur Verfügung stehen: nämlich die Erfassung, Verarbeitung und Analyse biometrischer Daten, die die vollständige Kontrolle über den Körper und die Bewegung von Schutzsuchenden ermöglichen. (…) Historisch gesehen ist die Identifizierung jedes einzelnen Individuums der Schlüssel für die Organisation staatlicher Kontrolle und Herrschaft über die Bevölkerung. Sie ermöglicht es den staatlichen Behörden insbesondere, die Bewegungen der Menschen zu verfolgen, zu überwachen und einzuschränken. Es überrascht also nicht, dass die Biometrie zum Kernstück der sich ausweitenden technologischen Überwachungssysteme der Staaten wird. Und es überrascht noch weniger, dass sie Teil der Migrationskontrollpolitik ist. Denn der Ursprung der biometrischen Überwachung geht auf koloniale Praktiken der Beherrschung und Diskriminierung marginalisierter Personengruppen zurück. Im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels wurden Technologien entwickelt, um People of Colour als Gefangene und Eigentum zu kennzeichnen, zu identifizieren und weltweit zu verfolgen. Die in den 1880er Jahren von Alphonse Bertillon entwickelten forensischen Erkennungsmethoden – die eine biometrische Erfassung von Gesichts- und Körpermerkmalen sowie Fingerabdrücken und Fotografien von kriminellen Verdächtigen umfassten – wurden vor allem in den Kolonien des französischen Reiches angewandt, um die Ordnung und den Fortbestand des Kolonialregimes zu gewährleisten. Ebenso führten die britischen Kolonialherren das erste groß angelegte biometrische Erkennungsverfahren mit Fingerabdrücken zur Kontrolle in Indien durch. Es wurden große Anstrengungen unternommen, um die Identität von Migrant:innen festzustellen und die individuelle Überwachung von Arbeitsmigrant:innen und Reisenden auszuweiten, wie etwa die Verfolgung von chinesischen Arbeiter:innen in Indochina und Pilger:innen in Indien. Das bedeutet, dass die biometrische Registrierung als Ersatz für die Dokumentenregistrierung für alle nicht weiß-gelesenen Menschen zum ersten Mal Realität wurde. Das betraf vor allem diejenigen, die auf der Flucht waren.Die Politik der EU ist eine Fortsetzung dieser Geschichte. (…) Der besondere Fokus auf die Erstellung von Risikoprofilen, die auf diskriminierenden Annahmen und Assoziationen beruhen, führt dazu, dass nicht weiß-gelesene Menschen und Migrant:innen übermäßig überwacht und ins Visier genommen werden. Mit der massiven Ausweitung zentralisierter Datenbanken wie EURODAC kann die EU diese rassistische Doppelmoral nicht länger verbergen.“ Gastbeitrag von Laurence Meyer und Chloé Berthélémy in der Übersetzung von Hannes Stummer und Angela Büttner vom 8. April 2024 bei Netzpolitik.org externer Link – siehe den Original-Beitrag bei EU Observer externer Link: „The colonial biometric legacy at heart of new EU asylum system“
  • Digitale Kontrolle im Einsatz gegen Geflüchtete: Neue Bedrohung für Menschenrechte
    • Amnesty kritisiert digitale Technologien zur Migrationskontrolle
      Im Umgang mit Menschen auf der Flucht setzen europäische Staaten und die USA immer mehr digitale Techniken ein. Die Entwicklung geht so schnell, dass Menschenrechte auf der Strecke bleiben.
      Amnesty International kritisiert in einem en zunehmenden Einsatz digitaler Technologien im Bereich Asyl und Migration. Das englischsprachige Papier mit dem Titel „Defending the Rights of Refugees and Migrants in the Digital Ageexterner Link betrachtet die Situation in der Europäischen Union sowie in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Migrations- und Asylpolitik werde zunehmend von digitalen Technologien geprägt, heißt es in dem Bericht. Während Menschenrechtsorganisationen seit langem schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch Regierungen bei der Abschreckung, Verhinderung, Zurückdrängung und Bestrafung von Menschen auf der Flucht dokumentierten, würden diese Praktiken nun vom Einsatz neuer digitaler Technologien überlagert, die von Privatunternehmen entwickelt würden.
      Neue Bedrohung für Menschenrechte
      Das habe neue Formen von öffentlich-privaten Partnerschaften und damit eine ganze Reihe von Menschenrechtsbedrohungen hervorgebracht, so der Bericht. Das Spektrum der Technologien reiche von elektronischer Überwachung, Satelliten und Drohnen bis hin zu Gesichtserkennung, „Lügendetektoren“ und Iris-Scanning. Der Bericht zeigt auch, wie europäische Staaten, darunter Deutschland, zunehmend Mobiltelefone von Asylsuchenden durchsuchen externer Link und dabei unverhältnismäßig deren Privatsphäre verletzen. Laut Amnesty International bestehe ein wachsender und dringender Bedarf, diese Technologien und ihre Auswirkungen zu untersuchen und zu verstehen. So verstärkten diese Technologien Grenzregime und Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft und Staatsbürgerschaft. Die eingesetzten „Technologien bergen die Gefahr, rassistische Vorurteile und Diskriminierung unter dem Deckmantel der Neutralität und Objektivität fortzusetzen und zu verschleiern, die in historischen und kolonialen Praktiken der rassistischen Ausgrenzung wurzeln.“…“ Beitrag von Markus Reuter vom 06.02.2024 in Netzpolitik externer Link, siehe auch:
    • 133. Netzpolitischer Abend: Digitale Kontrolle im Einsatz gegen Geflüchtete
      Infos bei digitalegesellschaft.de externer Link und die Veranstaltung auf Video externer Link bei youtube
  • KI-Tools im BAMF: Ist das sicherheitsrelevant? 
    Das BAMF nutzt ein automatisiertes System, um Informationen aus Asylanhörungen aufzuspüren, die für Sicherheitsbehörden interessant sein könnten. 18 Millionen Euro kostete das Projekt. Die Geflüchteten erfahren nicht, dass eine KI ihre Aussagen rastert. (…) Ursprünglich gestartet als Pilotprojekt, ist das System „seit 2022 im produktiven Einsatz und wird derzeit in allen Außenstellen des BAMF ausgerollt“. Während der Projektlaufzeit von 2017 bis 2022 betrugen die Kosten etwa 18 Millionen Euro, teilte das BAMF auf Anfrage im September mit. Das System soll bei allen Arten von Asylanhörungen genutzt werden. Es beschränkt sich also nicht auf Fälle, bei denen besonders relevante Hinweise zu erwarten sind, etwa weil Geflüchtete aus akuten Krisenherden kommen. Wie gut das System funktioniert, ist aber offenbar unklar – man erfasse keine Fehler- und Erkenntnisquoten. Auch was genau das BAMF als relevant ansieht, bleibt in der Antwort vage. Klar wird, die Behörden interessieren nicht „nur potentielle Täter, sondern auch Opfer, Zeugen und sonstige Beweismittel“, wenn es um schwere und organisierte Kriminalität, Staatsschutzdelikte und Völkerstrafrecht geht. Doch ebenso schreibt die Bundesregierung: „Melderelevant sind darüber hinaus Sachverhalte, an denen die Nachrichtendienste des Bundes ein Erkenntnisinteresse haben.“ Das kann vieles bedeuten. Bei einer Anhörung im Bundestag behauptete eine Mitarbeiterin des BND etwa mal, der Geheimdienst interessiere sich auch für den Brotpreis in Aleppo. „Hier wäre eine engere Eingrenzung erforderlich“, schreibt Fragestellerin Bünger. „Im Grundsatz muss sich das BAMF auf seine Kernaufgabe konzentrieren, also den Schutzbedarf von Asylsuchenden prüfen. Es darf nicht zum Datenlieferanten der Geheimdienste werden.“ (…) Dass ihre Anhörungen von sogenannter Künstlicher Intelligenz gerastert werden, merken die Antragsteller:innen in der Regel nicht, es gibt keine speziellen Hinweise darauf vor der Anhörung. Ob ihnen bewusst ist, dass ihre Aussagen beim BAMF bei deutschen Geheimdiensten landen können? Sie würden belehrt, dass „in Asylanhörungen gemachte Angaben an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden können“, sagt die Bundesregierung. Bünger bewertet das als „bedenklichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“. Geflüchtete müssten in der Asylanhörung oftmals sehr persönliche Informationen preisgeben. „Zugleich haben sie wenig bis keine Kontrolle darüber, was anschließend mit ihren Daten passiert.““Beitrag von Anna Biselli vom 24.11.2023 in Netzpolitik externer Link
  • Nach Gerichtsurteil: Weniger Geflüchtete müssen ihr Handy durchleuchten lassen – doch das Innenministerium will mit einem neuen Gesetz noch mehr Daten abgreifen 
    „Seit dem Jahr 2017 mussten bereits Zehntausende Geflüchtete dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihr Handy über den Tisch reichen. Hatten sie keine gültigen Papiere bei sich, durften BAMF-Angestellte ihre digitalen Geräte auslesen, um später Hinweise auf Identität und Herkunft zu bekommen. Ob es Alternativen zu einem derart tiefen Eingriff in die Privatsphäre geben könnte, das prüfte das BAMF zuvor nicht. Daran hat sich nun etwas geändert. Zunächst hatte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dieser Praxis im Februar dieses Jahres eine Absage erteilt. Geklagt hatte eine geflüchtete Frau aus Afghanistan. Anhand ihres Falles entschied das Gericht: Das BAMF hätte zuerst mildere Mittel prüfen müssen. Und die wären in dem konkreten Fall auch verfügbar gewesen. Die Klägerin konnte etwa eine Heiratsurkunde mit ihrem Namen vorweisen. Was sich seitdem beim BAMF geändert hat, wollte die linke Bundestagsabgeordnete Clara Bünger wissen. Die Bundesregierung antwortete auf ihre Kleine Anfrage, das BAMF habe „unverzüglich eine Verfahrensanpassung zum Auslesen von Datenträgern vorgenommen“. Vor dem Urteil hat die Behörde erst nach dem Auslesen geprüft, ob die erfassten Daten für das Asylverfahren überhaupt gebraucht werden. Diese Prüfung musste eine Person mit zweitem juristischen Staatsexamen unternehmen. Erst wenn sie positiv ausfiel, durften die BAMF-Mitarbeitenden die Ergebnisse der Auswertung sehen und nutzen. Sonst mussten sie gelöscht werden. (…) Nun, so die Bundesregierung, erfolge diese Abwägung vor dem Auslesen der Daten. Wörtlich schreibt sie: „zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt des Herausgabeverlangens der Zugangsdaten zum Datenträger“. Ganz festgezurrt ist das neue Verfahren aber offenbar noch nicht. „Der Vorgang befindet sich derzeit noch in Abstimmung“, heißt es weiter. (…) Zumindest in den Statistiken zeigt sich ein Abwärtstrend. 9.625 Geräte hat das BAMF demnach im ersten Halbjahr 2023 insgesamt ausgelesen, davon 6.097 jedoch bereits im Januar und Februar. Bezogen auf alle Asylsuchenden ohne gültige Papiere bedeutet das nach Berechnungen der Bundesregierung: Vor dem Urteil wurden die Datenträger von 10,6 Prozent dieser Personen ausgelesen, danach nur noch von 5,9 Prozent. Eine weitere wichtige Zahl gibt an, was das Eindringen in die Geräte der Schutzsuchenden überhaupt gebracht hat. Auch in diesem Jahr sind die meisten Auswertungen nämlich nutzlos: 73,2 Prozent brachten im ersten Halbjahr „keine verwertbaren Erkenntnisse“, heißt es. Das kann etwa der Fall sein, wenn Personen das Gerät erst seit Kurzem nutzen oder sich ein Handy mit anderen teilen. In lediglich 1,9 Prozent der Fälle hat die Behörde in den Daten Widersprüche entdeckt, die sich nicht mit den Angaben der Schutzsuchenden deckten. (…) Währenddessen möchte das Bundesinnenministerium (BMI) die Auswertung ausweiten. Hierzu hatte das SPD-geführte Haus im August einen Diskussionsentwurf zu Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsgesetz vorgelegt. Darin steht der Vorschlag, nicht nur physische Datenträger, sondern auch Cloudspeicher auszulesen. Zwar teilt das BMI in dem Entwurf Auslesen und Auswerten in zwei separate, rechtliche Schritte auf. Unterm Strich stellt das Ministerium aber klar: „Das frühzeitige Auslesen von Mobiltelefonen zur Identitätsklärung einer Person ist auch weiterhin möglich.“…“ Beitrag von Anna Biselli vom 14. September 2023 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Geflüchtete und Aktivisten im Visier: Handysucht bei der Polizei / EU-Kommission prüft Zugriff auf Biometriedaten durch US-Polizei
    • Geflüchtete und Aktivisten im Visier: Handysucht bei der Polizei
      „… Nach Paragraf 94 der Strafprozessordnung darf die Polizei Gegenstände zu Beweiszwecken sicherstellen oder beschlagnahmen – auch Telefone. Die Bundespolizei nimmt deshalb vielen Geflüchteten bei der Einreise ihre Handys weg. Angeblich, um aus den darauf gespeicherten Daten Erkenntnisse über mögliche Schleuser zu gewinnen. Wohlgemerkt: Es handelt sich bei den Betroffenen um Zeugen, nicht um Beschuldigte. Genauso fragwürdig ist die Polizeipraxis in Leipzig, die schon zum zweiten Mal eine dreistellige Zahl an Telefonen von Menschen im Polizeikessel eingesammelt hat, um diese forensisch zu durchsuchen. Nach angeblichen Sachbeschädigungen im Fall von 2015 mag dies in einer Polizeilogik nachvollziehbar sein. Zum »Tag X« in diesem Jahr ist es aber völlig absurd, denn der Vorwurf gegen die Versammlungsteilnehmer war das Anlegen einer Vermummung. Welche Erkenntnisse will die Polizei hier also gewinnen: Fotos von Gesichtern, bevor diese bedeckt werden? Das ist polizeiliche Willkür wegen einer Bagatelle und gehört deshalb wie die Beschlagnahme der Handys von Geflüchteten vor Gericht.“ Kommentar von Matthias Monroy vom 1. August 2023 in Neues Deutschland online externer Link
    • Alleingang in Brüssel: EU-Kommission prüft Zugriff auf Biometriedaten durch US-Polizei
      „US-Behörden wollen Fingerabdrücke und Gesichtsbilder in insgesamt 40 Staaten abfragen, die meisten davon in Europa. Mit einem Kniff setzt sich die EU-Kommission an die Spitze der Gespräche über das Vorhaben. Insgesamt 40 Länder nehmen derzeit am „Visa Waiver Program“ (VWP) der US-Regierung teil. Washington garantiert damit, dass die Bürger:innen der betreffenden Staaten zu geschäftlichen oder touristischen Zwecken für maximal drei Monate ohne Visum einreisen dürfen. Die Regelung gilt gegenseitig, auch US-Staatsangehörige können die 40 Länder visafrei besuchen. Unter den Teilnehmenden des VWP befinden sich fast alle Schengen-Staaten. Nun verlangt die US-Regierung, dass die am VWP teilnehmenden Staaten im Rahmen einer „Enhanced Border Security Partnership“ (EBSP) Zugang zu ihren polizeilichen Biometrie-Datenbanken gewähren. US-Grenz- und Polizeibehörden sollen dafür Fingerabdrücke und Gesichtsbilder in Informationssystemen in den Schengen-Staaten abfragen dürfen. Ein solcher Direktzugriff aus dem Ausland ist selbst unter befreundeten Geheimdiensten unüblich. (…) Seit September 2022 diskutieren Angehörige der Kommission „technische Details“ in einer dafür eingerichteten Arbeitsgruppe, darunter auch zu „rechtlichen und politischen Implikationen“. Die von der Kommission eigens für diese Gespräche konstruierte Abkopplung des EBSP vom VWP steht auf einem wackligen rechtlichen Fundament. So sieht es auch der Juristische Dienst des Rates, der hierzu von der Kommission Klarheit verlangt, um anschließend ein Rechtsgutachten dazu verfassen zu können. (…) Nun bereitet die Kommission eine Machbarkeitsstudie vor, „um die Durchführbarkeit eines Informationsaustauschs zwischen der EU und den USA im Hinblick auf ein verbessertes Grenzmanagement zu bewerten“. So steht es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Europaabgeordneten Cornelia Ernst. Die Studie soll unter anderem untersuchen, welche Datenschutzregelungen für die US-Behörden gelten würden, darunter etwa die Datenschutz-Grundverordnung und die EU-Polizeirichtlinie. (…) Als Zweck des Datenaustauschs im EBSP wird die „Grenzsicherheit“ angegeben. Jedoch könnten die geplanten bilateralen Abkommen mit den 40 VWP-Staaten weit darüber hinausgehen. Denn die zuständige Behörde auf US-Seite wäre das Heimatschutzministerium, das die Biometriedaten etwa für die Prüfung von Asylanträgen nutzen will. Erstmals zeigt das bei Statewatch veröffentlichte Dokument, dass das EBSP im Rahmen der bestehenden PCSC-Abkommen umgesetzt werden könnte. Dann dürfte der Zugriff auf Fingerabdrücke und Gesichtsbilder von EU-Angehörigen auch erfolgen, um schwere Kriminalität zu bekämpfen und zu verhüten. An einem Datentausch unter Kriminalpolizeien arbeitet auch Europol. Zusammen mit dem US-Heimatschutzministerium will die EU-Polizeiagentur die Weitergabe von Daten zu Einreiseverweigerungen in einem Pilotprojekt erproben. Dies soll Personen betreffen, die unter Terrorismusverdacht stehen. Beitrag von Matthias Monroy vom 30. Juli 2023 bei Netzpolitik.org externer Link

  • Mit LKA und Hauptzollamt: Wie eine Hamburger Behörde die Handys von Geduldeten durchsucht
    Ausländerbehörden dürfen die Geräte von Menschen ohne Papiere durchsuchen, auch wenn diese keine Straftat begangen haben. In Hamburg bekommt das Amt für Migration dabei Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden – doch mit welchen Werkzeugen die arbeiten, will der Senat nicht sagen…“ Beitrag von Chris Köver vom 17.05.2023 bei Netzpolitik externer Link
  • Überwachung in Seenot: Frontex spürt Geflüchtete im Mittelmeer über Handys auf 
    „Das Ende Februar vor der süditalienischen Stadt Crotone gesunkene Flüchtlingsboot wurde mit Technik zum Aufspüren von Telefonen entdeckt. Das bestätigt der neue Direktor der Grenzagentur, Hans Leijtens, in einer dem »nd« vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Linke-Europaabgeordneten Özlem Demirel. Die Fahrt des Holzbootes im Ionischen Meer zwischen Griechenland und Italiens Stiefelspitze sei demnach »durch die bordeigene Satellitentelefon-Erfassungsanlage« eines Frontex-Flugzeuges angezeigt worden. Dessen Besatzung habe das Boot dann weiter beobachtet und verfolgt. Bei dem Unglück wegen rauer See waren vermutlich um die 80 Menschen vor der kalabrischen Kleinstadt ertrunken. Die Staatsanwaltschaft in Kalabrien ermittelt deshalb gegen vier türkische Fluchthelfer. Weitere Ermittlungen richten sich gegen mögliche Verantwortliche der Küstenwache und des Militärs, die das Boot in Seenot zwar festgestellt, aber nicht gerettet hatten. (…) »Die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie boomt auch im Bereich der Grenzüberwachung und trotzdem ertrinken fast täglich Menschen auf der Flucht im Mittelmeer«, sagt die Fragestellerin Demirel dazu dem »nd«. Diese EU-Politik müsse sich ändern, kritisiert die Abgeordnete. Neben der Ortungstechnik haben die Luftfahrzeuge im Frontex-Auftrag elektrooptische Sensoren und eine Wärmebildkamera an Bord. Zum Unglücksboot von Crotone legten deren Bilder die Anwesenheit vieler Menschen unter Deck nahe. Diese und andere Informationen will Frontex verschiedenen Behörden in Italien mitgeteilt haben, bevor das Überwachungsflugzeug wegen Treibstoffmangels nach Sizilien zurückkehren musste.“ Beitrag von Matthias Monroy vom 3. Mai 2023 bei Neues Deutschland online externer Link
  • Den Fortschritt nutzen: Migrationsabwehr als angewandte Wissenschaft 
    „In der Forschungsförderung unterstützen Europäische Union und deutsche Bundesregierung die Abwehr unerwünschter Einwanderung: Die Entdeckung von unerlaubt Einreisenden oder Eingereisten soll verbessert, Grenzen sollen effektiver überwacht und Netzwerke der Grenzsicherungsbehörden sollen gestärkt werden. Die Forschungen legitimieren sich mit Lücken im Grenzschutz, deren Existenz sie zugleich aufdecken und schließen wollen. Sie versprechen, soziale Probleme mit den Mitteln fortgeschrittener Informations- und Naturwissenschaft zu lösen – mit negativen Wirkungen weit jenseits der Migrationsabwehr. (…) In den Ergebnisdokumenten findet sich eine Abbildung, die die durch FOLDOUT angestrebte Überwachungsstruktur zeigt. Sie beginnt mit der Satelliten-Überwachung oberhalb der 20 km-Entfernung von der Erdoberfläche, die stundengenaue Angaben liefern, bis zu einer Höhe von 20 km soll eine Echtzeit-Überwachung durch Luftschiffe („Stratobus“) ermöglicht werden. Die aus diesen Höhen erfolgende permanente Datensammlung soll ergänzt werden durch anlassbezogene Überwachungsflüge mit Drohnen oder Hubschraubern. Schließlich wird im Grenzgebiet eine Reihe von Sensoren installiert: thermische (Temperaturen), seismische (Erderschütterungen), hyperspektrale (elektromagnetische Wellen), elektrooptische (Vergrößerung des Sichtbaren), auch der Einsatz von Lasern und die Analyse von Radio-Frequenzen ist vorgesehen. Projektiert wird ein umfassendes Überwachungssystem, das vom Weltraum bis zur lokalen Identifizierung einzelner Lebensäußerungen reicht. (…) Die vorgestellten Projekte im Feld der Forschungsförderung lassen sich durch vier Merkmale charakterisieren: 1. Weil sich mit Migrationsabwehr Geld verdienen lässt, entsteht ein kooperatives Geflecht aus privatwirtschaftlichen Anbietern, öffentlichen oder privaten Forschungseinrichtungen und den Behörden, die an technologischen Lösungen ihrer Aufgaben interessiert sind. 2. Migrationsabwehr wird als ein technisch zu lösendes Problem konzipiert. Dabei wird einerseits daran gearbeitet, stabile, vereinheitlichte oder zumindest kompatible Standards und Verfahren zu entwickeln. Andererseits werden technologische Verfahren so kombiniert, dass sie jederzeit und überall vorher definierte Auffälligkeiten entdecken können. Hightech wird eingesetzt, um die Unüberwindbarkeit der Grenzen zu erhöhen – sei es als Ersatz für Zäune und Mauern, sofern diese aus topografischen Gründen nicht möglich oder aus politischen Gründen nicht opportun erscheinen, oder sei es als technologische Verstärkung der physischen Barrieren. 3. Mit dem technischen Fokus ist quasi automatisch verbunden, dass die Forschungen die Abschottungslogik als unhinterfragte Basis ihres Tuns (und Geldverdienens) bekräftigen und die Migrant*innen als zu polizierende Objekte behandeln. Auch der Bezug auf „Schleuser“ oder auf die Rettung von Menschenleben kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rigide Abschottung erst zu jenen Fluchtrouten und -verhalten führt, die mit aufgerüsteter Technik verhindert werden sollen. 4. Schließlich wird in einigen Projekten (FOLDOUT, MARISA) deutlich, dass sie weit über die Migrationskontrolle ausstrahlen. Kurz: Sie bergen das Potenzial zu einer totalitären Überwachung der gesamten Gesellschaft. Was erfolgreich getestet wird, um Flüchtende in unzugänglichen Grenzregionen zu entdecken, das wird auch tauglich sein, Demonstrierende zu beobachten oder Einzelpersonen im städtischen Raum zu lokalisieren. Die Forschung(sförderung) verstärkt nicht nur die Ignoranz gegenüber dem Leiden der Flüchtenden, sondern sie schafft zugleich Instrumente, die die gesamte Gesellschaft technologisch gestützter Kontrolle unterwerfen.“ Beitrag von Norbert Pütter vom 3. April 2023 bei cilip.de externer Link
  • Erfolg für Recht auf Privatsphäre: Bundesverwaltungsgericht erklärt BAMF-Praxis der Auswertung von Handys geflüchteter Menschen für rechtswidrig 
    „Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gab heute der von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützten Klage einer Afghanin gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) statt und wies die Revision der Gegenseite zurück. Wie schon das Verwaltungsgericht Berlin in der ersten Instanz entschied das BVerwG, dass die Auswertung des Handys der 44-Jährigen durch das BAMF rechtswidrig war. (…) Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit seinem Urteil, dass die Auswertung von Smartphones Geflüchteter gleich zu Beginn des Asylverfahrens rechtswidrig ist. Das BAMF muss zunächst prüfen, ob es mildere Mittel zur Feststellung von Identität und Staatsangehörigkeit gibt. Über die Frage, ob eine Auswertung zu einem späteren Zeitpunkt grundrechtskonform ist, hat das Gericht nicht entschieden. „Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht erfüllt sind. Wir sind zudem überzeugt, dass das Auslesen von Handys nicht mit der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist. Für uns ist deshalb klar: Das BAMF muss die Handydatenauswertungen vollständig einstellen“, betont der Kooperationsanwalt der GFF Matthias Lehnert. Der Bundestag führte 2017 die entsprechende Rechtsgrundlage für derartige Auswertungen von Handys ein. Wenn eine asylsuchende Person weder Pass noch Passersatzdokument vorweisen kann, wertet das BAMF seither Datenträger aus, um die Angaben der Person über ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu plausibilisieren. Ein konkreter Verdacht gegen die geflüchtete Person war für die Auslesung nicht erforderlich. Das bedeutet einen tiefen Eingriff in die digitale Privatsphäre – und bringt wenig, wie eine von der GFF im Dezember 2019 veröffentlichte Studie zeigt. Der nur geringe messbare Nutzen des Vorgehens kann den Eingriff in die intimsten Gespräche der Betroffenen nicht rechtfertigen. Das zeigt auch die Erfahrung der 44-jährigen Klägerin: „Mein Smartphone ist die einzige Verbindung zu meiner Familie. Mit unseren Nachrichten tauschen wir uns über Sorgen, Ängste und unseren Alltag aus. Das ist für mich privat, ich möchte nicht, dass andere Menschen das lesen können. Deshalb hat es sich schrecklich angefühlt, dem BAMF-Mitarbeiter damals mein Handy geben zu müssen. Ich bin froh, dass dies anderen Geflüchteten in Zukunft nicht mehr passieren kann.“ Eine Entscheidung des Bundesdatenschutzbeauftragten über die anhängige Beschwerde gegen die Handyauslesungen des BAMF externer Link steht weiterhin aus. Dieser wird sich dabei eingehender mit der Vereinbarkeit mit der Datenschutzgrundverordnung und EU-Grundrechte-Charta auseinandersetzen müssen.“ GFF-Pressemitteilung vom 16. Februar 2023 externer Link – siehe frühere Instanzen hier im Dossier weiter unten und auch weitere Informationen zur Klage bei der GFF externer Link sowie die PM des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.2.23 externer Link zum Urteil
  • EU-Datenbanken: Bund will biometrische Grenzüberwachung ausweiten 
    „Bürger aus Drittstaaten sollen an EU-Grenzen biometrisch erfasst werden. Anreisen dürfen sie nur, wenn sie sich vorher anmelden und allerlei Daten offenlegen. Einen Gesetzesentwurf für das europäische Ein- und Ausreisesystem zur Biometrie-Grenzkontrolle sowie das Reisegenehmigungssystem hat die Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt. Rechtlich möchte die Regierung sicherstellen, dass die EU-Verordnungen über ein Ein- und Ausreisesystem („Entry/Exit System“ – EES) und über ein Europäisches Reisegenehmigungssystem (ETIAS) in Deutschland reibungslos angewandt werden können. Zwar gelten die entsprechenden EU-Vorgaben bereits direkt in allen Mitgliedsstaaten, nationale Rechtsnormen wie das Aufenthaltsgesetz sollen aber dazupassen. Ferner will die Exekutive die innerdeutschen Zuständigkeiten für vorgesehene Aufgaben und technische Vorgaben festlegen. (…) Im EES mit biometrischer Grenzkontrolle müssen sich Bürger aus Drittstaaten künftig im Rahmen des „Smart Borders“-Programms mit vier Fingerabdrücken und biometrischem Gesichtsbild in der EU registrieren lassen. Die Datenbank soll „intelligente Grenzkontrollen“ nach US-Vorbild ermöglichen, die zulässige Dauer eines Kurzaufenthalts berechnen und bei Überziehung automatisch die nationalen Sicherheitsbehörden verständigen. Personen, die visumsfrei in die Gemeinschaft einreisen können, sollen mithilfe von ETIAS vorab durchleuchtet werden. Sie müssen über einen Online-Antrag den Behörden persönliche Informationen etwa zu Identität, Reisedokument, Aufenthaltsort, Kontaktmöglichkeiten, infektiösen Krankheiten und Ausbildung übermitteln. Die Daten sollen dann automatisch mit Daten aus zahlreichen anderen europäischen IT-Systemen, einer virtuellen Biometrie-Superdatenbank sowie Registern von Interpol abgeglichen und gespeichert werden. Pate gestanden hat das 2007 von den USA entwickelte Anreisegenehmigungssystem ESTA. Ziel ist, festzustellen, ob eine Einreise in den Schengenraum grundsätzlich berechtigt ist, und ob damit ein Risiko für Sicherheit, geregelte Migration oder Gesundheit verbunden sein könnte. (…) Für die EES-Übermittlungsvorgänge peilt die Regierung nun ein automatisiertes Verfahren an, für dessen technische Umsetzung sie anderthalb Jahre veranschlagt. Bis dahin sollen Meldungen zwischen rund 224 Auslandsvertretungen und weiteren Behörden laut der Gesetzesbegründung „vermutlich als PDF-Datei per E-Mail“ erfolgen. Von einer Pflicht zur Verschlüsselung der erwarteten rund 37.500 Notizen ist keine Rede. Das Sicherheits- und Qualitätsniveau vor allem des EES soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überprüfen. Dazu kann es dem Plan nach zur „Unterstützung bei der Bewältigung von Sicherheitsvorfällen“ auf Anfrage Einzeldaten von der Bundespolizei und dem Bundesverwaltungsamt bekommen…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 24. Januar 2023 in heise news externer Link
  • EU-Bürgerbeauftragte: Auf Konfrontationskurs mit Frontex 
    Seit Jahren investieren EU-Institutionen in die Überwachungsinfrastruktur von Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten. Dabei haben sie versäumt, vorweg Risikoabschätzungen für Menschen- und Freiheitsrechte vorzunehmen, kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Die EU-Bürgerbeauftragte leitet jetzt eine Untersuchung gegen Frontex und den Europäischen Ausländischen Dienst ein. Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly stellt die EU-Grenzagentur Frontex externer Link und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) externer Link zur Rede. Die Behörden sollen Auskunft darüber geben, inwiefern sie bei der Ausfuhr von Überwachungstechnologie auch die Risiken und Folgen für die Menschenrechte abschätzen. Auslöser für die Anfang Oktober eröffnete Untersuchung gab die Beschwerde von sechs Menschenrechtsorganisationen externer Link , darunter Privacy International, Access Now, Sea-Watch und die Internationale Liga für Menschenrechte. Die Organisationen kritisieren, dass in den meisten Fällen von Überwachungstransfers aus der EU keine solche Abschätzungen vorgenommen wurden. Sie berufen sich dabei auf Dokumente externer Link, die sie im September 2019 bei Frontex, dem EAD und weiteren EU-Institutionen angefragt haben. Die Abschätzungen seien notwendig, um Missbrauch durch autokratische Regime und ernsthafte Verletzungen von Menschen- und Freiheitsrechten zu verhindern. „Überwachungstechnologien und drakonische Cyberkriminalitäts-Gesetze sind der Kern des wachsenden digitalen Autoritarismus im Nahen Osten und in Nordafrika“, sagt Marwa Fatafta, bei Access Now zuständig für externer Link die Regionen. „Die EU sollte diesen Trend nicht finanziell unterstützen.“ Die Organisationen nennen in ihrer Beschwerde konkrete Beispiele…“ Beitrag von Julien Schat am 17.10.2022 bei Netzpolitik externer Link
  • Cellebrite: Bayerische Behörde knackt Handys von Geduldeten 
    „Ausländerbehörden dürfen die Geräte von ausreisepflichtigen Menschen durchsuchen, um Hinweise auf deren Staatsangehörigkeit zu bekommen. (…) Wer Deutschland verlassen soll, kommt in eine Art behördliche Schraubklemme. In Bayern trägt diese Klemme unter anderem den Namen Landesamt für Asyl und Rückführungen. Die Behörde koordiniert Sammelabschiebungen, besorgt Passersatzpapiere für ausreisepflichtige Menschen, damit diese tatsächlich abgeschoben werden können, und betreibt das Abschiebegefängnis am Münchner Flughafen. Seit März diesen Jahres erfüllt sie noch eine weitere Funktion: Sie knackt und durchsucht zentral die Handys und Laptops von Personen, die nicht abgeschoben werden können, etwa weil ihre Identität oder Staatsangehörigkeit unklar ist oder sie keine Reisepapiere vorweisen können. Diese Menschen gelten in Deutschland als „geduldet“, haben aber keine Aufenthaltserlaubnis. Das Landesamt versteht sich dabei als Dienstleister: Ausländerbehörden aus ganz Bayern können Geräte von Geduldeten zur Durchsuchung an eine neu gegründete „Fachstelle Identitätsklärung“ schicken, vom Handy bis zur externen Festplatte. Die Mitarbeiter:innen knacken diese, durchsuchen sie und schicken einen Bericht über das Gefundene zurück an die Ausländerbehörde, so das Angebot des Landesamtes. Im Zeitraum von März von Ende Juli gingen 116 Anträge auf solche Durchsuchungen bei der Behörde ein, 92 davon hat sie mittlerweile bearbeitet. Das geht aus den Antworten auf zwei Anfragen der grünen Landtagsabgeordneten Benjamin Adjei und Gülseren Demirel hervor. (…) Aus den Antworten auf die Anfragen der Grünen-Abgeordneten wird nun klar: Die Fachstelle verwendet Technologien der israelischen Firma Cellebrite. Das Unternehmen ist ein Marktführer im Bereich digitale Forensik. In Deutschland setzen vor allem Polizeibehörden die professionellen Werkzeuge ein. (…) Offenbar durchsucht die Fachstelle nicht nur Geräte, sie arbeitet auch mit weiteren Recherche-Methoden: Im Jahresbericht der Landesamtes und auf der Website wird erwähnt, dass die Stelle auch OSINT-Auswertungen macht. OSINT steht für Open Source Intelligence, gemeint ist damit die Recherche zu frei im Internet verfügbaren Informationen zu einer Person, etwa auf sozialen Medien. Stöbern die Mitarbeiter:innen der Fachstelle etwa durch Facebook und Instagram, auf der Suche nach Rückschlüssen zur Identität von ausreisepflichtigen Personen? Verwenden sie dabei Daten, die sie vorher auf den Handys entdeckt haben? Nutzen sie gar Gesichtersuchmaschinen, um Fotos der Betroffenen in entlegenen Winkeln des Netzes zu entdecken? Das Landesamt will auf die Fragen nicht antworten, die Antwort könne dem „Zwecke der Maßnahme zuwiderlaufen“. Lediglich zur Frage nach den Suchmaschinen stellt eine Sprecherin klar: Man nutze für die Recherche keine datenverarbeitende Software…“ Beitrag von Chris Köver vom 21. September 2022 bei Netzpolitik.org externer Link mit Wiedergabe der Antworten auf die Anfragen der beiden grünen Landtagsabgeordneten
  • Migrationskontrolle: EU-Agentur gibt 1,5 Milliarden für virtuelle Grenzen aus. 
    „… Allein im Zeitraum 2014 bis 2020 haben die Agenturen Frontex und eu-LISA insgesamt 1,9 Milliarden Euro für Verträge für Grenzüberwachungs- und Grenzkontrollsysteme ausgegeben. Auf diese Zahl kommt die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch, die dafür Ausschreibungen auf der europäischen Vergabeplattform ausgewertet hat. Das Geld ging vorwiegend an große Konzerne aus dem IT-Bereich sowie an Rüstungsfirmen. Rund ein Viertel der Summe entfällt auf Frontex. (…) Viele der Verträge über insgesamt 1,5 Milliarden Euro entfallen auf Konzerne wie Sopra Steria und Idemia, die mit der Wartung und Entwicklung von SIS II, Eurodac und VIS beauftragt sind. Das meiste Geld fließt jedoch in den Aufbau einer gänzlich neuen Datenbank, die nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. 2017 hat der Rat die Verordnung über dieses Einreise-/Ausreisesystem (EES) angenommen, das alle Grenzübertritte von Drittstaatsangehörigen an den EU-Außengrenzen erfasst. (…) Wie im SIS II, Eurodac und VIS werden im neuen EES neben Fingerabdrücken auch Gesichtsbilder gespeichert. Diese biometrischen Daten zentralisiert eu-LISA zukünftig in einem neuen „gemeinsamen Identitätsspeicher“, dort sind sie mit einem „Abgleichsystem“ durchsuchbar. (…) Vermutlich handelt es sich bei dem EES um das komplexeste europäische Informationssystem seit der Einführung des SIS im Jahr 1995. (…) Eigentlich sollte das neue Einreise-/Ausreisesystem im Mai 2023 in Betrieb gehen, dieser Zeitpunkt verschiebt sich aber auf mindestens Herbst. (…) Ebenfalls mit etwas Verspätung soll dann auch das neue Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) einsatzbereit sein. Alle Reisenden, die für einen visafreien Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, müssen sich einige Tage vor ihrem Grenzübertritt über ein Formular online registrieren. Die Angaben werden automatisiert überprüft, anschließend erteilt das System entweder die Freigabe oder eine anfechtbare Einreiseverweigerung. Die Prozedur kostet 7 Euro, eine Reiseautorisierung ist drei Jahre gültig.“ Beitrag von Matthias Monroy vom 1. Februar 2022 bei MiGAZIN externer Link
  • Europol und Daten von Asylsuchenden: EU-Polizeibehörde lässt offen, ob sie illegale Datensammlung löscht 
    „… Die EU-Polizeibehörde Europol hat einen wahren Schatz an Ermittlungsdaten angehäuft. Daten aus Ermittlungen in EU-Staaten und Daten von Asylsuchenden landeten jahrelang bei Europol, auch wenn sie in den Datenbanken der Mitgliedsstaaten längst gelöscht waren. Einige Medien sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Datenarche“. Das soll wohl Assoziationen an die Arche Noah wecken, mit der der biblische Patriarch Tier und Mensch vor der Flut rettete. Interne Europol-Dokumente, aus denen der Spiegel, der Guardian und andere Medien zitieren, sprechen von vier Petabyte an Daten – so viel wie drei Millionen CD-ROMs. Das Problem für Europol: Viele dieser Daten hätte die Polizeibehörde nie speichern dürfen. Der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski ordnete am Montag die Löschung aller persönlichen Daten an, die nicht mit einer konkreten Straftat im Zusammenhang stehen. Datenschützer:innen kritisieren die „Datenarche“ als eine Form der unzulässigen Massenüberwachung, die Anklänge an die NSA-Affäre habe. Europol drohe zu einer Art „schwarzen Loch“ für Daten von Millionen von Europäer:innen zu werden, sagt Chloé Berthélémy vom NGO-Verband European Digital Rights zum Spiegel und zum britischen Guardian. Einzelne Beispiele machen deutlich, wie problematisch die Europol-Datensammlung sein könnte. Der Spiegel berichtet über einen niederländischen Aktivisten, der wegen eines antirassistischen Protestes auf einer Terrorliste der Behörden landete. Selbst nachdem der Eintrag in den Niederlanden gestrichen wurde, blieben die Daten bei Europol. Wann solche Daten bei Europol als nicht mehr notwendig gelöscht werden, sei nicht ausreichend klar, kritisiert der EU-Datenschutzbeauftragte. (…) Sollten die Europol-Chef:innen die Datenarche unverändert weiterbetreiben wollen, kann der Datenschutzbeauftragte der EU wenig ausrichten: Er kann zwar eine Löschung anordnen, mittels Sanktionen gegen die Behörde durchsetzen kann er sie aber nicht. Mit Spannung wird daher eine neue Europol-Verordnung erwartet, an der EU-Verhandler:innen derzeit arbeiten. Diese könnte nach Berichten allerdings die Befugnisse der Behörde zu Datensammlung eher ausweiten als schmälern.“ Beitrag von Alexander Fanta vom 11. Januar 2022 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Europäische Grenzpolitik: Millionen für militärische Überwachungstechnologie an Außengrenzen 
    „Um Geflüchtete von der Einreise an den EU-Außengrenzen abzuhalten, gibt die Europäische Union Millionen für modernste Überwachungstechnologien aus. Davon profitieren vor allem private Rüstungsunternehmen. Militärische Drohnen, mobile Radargeräte und automatisierte Lügendetektoren — in den letzten zehn Jahren hat die EU hunderte Millionen Euro für moderne Überwachungstechnologien ausgegeben, um Geflüchtete von der Einreise in die EU abzuhalten. Das berichtet „The Guardian“ in einer umfassenden Übersicht zur „Festung Europa“. Neben der heftig in der Kritik stehenden Grenzschutzbehörde Frontex, die ein großer Abnehmer für neue Grenzschutztechnologien ist, fördert die EU den Einsatz von Überwachungstechnologien an den Außengrenzen ihrer Mitgliedsstaaten als zentraler Geldgeber, etwa mit Fonds für innere Sicherheit oder dem Innovationsförderungsprojekt Horizon 2020. Erst letzten Monat hatte die polnische Regierung genehmigt, eine 5,5 Meter hohe und 200 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Belarus zu errichten, die mit hochsensiblen Bewegungsmeldern und Wärmekameras ausgestattet sein soll. 350 Millionen Euro legt Polen für den Bau auf den Tisch. (…) Im Jahr 2018 prognostizierte die EU, dass der europäische Sicherheitsmarkt bis 2020 auf 128 Milliarden Euro anwachsen werde. Davon profitieren vor allem Rüstungs- und Technologieunternehmen, die diese Technologien anbieten. Das hat bei Aktivist:innen und einigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments Besorgnis ausgelöst. (…) Inzwischen gibt es eine ganze Reihe an Technologien, mit denen die EU-Grenzbehörde die Geflüchteten an der Einreise hindern wollen. Neben der Überwachung aus der Luft durch militärische Drohnen kommen am Boden nicht nur Sensoren und Spezialkameras, sondern auch automatisierte Software zum Einsatz. (…) Zusätzlich zu Sensor- und Kameratechnik setzt die EU auch zunehmend auf automatisierte Überwachungssysteme. Drei Jahre lang hat sie in Griechenland, Ungarn und Lettland einen automatisierten Lügendetektor getestet, der die Mimik von Geflüchteten und anderen Reisenden scannt, während sie Fragen beantworten und dann entscheidet, ob sie die Wahrheit sagen. Das Pilotprojekt hat die EU 4,5 Millionen Euro gekostet. Wissenschaftler:innen haben die Technologie als „pseudowissenschaftlich“ kritisiert. Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer hat vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bereits gegen die Software geklagt. Eine Entscheidung wird für den 15. Dezember erwartet.“ Beitrag von Christina Braun vom 6. Dezember 2021 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Pünktlich zum Weltflüchtlingstag: “Millionen für Drohnen und Lügendetektoren an den Grenzen” 
    Pünktlich zum Weltflüchtlingstag kommt diese Story über EU-Gelder für die Forschung – sie werden zunehmend zum Ausbau der “Festung EUropa” genutzt. In Sonntagsreden bekennt sich die EU zu einer humanen Flüchtlingspolitik und zu einer KI (“Künstlichen Intelligenz”) mit menschlichem Antlitz. Wie es in der Praxis aussieht, zeigt dieser Artikel im “Standard” aus Wien: EU investiert Millionen in Forschung zu Drohnen und Lügendetektoren an den Grenzen externer Link. Siehe auch Drohnen, Clouds und KI: Brüssel forciert Militär-Forschung externer Link …“ Beitrag von Eric Bonse vom 20. Juni 2021 auf seinem Blog LostInEU externer Link
  • Gericht stoppt Handydatenauswertung bei Asylsuchenden 
    Die umstrittene Handydatenauswertung von Flüchtlingen verletzt Betroffene in ihren Grundrechten. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin im Falle einer 44-jährigen Afghanin entschieden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte wirft Bamf Grundrechtsverletzung vor. (…) Klägerin war eine 44-Jährige aus Afghanistan, die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt wird. Laut GFF geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Auslesen der Datenträger zum Zeitpunkt der Antragsstellung im Asylverfahren rechtswidrig ist, weil es zur Feststellung der Identität und Herkunft nicht erforderlich sei. Das stelle nun rechtlich die gesamte Praxis des Bundesamtes in Frage, erklärte die GFF-Juristin und Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann: „Das Bamf verletzt mit seinen Handydatenauswertungen Grundrechte.“ Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens hat das Gericht die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen…“ Meldung vom 04.06.2021 beim Migazin externer Link, siehe auch die GFF-Pressemitteilung externer Link
  • EU-Projekt iBorderCtrl: „Intelligentes tragbares Grenzkontrollsystem“ als Lügendetektor und „Risikobewertung“ 
    „Ein wieder lesbar gemachtes Dokument enthüllt, wie Begünstigte der EU-Sicherheitsforschung auf Gesetzesänderungen zur Einführung verbotener Grenztechnologien gedrängt haben. Die EU-Kommission finanziert jetzt ein Nachfolgeprojekt mit 8 Millionen Euro. Drei Jahre lang hat ein Konsortium aus europäischen Firmen, Instituten, Hochschulen und Polizeien in einem EU-Projekt an Technologien gearbeitet, um Grenz- und Zollbehörden die Arbeit zu erleichtern. In einem „Intelligenten tragbaren Grenzkontrollsystem“ (iBorderCtrl) wurden mehrere Anwendungen zusammengefasst, Beamt:innen können darauf über ein Mobilgerät zugreifen. Das Prinzip beruht darauf, dass Reisende möglichst viele persönliche Daten vor ihrer Einreise selbst in das System einspeisen. Die Plattform nimmt anschließend eine Risikobewertung vor und bezieht dazu weitere Datenquellen wie Facebook oder Twitter ein. Ein Algorithmus entscheidet, ob die Person als ungefährlich eingestuft wird. (…) Weil das Verfahren wie ein „Lügendetektor“ funktionieren, hat das EU-Projekt für heftige Kritik gesorgt. Die Beteiligten und die EU-Kommission haben daraufhin versichert, es handele sich lediglich um Forschung, eine Einführung von „Täuschungserkennung“ in EU-Grenzkontrollsysteme sei keinesfalls geplant. Diese Beschwichtigung steht jedoch infrage, nachdem der Europaabgeordnete Patrick Breyer ein geschwärztes Dokument von iBorderCtrl wieder lesbar machen konnte. (…) Von den Enthüllungen des ungeschwärzten Dokumentes zeigt sich Breyer […] schockiert und kritisiert, „dass EU-Forschungsgelder tatsächlich dazu verwendet werden, Lobbyarbeit für Gesetzesänderungen zu betreiben, die unsere Grundrechte beschneiden“. Das trifft vermutlich auch für ein weiteres Projekt zu, in dem die von iBorderCtrl 2019 beendeten Forschungen weitergeführt werden. Eine „Technologiegestützte Risikoabschätzung durch prädiktive Bewertung der sozio-technischen Sicherheit“ (TRESPASS) soll Grenzkontroll- und Zollbehörden ein „risikobasiertes Profiling“ ermöglichen, um „Schmuggel, irreguläre Einwanderung, grenzüberschreitende Kriminalität und Terrorismus“ zu erkennen und zu verfolgen. Im Gegensatz zu iBorderCtrl hat die Kommission ihre Förderung für TRESSPASS mit rund 8 Millionen Euro sogar fast verdoppelt. Aus Deutschland beteiligt sich daran die Fraunhofer-Gesellschaft. (…) Auch in TRESSPASS werden die vorab von den Reisenden mitgeteilten Informationen korreliert, anschließend erfolgt eine Abfrage von sozialen Medien und dem „Dark Web“. Treffen die Personen dann am Flughafen ein, werden sie von einer „Echtzeit-Verhaltensanalyse“ beobachtet. Reisende und ihr Gepäck können dazu mit Scannern durchleuchtet werden. Auch hinsichtlich der Datenbanken, die zur Risikoanalyse genutzt werden, geht TRESSPASS über iBorderCtrl hinaus. Auf der Projektwebseite beantwortet TRESSPASS die Frage, ob auch „Lügendetektoren“ untersucht werden, mit „grundsätzlich ja“. Wird ein verdächtiger Reisender befragt, könne die Technologie „speziell geschulten Grenzbeamten helfen, die Aufrichtigkeit von Reisenden und ihrer Aussagen schneller und genauer zu beurteilen“. Beitrag von Matthias Monroy vom 26. April 2021 bei Netzpolitik.org externer Link: „EU-Projekt iBorderCtrl: Kommt der Lügendetektor oder kommt er nicht?“
  • Vorhersage von Straftaten und Profiling: Europol und Frontex setzen auf Künstliche Intelligenz 
    „Die EU-Polizeiagentur erhält demnächst eine neue Verordnung, wonach heikle Personendaten für Forschungszwecke genutzt werden dürfen. Entsprechende Projekte laufen bereits. Schon im nächsten Jahr will die EU-Grenzagentur einen KI-gestützten Lügendetektor zur Einreisekontrolle einsetzen. (…) Europol ist nur zuständig, wenn eine begangene oder mutmaßlich bevorstehende Straftat zwei oder mehr Mitgliedstaaten betrifft. Dann darf die Agentur aber auch Informationen zu Kontaktpersonen verarbeiten, außerdem zu Zeug:innen oder Opfern von Straftaten. Diese Daten werden von einer Software auf sogenannte Kreuztreffer durchsucht. Von dieser Suche nach Zusammenhängen zwischen Taten oder Täter:innen verspricht sich Europol neue Ermittlungsansätze. (…) Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat dieses Verfahren im vergangenen Jahr kritisiert und darauf verwiesen, dass für eine Rasterfahndung in Massendaten keine Rechtsgrundlage existiert. Derzeit diskutieren die EU-Mitgliedstaaten über die Neufassung der Europol-Verordnung, wonach Europol eine solche „Analyse umfangreicher und komplexer Datensätze“ zukünftig erlaubt werden soll. In dem Vorschlag der Kommission wird dies als „Big Data“ bezeichnet. Die Verordnung soll es außerdem ermöglichen, die umfangreichen Personendaten für das „Entwickeln, Trainieren, Erproben und Validieren“ von Algorithmen einzusetzen. (…) Die verstärkte Nutzung von Algorithmen zur Strafverfolgung hatte die EU-Kommission vor einem Jahr in einem „White Paper“ angekündigt. (…) Die Beteiligten wollen dabei eine „deskriptive und prädiktive Datenanalyseplattform“ und dazugehörige „Werkzeuge“ zur Suche in Massendaten entwickeln. Das Gesamtprojekt kostet 8,9 Millionen Euro, das meiste davon trägt die Kommission. Als einzige deutsche Teilnehmerin ist das privat betriebene Cybercrime Research Institute an Bord. (…) Während bei Europol noch an Künstlicher Intelligenz geforscht wird, ist Frontex bereits einen Schritt weiter. Die EU-Grenzagentur betreibt die Zentraleinheit des neuen „Reiseinformations- und Autorisierungssystems“ (ETIAS). Alle Reisenden müssen dann vor einer Einreise in die Europäische Union einem digitalen Avatar 15 Fragen beantworten und werden dabei mithilfe ihrer Webcam auf auffällige Mimik hin beobachtet. Hält das System eine Auskunft für gelogen, wird die Person beim späteren Grenzübertritt entsprechend überprüft. Im Hintergrund des Lügendetektors arbeitet eine Profiling-Software, die die Reisewilligen zunächst mit einschlägigen Datenbanken und einer von Frontex geführten „Watchlist“ abgleicht. Dabei nutzt ETIAS vordefinierte Risikoindikatoren und Screening-Regeln, für deren Erstellung ebenfalls Frontex zuständig ist. Mit iBorderCtrl hat die Kommission bereits ein entsprechendes Forschungsprojekt gefördert…“ Beitrag von Matthias Monroy vom 2. März 2021 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Teuer und nutzlos: Kritik an Handydaten-Auswertung bei Flüchtlingen 
    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat beim Bundesdatenschutzbeauftragten Beschwerde gegen die Handydatenauswertung bei Flüchtlingen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingereicht. „Das Datenschutzrecht gilt für alle Menschen, auch für Geflüchtete“, erklärte die GFF-Juristin Lea Beckmann am Montag in Bonn. Die Handydatenauswertung bewertet sie als damit unvereinbar. Nun liege es am Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber zu überprüfen, was das Bundesamt genau tue. Die GFF hat nach eigenen Angaben gemeinsam mit einem Syrer, der 2015 als Flüchtling anerkannt wurde, die Beschwerde gegen die Auswertung seines Handys eingereicht. Das Handy des 30-Jährigen sei 2019 im Rahmen einer umfassenden Nachprüfung einer großen Zahl alter Asylentscheidungen ausgelesen worden. Aus Angst, doch aus Deutschland abgeschoben zu werden, habe er sein Smartphone zur Auslesung der Daten übergeben, zitiert die GFF den anerkannten Flüchtling. Doch die ursprüngliche Entscheidung in seinem Asylverfahren sei davon unberührt geblieben. Bereits seit vergangenem Jahr klagt die GFF nach eigenen Angaben gemeinsam mit Syrer und zwei weiteren Klägerinnen vor den Verwaltungsgerichten Hannover, Berlin und Stuttgart. Die GFF verwies darauf, dass die Handydatenauswertung seit einer Änderung der Asylgesetzgebung im Jahr 2017 erlaubt ist, wenn ein Asylsuchender keine Dokumente vorweisen kann. Dann würden Smartphonedaten wie Kontakte, Anruflisten, Browserverläufe oder Geodaten aus Fotos ausgewertet, um Hinweise auf Identität und Herkunft zu erhalten…“ Meldung vom 09.02.2021 beim Migazin externer Link zur GFF-Pressemitteilung vom 8.2.2021 externer Link

  • Privatsphäre: Flüchtlinge klagen wegen Handyauswertungen gegen Bamf 
    „Wer einen Asylantrag stellt, muss dem Bamf Rede und Antwort stehen – und seit 2017 sein Handy zur Auswertung abgeben. Doch ist dies auch bei Überprüfungen älterer Anträge rechtens? Und wie effektiv ist das Verfahren? (…) Mehrere Flüchtlinge klagen gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen Handyauswertungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). An den Verwaltungsgerichten in Hannover, Berlin und Stuttgart haben Anwälte im Namen einer 37-jährigen Afghanin, einer 25-jährigen Frau aus Kamerun und eines 29-jährigen Syrers gegen das Auslesen der Daten von Mobiltelefonen eingereicht, wie die Gesellschaft am Dienstag in Berlin mitteilte. „Gegen die Verletzung des Grundrechts auf digitale Privatsphäre klagen wir mit drei Personen – stellvertretend für Tausende Betroffene und durch alle Instanzen“, erklärte die Juristin Lea Beckmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Das Bamf missachte die hohen verfassungsrechtlichen Vorgaben, an die der Staat beim Zugriff auf persönliche Daten gebunden sei und verschaffe sich mit einer Analyse-Software Zugriff auf Daten, Kontakte, Rufnummern, Fotos, Apps, Adressen von Webseiten und Email-Adressen. (…) Das Bundesamt habe zwischen Anfang 2019 und Ende April 2020 rund 11.756 Datenträger von Asylantragstellern ausgelesen und in einem sogenannten Datentresor gespeichert, berichten die Zeitungen. (…) Die Handydatenauswertungen sind seit einer Änderung des Asylgesetzes im Jahr 2017 erlaubt. Damals hatte die  Bundesdatenschutzbeauftragte starke Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Handyüberprüfungen von Flüchtlingen geäußert. Auf Mobiltelefonen liege eine Fülle teils höchst persönlicher Daten, erklärte Andrea Voßhoff in einer Stellungnahme an den Bundestag. Auch unbeteiligte Kontaktpersonen wie Rechtsanwälte würden durch die Auswertung erfasst…“ Meldung von und bei MiGAZIN am 6. Mai 2020 externer Link
  • Studie: Handyauswertung von Flüchtlingen bringt kaum Ergebnisse 
    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will gegen die Auswertung von Handydaten in Asylverfahren klagen. Sie bringe kaum verwertbare Ergebnisse und verletze Grundrechte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerspricht. Doch die Vorwürfe wiegen schwer. Die seit 2017 praktizierte routinemäßige Handydatenauswertung in Asylverfahren bringt laut einer Studie der Gesellschaft für Freiheitsrechte kaum verwertbare Ergebnisse. Seit der Einführung des Verfahrens im September 2017 habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hochgerechnet etwa 20.000 Mobiltelefone von Asylsuchenden ausgelesen und mehr als elf Millionen Euro in dieses Verfahren investiert, heißt es in einer Ende Dezember veröffentlichten Analyse von Behörden-internen Unterlagen externer Link. Das Bundesamt erklärte, die Studie ziehe nicht zulässige Schlüsse. Zwischen Januar 2018 und Juni 2019 sei das Auslesen in etwa einem Viertel der Fälle bereits an technischen Problemen gescheitert, heißt es in der Studie. Mehr als die Hälfte der erfolgten Datenträgerauswertungen hätte sich zudem als unbrauchbar erwiesen. Nur in ein bis zwei Prozent der verwertbaren Auswertungen hätten sich Widersprüche zu den Angaben gefunden, die die Asylsuchenden selbst in ihren Befragungen gemacht hatten. In allen übrigen Fällen habe der Test bestätigt, was Asylsuchende vorgetragen hatten. „Dem stehen Kosten von insgesamt 11,2 Millionen Euro von der Einführung 2017 bis Ende 2019gegenüber. Jährlich kommen für den Support der Systeme weitere Kosten in Höhe von schätzungsweise zwei Millionen Euro hinzu“, heißt es in der Analyse. Die Datenträgerauswertung sei demnach nicht nur kostspielig sowie intransparent und generiere kaum verwertbare Ergebnisse, sondern sie verletze auch Grundrechte externer Link. Bei kaum einer anderen gesellschaftlichen Gruppe seien verdachtsunabhängige und derartig intensive Rechtseingriffe vorstellbar, ohne dass die Rechts- und Verfassungsmäßigkeit durch Gerichte überprüft worden wäre, kritisieren die Studienautoren. Diese faktische Rechtsschutzlücke führe dazu, „dass das BAMF aktuell an ihnen neue Formen staatlicher Überwachung austesten kann“...“ Beitrag vom 16.01.2020 beim Migazin externer Link
  • Dialektanalyse bei Geflüchteten: Automatisiertes Misstrauen 
    „Seit mehr als zwei Jahren analysiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Software den Dialekt von Geflüchteten. (…) Ob das Verfahren geeignet ist, belastbare Hinweise auf die Herkunft Geflüchteter zu erhalten, steht in Zweifel. Zum einen merken Forschende an, dass Sprache nicht klar an Ländergrenzen festzumachen ist und sich je nach Lebensverlauf und Sozialisierung einer Person unterscheiden und wandeln kann. Zum anderen hat die Software derzeit laut Angaben des BAMF eine Fehlerquote von etwa 15 Prozent. In diesen Fällen liegt es an den Entscheider:innen, diese Fehler zu erkennen, um nicht ungerechtfertigte Zweifel an den Angaben der Antragsteller:innen in Asylentscheidungen einfließen zu lassen. (…) Jelpke kommentiert dazu gegenüber netzpolitik.org: „Der Einsatz technischer Assistenzsysteme wie der Spracherkennungssoftware ist Ausdruck einer Misstrauenskultur. Immer wieder wird Schutzsuchenden unterstellt, dass sie reihenweise falsche Angaben zu ihrer Identität und Herkunft machten. Dabei gibt es für diese Unterstellung gar keine Belege.“ Der Anteil der Asylverfahren, in welchen falsche Herkunftsangaben durch den Einsatz der Dialekterkennungssoftware aufgedeckt wurden, sei äußerst gering gewesen. Jelpkes Meinung nach sollte das BAMF besser seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich schulen, „anstatt auf fehleranfällige und teure technische Lösungen zu setzen“. (…) Eigentlich wollte das BAMF den Einsatz seiner Sprachanalyse-Software schon 2018 wissenschaftlich begleiten lassen. Bis heute ist nichts passiert. Auf eine Presseanfrage antwortete das Bundesamt Ende 2019: „Die wissenschaftliche Begleitung findet aktuell nicht statt, ist aber künftig geplant.“ Von einem konkreten Zeitraum ist mittlerweile keine Rede mehr. Währenddessen läuft das Programm seit mehr als zwei Jahren und wurde in den Asylverfahren von über zehntausend Menschen eingesetzt.“ Artikel von Anna Biselli vom 9. Januar 2020 bei Netzpolitik externer Link

Siehe zum Thema auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160042
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