Belogen, betrogen und abgeschoben? Auch in Hoyerswerda: Abschiebung von Erkranktem aus dem Gesundheitsamt nach Pakistan
„Mit dem vermeintlichen Termin zur Blutabnahme wurde Faisal R. am 13. Juni in das Gesundheitsamt Hoyerswerda eingeladen. Doch anstatt weiterer Behandlung seiner Erkrankung wurde Herr R. dort von der Polizei überrascht und nach Pakistan abgeschoben. Dabei hatte dieser bereits im Januar einen Antrag auf Chancenaufenthalt gestellt, aber keinen Bescheid noch andere Rückmeldung darüber erthalten. (…) Erneut traf es eine Person, die weder straffällig wurde oder sich gegen Integration verwehrte. So hatte Faisal R. im Januar diesen Jahres ein B1-Zertifikat der deutschen Sprache erreicht. Bei der Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten in Hoyerswerda engagierte er sich ehrenamtlich. Da Faisal R. bereits seit 2015 im Bundesgebiet lebte, hatte er auch einen Antrag auf Chancenaufenthalt gestellt…“ Pressemitteilung vom 22. Juni 2023 des Sächsischen Flüchtlingsrats – siehe mehr daraus und dazu sowie den ähnlichen Fall in Passau:
- Hoyerswerda: Verwaltung verspricht nach umstrittener Abschiebung Aufklärung, Stadt Distanziert sich von Abschiebemaßnahme, Landesdirektion Sachsen verteidigt Vorgehen
„Hoyerswerda will die umstrittene Abschiebung eines Mannes aus Pakistan aufklären. Er war zum Gesundheitsamt gelockt, dort von der Polizei überrascht und abgeschoben worden. Stadtverwaltung zeigte sich erschüttert und verspricht Aufklärung. (…) „In Stellungnahmen und Medienberichten wird der Eindruck erweckt, dass dieser Vorgang in der Verantwortung der Stadt Hoyerswerda liegt. Dies ist nicht der Fall. Das Gesundheitsamt gehört zum Landkreis Bautzen, den Polizeieinsatz verantwortet die Landesdirektion“, stellte die Stadt klar. Aktuell sei man dabei, den Sachverhalt zu klären. „Wenn er sich so oder ähnlich verhält wie bisher berichtet, distanzieren wir uns nachdrücklich davon. Niemand darf zum Zwecke der Abschiebung überrumpelt werden. Dies widerspricht nicht nur dem Landesrecht, sondern auch den Menschenrechten.“ Auch diejenigen, die Deutschland wieder verlassen müssten, gelte es würdevoll zu behandeln. (…) Die Behörde hatte allerdings schon am Donnerstag zurückgewiesen, dass es sich um einen Termin des Gesundheitsamtes handelte. An den betroffenen Mann sei weder schriftlich noch mündlich eine Einladung ergangen. Nach derzeitigem Kenntnisstand habe das Ausländeramt von dem gesamten Abschiebevorgang keine Kenntnis.
Landesdirektion Sachsen verteidigt Vorgehen
Die Landesdirektion Sachsen (LDS) wies auf Anfrage darauf hin, dass der Betroffene nach Ablehnung seines Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und einem erfolglosen Klageverfahren seit 2018 ausreisepflichtig war. Die ihm gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise hätte er verstreichen lassen, hieß es. Die LDS sei daher verpflichtet, die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen, ohne dass ihr hierbei ein Ermessen zustünde. Zudem habe das Verwaltungsgericht Dresden bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht vorlagen…“ Meldung vom 25.06.2023 beim Migazin - Weiter in der Pressemitteilung vom 22. Juni 2023 des Sächsischen Flüchtlingsrats : „… „Auch wenn dieser Bescheid von der Ausländerbehörde abgelehnt worden wäre, hätte zumindest ein Bescheid darüber ausgestellt werden müssen. Doch Faisal R. blieb bis zuletzt im Unwissen darüber, ob er bleiben darf oder nicht. Diese prekäre Lage nutzten die Behörden, um den Erkrankten unter Angabe falscher Tatsachen zum Gesundheitsamt zu locken – nur um ihn abzuschieben.“, kritisiert Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat. (…) Am gleichen Tag kam es darüber hinaus zu einem Suizid eines Menschen aus Pakistan, der in Soest lebte und ebenfalls seine Abschiebung fürchtete. Unterstützer*innen berichten, dass er keinen Schutzstatus erhielt und sich über den Umgang der Behörden in seinem Fall beschwerte. Ein restriktives System der Diskriminierung, in dem Menschen ohne Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit oder Sprachkurs über Jahre Angst eine Abschiebung fürchten, schafft enorme tägliche psychische Belastungen für Betroffene. Leider ist die Tragödie von Soest kein Einzelfall: Ähnliche Fälle werden deshalb seit über 29 Jahren von der „Antirassistischen Initiative“ aus Berlin dokumentiert.“
Wir erinnern an Belogen, betrogen und abgeschoben? Ausländerbehörde des Landkreises Passau lockt iranischen Geflüchteten in die Abschiebungsfalle – in letzter Sekunde gestoppt vom Oktober 2022