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Abzug aus Afghanistan: Die NATO beendet ihren 20-jährigen Krieg am Hindukusch und lässt ihr Einsatzgebiet in katastrophalem Zustand zurück
Dossier
„… War die Entsendung der deutschen Soldaten Ende 2001 noch von hehren Ankündigungen begleitet worden („Frieden“, „Menschenrechte“), so kehren sie nun aus einem desaströs verelendeten, von Gewalt geprägten und im Bürgerkrieg versinkenden Land heim. Zum Schutz ihres Abzuges musste eigens noch ein Mörserzug an den Hindukusch geflogen werden. Zuvor hatte die Biden-Administration ihre Verbündeten mit einem neuen Alleingang bei der Entscheidung über die Beendigung des Einsatzes düpiert. (…) Während weithin Konsens über das Scheitern des 20-jährigen NATO-Krieges am Hindukusch herrscht, findet die deutsche Verteidigungsministerin lobende Worte…“ Bericht vom 4. Mai 2021 von und bei German-Foreign-Policy – die Grafik „Wenn sie erst befreit sind, dürfen sie für 5 $ Cent für uns schuften“ hat Toldi 2012 für den den Afghanistan-Krieg im LabourNet-Archiv erstellt, fast weitsichtig – siehe dazu:
- Im Reich der Taliban-Zensur: Die islamistischen Machthaber in Afghanistan verschärfen sukzessive ihre Einschränkungen des Aussprechbaren
„»Ich kann nicht frei sprechen, geschweige denn frei berichten. Mittlerweile zensiere ich mich selbst«, sagt Mohammad Zaman per Sprachnachricht auf Whatsapp. Wenige Minuten später löscht er den Nachrichtenverlauf. Die Gefahr, dass das Mobiltelefon des Journalisten plötzlich an einem Taliban-Checkpoint kontrolliert wird, sei zu groß. Zaman ist Anfang 40 und Journalist. Jahrelang berichtete er für zahlreiche lokale und internationale Medien aus dem Südosten Afghanistans. Heute ist die Arbeit deutlich schwieriger. Afghanische Journalisten werden von den extremistischen Machthabern bedrängt, zensiert und bedroht. »Die Zensur ist streng. Man muss sich immer mit dem Informationsministerium der Taliban abstimmen. Wer das nicht tut, bekommt Probleme«, erzählt Zaman. Unabhängige Recherchen und Interviews, die in einer freien Medienlandschaft zum Alltag gehören, seien nicht mehr möglich. Wer berichten will, braucht nicht nur eine Akkreditierung der Taliban, sondern muss oft auch deren Narrative übernehmen. (…) Doch Zaman und viele andere Journalisten, die weiterhin im Land leben und arbeiten, haben noch andere Probleme. »Ich habe erfahren, dass sie Listen führen. Da steht auch mein Name drauf«, sagt Zaman besorgt. Die Listen der Taliban sollen voll sein mit den Namen jener Journalisten, die einst für westliche Medien tätig gewesen sind. Viele dieser Medien sind bis heute bei den Taliban verhasst. Sie werfen ihnen »Propaganda« vor, die über die Jahre zu einem schlechten Image der Islamisten geführt habe. Auf Feinheiten und Nuancen wird dabei kaum geachtet. (…) »Es gibt keine Presse- und Meinungsfreiheit mehr in Afghanistan. Das ist die traurige Realität und wir wissen nicht, wann sich das wieder ändern wird«, sagt Jawed Farhad, ein bekannter Publizist, ehemaliger Medienmacher und Universitätsdozent. (…) »Alles, was nicht mit der Taliban-Ideologie konform ist, wird verboten. Bücher über Liberalismus, Sozialismus, Marxismus, Säkularismus und Demokratie werden nicht geduldet. Der gesamte Buchhandel ist stark unter Druck«, erklärt Farhad, dessen eigene Arbeit ebenfalls betroffen ist. Die verantwortlichen Taliban-Ministerien würden regelmäßig intervenieren und Druck auf Autoren und Verleger ausüben. (…) Dass es hier praktisch jeden treffen kann, zeigt ein aktueller Fall. Vor rund fünf Monaten wurde der deutsch-afghanische Aktivist Jama Maqsudi vom Taliban-Geheimdienst in Kabul verhaftet. Maqsudi ist Mitglied der Grünen und lebt seit über 40 Jahren in Deutschland. Seine Kritik am Taliban-Regime äußerte er auf Demonstrationen sowie in den sozialen Medien. Während seiner Haft bemerkte Maqsudi, dass die Taliban über all diese Dinge Bescheid wussten. In einer ähnlichen Situation fand sich im vergangenen Jahr auch der französisch-afghanische Journalist Murtaza Behboudi wieder. Er war monatelang verschwunden, nachdem ihn die Taliban in der Provinz Bamiyan verhaftet hatten…“ Artikel von Emran Feroz und Ahmad Zubair vom 26. November 2024 in Neues Deutschland online - Taliban in Afghanistan: Zwangsehen, Femizide und deutsche Abschiebungen – oder: Unsichtbare Wesen – zur aktuellen Situation der Frauen und dem Bedarf an Flüchtlingsschutz
- Afghanistan: Unsichtbare Wesen – zur aktuellen Situation von Frauen in Afghanistan
„Das Taliban-Regime zielt mit neuen afghanischen Laster- und Tugendgesetzen auf die völlige Unsichtbarmachung der Frau. Selbst die Stimme der Frau wird als intim bezeichnet und darf in der Öffentlichkeit nicht mehr gehört werden – nicht singend, nicht reimend, nicht rezitierend. Das zeigt: Frauen aus Afghanistan brauchen Flüchtlingsschutz.
Das 114-seitige Dokument mit 35 Artikeln, das der Associated Press vorliegt , ist das erste Laster- und Tugendgesetzespaket der Taliban, die seit Mitte 2021 in Afghanistan die Macht innehaben. Bisher haben die Taliban ihre Vorschriften für Frauen per Dekrete erlassen – mittlerweile über 80 an der Zahl. Mit dem nun neuen Gesetz erhält die Sittenpolizei des zuständigen »Ministeriums für Gebet und Orientierung sowie zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung von Lastern« mehr Macht. Sie darf das persönliche Verhalten der Bevölkerung über Verwarnungen bis hin zu Untersuchungshaft regulieren. Das Gesetz wurde am 21.08.2024 vom Obersten Führer Hibatullah Achundsada in Kraft gesetzt. (…) Die Taliban wollen Frauen aus dem öffentlichen Leben ausschließen. Sie werden zu »unsichtbaren Wesen« gemacht. (…) Das Gesetzespaket betrifft vor allem Frauen, aber auch viele Aspekte des täglichen Lebens der ganzen Bevölkerung, wie öffentliche Gebets-Regeln, Männer-Kleidung, Bartlänge, Verkehrsmittel, Musik und das Feiern. So verbietet das Gesetz zum Beispiel die Veröffentlichung und das Ansehen von Bildern von Menschen und Tieren, was die ohnehin fragile afghanische Medienlandschaft bedroht. Auch das Abspielen von Musik wird verboten. Die Beförderung allein reisender Frauen wird verboten und Fahrer und Fahrgäste werden verpflichtet, zu bestimmten Zeiten Gebete zu verrichten. Männern und Frauen, die nicht miteinander verwandt sind, wird es grundsätzlich verboten sich einander zu nähern. Homosexuelle Beziehungen, Ehebruch und Glücksspiele werden ebenfalls in dem Gesetz (erneut) verboten. (…) Das Fatale: Während sich die internationale Gemeinschaft mit Erklärungen zu Wort meldet, laufen in der Praxis Vorbereitungen, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Nach jedem neuen Dekrete-Paket gegen Frauenrechte gibt es aus der ganzen Welt Erklärungen – denen jedoch keine Taten folgen! Dasselbe geschieht nun mit dem Tugendgesetz. Gleichzeitig sind es gerade die internationalen Institutionen, die Frauen von wichtigen Treffen ausschließen. Sie tragen die Verantwortung für die Machtergreifung der Taliban, sie kooperieren gerade mit denen, die Afghanistan auf Kosten der Frauen regieren und versuchen, die Frauen zu entmenschlichen. Einige europäische Länder versuchen derzeit mit den Taliban zu verhandeln. Norwegen hat die afghanische Botschaft der vorherigen afghanischen Republik vor wenigen Tagen geschlossen. Ebenso bereitet Deutschland afghanischen Quellen zufolge derzeit die Schließung der afghanischen Botschaft im eigenen Land vor. Das sind fatale Schritte in Richtung einer Normalisierung des jetzigen Taliban-Regimes, die zudem erhebliche Folgen für diejenigen haben werden, die vor der Taliban geflohen sind und nun gezwungen werden, sich für Dokumente an das verbrecherische Regime zu wenden. (…) Das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen steht nur drei Jahre nach dem chaotischen Abzug der internationalen Streitkräfte im Sommer 2021 nun vor dem Aus – trotz der nicht eingelösten Schutzversprechen der Bundesregierung. Nach dem aktuellen Haushaltsplan der Regierung wird für nächstes Jahr kaum noch Geld hierfür eingeplant. Doch gerade jetzt ist dieser Schutz dringend nötig – die neuen Tugendgesetze der Taliban zeigen einmal mehr, wie bedroht die Menschen in Afghanistan sind. Für PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte steht diese katastrophale Entwicklung des Bundesaufnahmeprogramms auch im Zusammenhang mit den flüchtlingsfeindlichen Debatten der letzten Monate. Sie fordern mit vielen weitere Organisationen in einem gemeinsamen Statement vom 15.08.24 den Erhalt und die tatsächliche Realisierung des Bundesaufnahmeprogramms und die Einhaltung der Schutzversprechen Deutschlands.“ Meldung vom 16. September 2024 von Pro Asyl - Siehe auch die Brüsseler Erklärung des Europarats
- Taliban in Afghanistan: Zwangsehen, Femizide und deutsche Abschiebungen
„Ein Team des Centre for Information Resilience hat die Gewalttaten der Taliban in Afghanistan analysiert und kam auf schockierende Zahlen – nur die Spitze des Eisbergs, kommentiert der Studienleiter. Das Ausmaß der Gewalt an Frauen sei größer. Die Taliban spinnen das Netz der Geschlechter-Apartheid in Afghanistan immer feinmaschiger. Derweil schiebt die Bundesregierung kriminelle Afghanen ab und gibt dem islamistischen Regime ungewollt einen „normalen“ Anstrich. Die Forschenden des Afghan Witness-Projekts konnten aufdecken, wie groß das Ausmaß an Zwangsehen, sexueller Sklaverei, willkürlichen Verhaftungen oder Tötungen von Frauen ist. Das Projekt ist ein Teil des Centre for Information Resilience und hat seit der Rückkehr der Taliban im Jahr 2021 über 332 Fälle von Femiziden und 840 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt gezählt. Auffällig war der Trend zu mysteriösen Todesfällen prominenter afghanischer Frauen, wie zum Beispiel der beliebten YouTuberin Hora Sadat. Die Ergebnisse der Studie basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen, herkömmlichen und den Sozialen Medien. Die Zahlen sind schockierend, noch alarmierender ist, dass sie laut David Osborn, dem Direktor des Afghan Witness-Projekts, vermutlich nur „die Spitze des Eisbergs“ zeigen. (…) Schrittweise perfektionieren die Talibs ihr System der Geschlechter-Apartheid. Erst Ende August führten sie ihr „Tugend-Gesetz“ ein. Es besagt, dass die Stimme der Frau zu intim sei. Deshalb darf eine Frau in der Öffentlichkeit nicht singen, rezitieren oder laut vorlesen. „Das neu verabschiedete Gesetz zementiert eine Politik, die Frauen im öffentlichen Leben komplett auslöscht, sie zum Schweigen bringt und ihnen ihre Selbständigkeit nimmt, indem man versucht, sie zu gesichtslosen, stummen Schatten zu machen. Das ist unerträglich!“, sagt Ravina Shamdasani vom UN-Menschenrechtsbüro Genf zu den neuen Regeln. (…) Die Vereinten Nationen bezeichnen das System in Afghanistan als „Geschlechter-Apartheid“. Unbeeindruckt davon, schiebt Deutschland kriminelle Afghanen in das Land am Hindukusch ab. Flüchtlingsorganisationen kritisierten diesen Schritt. Damit würde Deutschland ein Regime „normalisieren“, das sich eklatanten Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat, vor allem gegen Frauen und Mädchen. Die 28 abgeschobenen Kriminellen sind in Afghanistan wieder aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem sie versprochen hatten, sich künftig gut zu benehmen. (…) Derweil sind Afghanistans Frauen gefangen in einem Albtraum, in dem jeder Tag neue Gefahren und zunehmende Unterdrückung mit sich bringt. Die Taliban haben das öffentliche Leben von Frauen praktisch ausgelöscht. Das Frauenministerium wurde ersetzt durch die Sittenpolizei. Der Zugang zu Bildung, Arbeit und jeglicher Form des politischen oder sozialen Engagements wird ihnen verweigert. Frauen und Mädchen werden de facto auf den häuslichen Raum reduziert, wo sie oft häuslicher Gewalt und Zwangsverheiratungen ausgesetzt sind.“ Beitrag von Oranus Mahmoodi vom 12. September 2024 beim Humanistischen Pressedienst
- Afghanistan: Unsichtbare Wesen – zur aktuellen Situation von Frauen in Afghanistan
- [Petition] UN-Mitgliedstaaten: Straffreiheit beenden für Regimes, die töten, verstümmeln und foltern!
„Unter dem repressiven Regime der Taliban dürfen Frauen nicht arbeiten und Mädchen nicht zur Schule gehen. Wer sich wehrt, wird geschlagen und ausgepeitscht. Das ist Geschlechter-Apartheid, und nach internationalem Recht ist das nicht einmal illegal! Noch nicht … Laut Insidern bei den Vereinten Nationen steht das Schicksal eines neuen Vertrags über Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf Messers Schneide. Ein solcher Vertrag könnte dazu beitragen, Frauen und Mädchen in Afghanistan und anderswo zu schützen. Doch um dies zu erreichen, brauchen wir eine enorme Unterstützung der Öffentlichkeit – also fügen Sie Ihren Namen hinzu! (…) – Insider bei den Vereinten Nationen berichten uns, dass das Schicksal eines neuen Abkommens, das diese „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verbietet, auf Messers Schneide steht. – In vier Wochen trifft sich das Hauptkomitee, um zu entscheiden, ob Verhandlungen eröffnet werden. (…) – Opfer, Überlebende, die Zivilgesellschaft und mehr als 100 Regierungen arbeiten seit Jahren daran – und sie sagen, dass der Zeitpunkt für eine massive öffentliche Unterstützung jetzt gekommen ist. – Dieses Abkommen ist eine einmalige Chance, Regierungen für Gräueltaten gegen Menschen in den gefährdetsten Lebenslagen – Frauen und Mädchen, Kinder, indigene Völker, Menschen mit Behinderungen und viele andere – stärker zur Rechenschaft zu ziehen.“ Petition vom 10. September 2024 bei avaaz.org - [Ja, nach Afghanistan kann beruhigt wieder abgeschoben werden…] Neues „Tugend“-Gesetz: Die Moralpolizei der Taliban schränkt die Rechte von Frauen weiter ein
„Die Moralpolizei der Taliban hat ein neues Regelwerk vorgelegt, dass die Rechte von Frauen in Afghanistan weiter einschränkt. So wird ihnen auferlegt, in der Öffentlichkeit stumm zu bleiben. Auch für Männer gibt es strengere Regeln. Die in Afghanistan herrschenden Taliban haben ein „Tugend“-Gesetz zur Durchsetzung der bereits durch die Sittenpolizei überwachten strengen Verhaltensregeln eingeführt. Das Gesetz, das unter anderem Verschleierungsvorschriften für Frauen und ein Verbot von Homosexualität enthält, wurde vom obersten Anführer der Taliban, Hibatullah Achundsada, bestätigt, wie das Justizministerium mitteilte. Es war bereits Ende Juli im Amtsblatt veröffentlicht worden.
Mit dem Gesetz wird die Sittenpolizei gestärkt, die die am islamischem Scharia-Recht orientierten Verhaltensrichtlinien der Taliban bereits seit deren Rückkehr an die Macht 2021 kontrolliert. Es sieht unter anderem vor, dass „muslimische Frauen verpflichtet sind, ihr Gesicht und ihren Körper zu bedecken“, wenn sie sich in Gegenwart von Männern befinden, die nicht direkt mit ihnen verwandt sind. Die Stimme einer Frau sei intim, daher sollte sie nicht in der Öffentlichkeit singen, rezitieren oder laut vorlesen, heißt es etwa in Artikel 13 des Regelwerks über Laster und Tugenden.
Neue Regeln auch für Männer
Männer müssen demnach mindestens knielange Hosen tragen. Zudem müssen sie einen Bart tragen, der nicht zu kurz sein darf. Homosexuelle Beziehungen, Ehebruch und Glücksspiel sind verboten, ebenso wie die Herstellung und das Ansehen von Videos oder Bildern, die Lebewesen zeigen. Versäumte Gebete und Ungehorsam gegenüber den eigenen Eltern können ebenfalls bestraft werden. Medien dürfen dem neuen Gesetz zufolge keine Inhalte verbreiten, die „die Gesetze der Scharia und der Religion“ missachten, „Muslime beleidigen“ oder „lebendige Wesen“ zeigen.
Die Sittenpolizei kann Verstöße mit Verwarnungen, Drohungen, Geldstrafen, einer Untersuchungshaft von bis zu drei Tagen oder weiteren Sanktionen bestrafen. Im Wiederholungsfall können die Beschuldigten vor Gericht gestellt werden…“ Beitrag vom 22.08.2024 in tagesschau.de („Neues „Tugend“-Gesetz: Taliban führen strenges Regelwerk ein“), siehe dazu:- »Tugendgesetz« in Afghanistan: Verbrechen, eine Frau zu sein. Aus dem Exil ertönt Widerstand gegen das Verbot zu singen, Bella Ciao wir zur Hymne für die unterdrückten Frauen
„Der Kampf gegen die Mädchen und Frauen Afghanistans wurde in geltendes Recht überführt. Die herrschenden Taliban haben ein »Tugendgesetz« verabschiedet, das Frauen das Singen und Vorlesen in der Öffentlichkeit verbietet. Die Stimme einer Frau sei schließlich »intim«. In der Gegenwart von Männern, mit denen sie nicht direkt verwandt sind, müssen Frauen nun vollständig ihr Gesicht und ihren Körper verhüllen, »aus Angst, in Versuchung zu geraten«, heißt es in Artikel 13. Das Gesetz wurde bereits Ende Juli im Amtsblatt veröffentlicht, und der Oberste Führer der Dschihadisten, Hibatullah Achundsada, habe es nun unterschrieben, gab das Justizministerium laut dpa-Meldung vom vergangenen Freitag bekannt. Es diene »der Förderung der Tugend und der Beseitigung des Lasters«, zitiert die emiratische Tageszeitung The National einen Taliban-Sprecher. Das 114 Seiten umfassende Gesetz regelt im Detail das repressive Vorgehen der für ihre Willkür und Brutalität berühmt berüchtigten »Sittenpolizei«, der vom Tugendministerium die Durchsetzung der drakonischen Verhaltensregeln überantwortet wurde. Die umfassende Macht dieser staatlichen Frauenschläger wird durch den neuen gesetzlichen Unterbau gestärkt und nochmals erweitert. Auch »Ehebruch«, außereheliche Beziehungen sowie Homosexualität sind sämtlichen Personen verboten und können durch die Tugendwächter nun sanktioniert werden. Bereits nach ihrer Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban der LGBTIQ-Community im Land den Kampf angesagt, und seitdem sind eine Vielzahl brutaler Vergehen dokumentiert, die bis zu Hinrichtung, Folter und Vergewaltigung schwuler Männer reichen. Unter dem neuen Gesetz dürfen Männer keine Krawatte und müssen hingegen einen Bart tragen, dessen Länge vorgeschrieben ist, ebenso wie die ihrer Hosen. Glücksspiel, Musik und die populäre Kampfsportart Mixed Martial Arts sind ab jetzt verboten. Ebenso die Herstellung, Verbreitung und das Ansehen von Videos oder Bildern, die »Muslime beleidigen« oder »lebendige Wesen« zeigen, was einem Verbot visueller Nachrichten gleichkommt. (…) Nach der Bekanntwerdung des »Tugendgesetzes« veröffentlichten afghanische Frauen in den sozialen Netzwerken Videos, in denen sie singen oder Fotos des Taliban-Führers Achundsada zerreißen. In einem Video singt die in Polen lebende Sala Sasai ein Lied der bekannten Sängerin Arjana Sajid über die Widerstandskraft der afghanischen Frauen. Sie hätten begriffen, »dass Frauenfeinde unsere Menschenrechte nicht länger im Namen von Religion und Kultur verweigern können«, sagte Sasai. »Ihr habt meine Stimme für die absehbare Zukunft zum Schweigen gebracht«, sagt eine vollverschleierte Frau in einem anderen Video. »Ihr habt mich in meinem Zuhause inhaftiert für das Verbrechen, eine Frau zu sein.«“ Artikel von Jakob Reimann in der jungen Welt vom 30. August 2024 („Verbrechen, eine Frau zu sein“), siehe auch:- „Bella Ciao ist zu einer Hymne für die unterdrückten Frauen in Afghanistan und im Iran geworden.“ engl. Tweet von Habib Khan vom 30. Aug. 2024 mit dem Video singender Frauen
- „Marams atemberaubende Klavierdarbietung in Kabul. Unter den Taliban ist Musik nun illegal. Das Afghanistan National Institute of Music förderte Talente wie sie, aber eine der ersten Maßnahmen der Taliban war, die Schule zu verbieten.“ engl. Tweet von Habib Khan vom 01.09.2024 mit Video
- »Tugendgesetz« in Afghanistan: Verbrechen, eine Frau zu sein. Aus dem Exil ertönt Widerstand gegen das Verbot zu singen, Bella Ciao wir zur Hymne für die unterdrückten Frauen
- Frauen sind die großen Verliererinnen in Afghanistan – doch sie vernetzen und wehren sich
- Wirtschaft am Boden: Frauen die großen Verlierer in Afghanistan
„Zwei Jahrzehnte stand Afghanistan unter der Kontrolle westlicher Mächte. Dann wurden Land und Bevölkerung zurückgelassen – in die Hände der Taliban. Jetzt steht die Wirtschaft des Landes am Boden
„Es ist ein heißer Nachmittag in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Mohammad Jawad sitzt in seinem kleinen Laden im Stadtteil Shar-e Naw. Teppiche liegen in Stapeln auf dem Boden oder lehnen zusammengerollt an der Wand. Vor den Fenstern rauscht Anfang Juni der dröhnende Mittagsverkehr vorbei. Ein Kunde kommt zur Tür herein, blättert in einem Teppichstapel, stellt ein paar Fragen und verlässt den Laden wieder. „Hier braucht man Geduld“, sagt Jawad und lacht, „es dauert lange, bis jemand einen Teppich kauft“. Der 44-Jährige weiß, wovon er spricht. Seit fast 19 Jahren handelt der freundliche Mann mit Kinnbart und grauem Haar mit Teppichen aus dem ganzen Land. Als er begann, galt die Teppichbranche in Afghanistan noch als sichere Einnahmequelle, erzählt er. (…) Mit knapp 1,5 Millionen Beschäftigten ist sie zwar der zweitwichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Doch inzwischen steckt auch sie in der Krise. Zwar habe es in den vergangenen Jahrzehnten immer ein Auf und Ab gegeben, etwa während der Corona-Pandemie, sagt Jawad. Doch seit der Machtübernahme der Taliban sei die Lage besonders dramatisch. „Zuerst dachte ich, ich müsste aufhören“, sagt er. (…) Bis heute hat sich die Wirtschaft nicht erholt. Laut Weltbank ist davon auszugehen, dass sich das Wirtschaftsvolumen schlagartig nach der Machtübernahme der Taliban bis zu ein Drittel verringert hat und anschließend weiter gesunken ist. (…) Zwar gibt es keine internationalen Wirtschaftssanktionen, sondern nur gegen einzelne Mitglieder der Taliban-Regierung. Doch bis heute schrecken internationale Finanzinstitute aus Angst vor Reputationsschäden vor Transaktionen mit Afghanistan zurück. (…) Das spürt auch Khalid Faiz, der ein kleines Exportunternehmen in Kabul betreibt. „Wenn wir nicht handeln können, schadet das jedoch vor allem den Frauen“, sagt er. Viele von seinen Produkten, wie etwa Trockenfrüchte, Teppiche oder afghanische Kleidung, würden von kleinen Unternehmen hergestellt, die hauptsächlich Frauen beschäftigten. Auch sein Unternehmen war nach der Machtübernahme der Taliban zusammengebrochen, weil er monatelang kein Geld von ausländischen Kunden empfangen konnte. Mittlerweile würde der 30-Jährige gerne weiter investieren, etwa in den Abbau von Edelsteinen. Doch bislang hat er keinen Investor aus dem Ausland gefunden. Er findet, die internationale Gemeinschaft solle sich schnell mit den Taliban arrangieren – ob offiziell, oder inoffiziell: „Die Restriktionen schaden letztlich nicht den Taliban, sondern nur der Bevölkerung.“ Beitrag von Julian Busch vom 11. August 2024 im MiGAZIN , siehe dazu, wenn auch etwas älter: - Afghanistan: Frauen übernehmen Initiative
„Unter der Taliban-Herrschaft in Afghanistan leiden vor allem die Frauen. Enttäuscht vom Westen vernetzen sie sich, um für ihre Rechte zu kämpfen.
Wöchentlich organisieren sie friedliche Protestaktionen gegen die massiven Einschränkung der Freiheiten von Frauen in Afghanistan. Sie wollen das Bewusstsein der Gesellschaft für Bürgerrechte und Demokratie schärfen. Ihre Organisation, das „Purple Saturdays Movement“, gründeten sie nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 in der Hauptstadt Kabul. „Wir können uns nur auf uns selbst verlassen“, sagt die 30-jährige Mitgründerin des „Purple Saturdays Movement“, Maryam Maroof Arvin, im Gespräch mit der DW. Arvin gehört zu jenen Frauenaktivistinnen, die noch immer in Afghanistan sind und nicht aufgeben wollen. Sie und die Frauen in ihrem Netzwerk organisieren nicht nur Protestaktionen. Sie unterrichten heimlich Mädchen zu Hause, die ab der 6. Klasse nicht mehr zur Schule gehen dürfen; sie sammeln Hilfe für alleinerziehende Frauen und bedürftige Familien; sie kümmern sich um Waisenkinder.
Auf sich allein gestellt
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind vor allem die vulnerabelsten Schichten der Gesellschaft auf sich allein gestellt. Fast alle Internationale Hilfsorganisation haben das Land verlassen, weil die Taliban Menschen- und vor allem Frauenrechte systematisch verletzten. (…)
„Wir müssen unsere Kräfte bündeln“, betont Maryam Maroof. Die Mitgründerin des „Purple Saturday Movement“ appelliert an alle Menschenrechtsaktivisten, Intellektuellen und Andersdenkenden, eine Koalition zu bilden und den Widerstand gegen die Taliban innerhalb des Landes effektiver zu organisieren. „Wir setzen uns für eine legitime, demokratische und inklusive Regierung ein. Und wir müssen akzeptieren, dass wir uns dafür nicht auf diejenigen verlassen können, die Menschenrechte als Mittel nutzen, um sich selbst zu profilieren“, sagt Frauenaktivistin Marood mit bitterem Blick auf die internationale Gemeinschaft.“ Beitrag von Shabnam von Hein vom 09.07.2024 bei Deutsche Welle , siehe aber auch: - „Die Frauenrechtsaktivistin Zarmineh Pariani hat die Entkleidung von Frauen in Taliban-Gefängnissen in Afghanistan aufgedeckt
Nachdem sie vor zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, hat Zarmineh aufgedeckt, dass die Taliban selbst die inhaftierten Frauen gewaltsam und in Gruppen nackt auszogen.“ engl. Tweet von Federation of Anarchism Era vom 13. Juli 2024 zum Video
- Wirtschaft am Boden: Frauen die großen Verlierer in Afghanistan
- Gefährdeten Afghanen werden Zusagen entzogen: Bisher weniger als drei Prozent der angekündigten Aufnahmen – aber Zusammenarbeit mit den Taliban???
- Gefährdeten Afghanen werden Zusagen entzogen
„Bis zu 1.000 gefährdete Personen aus Afghanistan wollte die Bundesregierung jeden Monat seit Ende 2022 aufnehmen. Stattdessen werden nun reihenweise Zusagen zurückgenommen. Nur sehr wenige kommen nach Deutschland
„Als Fatima Ahmadi ihr E-Mail-Postfach öffnet, bricht ihre Welt zusammen. Ein Jahr, nachdem Deutschland sie als gefährdet anerkannt und ihr eine Aufnahmezusage erteilt hatte, wird diese Zusage nun plötzlich zurückgenommen. In dem kurzen Schreiben der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in ihrem Postfach heißt es: „Nach einer erneuten Untersuchung wurde entschieden, dass, anders als zuvor angenommen, für folgende Personen nicht die Grundlage für eine Aufnahme in Deutschland besteht…“ Dann folgt ihr Name. Ein Grund für die Rücknahme der deutschen Aufnahmezusage, die sie schon 2022 erhalten hatte, wird dabei nicht genannt. (…) Offenbar wurde sie nach einem sogenannten Sicherheitsinterview als Gefahr für Deutschland eingestuft. Dabei war ein solches Sicherheitsinterview zum Zeitpunkt ihrer Zusage noch gar nicht vorgesehen. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage mit, es könnten sich „in jedem Stadium des Verfahrens Erkenntnisse ergeben, die einer Aufnahme entgegenstehen.“ Grundlage für die zurückgenommenen Aufnahmezusagen könnten demnach neue Erkenntnisse sein, die sich aus einer ausführlichen „Sicherheitsüberprüfung“ ergeben. Seit Sommer 2023 führen Beamte von Bundespolizei und Verfassungsschutz mit den afghanischen Antragstellern in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad stundenlange Interviews, die klären sollen, ob diese Personen eine Gefahr für Deutschland darstellen könnten. (…) Ergebnis der zurückgenommenen Zusage: Fatima Ahmadi steht unmittelbar vor der Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan. Die 30-jährige alleinstehende Frau hatte in Afghanistan vor der Taliban-Herrschaft für die Regierung gearbeitet. Sie war zuständig für die Koordination von Hilfsorganisationen in der Provinz Bamiyan. Nach Recherchen des ARD-Magazins Panorama geht es aktuell vielen gefährdeten afghanischen Familien ähnlich: Nachdem sie bereits vor Monaten, teilweise mehr als einem Jahr, eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland erhielten, nehmen deutsche Behörden diese Aufnahmezusagen nun reihenweise zurück, zur Überraschung und Verzweiflung der Betroffenen. (…) Auf Anfrage, inwieweit diese Fragen sicherheitsrelevant seien, teilt das Bundesinnenministerium mit, die Inhalte der Sicherheitsüberprüfungen seien streng geheim, da sie Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik beträfen. Auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten der Linken, Clara Bünger, heißt es dazu: „Die erbetenen Informationen berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt.“ (…) Hans-Hermann Dube ist im Bundestag Sachverständiger in der Enquete-Kommission für Afghanistan. In Afghanistan war er zwölf Jahre lang für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig. Für ihn sind die Rücknahmen von Zusagen sowie die Art der Sicherheitsüberprüfungen vor allem ein Zeichen dafür, dass die Aufnahme von gefährdeten Afghanen politisch nicht mehr gewollt ist. „Am Anfang war das Aufnahmeprogramm wirklich gewollt. Jetzt ist es nicht mehr gewollt. Und man versucht es eben damit zu diskreditieren, dass man sagt, das sind Gefährder, auch wenn es garantiert keine sind. Damit will man der Bevölkerung zeigen: Wir sorgen dafür, dass nicht zu viele Asylbewerber kommen“, so Dube. (…) Bisher hätten also 20.000 Personen aufgenommen werden müssen. Tatsächlich sind es 533, also weniger als drei Prozent der angekündigten Aufnahmen…“ Beitrag von Andrea Brack Peña und Armin Ghassim vom 4. Juli 2024 in tagesschau.de- Dieser Beitrag basiert auf dem Panorama-Beitrag am 4. Juli 2024 : „Rettung von Afghanen: Wieder ein gebrochenes Versprechen“ (Videolänge: ca. 7:30 Min.)
- Zusammenarbeit mit den Taliban? Menschen- & Frauenrechte sind nicht verkäuflich!
„Vom 29.06. bis 02.07.2024 trafen sich Vertreter*innen von 25 Nationen mit den Taliban in Doha, um über eine Zusammenarbeit zu beraten. Während es für die Regierungsvertreter*innen kein Problem war, sich mit den menschenverachtenden Taliban zu treffen, waren afghanische Menschenrechtsaktivist*innen nicht eingeladen. ür die Debatte über eine Zukunft in Afghanistan waren Stimmen aus der Zivilgesellschaft und von Frauenrechtler*innen für die Verantwortlichen also nicht relevant. Gleichzeitig zum Treffen forderte auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, die Bundesregierung solle darüber nachdenken, »wieder Diplomaten nach Afghanistan zu entsenden« und die Botschaft wiederzueröffnen, da nicht davon auszugehen sei, dass die Taliban »in absehbarer Zeit ihre Macht wieder abgeben werden.« (…) Damit wird ein fatales Zeichen gesendet. Anstatt die Stimmen der afghanischen Zivilgesellschaft (im Exil) zu stärken, soll das Taliban-Regime nun offenbar schrittweise legitimiert werden – auch, um Abschiebungen nach Afghanistan durchführen zu können? Denn was die faktische Lage im Land angeht, so hat sich nichts geändert oder verbessert. (…) Nicht nur das politische System Afghanistans und die Sicherheitskräfte des Landes sind zusammengebrochen, sondern auch das Verwaltungssystem, das Justizsystem und das Bildungssystem wurden zerstört. Viele Menschen aus diesen Apparaten verloren ihre Jobs. Etliche Militäroffiziere, Soldaten und Sicherheitskräfte wurden verhaftet, gefoltert und ermordet, die UNAMA berichtete im August 2023 bereits von über 200 solcher Tötungen. Tausende mussten fliehen, einige wurden aus Nachbarländern wieder nach Afghanistan in den Tod abgeschoben. Generell sind öffentliche Hinrichtungen, Auspeitschungen und willkürliche Verhaftungen in Afghanistan an der Tagesordnung. Ein Beispiel: Am 05.06.2024 ließ ein Gericht in der Provinz Sar-i Pul insgesamt 63 Personen in einem Sportstadion öffentlich auspeitschen. Den 14 Frauen und 49 Männern werden unter anderem angebliche homosexuelle Handlungen, Diebstahl und andere »moralische Verbrechen« vorgeworfen. (…) Die schrittweisen Fortschritte bei der Stärkung der Frauenrechte unter der Regierung der Islamischen Republik Afghanistans in den vorangegangenen 20 Jahren wurden zerstört. Seit Juni 2023 wurden landesweit mindestens 52 Dekrete erlassen, die die Rechte von Frauen und Mädchen einschränken. (…) Angesichts der katastrophalen menschenrechtlichen, humanitären und Sicherheitslage kommen Abschiebungen nach Afghanistan nicht in Betracht. Entsprechend fatal ist es, wenn die Ministerpräsident*innen/Innenminister*innen zum Beispiel Bayerns und Sachsens genau das fordern. (…) Wir unterstützen den Appell von Exil-Afghan*innen, insbesondere von afghanischen Frauen, an die internationale Gemeinschaft, die Fehler aus der Konferenz von Doha nicht zu wiederholen und Verbrecher nicht durch die Aufnahme von internationalen Beziehungen zu legitimieren. Wenn Gespräche über die Zukunft Afghanistans stattfinden, muss dies unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und mit einer aktiven Beteiligung der Frauen geschehen!“ Beitrag vom 5. Juli 2024 von Pro Asyl
- Gefährdeten Afghanen werden Zusagen entzogen
- Afghanische Frauen an vorderster Front: Auf der Straße. Der Widerstand der Frauen nach der Rückkehr der Taliban – aber auch zunehmende Zahl von Selbstmorden
- Das Schweigen brechen: Der Widerstand der Frauen in Afghanistan
„Seit der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im Jahr 2021 haben sich die Rechte von Frauen und Mädchen so drastisch verschlechtert, dass ihre Behandlung laut Amnesty International als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als „geschlechtsspezifische Verfolgung“, betrachtet werden sollte. Trotz des Verlusts der Bewegungsfreiheit, der politischen Teilhabe und der Redefreiheit setzen afghanische Frauen ihr Leben aufs Spiel, um für ihre Rechte zu kämpfen.
Zahra Nader, Chefredakteurin des von Frauen geführten Nachrichtenmagazins Zan Times, hat diese Widerstandshandlungen in einem Dokumentarfilm mit dem Titel „Afghanische Frauen an der Frontlinie“ festgehalten. Der zweiteilige Film wurde mit Unterstützung der International Women’s Media Foundation produziert und in Zusammenarbeit mit dem feministischen Newsletter Impact und NADJA veröffentlicht. Das im Dokumentarfilm verwendete Filmmaterial stammt von den Demonstranten selbst. „Nicht viele Journalisten sind bei den Protesten zugelassen, und es sind diese großartigen Frauen, die protestieren und den Widerstand filmen und an die Medien und die sozialen Medien weiterleiten“, erklärt Nader. „Ich habe ein riesiges Archiv mit verschiedenen Videos, die mir Frauen aus verschiedenen Provinzen und von verschiedenen Orten geschickt haben. Dies ist eine Dokumentation des Widerstands in Afghanistan. Es ist so inspirierend zu sehen, wie die Frauen Widerstand leisten, wie sie kämpfen. Wir wollten die verschiedenen Arten des Widerstands zeigen, an denen Frauen in Afghanistan beteiligt sind.“ engl. umfangreicher Beitrag von Alia Chebbab vom 5.3.2024 in NADJA News (maschinenübersetzt), siehe Teil 1 (Teil 2 erscheint am 8. März):- Afghanische Frauen an vorderster Front: Auf der Straße
„Ich bin stolz auf uns, dass wir 14 Frauen mit Stiften und Papieren gekommen sind, um zu protestieren, und ihr kommt mit Kanonen und Gewehren, um uns zu bekämpfen.“
Am 15. August 2021 übernahmen die Taliban die Kontrolle über Afghanistan und machten es zum einzigen Land der Welt, in dem Frauen grundlegende Menschenrechte verweigert werden. Seitdem können sich Frauen und Mädchen in Afghanistan nicht mehr frei bewegen. Sie haben nicht das Recht, eine Schule oder Universität zu besuchen. Sie haben nicht das Recht, ihre Kleidung selbst zu wählen. Sie werden in ihren Häusern eingesperrt für das Verbrechen, eine Frau zu sein.
Und doch kämpfen sie weiter.
Zahra Nader, Chefredakteurin der Zan Times, hat die Aktivisten in Afghanistan, die sich angesichts der schlimmsten Frauenrechtskrise unserer Zeit mobilisiert haben, genau verfolgt. In den letzten Jahren hat sie miterlebt, wie Hunderte von Frauen den Taliban trotz schwerwiegender Folgen die Stirn boten, auf der Straße für ihre Rechte kämpften und sich weigerten, zu schweigen.
Afghanische Frauen an vorderster Front“ ist eine zweiteilige Dokumentarserie über diese mutigen Frauen, die von Zan Times mit Unterstützung der International Women’s Foundation produziert und in Zusammenarbeit mit Impact Newsletter und NADJA veröffentlicht wurde. Hier ist Teil eins – die fesselnde Geschichte zweier Aktivistinnen, die mutig das Taliban-Regime herausfordern… “ engl. Video-Reportage vom 01.03.2024 in NADJA News (maschinenübersetzt) – es ist Teil 1, Teil 2 folgt dort am 8.3.24
- Afghanische Frauen an vorderster Front: Auf der Straße
- Warum hat die Zahl der Selbstmorde unter Frauen in dem von den Taliban kontrollierten Afghanistan zugenommen?
„Laut einer weltweiten Rangliste ist Afghanistan das Land mit den schlechtesten Bedingungen für Frauen. Seit die Taliban wieder an der Macht sind, haben die Herausforderungen und Einschränkungen für Frauen immens zugenommen. Den Frauen werden ihre grundlegenden Menschenrechte vorenthalten, wie das Recht auf Bildung, Arbeit, Reisen und Freizeitgestaltung. Von all den Auswirkungen, die diese Beschränkungen auf das persönliche und soziale Leben der Frauen haben, ist die vielleicht gravierendste ein deutlicher Anstieg der Selbstmordrate bei Frauen. Nach einer Untersuchung der Zan Times in 11 Provinzen im August 2023 machten Frauen und Mädchen die überwiegende Mehrheit der durch Selbstmord Verstorbenen aus. Als weibliche Schriftstellerin werde ich daher dieser grundlegenden Frage nachgehen: Warum hat die Zahl der Selbstmorde unter Frauen in dem von den Taliban kontrollierten Afghanistan zugenommen? (…)
Im soziokulturellen Kontext Afghanistans gilt der Selbstmord von Frauen größtenteils als Tabu und wird oft verheimlicht. Außerdem gibt es keine genauen Statistiken über die Zahl der Selbstmorde von Frauen in Afghanistan, da es keine freien Medien und keine zuverlässigen Institutionen gibt. Ungeachtet dessen haben in- und ausländische Medien über den vielfachen Anstieg der Selbstmorde von Frauen in Afghanistan berichtet.
Mit der Rückkehr der Taliban an die Macht hat sich das Land praktisch in ein riesiges Gefängnis für Frauen verwandelt. In diesem Gefängnis haben die Frauen praktisch keine Rechte. Einige Frauen wurden zu Ehen mit Taliban-Mitgliedern gezwungen oder werden von ihren Familien gegen Geld verkauft. Einige weibliche Haushaltsvorstände sind gezwungen, zu betteln oder ihre Körperteile zu verkaufen, um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern. In solchen Situationen kann der Tod durch Selbstmord ein Protest gegen die Realität ihres Lebens sein. Frauen, die durch Selbstmord sterben, drücken damit ihren Unmut und Protest aus. Es ist, als wollten sie zeigen, dass es für Frauen in Afghanistan aufgrund der von den Taliban auferlegten Bedingungen keinen Unterschied zwischen Leben und Tod gibt.
Ein ernstes Problem für die Frauen in Afghanistan ist die wachsende Kluft zwischen ihren Zielen und Träumen und ihren sozialen Möglichkeiten in Afghanistan. Alle Bürgerinnen und Bürger haben Ziele im Leben, und eine gerechte und gleichberechtigte Gesellschaft stellt Instrumente zur Verfügung, die es allen Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig von ihrem sozialen Status, ermöglichen, diese Ziele zu erreichen. In Afghanistan wurden die sozialen Instrumente und Möglichkeiten für Frauen, ihre Ziele zu erreichen, von den Taliban systematisch und gezielt zerstört. Frauen haben immer noch ihre Ziele, die ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen, aber es ist ihnen verboten, die Mittel zu haben, um diese Ziele zu erreichen. Dieser Mangel führt zu Depressionen, psychischen Störungen, Ohnmachtsgefühlen und einem Rückgang des Selbstbewusstseins. In einer solchen Gesellschaft halten Frauen ihre Ziele für unerreichbar und interpretieren ihr Leben als absurd und sinnlos, was zu einer Zunahme von Selbstmorden bei Frauen führt…“ engl. Artikel von Karima Safdari vom 28.2.2024 in Zan Times (maschinenübersetzt)
- Das Schweigen brechen: Der Widerstand der Frauen in Afghanistan
- Lieber Bundestag: Afghanistankrieg war kein „strategischer Fehler“, sondern Aggressionsakt. Über einen Fall historischer Amnesie
„Enquete-Kommission bilanziert Krieg. Dabei wird das Narrativ vom gut gemeinten Krieg gefestigt. Über einen Fall historischer Amnesie.
Heute stellt die Enquete-Kommission des Bundestags den Zwischenbericht zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan vor. Wie Medien vorab berichten, wird darin ein „vernichtendes Zeugnis“ ausgestellt, so Tagesschau.de . Die Operation, so zitiert Spiegel Online aus dem 350-seitigen Bericht, sei „strategisch gescheitert, Ergebnisse und gesteckte Ziele dauerhaft abzusichern“. Schuld daran sei schlechte Koordination und Abstimmung zwischen den Ressorts. (…) Außerdem seien die Lageberichte nicht an der Realität orientiert gewesen. Aus dem militärischen Einsatz soll die Kommission nach der parlamentarischen Sommerpause Lehren ziehen. Nun, die einzige Lehre, die man aus dem Krieg und der Beteiligung der Bundeswehr daran ziehen sollte, ist, dass der Krieg ein nicht gerechtfertigter Aggressionsakt gegen ein ärmliches Dritte-Welt-Land gewesen ist, der erwartbar großes Leid und weiteres Chaos über die Region gebracht hat. Aber diese Lehre kann nicht gezogen werden, da in Deutschland, wie auch in den USA, die den Krieg erklärten und anführten, und anderen beteiligten Nato-Staaten, die Ansicht seit über zwei Jahrzehnten vorherrscht, dass man mit guten Absichten an den Hindukusch zog, in Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001. Bei dem Krieg, so heißt es bis heute unisono, ging es um weltweite Sicherheit, einen Kampf gegen den globalen Terrorismus und die Schaffung eines stabilen, wenn möglich, demokratischen Staats. Dass das nicht gelungen sei und man im August 2021 auf erbärmliche Weise das Land mit den Truppen verlassen musste, sei das Problem, nicht die Absicht oder der Krieg an sich. (…) Dass die Bundestag-Kommission das heute, über 22 Jahre nach der Invasion Afghanistans, so sieht, und die Medien dabei folgen, ist kaum überraschend. Denn das Narrativ, dass man mit hehren Idealen auszog, aber das Land sich den Idealen nicht recht fügen wollte – und dann im Westen auch strategische Fehler begangen wurden –, ist tief verwurzelt in der veröffentlichten Wahrnehmung der „humanitären Intervention“. Was ausgespart wird, ist die Frage: War der Krieg, der Überfall auf das Land und die militärische Besatzung über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren überhaupt legitim? (…) Während die Opfer der Anschläge vom 11. September in den USA (zu Recht) eine ausgiebige und einfühlsame Berichterstattung erfuhren, inklusive Human-Touch-Stories, und bis heute an die Opfer erinnert wird, verschwanden die Opfer „unserer“ Aggression im Mülleimer der Geschichte. Genauso wie die Illegitimität des Kriegs, der Invasion, der Bombardierungen insgesamt. Die aktuelle Bilanz des Bundestags, kritisch gegenüber den „strategischen Fehlern“ der gut gemeinten „humanitären Operation“, ist nur ein weiterer (und konsequenter) Schritt bei der Entsorgung unangenehmer historischer Realitäten, wenn es um „unsere“ Gewaltakte auf der internationalen Bühne geht.“ Kommentar von David Goeßmann vom 19. Februar 2024 in Telepolis- Siehe dazu beim Bundestag das Dossier zum Untersuchungsausschuss Afghanistan sowie den Zwischenbericht der Enquete-Kommission Afghanistan vom 21.02.2024
- Frauen in Afghanistan: «Unsere Freiheiten schwinden von Tag zu Tag»
„Eine Lehrerin, eine Studentin und eine Informatikerin erzählen von ihrem Alltag unter dem Talibanregime.
«In Masar-e Scharif gibt es n ur zwei Jahreszeiten. Sommer und Winter», sagt Chatera Sadat*. Das Tragen ihrer schwarzen Kleidung und ihres Schleiers fällt der 48-Jährigen oft besonders schwer – in Masar-e Scharif in der Provinz Balch im Norden Afghanistans herrschten in diesem Spätsommer meist weit über vierzig Grad. Der Klimawandel macht auch vor Afghanistan, das im Vergleich zu anderen Ländern in der Region nur wenig CO₂ produziert, nicht halt. Sadat ist Lehrerin an einer Unterstufe. Obwohl die drückende Hitze die Gesundheit vieler Afghan:innen gefährdete, fand der Unterricht weiterhin statt. «Hitzeferien hätten den Unterricht zurückgeworfen, meinten die Taliban», so Sadat. Die wahren Hürden zur Bildung sind aber gänzlich andere: Seit die militant-islamistischen Taliban im August 2021 in ganz Afghanistan die Macht ergriffen haben, ist Mädchen der Besuch der Oberstufe von der siebten bis zur zwölften Klasse untersagt. Seit Ende des letzten Jahres besteht für Afghaninnen zudem ein Universitätsverbot. In manchen Regionen, die in den vergangenen zwanzig Jahren des Krieges vernachlässigt wurden, spielen die Verbote der Taliban allerdings nur eine untergeordnete Rolle: Mädchenschulen und Universitäten gab es dort schon vor deren erneuter Machtübernahme keine – auch wenn korrupte Beamte ausländische Gelder akquirierten und behaupteten, damit solche Schulen errichtet zu haben. (…) Dort aber, wo die Schulen weiterhin geöffnet sind, herrscht heute die rigide Sittenkontrolle der Taliban. Derweil Männer Bart und Käppchen tragen müssen, gilt für Mädchen und Frauen ein noch strengerer Dresscode. Geht es nach den Taliban, so sollen sie ihre Gesichter statt mit einem Schleier am besten gleich mit schwarzen medizinischen Masken verdecken, obwohl die Coronapandemie auch in Afghanistan schon längst vorbei ist. «Schwester, trag doch bitte eine Maske», hört man oft von der Sittenpolizei. Sadats jüngste Tochter ist zwölf Jahre alt und kann fast den ganzen Koran auswendig rezitieren. Als sie vor kurzem vergessen hatte, ihre Maske mit in die Schule zu nehmen, wurde sie vom Lehrpersonal wieder nach Hause geschickt. Im Juli sorgten die Taliban auch mit der massenhaften Schliessung von Schönheitssalons für Schlagzeilen. Zehntausende von Afghaninnen waren gezwungen, ihren Betrieb einzustellen. Die Salons gehörten zu den letzten unabhängigen Frauenbetrieben des Landes und galten als Safe Space. Doch die Taliban und ihre Anhänger betrachten sie als Orte des Frevels und stellen sie mit Bordellen gleich. (…) In einer ähnlich ausweglosen Situation befindet sich auch Rochschana Noor* aus Kabul. Ihr Informatikstudium musste sie abbrechen, als Frauen von der Universität ausgeschlossen wurden. Kurz darauf fand sie eine Anstellung bei einer kleinen IT-Firma. Noors Arbeitsplatz befindet sich in einem der Hochhäuser, die im Zuge des Baubooms der letzten Jahre in Kabul errichtet wurden. «Ich fahre jeden Tag allein zur Arbeit. Wie lange ich meine Stelle behalten darf, ist allerdings ungewiss», erzählt sie. Die Angst vor einem neuen Arbeitsverbot ist stets präsent. Offiziell dürfen Afghaninnen nicht für NGOs arbeiten und ohne männliche Begleitung auch nicht reisen. (…) «Unsere Freiheiten schwinden von Tag zu Tag», sagt Noor. «Die Sittenwächter suchen regelmässig unsere Büros auf, um die von ihnen verlangte strikte Geschlechtertrennung zu kontrollieren.» Auch in Kabul gilt der neue Dresscode. Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen. «Sobald sich die Taliban bei meinem Arbeitgeber beschweren und ihm die Schliessung seiner Firma androhen, lässt dieser seinen Frust an uns Frauen aus», sagt Noor. Daraufhin, so die IT-Angestellte, würde es heissen, dass sie und ihre Kolleginnen ihren Job verlieren würden – und der Bericht über etwaige «Vergehen» an ihre männlichen Verwandten weitergeleitet werden müsse. Es ist dieses perfide Spiel mit den extremen Seiten des Patriarchats, das vielen Frauen zu schaffen macht. Die Taliban wissen das und spekulieren darauf. Das ist auch einer der Gründe, warum die Fallzahlen von häuslicher Gewalt in Afghanistan laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch ebenso angestiegen sind wie diejenigen von psychischen Erkrankungen und Suiziden. Eine Frau, die sich nicht an die Vorschriften der Taliban hält, wird nicht direkt von diesen bestraft. Stattdessen trifft die Strafe ihre männlichen Verwandten – die wiederum alles an ihren Frauen, Schwestern oder Töchtern auslassen.“ Bericht von Emran Feroz aus der WOZ Nr. 50 vom 14. Dezember 2023 (*alle Namen wurde aus Sicherheitsgründen geändert) - Trotz Lage in Afghanistan: Bundesregierung weist gefährdete Ortskräfte ab
„Unbürokratisch wollte die Bundesregierung mit afghanischen Ortskräften umgehen. Doch Recherchen vom NDR, WDR, SZ und Lighthouse zeigen: Immer wieder wird ihnen die Aufnahme in Deutschland verwehrt – obwohl sie als gefährdet gelten.
Zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan und der militärischen Evakuierung durch die Bundeswehr warten noch immer Tausende gefährdete Afghanen auf ein Visum zur Einreise nach Deutschland. Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) sowie dem Investigativbüro Lighthouse Reports zeigen nun, dass die Bundesregierung seither auch immer wieder afghanische Ortskräfte abwies, obwohl die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu der Einschätzung kam, dass es sich bei den Menschen um potenziell gefährdete Personen handelt. Demnach erhielten auch immer wieder Personen eine Ablehnung, denen zuvor etwa attestiert worden war, „dass sie in ihrer Rolle als Vermittlung zwischen afghanischer Polizei und der Bevölkerung im Auftrag der GIZ deutlich wahrgenommen“ wurden und somit „in exponierter Stellung“ arbeiteten…“ Recherchen von Volkmar Kabisch, NDR und Martin Kaul, WDR, vom 28.07.2023 in tagesschau.de - Afghanistan-Aufnahmeprogramm hat noch keinem zur Einreise verholfen – Afghanische Ortskräfte verklagen nun die Bundesrepublik
- „Unterirdische Bilanz“: Afghanistan-Aufnahmeprogramm hat noch keinem zur Einreise verholfen
„Großmundig hat die Bundesregierung vor knapp einem Jahr das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan als einen Akt der Humanität angekündigt. Wie die Regierung jetzt mitteilt, wurde bisher keine einzige Person aufgenommen. (…) Vorliegende Zahlen deuten darauf hin, dass aber auch in naher Zukunft keine große Zahl von Afghanen über das Programm einreisen dürften. Laut Bundesregierung wurde bis zum 6. September lediglich für 20 Menschen, die eine Aufnahmezusage über das Programm erhalten hatten, das Visumverfahren aufgenommen und Sicherheitsbefragungen durchgeführt…“ Beitrag vom 18.09.2023 im Migazin - Gebrochenes Versprechen: Afghanische Ortskräfte verklagen die Bundesrepublik
„Am Freitag, den 15. September 2023, wird in mehreren von PRO ASYL unterstützen Klageverfahren am Verwaltungsgericht Berlin darüber verhandelt, ob Deutschland die Ortskräfte eines Polizeiprojektes in Afghanistan aufnehmen muss, um sie so vor den Taliban zu retten. PRO ASYL kritisiert die willkürliche Auslese bei akut bedrohten Verbündeten und fordert die Bundesregierung auf, ihr Versprechen zu halten. Der Rechtsanwalt Matthias Lehnert vertritt in dem vom PRO ASYL Rechtshilfefonds finanzierten Verfahren mehrere Afghanen , die in einem gemeinsamen Polizeiprojekt (PCP) der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und des ehemaligen afghanischen Innenministeriums gearbeitet haben. Sie waren als Lehrpersonal für die Ausbildung afghanischer Polizist*innen im ganzen Land tätig und gaben unter anderem Schulungen zu Menschenrechtsfragen. Dies macht sie nun zur Zielscheibe der Taliban, viele werden bedroht. Bei einem der Kläger – der sich an einem anderen Ort versteckt hielt – fanden beispielsweise in den letzten Monaten immer wieder Durchsuchungen seines alten Hauses statt. Die Taliban bezeichneten ihn dabei als Spion der Deutschen. Der Kläger wurde schließlich doch von den Taliban festgenommen, für etwa drei Wochen in Haft gehalten und immer wieder mit einem Schlagstock verprügelt. Nach Zahlung einer Kaution wurde er vorerst auf freien Fuß gesetzt. Auch bei vielen anderen der über 3.000 PCP-Mitarbeiter*innen kam es immer wieder zu Drohanrufen, Vorladungen und Hausdurchsuchungen durch die Taliban, in einigen Fällen sogar zu Festnahmen und Folterungen. Die Bundesregierung hatte versprochen, gefährdeten Ortskräften unbürokratisch zu helfen…“ Pressemitteilung vom 15.09.2023
- „Unterirdische Bilanz“: Afghanistan-Aufnahmeprogramm hat noch keinem zur Einreise verholfen
- Ein Land als Gefängnis: Zwei Jahre Taliban-Herrschaft in Afghanistan – für Frauen die Hölle
- Die Hölle der Frauen in Afghanistan: In Afghanistan ist die Lage zwei Jahre nach dem Machtwechsel aussichtsloser als je zuvor
„… Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan jährt sich am 15. August zum zweiten Mal. Damals sagten die Islamisten zu, die Menschenrechte zu achten. Und tatsächlich gab es am Anfang auch im Westen die vage Hoffnung, die Taliban könnten nach ihrer ersten Schreckensherrschaft von 1996 bis 2001 geläutert sein, eine Art moderatere Talibanversion 2.0. Längst ist klar, dass das eine Illusion war. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Unterdrückung von Frauen und Mädchen – deren Lage inzwischen verheerender ist als in jedem anderen Land der Welt, wie die Vereinten Nationen attestieren. Nur einen guten Monat dauerte es nach der Rückkehr der Taliban an die Macht, bis für Mädchen ab der siebten Klasse der Schulbesuch ausgesetzt wurde. Seit Ende 2021 dürfen Frauen weitere Fahrten nur noch in Begleitung eines männlichen Angehörigen antreten. Im März 2022 wurde der Zugang für öffentliche Parkanlagen für Frauen eingeschränkt, in der Hauptstadt Kabul wurde er danach ganz verboten. Ebenfalls seit März 2022 dürfen Frauen ohne männlichen Verwandten keine Flugzeuge mehr besteigen, weder bei Inlands- noch bei Auslandsflügen. Im Mai 2022 verfügten die Machthaber, dass Frauen nicht grundlos das Haus verlassen sollten – und wenn, dann vorzugsweise mit einem Schleier, der auch das Gesicht verdeckt. Noch im selben Monat wurden Fernsehmoderatorinnen angewiesen, ihr Gesicht zu verdecken, wenige Tage später galt das auch für Schülerinnen der vierten bis sechsten Klassen auf dem Schulweg. Im August wurden die meisten Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst angewiesen, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Im November wurde Frauen der Besuch unter anderem von öffentlichen Bädern und Fitnessstudios untersagt, im Monat darauf der Besuch von Universitäten. Nur zwei Tage später wurde alle weiterführende Bildung für Mädchen und Frauen nach der sechsten Schulklasse grundsätzlich verboten. Im Dezember waren die Mitarbeiterinnen von Nichtregierungsorganisationen dran: Sie dürfen seitdem nicht mehr für die Organisationen arbeiten, die in dem bitterarmen Land eine wichtige Rolle für die notleidende Bevölkerung spielen. Im April dieses Jahres folgte ein entsprechendes Verbot für afghanische Mitarbeiterinnen der Vereinten Nationen. Die jüngste Volte: Ein Verbot von Schönheitssalons – weil deren Dienstleistungen nach Überzeugung der Taliban dem Islam widersprechen. „Frauen sind heute vom politischen und öffentlichen Leben in Afghanistan völlig ausgeschlossen“, hieß es im März in einem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat. „Es gibt keine einzige Frau, die ein öffentliches oder politisches Amt bekleidet.“ Der Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Afghanistan, Richard Bennett, stellte als einer der Co-Autoren des Berichts fest: „Frauen und Mädchen in Afghanistan sind schwerer Diskriminierung ausgesetzt, die auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit – hinauslaufen und als geschlechtsspezifische Apartheid bezeichnet werden kann.“ (…) Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass inzwischen mehr als 90 Prozent der Menschen im Land unterhalb der Armutsgrenze leben. Ein Faktor, der dazu beiträgt: Viele Frauen können wegen der rigiden Politik der Taliban nicht mehr arbeiten gehen. Im Bericht an den UN-Menschenrechtsrat heißt es, dass die verheerende wirtschaftliche Lage Afghanen in manchen Fällen dazu treibe, ihre Kinder zu verkaufen…“ Artikel von Can Merey vom 13. August 2023 in der Frankfurter Rundschau online - Zwei Jahre Taliban-Herrschaft: Schlimmer als befürchtet
„Vor dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan 2021 warnten Experten und Aktivisten der afghanischen Zivilgesellschaft eindringlich vor den Taliban. Nun fühlen sie sich im Stich gelassen. (…) „Ich begreife nicht, woher die Hoffnung kam, dass die Taliban sich geändert oder gar verbessert haben“, sagt die Kabuler Frauenaktivistin Arwin in Kabul und fügt hinzu: „Wir wussten immer, dass wir mit den Taliban an der Macht alles, was wir erreicht hatten, wieder verlieren würden. Zwanzig Tage vor ihrer Machtübernahme haben wir, Frauenaktivistinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft in Kabul, eine Pressekonferenz organisiert, um erneut die Weltgemeinschaft auf unsere Lage aufmerksam zu machen. Wir haben gesagt: Schaut auf die Gebiete, die damals bereits von den Taliban kontrolliert wurden, und seht, wie sie Frauenrechte verachten. Doch niemand wollte auf uns hören.“ (…) Die USA hatten 2018 direkte Gespräche mit den Taliban aufgenommen. (…) Die Gespräche mit den Taliban führten am 29. Februar 2020 zu einer Vereinbarung, in der ein Zeitplan für den Abzug der US-Truppen sowie der anderen NATO-Kontingente festgelegt wurde. „Die Vereinbarung vom Februar 2020 rief unter anderen zu innerafghanischen Friedensgesprächen auf, bei denen die Taliban direkt mit der afghanischen Regierung verhandeln sollten“, erklärt die afghanische Ex-Politikerin Alema. „Wir hatten uns darauf vorbereitet. Im Friedensministerium hatte ich verschiedene Arbeitsgruppen eingerichtet und mit Vertretern von NGOs aus allen 34 Provinzen des Landes Leitlinien und Fördermaßnahmen erarbeitet. Die Taliban jedoch zeigten kein Interesse an Gesprächen mit uns. Sie wussten, dass die USA Afghanistan verlassen würden. Sie waren nicht bereit, Zugeständnisse zu machen. Und die USA hatten sie hoffähig gemacht, nach dem Motto: Die Taliban haben sich verändert.“ (…) „Das, was sich im August 2021 in Afghanistan ereignete, war kein militärischer Triumph der Taliban, sondern das Ergebnis einer politischen Entscheidung“, analysiert Khushal Asefi, Journalist und ehemaliger Geschäftsführer der Ariana Radio & Television. Asefi berichtete damals täglich von den sich überschlagenden Ereignissen. „Niemand hatte Einblick in die Hintergrundverhandlungen mit den Taliban. Es schien, als hätten die westlichen Länder ihre Unterstützung für die damalige Regierung zurückgezogen.“ (…) Nach der Machtübernahme der Taliban musste Asefi das Land verlassen. Als kritischer Journalist sah er keine Zukunft mehr für sich in Afghanistan und hatte Angst um sein Leben. „Die Entwicklungen der letzten zwei Jahre verstärken das Gefühl, dass das Land den Taliban überlassen wurde. Es scheint egal zu sein, welches Chaos sie anrichten. Bestenfalls wird eine kritische Erklärung veröffentlicht, in der die Politik der Taliban verurteilt wird. Die afghanische Gesellschaft ist demoralisiert und erschöpft. Die Wirtschaft liegt am Boden und über 20 Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Menschen kämpfen nur noch um ihr nacktes Überleben.“ „Ja, viele denken nur daran, wie sie das Land verlassen können“, bestätigt Frauenaktivistin Arwin aus Kabul. Sie betont weiter: „Ich bin enttäuscht, dass die Weltgemeinschaft und die afghanische Gesellschaft so schnell kapituliert haben. Es ist schlimmer als ich fürchtete. Die afghanische Zivilgesellschaft hat aber einen starken Kern, der nicht aufgeben wird. Diesen Kern sollte man nicht unterschätzen. Ich glaube ganz fest an uns.“ DW-Beitrag von Shabnam von Hein vom 15. August 2023 - Ein Land als Gefängnis: Zwei Jahre Taliban-Herrschaft in Afghanistan
„… Die Bilanz des überhasteten Abzugs der USA und ihrer Verbündeten ist erschreckend: Für Millionen von Menschen sind die Zustände im Land heute katastrophal. Die Rechte von Frauen, Minderheiten und bestimmten ethnischen Gruppen, wie den Hazaras, wurden in den vergangenen zwei Jahren drastisch eingeschränkt, die Medien mit Repression überzogen, das – schon zuvor unzureichende – Gesundheitssystem bröckelt, Armut und Hunger breiten sich aus. Fast die Hälfte der afghanischen Bevölkerung leidet aktuell unter Hunger. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind rund 18 Millionen der insgesamt rund 41 Millionen Afghaninnen und Afghanen von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen, 3,2 Millionen Kinder leiden an akuter Unterernährung. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt angesichts dessen bereits vor einer der größten und schwersten Hungerkrisen der Welt. Zu dieser Notlage beigetragen hat zum einen der abrupte Stopp westlicher Unterstützung nach der Machtergreifung durch die Taliban. Zum anderen haben die nun herrschenden Taliban all das, was bereits in der Vergangenheit zu Hunger und Ernährungsunsicherheit im Land geführt hat, noch verschärft: Zunehmende Vertreibung, Konflikte und politische Instabilität beeinträchtigen die Landwirtschaft wie die Ökonomie insgesamt und zerstören die Infrastruktur, was einen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion und -verfügbarkeit zur Folge hat. Zugleich ist das Land sehr anfällig für Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und Erdbeben, was sich ebenfalls negativ auf die Versorgungslage auswirkt. Die Taliban sind ganz offenbar nicht in der Lage, diese dramatische Situation in den Griff zu bekommen – auch weil sie Hilfe von außen nur in wenigen Fällen zulassen und dabei unter anderem die Mitarbeit von Frauen untersagen. Dies aber stellt viele Hilfsorganisationen vor immense Probleme. Angesichts dessen wächst der Anteil der Bevölkerung rasant, der auf Hilfe angewiesen ist. Besonders Frauen und Kinder leiden unter den schlechten humanitären Bedingungen. Vor allem aber ist Afghanistan derzeit das Land der Welt, in dem Frauen am massivsten unterdrückt werden. Seit der Machtübernahme der Taliban wurde ihr Leben de facto aus der Öffentlichkeit verbannt: Die neuen Machthaber verwehren ihnen systematisch den Zugang zu Bildung, Arbeit, Reisen und ausreichender medizinischer Versorgung – mit weitreichenden Folgen…“ Artikel von Arezao Naiby in den Blättern vom August 2023 mit umfangreicher Darstellung der Folgen für die Frauen. Siehe auch: - 2 Jahre Talibanherrschaft in Afghanistan: Seebrücke fordert schnelle Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms
Pressemitteilung vom 11.08.2023 von und bei Seebrücke - Die engl. Kampagne vom Education Cannot Wait (ECW): „Two Years On: Afghan Girls’ Call from the Heart to Claim their Right to Education Rings Out Louder Than Ever“
- den Schwerpunkt Afghanistan in der taz
- Die Hölle der Frauen in Afghanistan: In Afghanistan ist die Lage zwei Jahre nach dem Machtwechsel aussichtsloser als je zuvor
- Zu wenig Flüchtlingsanerkennung trotz Gender-Apartheid in Afghanistan
„… Seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 sind Frauen- und Menschenrechtler*innen unter den Taliban so bedroht, dass ihnen nur die Wahl zwischen Untertauchen oder lebensgefährlicher Flucht aus dem Land bleibt. Viele leben ohne Perspektive auf unabsehbare Zeit in Verstecken, oft auch mit Kindern. (…) Die Liste der Entrechtungen, innerhalb eines Zeitraums von gerade mal zwei Jahren, ist lang (…)
Unterdrückung soll als »Gender-Apartheid« anerkannt werden
Vom 19. Juni bis 14. Juli 2023 tagte der UN-Menschenrechtsrat zur Situation der Frauen in Afghanistan. Richard Bennett, UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in Afghanistan, und die von Dorothy Estrada-Tanck geleitete UN-Arbeitsgruppe gegen Frauendiskriminierung legten zu diesem Anlass den Expert*innenbericht »Situation of women and girls in Afghanistan« vor. Darin heißt es, dass es in den vergangenen Jahren »nirgendwo sonst auf der Welt einen so weitreichenden, systematischen und allumfassenden Angriff auf die Rechte von Frauen und Mädchen wie in Afghanistan« gegeben habe [eigene Übersetzung aus dem Engl.]. »Das diskriminierende und restriktive Umfeld, das Klima der Angst und die fehlende Rechenschaftspflicht für die vielfältigen Verstöße […] machen es Frauen und Mädchen unmöglich, ihre Rechte wahrzunehmen, halten alle Personen und Organisationen davon ab, sie zu verteidigen, und ermutigen zu weiteren Verstößen.« Daher schlagen die Expert*innen vor, die systematische Unterdrückung von Mädchen und Frauen als »eine geschlechtsspezifische Verfolgung und einen institutionalisierten Rahmen der Gender-Apartheid« einzustufen…“ Pro Asyl-Meldung vom 10.08.2023 - Afghanistan: Von den Taliban gejagt. Seit über 20 Jahren setzt sich Frau P. für die Rechte von Mädchen und Frauen ein – ein Porträt
„Seit über 20 Jahren setzt sich Frau P. für die Rechte von Mädchen und Frauen ein. Als Lehrerin und Direktorin einer Mädchenschule sowie als Aktivistin in verschiedenen Frauenrechts-Organisationen und zuletzt Mitbegründerin eines Protestnetzwerks gegen die Taliban hat sie sich leidenschaftlich dem feministischen Kampf für Selbstbestimmung von Frauen verschrieben. Sie träumte von einem Afghanistan, in dem Mädchen und Frauen ein unveräußerliches Recht auf Bildung, auf freie Heiratswahl und Arbeit, auf politische und öffentliche Mitbestimmung und Repräsentation besitzen. Sie träumte von der Befreiung der afghanischen Frauen – knapp zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban ist dieser Traum einer totalitären, misogynen Dystopie gewichen. Heute hat sie alles verloren, für das sie ihr Leben lang gekämpft hat. Traumatisiert von der physischen Gewalt durch die Taliban, von unzähligen Todesdrohungen per Anruf oder Whatsapp-Nachricht, der Verhaftung früherer Kolleg:innen und der angedrohten Zwangsverheiratung ihrer 17-jährigen Tochter versteckt sich Frau P. seit Monaten in Todesangst mit ihren Kindern in Mazar-e Sharif bei den Wenigen, denen sie noch vertraut. Obwohl sie sich lange schwor, niemals aufzugeben, ist ihre letzte Hoffnung heute die Aufnahme in Deutschland über das Bundesaufnahmeprogramm (BAP). Die Aussetzung der Visaverfahren durch die Bundesregierung hat diese Hoffnung fast erstickt – denn sie weiß nicht, wie lange sie sich noch verstecken kann, bis die Taliban sie finden. Die etlichen Verzögerungen und Hürden des BAP setzen ihr Leben aufs Spiel. Mit jedem Tag, den sie ausharren muss, steigt die Gefahr. (…) In der Zwischenzeit wurde ihr Haus in Baghlan beschlagnahmt, zahlreiche Verwandte sowie ehemalige Kolleg:innen wurden seither von den Taliban verhört und nach dem Aufenthaltsort von Frau P. befragt. Nachdem ein Bekannter von ihr ein Dokument, das zur Einreichung des Antrags für das BAP benötigt wird, für sie von einer Behörde in Mazar-e Sharif beglaubigen ließ, wurde dieser zwei Tage danach von Taliban zuhause aufgesucht und zusammengeschlagen. Außerdem erhält sie seit einigen Wochen trotz neuer Nummer wieder vermehrt Drohanrufe und -nachrichten, auch der Gouverneur von Baghlan rief sie wieder an und teilte ihr mit, dass sie sie suchen – sie solle sich umgehend stellen oder sie würde mit dem Tod bestraft. Anfang des Monats wurde ein früherer Kollege inhaftiert und in ein berüchtigtes Folter-Gefängnis in Kabul gebracht. Um ihre Kinder zu schützen, versteckt sie sich seitdem alleine bei einer ehemaligen Kollegin in Mazar-e Sharif, während sich ihre Tochter um ihre kleinen Brüder kümmert. Frau P. ist schwer traumatisiert, leidet unter Panikattacken und Verfolgungsängsten. Die Gelenke ihrer Arme sind seit der letzten Festnahme schwer geschädigt und konnten nie richtig heilen. Jeden Tag hat sie Angst, dass die Taliban sie finden. Jeden Tag wartet sie auf eine positive Rückmeldung auf ihren Antrag im BAP. Die Aussichten auf ein Leben in Sicherheit sind gering, das weiß sie. Und dennoch träumt sie davon, eines Tages in einem Land zu leben, in dem sie und ihre Tochter ein selbstbestimmtes Leben führen und den Kampf für die Rechte der Frauen Afghanistans gemeinsam in der Diaspora fortsetzen können.“ Porträt vom 27. Juli 2023 bei medico international - Trotz Lage in Afghanistan: Bundesregierung weist gefährdete Ortskräfte ab
„Unbürokratisch wollte die Bundesregierung mit afghanischen Ortskräften umgehen. Doch Recherchen vom NDR, WDR, SZ und Lighthouse zeigen: Immer wieder wird ihnen die Aufnahme in Deutschland verwehrt – obwohl sie als gefährdet gelten.
Zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan und der militärischen Evakuierung durch die Bundeswehr warten noch immer Tausende gefährdete Afghanen auf ein Visum zur Einreise nach Deutschland. Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) sowie dem Investigativbüro Lighthouse Reports zeigen nun, dass die Bundesregierung seither auch immer wieder afghanische Ortskräfte abwies, obwohl die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu der Einschätzung kam, dass es sich bei den Menschen um potenziell gefährdete Personen handelt. Demnach erhielten auch immer wieder Personen eine Ablehnung, denen zuvor etwa attestiert worden war, „dass sie in ihrer Rolle als Vermittlung zwischen afghanischer Polizei und der Bevölkerung im Auftrag der GIZ deutlich wahrgenommen“ wurden und somit „in exponierter Stellung“ arbeiteten. Die GIZ ist eine GmbH, die vollständig in Bundesbesitz steht und im Auftrag der Bundesregierung zahlreiche Entwicklungsprojekte weltweit durchführt. In Afghanistan war sie die größte deutsche Entwicklungsorganisation.
„In besonderem Maße als gefährdet einzustufen“
Ein Rechercheteam von WDR, NDR, SZ und Lighthouse hat beispielhaft 20 Fälle ehemaliger GIZ-Ortskräfte unabhängig überprüft und dazu unter anderem mit Betroffenen und Zeugen gesprochen sowie vertrauliche Regierungsdokumente einsehen können. In einem Fall etwa kamen Prüfer der GIZ zu dem Schluss, dass die Situation eines Mannes, der eine Gefährdungsanzeige gestellt hatte, „in besonderem Maße als gefährdet einzustufen“ sei. Der Mann hatte über fünf Jahre lang für die GIZ in herausgehobener Position in einer gefährlichen Provinz Afghanistans gearbeitet, in die deutsche Mitarbeiter aufgrund der Sicherheitslage selbst kaum reisen konnten. Dennoch wurde ihm eine Aufnahmezusage verweigert. In einem anderen Fall notierten die Prüfer, es sei „davon auszugehen, dass die Taliban von ihrer Tätigkeit erfahren haben und die betroffene Person aufgrund dessen bedrohen“. Dann wurde sie abgelehnt. (…) Häufig erfolgen Ablehnungen im Bereich des sogenannten Police Cooperation Project (PCP) der GIZ, einem ehemaligen Projekt zur Polizeiausbildung in Afghanistan, in dem zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Taliban noch mehr als 1.500 Menschen im Auftrag der GIZ tätig waren. In einem internen Dokument der GIZ heißt es zu dieser Gruppe: „Mitarbeiter*innen des PCP gelten als besonders gefährdet durch ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und Zusammenarbeit mit der Polizei.“ Bei dem Projekt wurden afghanische Polizisten ausgebildet, sollten Lesen und Schreiben lernen. Allerdings verfügten die Mitarbeiter lediglich über sogenannte Werkverträge mit der GIZ…“ Recherche von Volkmar Kabisch, NDR und Martin Kaul, WDR, am 28.07.2023 in tagesschau.de - [Afghanistan] Behandlung von Frauen und Mädchen durch Taliban ist möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit
„Die rechtswidrige Beschneidung der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan durch die Taliban sollte als mögliches Völkerrechtsverbrechen untersucht werden. Dies fordert Amnesty International in einem gemeinsam mit der Internationalen Juristenkommission (ICJ) veröffentlichten neuen Bericht. Vor diesem Hintergrund ist auch die Bundesregierung weiter gefordert, die Aufnahme schutzsuchender Afghan*innen zu beschleunigen. In dem Bericht „The Taliban’s war on women: The crime against humanity of gender persecution in Afghanistan“ legen Amnesty International und die Internationale Juristenkommission (ICJ) anhand einer detaillierten Analyse dar, dass die drakonischen Einschränkungen der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan in Verbindung mit Inhaftierung und Verschwindenlassen sowie Folter und anderen Misshandlungen als geschlechtsspezifische Verfolgung gelten könnten. Hierbei handelt es sich nach Artikel 7 (1)(h) des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. (…) Theresa Bergmann, Asien-Expertin bei Amnesty International in Deutschland, sagt: „Seit ihrer Machtergreifung haben die Taliban die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan auf drakonische Weise eingeschränkt. Frauen werden aus dem öffentlichen Leben verbannt, von Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Wenn sie sich gegen die Unterdrückung wehren oder die Maßnahmen kritisieren, werden sie inhaftiert, fallen dem Verschwindenlassen zum Opfer und werden gefoltert. Hierbei handelt es sich um völkerrechtliche Verbrechen, die organisiert, großflächig und systematisch begangen werden. Die Bundesregierung hat laut eigenen Angaben seit Mai 2021 über 44.000 Aufnahmezusagen für besonders gefährdete Afghan*innen in Aussicht gestellt, zwei Drittel davon sind bereits nach Deutschland eingereist. Während sich die Lage in Afghanistan für Frauen und Mädchen immer weiter verschlechtert, wurde jedoch noch keine einzige Person über das im Dezember 2022 eingeführte Bundesaufnahmeprogramm in Deutschland aufgenommen. Die Bundesregierung darf jetzt keine weitere Zeit mehr verlieren, was schutzsuchende Afghan*innen weiteren Risiken aussetzt und sie zusätzlich gefährdet – die Sicherheitsüberprüfungen müssen schnellstmöglich abgeschlossen, die Visaverfahren wieder aufgenommen und Aufnahmezusagen endlich erteilt werden. Die Verfolgung von afghanischen Mädchen und Frauen qua Geschlecht ist ohne Zweifel. Schweden, Dänemark und Finnland haben sie deshalb bereits grundsätzlich als Flüchtlinge anerkannt – ein wichtiger, sehr begrüßenswerter Schritt, der hoffentlich auch weitere Staaten bewegt, dies zu tun. Auch in Deutschland muss afghanischen Mädchen und Frauen immer internationaler Schutz gewährt werden. Die Anerkennung als ‚prima facie‘-Flüchtlinge ist dafür eine gute Lösung.“ Pressemitteilung vom 26. Mai 2023 von Amnesty International - „Sonst hätte ich eine meiner Nieren verkauft“ – Im derzeitigen Aufnahmestopp wird Afghaninnen trotz gültiger Visa die Einreise nach Deutschland verwehrt. Viele befinden sich dadurch in einer verzweifelten Lage.
„Eigentlich sollte es inzwischen systematischen deutschen Schutz vor dem Terror der Taliban geben: Seit 17. Oktober 2022 gibt es das lang angekündigte Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen (BAP). Die Bilanz? Ernüchternd. Bis dato ist darüber kein einziges Visum erteilt worden, aktuelle Aufnahmen erfolgen über eine Übergangsregelung für akut gefährdete Personen. Obendrein herrscht seit Ende März ein sogenannter Ausreisestopp. Das heißt, die deutsche Seite hilft afghanischen Gefährdeten trotz Aufnahmezusage – also durch deutsche Ministerien anerkannte Gefährdung – nicht, nach Deutschland zu kommen. Was das für zwei Frauen und deren Familien bedeutet, zeigen hier zwei Fallbeispiele aus Afghanistan und Iran. Lina E. ist eine junge Afghanin, die noch im Land lebt. Sie hatte sich für das Bundesaufnahmeprogramm registriert, wollte nach Deutschland ausreisen und bekam eine Zusage. Als ich mit ihr spreche, erklärt sie, was die Entscheidungen der deutschen Politik für sie persönlich bedeuten: „Ich glaube, die deutsche Regierung weiß nicht, welche Wirkung der Aufnahmestopp auf uns hat: Wir leben jeden Tag wie in einem Albtraum.“ (…) „Die einzige Möglichkeit, einen Pass zu bekommen, war, eine riesige Summe Geld zu bezahlen. So mussten wir unser Haus mit all seinen Möbeln verkaufen, um die Pässe zu bekommen.“ Umgerechnet 6.000 Euro hätten sie bezahlt. „Ich war sehr glücklich, dass wir ein Haus haben, denn hätten wir kein Haus gehabt, hätte ich eine meiner Nieren verkauft, damit meine Familie und ich ein Leben in Frieden und Freiheit führen dürfen.“ Auch werde sie den Tag nie vergessen, an dem ihr Bruder in der Schlange zum Passamt in Kabul von den Taliban ausgepeitscht worden sei. Als sie dann der Iran Taskforce mitteilte (einem Dienstleister der deutschen Regierung, der für die Unterstützung von Ausreisen gefährdeter Afghan*innen via Iran zuständig ist), dass sie die Pässe bekommen hätten und alle reisefertig seien, erhielt sie erst gar keine Nachricht und fünf Tage später die Information über den Ausreisestopp. „Das war der schlimmste Tag“, sagt sie, „ich konnte nicht aufhören zu weinen. Zwei Tage lang habe ich mich nicht getraut, meiner Familie die Nachricht zu überbringen.“ Seit der erschütternden Nachricht Anfang April gehe es ihnen jeden Tag schlechter. Sie hielten sich entfernt von ihrer Heimatstadt im Haus ihres Onkels auf, um nicht entdeckt zu werden. Denn spätestens seit dem Hausverkauf sei für die Taliban klar, dass sie das Land verlassen wollten; ihre Gefährdung habe sich dadurch verschärft, denn wer gehen will, gilt als Verräter: „Wir sterben innerlich jeden Tag mehr.“…“ Artikel von Lena Reiner vom 24. Mai 2023 in der Zeit online - Frauenrechte in Afghanistan: Ein Gefängnis aus Verboten
„Seit dem Abzug der US-Truppen in Afghanistan und dem Erstarken der Taliban ist es für viele Menschen in dem Land düster geworden. Besonders Menschen- und Frauenrechte waren in den vergangenen Monaten in dem Land immer weiter eingeschränkt worden. Anfang des Jahres war afghanischen Frauen verboten worden, Universitäten und Hochschulen zu besuchen. Ebenfalls wurde ihnen untersagt, in Nichtregierungsorganisationen und für die Vereinten Nationen zu arbeiten. Unter der Leitung von UN-Generalsekretär Antonio Guterres will die Staatengemeinschaft nun eine einheitliche Linie zu den Frauenrechten in Afghanistan finden. Dass sich diese jetzt in Katar bei einem internationalen Treffen über die Lage des Menschen, insbesondere der Frauen, beraten, ist gleichermaßen überfällig und begrüßenswert. Der zunehmende Ausschluss aus dem öffentlichen Leben und der Berufswelt durch die Taliban ist für Afghaninnen ein Gefängnis aus Verboten. Der Westen schuldet es ihnen zu handeln – und sich nicht weiterhin in schwere Worte gehüllte Versprechen zu flüchten.“ Kommentar von Julia Trippo vom 2.5.2023 in ND online , siehe dazu:- „Schaut auf diese mutigen Frauen aus #Afghanistan. Das sind aktuelle Bilder aus Kabul. Sie sagen: „Nein zur Taliban, Öffnet endlich die Schulen und Universitäten für Frauen und Mädchen, Wir werden weiter kämpfen für unsere Grundrechte, auch wenn wir dafür sterben müssen. Diese Frauen riskieren gerade Ihre Freiheit und ihr Leben, um die Weltöffentlichkeit daran zu erinnern, dass Ihre Rechte jeden Tag von der Taliban beschnitten werden. Sie wurden im Stich gelassen und machen trotzdem weiter. Das Mindeste ist hinzuschauen. #Afghanistanweseeyou“ Thread von Düzen Tekkal vom 29. Apr. 2023 mit Video
- Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan brauchen Zuflucht
„Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit appelliert PRO ASYL an die Bundesregierung, bedrohten afghanischen Journalist*innen, die sich in Afghanistan verstecken oder in Nachbarländer fliehen mussten, humanitäre Visa zu erteilen. Seit Monaten erhält PRO ASYL von bedrohten Afghan*innen aus Iran und Pakistan Hilferufe, darunter sind auch zahlreiche Journalist*innen, die vor der Verfolgung durch die Taliban fliehen mussten. Frau Dr. Alema, Afghanistan-Referentin von PRO ASYL, beklagt: „Es ist unverantwortlich, die Vergabe von humanitären Visa für besonders gefährdete afghanische Personen, die sich für Menschenrechte und Demokratie in Afghanistan eingesetzt haben, einzustellen. Trotz der Versprechen der vorherigen und der aktuellen Bundesregierung gibt es bis heute für Medienschaffende, die in das Visier der Taliban geraten sind, keine Wege der Zuflucht nach Deutschland.“ Im Koalitionsvertrag von November 2021 hieß es noch: „Wir werden humanitäre Visa für gefährdete Personen ermöglichen und dazu digitale Vergabeverfahren einführen.“ (Koalitionsvertrag, S.113) Im Moment beabsichtigt die Bundesregierung aber die Erteilung von humanitären Visa nach §22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz, für die das Auswärtige Amt zuständig ist, auslaufen zu lassen. Stattdessen will sie nur über das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan unter der Federführung des Bundesinnenministeriums afghanische Staatsangehörige aufnehmen, die sich unter anderem im Bereich „Medien […] besonders exponiert haben und deshalb individuell gefährdet sind“. Jedoch konnte aufgrund zahlreicher Schwierigkeiten seit dem offiziellen Start im Oktober 2022 bis jetzt noch keine einzige Person über dieses Programm nach Deutschland einreisen. Und es sieht nur die Aufnahme direkt aus Afghanistan vor – Menschen aber, die aufgrund der großen Gefährdung durch die Taliban bereits in Nachbarländer wie Pakistan und Iran fliehen mussten, bleiben außen vor…“ Pressemitteilung vom 3. Mai 2023 von und bei Pro Asyl - Afghanistan: Sechs Monate nach dem Start des Bundesaufnahmeprogramms bilanziert PRO ASYL: Viel versprochen, bis heute keine einzige Einreise
„Seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 verschlimmert sich die ohnehin schon katastrophale Lage in Afghanistan dramatisch. Das Land versinkt im Chaos, während die Taliban ungehemmt agieren und zunehmend brutal gegen Frauen, Mädchen und Oppositionelle vorgehen. Begrüßenswert war die Entscheidung der Bundesregierung, Verantwortung für bedrohte Afghan*innen zu übernehmen und sich im Koalitionsvertrag unter anderem dazu zu verpflichten, ein Bundesaufnahmeprogramm für akut gefährdete Afghan*innen einzurichten. (…) „Es muss um jeden Preis vermieden werden, dass alle Aufnahmemöglichkeiten allein in dem Bundesaufnahmeprogramm aufgehen, da dann sehr viele bedrohte Menschen ausgeschlossen wären“ betont Dr. Alema. „Der jüngste Bericht der Vereinten Nationen zeigt wie bedrohlich die Situation ist . Die Aufnahme aus Afghanistan muss weitergehen“ fordert Dr. Alema. (…) Sogar Menschen, die bereits ein Visum erhalten haben, sollen nicht einreisen dürfen. PRO ASYL kritisiert die Aussetzung des Visaverfahrens und die Verhinderung der Einreise trotz bereits erhaltenen Visa aufs Schärfste. Eine Optimierung von Prozessen kann nicht zu Lasten von Menschen gehen, die sich in Lebensgefahr befinden. Zudem hält PRO ASYL die Verhinderung der Einreise von Menschen mit Visum für rechtswidrig. Wenn ein Visum erteilt wurde, haben bereits alle erforderlichen Prüfungen stattgefunden, es darf dann nicht einfach, ohne jegliche Rechtsgrundlage, die Einreise verhindert werden…“ Pressemitteilung vom 17.04.2023 - Afghanistan: Die Gewöhnlichkeit des Unrechts. Zum Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für Afghan:innen.
„Die Meldung selbst gibt nicht viel her. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Bearbeitung von Visumsanträgen von Menschen aus Afghanistan vorübergehend ausgesetzt. Grund dafür seien, so heißt es, „Hinweise auf mögliche Missbrauchsversuche“. Ihre Entscheidung gilt mit sofortiger Wirkung. Im Klartext: Von jetzt auf gleich werden Visumsanträge als besonders gefährdet eingestufter afghanischer Menschen weder von der deutschen Botschaft in Teheran noch von der Botschaft in Islamabad entgegengenommen. Die Bearbeitung eingereichter Anträge für das Bundesaufnahmeprogramm wird eingestellt, ebenfalls ab sofort. (…) Zu entnehmen ist der Mitteilung, dass die grüne Ministerin weitere Aufnahmen von Afghan:innen an die Einführung einer zusätzlichen Sicherheitsbefragung mit dem Ziel der Verhinderung weiterer „Täuschungsversuche“ binden will. Nicht mitgeteilt wird, was darunter verstanden werden soll. Anzunehmen ist, dass neben den verschiedenen bisher zuständigen deutschen Stellen weitere Ämter hinzugezogen werden sollen. Naheliegend ist, dass die Ministerin dazu geheimdienstliche Hilfe in den Blick nimmt. Mitgeteilt wurde auch, dass Visumsanträge künftig allein in Islamabad angenommen werden sollen, nicht mehr in Teheran oder anderen Konsulaten. Ausgeschlossen sind jetzt alle, die wegen früherer Fluchtversuche über Pakistan mit einer Einreisesperre belegt wurden: auch das scheint für die Ministerin ganz in Ordnung zu sein. Unklar ist das Schicksal der Menschen, die bereits Visumstermine in Teheran hatten. Die Aussetzung des Verfahrens kann sich über Wochen, wenn nicht über Monate hinziehen: In Verfahren zur Aufnahme von Menschen aus Afghanistan, aber auch aus anderen Ländern Asiens oder Afrikas mahlen die Mühlen deutscher Bürokratie in der Regel langsam, schmerzlich langsam. So wurde im Zuge des ja seit Herbst laufenden Bundesaufnahmeprogramms tatsächlich nicht ein einziges Visum erteilt. Selbst für die, die sich aus Afghanistan retten konnten, heißt das, bis auf weiteres da bleiben zu müssen, wo sie gerade sind: irgendwo in Teheran, irgendwo in Islamabad. Tagtäglich der Gefahr ausgesetzt, entdeckt, gefangengenommen, ausgeplündert, gequält, ausgeliefert und nach der Auslieferung weiter gequält, wenn nicht getötet zu werden. Bleiben müssen natürlich auch die, die noch in Afghanistan sind. All doors closed, no way out. (…) Weil medico aufgrund der Kooperation mit AHRDO „meldeberechtigt“ war, haben wir gemeinsam mit unseren Partner:innen in Edmonton beschlossen, für achtundzwanzig im Land zurückgebliebene und hochgradig gefährdete Kolleg:innen Anträge zu stellen. Die Anforderungen dazu sind so umfangreich, dass zwei unserer Kolleg:innen hier in Frankfurt seit Wochen nichts anderes tun. Geplant war, die bearbeiteten Anträge bis Juli einzureichen. Das wird jetzt so lange nicht mehr möglich sein, bis das grüne Außenministerium den Aussetzungsbeschluss zurücknimmt. So lange also, bis die Ministerin herausgefunden haben wird, was sie tun kann, um dem sowieso schon sehr begrenzten Kreis „begünstigter“ Afghan:innen die Aussicht auf Sicherheit, aufs blanke Überleben noch weiter zu erschweren. Wir müssen unseren in Afghanistan verbliebenen Partner:innen, achtundzwanzig mit dem Tod bedrohten Menschen, jetzt erklären, dass und warum Deutschland sie als „besonderes Sicherheitsrisiko“ betrachtet. Wir werden ihnen erklären, dass sich dieser Verdacht im Grunde blank gegen alle Afghan:innen richtet. Gemeinsam werden wir trotzdem nach Wegen suchen, ihnen hier Ankunft und Schutz zu ermöglichen.“ Beitrag von Thomas Rudhof-Seibert vom 6. April 2023 bei medico international - Berliner Erklärung afghanischer Frauen zum Internationalen Frauentag 2023: Vergessen – ohne Perspektive auf Schutz und ein menschenwürdiges Leben
„»Wir verzweifeln über unseren Handys, auf denen wir tagtäglich die grausamsten Nachrichten und Bilder von einem Afghanistan erhalten, in dem es keine Menschenwürde mehr gibt. Wir können die Hilferufe unserer Familien, Freund*innen und Kolleg*innen kaum ertragen.« So heißt es in der Berliner Erklärung afghanischer Frauen zum Internationalen Frauentag 2023, die sie zum 8. März mit Unterstützung der Afghanistan-Referentin von PRO ASYL, Dr. Alema, formuliert haben. Darin fordern mehr als 80 Frauen aus Afghanistan und mehrere Frauengruppen die Bundesregierung auf, sich an ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag und dem Aktionsplan Afghanistan vom Dezember 2021 zu halten. (…) Zu den wichtigen Anliegen gehört auch die Forderung, dass afghanische Mädchen und Frauen im Asylverfahren wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung eine Anerkennung als Flüchtling erhalten müssen – wie jüngst von der Europäischen Asylagentur (EUAA) gefordert. Länder wie Dänemark und Schweden haben diesen Schritt bereits vorgemacht, auch PRO ASYL hat sich dazu geäußert. Denn die Lage der Frauen in Afghanistan ist dramatisch: Sie dürfen nicht zur Schule gehen oder studieren, nicht öffentlich sichtbar arbeiten, sich kaum auf öffentlichen Plätzen aufhalten und müssen sich mindestens mit einem Hidschab verhüllen. Das sind nur einige der Verbote und Diskriminierungen, denen Mädchen und Frauen in Afghanistan ausgesetzt sind – einzig, weil sie weiblich sind…“ Meldung zum Aufruf am 08.03.2023 bei Pro Asyl . Siehe auch:- Unterdrückung in Afghanistan: Land ohne Frauen
„Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 werden die Rechte der Frauen in Afghanistan immer mehr eingeschränkt. Drei Protokolle…“ Artikel von Ann Esswein und Sophie Jung vom 7.3.2023 in der taz online
- Unterdrückung in Afghanistan: Land ohne Frauen
- Verfolgt, weil sie Frauen sind: Afghanische Frauen müssen als Flüchtlinge anerkannt werden
„Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban hat sich die Situation für Frauen und Mädchen in Afghanistan weiter verschärft. Die massiven Restriktionen sind zusammengenommen so schwerwiegend, dass sie als Verfolgung aufgrund des Geschlechts gelten müssen: Frauen müssen als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden. Sie dürfen nicht zur Schule gehen oder studieren, nicht öffentlich sichtbar arbeiten, sich kaum auf öffentlichen Plätzen aufhalten und müssen sich mindestens mit einem Hidschab verhüllen. Das sind nur einige der Verbote und Diskriminierungen, denen Mädchen und Frauen in Afghanistan ausgesetzt sind – einzig, weil sie weiblich sind. In Europa setzt sich mehr und mehr die Einsicht durch, dass Mädchen und Frauen in Afghanistan aufgrund der Verfolgung durch die Taliban grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen werden muss. Nachdem die schwedische Asylbehörde schon seit Dezember 2022 so entscheidet, hat nun Ende Januar 2023 auch die Europäische Asylagentur (EUAA) eine entsprechende Einschätzung abgegeben. Auch Dänemark erkennt Frauen und Mädchen aus Afghanistan seit dem 30. Januar dieses Jahres allein auf Grund ihres Geschlechts die Flüchtlingseigenschaft zu. In Deutschland fehlt bislang eine solche klare Haltung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). (…) PRO ASYL fordert vor diesem Hintergrund das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dazu auf, sämtlichen im Asylverfahren befindlichen afghanischen Mädchen und Frauen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Betroffenen, denen vor der Machtübernahme der Taliban der Flüchtlingsschutz versagt blieb und denen nur subsidiärer Schutz oder gar nur ein Abschiebungsverbot zugesprochen wurde, muss aufgrund der radikal geänderten Situation im Herkunftsstaat im Falle der Stellung eines Asylfolgeantrags die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen werden.“ Meldung vom 02.02.2023 bei Pro Asyl - Breite und mutige Proteste in Afghanistan nachdem die Taliban den Frauen auch die Arbeit in NGOs untersagen „… In Afghanistan sollen Mitarbeiterinnen aller nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bis auf Weiteres von ihrer Arbeit suspendiert werden. Das forderte das Wirtschaftsministerium des Landes am Samstag in einem Schreiben. Grund dafür sei, dass die Frauen die Vorschriften der Taliban-Führung in Bezug auf das Tragen eines Hidschabs, also eines Kopftuchs, nicht einhielten. Komme eine Organisation dieser Anordnung nicht nach, werde ihre Lizenz entzogen, hieß es in dem Schreiben. Inwieweit die Anordnung auch für Organisationen der Vereinten Nationen gilt, die in Afghanistan stark vertreten sind, blieb zunächst offen. Ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, die Anordnung gelte für die Organisationen, die unter der afghanischen Koordinationsbehörde Acbar arbeiteten. Das umfasst rund 180 örtliche und internationale NGOs, nicht aber die UN. Allerdings vergeben die Vereinten Nationen Aufgaben oft an in Afghanistan registrierte Organisationen. Hilfsanbieter erklärten, weibliche Mitarbeitende seien oft auch deshalb wichtig, damit Frauen den Zugang zu Hilfe bekämen. (…) In der westafghanischen Stadt Herat demonstrierten am Samstag Dutzende Frauen gegen ihre Verbannung von den Universitäten des Landes. Mit Parolen wie »Bildung ist unser Recht« seien sie in Kleingruppen auf die Straße gegangen, sagte eine Demonstrantin der Deutschen Presse-Agentur. Die Frauen versammelten sich demnach vor dem Büro des Provinzgouverneurs. Die Taliban hätten die Proteste dann mit Wasserwerfern und Schlagstöcken aufgelöst, hieß es weiter. Videos in den sozialen Netzwerken zeigten ein Feuerwehrauto, das die Demonstrantinnen mit einer Flüssigkeit besprühte. In der Hauptstadt Kabul zeigten die Taliban am Samstag erhöhte Militärpräsenz. Auch dort hatten am Donnerstag Dutzende Frauen gegen das kürzlich verhängte Universitätsverbot demonstriert. Berichten zufolge wird seitdem mindestens eine der Frauen vermisst.“ Meldung vom 24. Dezember 2022 im Spiegel online („Taliban untersagen NGO-Mitarbeiterinnen die Arbeit“) und dazu wie danach:
- „Solange sie meiner Schwester und meiner Mutter nicht erlauben, zu studieren, werde ich auch nicht studieren“ Der Universitätsdozent Ismail Mashal zerreißt seine Universitätsabschlüsse als Antwort auf die jüngsten Verbote der #Taliban gegen das Recht der Frauen zu studieren… Gestern hatte ich noch 450 StudentInnen. Aber ich habe die Türen meines Instituts geschlossen. Ist Studieren ein Verbrechen? Ist es eine Sünde? Gott und sein Prophet (Friede sei mit ihm) haben ihnen befohlen zu studieren, warum nehmt ihr ihnen das Recht zu studieren, zu lernen?“ Thread von Düzen Tekkal vom 27.12. mit Video
- „Die afghanische Frauenrechtsaktivistin @JamilaAfghani reagiert auf die jüngsten Schritte der Taliban, Frauen den Zugang zu Bildung und die Arbeit bei NGOs zu verwehren, und bricht frühere Versprechen, nicht mit mehr Mäßigung zu regieren. „Die Situation in Afghanistan ist sehr chaotisch“, sagt Afghani.“ engl. Tweet von Democracy Now! vom 27.12. mit Video
- „Stolz und stark“: Junge Afghanin protestiert in Kabul allein gegen Uni-Verbot
„In Afghanistan haben die radikalislamischen Taliban Frauen den Besuch von Hochschulen verboten. Eine 18-Jährige protestiert in Kabul gegen den Schritt. Sie sagt: „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich so stolz, stark und mächtig gefühlt.„…“ Beitrag vom 27.12.2022 bei web.de - „Taliban „Wir werden Mädchen auf keinen Fall Bildung ermöglichen und wir werden nicht nachgeben,selbst wenn Atom bei der Umsetzung von Gottes Dekreten gegen uns benutzt wird.Wenn wir Zivilisation,Fortschritt und Gleichberechtigung wollten, hätten wir nicht all die Jahre gekämpft.” Tweet von Arezao Naiby vom 26. Dez. 2022 mit Video
- „Die mutigen afghanischen Frauen und ein Teil Ihrer Männer fangen an die #Frauenrechtsverletzungen der #Taliban zu dokumentieren. Das machen sie für uns. Damit es nicht wieder heißt,die wollen das so in #afghanistan. NIEMAND will ein würdeloses Leben für seine Schwestern & Mütter. Die Szene die hier mit gedreht wurde von den Betroffenen. Die Taliban zwingen weibliche DemonstrantInnen dazu mit ihnen zu gehen. Eine Frau sagt immer wieder,ich bin schwanger bin, bitte lasst mich gehen, Als die Frau nicht nachlässt sagt ein #Taliban: Nehmt diese „Schlampe“ mit. So sieht die Realität von Frauen unter den #Taliban: #Geschechterapartheid. Entweder machen die Frauen was die Taliban sagen oder sie werden als „Schlampen“ zum Abschuss frei gegeben.Kommt Euch bekannt vor? Genau kennen wir auch vom Mullah Regime. Deshalb all Eyes on #afghanistan“ Thread von Düzen Tekkal vom 25.12. mit Video
- #LetAfganGirlsLearn #LetAfghanWomenWork
- [Erst Sekundarschule, dann Parks…] Afghanistan: Taliban verbannen Frauen von Universitäten – und ernten breiten Protest nicht nur der Frauen, trotz Verhaftungen
- Afghanistan: Taliban verbannen Frauen von Universitäten
„… Die radikal-islamischen Taliban haben in Afghanistan Frauen die Universitätsbildung verboten. In einer Regierungserklärung wurden alle privaten und öffentlichen Universitäten angewiesen, das Bildungsverbot für Frauen bis auf weiteres durchzusetzen. Am Mittwoch haben Sicherheitskräfte der Taliban Berichten zufolge Frauen den Zugang zu den Hochschulen verwehrt. Die Mitteilung wurde vom Ministerium für Höhere Bildung am Dienstag geteilt und lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Unterzeichnet wurde die Erklärung vom amtierenden Minister Scheich Neda Mohammed Nadim. Eine Begründung gab es nicht. (…) Vor weniger als drei Monaten hatten Tausende Mädchen und Frauen im ganzen Land Aufnahmetests für Universitäten absolviert. Viele von ihnen wollten Lehramt oder Medizin studieren. Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden Universitäten bereits gezwungen, neue Regeln einzuführen. So wurden Eingänge und Unterrichtsräume nach Geschlechtern getrennt. Frauen durften nur von anderen Frauen oder alten Männern unterrichtet werden. (…) Die Taliban haben die Frauenrechte bereits massiv eingeschränkt und Mädchen und Frauen vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Auch weiterführende Schulen ab der siebten Klasse sind für Mädchen seit dem Machtwechsel nicht mehr zugänglich. In Kabul ist Frauen seit einigen Monaten sogar der Besuch in öffentlichen Parks und Fitnessstudios untersagt. Trotz internationaler Kritik halten die Taliban an ihrem Kurs fest. (…) Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, nannte das Verbot „einen erschreckenden und gemeinen Schlag“ und einen „zutiefst bedauerlichen Rückschlag für das ganze Land“ (…) Afghanistan verstoße mit dem Ausbildungsverbot gegen internationales Recht, so Türk. „Das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung jeden Niveaus ohne Diskriminierung ist ein grundlegendes Recht, das nicht infrage gestellt werden kann“, teilte Türk mit. (…) Ebenso beunruhigt zeigt sich UN-Generalsekretär António Guterres. „Der Generalsekretär bekräftigt, dass die Verweigerung von Bildung nicht nur gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen verstößt, sondern auch verheerende Auswirkungen auf die Zukunft des Landes haben wird“, erklärte Guterres‘ Sprecher. Der Generalsekretär rief die Behörden in Afghanistan demnach dazu auf, „gleichen Zugang zu Bildung auf allen Ebenen zu gewährleisten“.“ Agenturmeldungen vom 21. Dezember 2022 beim ZDF , siehe dazu: - Afghanistans Frauen: Ein Rückschlag nach dem anderen – aber der Kampf geht weiter
„… „Rechte muss man sich erkämpfen, sie werden einem nicht geschenkt“, besagt ein Sprichwort in Afghanistan. Dessen Bedeutung kennen Julia Parsi und ihre Mitstreiterinnen nur zu gut. Die Frauen haben gemeinsam die „San Library“ gegründet, die „Frauenbibliothek“ in der Hauptstadt Kabul. Ein Ort, an dem Besucherinnen lesen, lernen und sich austauschen können – mitten unter den herrschenden Taliban. Die Islamisten haben am Dienstag ihren neuesten frauenfeindlichen Erlass verkündet: Fortan dürfen Frauen keine Universitäten mehr besuchen. Das Verbot reiht sich ein in eine bereits lange Liste an Einschränkungen für Frauen, seit die militanten Islamisten im August 2021 die Macht übernommen haben. Frauen durften in vielen Fällen nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, dann wurden ihnen weitere Fahrten mit dem Taxi alleine untersagt, dann wurde Mädchen der Schulbesuch ab der siebten Klasse verboten. Seit ein paar Monaten ist etwa in Kabul sogar der Besuch in öffentlichen Parks und Fitnessstudios für Frauen ein Tabu. (…) Die Aktivistinnen rund um Julia Parsi allerdings wollen nicht über sich bestimmen lassen. Immer wieder organisieren sie Proteste gegen die Regierung und die Beschränkungen der Taliban. „Ich möchte die Stimme der Afghaninnen nach außen tragen“, erzählt Julia in ihrer Bibliothek, zwischen bunten Büchern für Kinder und zahlreichen Klassikern der afghanischen Literatur. Ähnlich wie im Iran haben die Proteste gegen die Machthaber in Afghanistan ein weibliches Gesicht. Was für die Iranerinnen und Kurdinnen „Frau, Leben, Freiheit“ ist, ist für die Afghaninnen „Brot, Arbeit, Freiheit“: Der Protestruf, der sie immer wieder auf die Straßen von Kabul, Herat oder Masar-i Scharif treibt. „Mit jeder neuen Einschränkung für Frauen sind wir erneut rausgegangen“, sagt Parsi. Selbst Schläge, Drohungen oder Verhaftungen konnten Demonstrantinnen bisher nicht davon aufhalten. (…) Jeder Schritt Richtung Freiheit und Bildung kann Frauen in dem Land aber auch wegen der anhaltenden Terrorgefahr einen hohen Preis kosten – mitunter sogar das eigene Leben. Als sich im April ein Attentäter im Kabuler Stadtteil Dascht-e Bartschi in die Luft sprengte, waren unter den mehr als 50 Todesopfern vor allem junge Frauen. Sie bereiteten sich in einer privaten Bildungseinrichtung gemeinsam auf die Aufnahmeprüfung für die Universität vor. „Sie war so aufgeregt wegen des Examens“, erinnert sich die Familie von Hadschar, die, wie ihre Cousine Marsia, vom Kurs nicht mehr zurückkehrte. Fatima Amiri überlebte das Attentat schwer verletzt und verlor dabei ihr linkes Auge. „Ich hatte mich unterm Schreibtisch versteckt“, erinnert sich die junge Frau. „Als ich die Augen öffnete, waren meine Hände voller Blut und um mich herum lagen tote Menschen.“ Die anschließende Aufnahmeprüfung für die Universität legte sie trotz der schrecklichen Ereignisse ab – und bestand mit Bestnoten. Dank einer Spendenaktion des beliebten afghanischen Sängers Farhad Daria kann Fatima ihre Verletzungen nun in der Türkei behandeln lassen. Doch sie ist fest entschlossen, nach Afghanistan zurückzukehren, selbst wenn sie ihre Bildung im Ausland fortsetzen sollte. „Ich bin überzeugt davon, dass eines Tages wieder bessere Zeiten in Afghanistan kommen“, sagt sie.“ RND-Beitrag vom 21. Dezember 2022 - „Tapfere Frauen auf den Straßen von Kabul heute nach dem Verbot der Bildung von Frauen durch die Taliban. „Sie haben die Schulen geschlossen, die Welt hat geschwiegen. Sie haben unsere Universitäten geschlossen. Stille. Jetzt unsere Bildungskurse?. Was sollen wir tun? Uns umbringen?” engl. Thread von Shabnam Nasimi vom 22.12. mit Video
- „RAWA übernimmt die Verantwortung für diese Proteste in ganz Afghanistan. Das ist keine radikale Aktion. Es ist das absolute Minimum. Bildung für Frauen ist nicht verhandelbar. RAWA ist überall unter jeder Burka. Entweder für alle oder für niemanden. Einer für alle alle für einen. Ja, wir haben diese Proteste organisiert und werden mehr tun. Keine Angst Schwestern. Wir sind zusammen. RAWA ist unter jeder Burka im Herzen unserer Großmutter, Mutter, Schwester und unseres kleinen Mädchens, das nicht einmal die Augen geöffnet hat
Sie können einige von uns töten, aber nicht alle von uns. Sie können RAWA nicht töten. Was kannst du uns mitnehmen, was noch nicht genommen wurde? Was kannst du uns Angst machen? Unsere Leben? Wir haben ein Leben und werden es für die Freiheit opfern. Das Leben unter der islamischen Tyrannei ist kein Leben, es ist der Tod. Wenn Sie eines unserer Leben nehmen, werden zwei weitere auferstehen. Unsere Kinder werden härter für die Freiheit kämpfen“ engl. Thread von Revolutionary Association of Women of Afghanistan vom 22.12. mit Video - „Mehr als 70 Universitätsprofessoren in #Afghanistan sind seit gestern zurückgetreten, nachdem die Taliban beschlossen haben, Universitäten für Frauen zu schließen…“ Tweet von Arezao Naiby vom 22. Dez. 2022 mit Foto
- „… Nach ersten Berichten protestierender Frauen #افغانستان fünf der protestierenden Mädchen und drei Journalistinnen von den Taliban festgenommen…“ Thread von The Anarchist Union of Afghanistan & Iran vom 22.12. (farsi) mit Video
- Afghanistan Fighting Women: EDUCATION – WORK – FREEDOM!+ Video clips
engl. Dokumentation vom 22.12.22 bei The Federation of Anarchism Era mit vielen Videos - „Die Versprechen der #Taliban in #Afghanistan stellen sich, wie von vielen erwartet, als Lügen heraus. Eine Klasse junger Frauen bricht in Tränen aus, als ihnen gesagt wird, dass sie die Universität verlassen müssen…“ Thread von UnionWatch vom 22.12. mit Videos
- „Männliche Studenten an der Nangarhar-Universität gehen aus Solidarität mit den Studentinnen von ihrer Prüfung weg, um gegen das Taliban-Verbot der Bildung von Mädchen zu protestieren. #LetHerLearn #Afghanistan“ engl. Tweet von Abdulhaq Omeri vom 21. Dez. 2022 mit einem Video
- „Allein in diesem Jahr haben die Taliban Frauen von der Sekundarschule verbannt (März), Frauen aus Parks in Kabul verbannt (November) und jetzt Frauen von der Universität verbannt (Dezember). Es ist eine Schande.“ engl. Tweet von Jim Murphy vom 21. Dez. 2022 mit einem Video von Human Rights Watch
- Siehe auch #LetHerLearn #LetAfghanGirlsLearn
- Afghanistan: Taliban verbannen Frauen von Universitäten
- Bundesregierung räumt mehrere Todesfälle unter ehemaligen Ortskräften ein / hessisches Landesaufnahmeprogramm Afghanistan als Vorbild
- Afghanistan: Bundesregierung räumt mehrere Todesfälle unter ehemaligen Ortskräften ein
„Sie hofften vergebens auf Rettung durch die Deutschen: 32 afghanische Ortskräfte, Aktivisten und Familienangehörige sind seit der Machtübernahme der Taliban ums Leben gekommen. Nicht alle starben eines natürlichen Todes. (…) Linken-Abgeordnete Bünger nennt die Bilanz ein »Desaster«. Die alte Regierung habe sträflich dabei versagt, gefährdete Menschen rechtzeitig aus Afghanistan herauszuholen, sagt sie dem SPIEGEL. »Und die neue Regierung hat es nicht einmal geschafft, wenigstens diejenigen in Sicherheit zu bringen, die eine Aufnahmezusage erhalten haben.«“ Artikel von Matthias Gebauer und Steffen Lüdke vom 8.10.2022 im Spiegel online - PRO ASYL zum hessischen Landesaufnahmeprogramm Afghanistan: „Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Bundesinnenministerin Faeser“
„PRO ASYL begrüßt die Entscheidung des Landes Hessen, ein Landesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen aufzulegen. Andere Bundesländer und der Bund sollten sich ein Beispiel daran nehmen. PRO ASYL begrüßt die Entscheidung der hessischen Koalition, eintausend Menschen aus Afghanistan im Rahmen eines Landesaufnahmeprogrammes Zuflucht zu bieten. Das Bundesland schafft damit eine Lösung für Angehörige von in Hessen lebenden Afghan*innen. „Das ist ein bundesweit bedeutsames Signal. Es ist mutmachend, dass nach Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin und Thüringen, die bereits im vergangenen Jahr Landesaufnahmeprogramme beschlossen hatten, nun auch Hessen diesen Schritt geht“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. „Das Bundesinnenministerium muss nun dringend seine Zustimmung geben, denn erst dann können sich Menschen um Aufnahme bewerben.“ Erfreulich ist, dass das Land für die Flugkosten aufkommen will und die Kriterien zur Aufnahme vergleichsweise weit gefasst sind, sodass nicht nur die Kernfamilie profitiert, sondern beispielsweise auch Enkel oder Geschwister die Möglichkeit haben, sich zu retten…“ Pressemitteilung vom 6.10.22
- Afghanistan: Bundesregierung räumt mehrere Todesfälle unter ehemaligen Ortskräften ein
- Am 15. August jährt sich die erneute Machtübernahme durch die Taliban zum ersten Mal: Keine Aussicht auf nichts. #DontForgetAfghanistan
- #DontForgetAfghanistan: Bundesweite Demonstration & Protestcamp vom 13. bis 15. August in Berlin
„Am 15. August diesen Jahres jährt sich die erneute Machtübernahme durch die Taliban zum ersten Mal. Zwanzig Jahre NATO-Militäreinsatz in Afghanistan haben Zerstörung und Leid hinterlassen. Seit dem fluchtartigen Rückzug der NATO-Armeen im vergangenen Jahr herrschen die Taliban nun wieder in Afghanistan und Terror, Gewalt und Armut dominieren den Alltag der meisten Afghan*innen. Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen, so genannte Ortskräfte, Lehrer*innen – die gesamte afghanische Zivilbevölkerung wurde im Stich gelassen. Obwohl die Bundesregierung schon letztes Jahr versprach, besonders gefährdete Personengruppen aus Afghanistan zu evakuieren, ist seitdem viel zu wenig passiert. Das von der Ampel als „Erfolg“ gefeierte Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen zeigt bei näherer Betrachtung: Das bewilligte Geld reicht für gerade mal 5.000 Personen. Diese Politik der Ampel-Regierung ist damit nichts weiter als die Fortsetzung der bisherigen Politik des Innenministeriums unter Horst Seehofer. SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen nehmen damit den Tod von Menschen in Afghanistan in Kauf. Damit muss Schluss sein!…“ Aufruf bei Seebrücke , siehe auch- deren Thread vom 9.8.22 : „Am 15. August jährt sich der Tag der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zum ersten Mal. Seither gelten Menschenrechte, Gleichstellung & Demokratie nichts mehr in Afghanistan…“
- Unter #DontForgetAfghanistan finden sich viele Demos in vielen Städten, aich in Bern/Schweiz…
- Afghanistan am Jahrestag seiner Auslieferung an die Taliban: Keine Aussicht auf nichts.
„Im Mai dieses Jahres habe ich zuletzt über Afghanistan geschrieben. Ich zitierte damals einen Afghanen, der in Al Jazeera mit dem Satz zu Wort kam: „Alles, was wir tun können ist, den Hungertod nicht zu sterben.“ Der Bericht des arabischen Senders handelte von der Hungerkrise im Land und davon, dass nahezu 90 Prozent seiner Bewohner:innen vom Hungertod bedroht sind. Wie im Frühjahr wissen wir auch heute nicht, wie viele Afghan:innen bereits sterben mussten, wie viele im nächsten Winter sterben werden. Wir wissen auch sonst nicht viel von dem, was unter den Taliban geschieht und was aus den Zusammenbruch der Geld- und Güterverkehrs resultiert, zu dem es mit ihrer Machtübernahme kam. Das liegt nicht nur daran, dass niemand frei das Land bereisen und davon berichten kann. Es liegt auch nicht nur daran, dass die internationalen Medien andere Themen verfolgen müssen, den Krieg in der Ukraine zum Beispiel. Es liegt vor allem daran, dass an Meldungen aus Afghanistan kaum jemand so recht interessiert ist…“ Beitrag von Thomas Rudhof-Seibert am am 14. August 2022 bei medico international - Keine Hoffnung auf Frieden. Vor einem Jahr überließ der Westen der Taliban die Macht in Afghanistan
„Die Bevölkerung in Afghanistan hungert, Frauen machen sich unsichtbar oder werden verfolgt, wenn sie es nicht tun. Das Land, in dem der Westen für Sicherheit und Stabilität sorgen wollte, steht einmal mehr am Abgrund. (…) Die Islamisten haben, was ihre Sicht auf Frauen und Andersdenkende sowie ihr Verhältnis zur Rechtsprechung anbelangt, seit ihrer ersten Herrschaft 1996 bis 2001 nicht dazu gelernt. Der jüngste Bericht der UN-Mission Unama listet außergerichtliche Hinrichtungen von ehemaligen Sicherheitskräften, mutmaßliche Fälle von Folter, willkürliche Festnahmen, Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten und eine lange Liste von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf, darunter Vergewaltigung, Mord, Zwangsheirat, Kinderehen, Körperverletzung…“ Artikel von Andrea Jeska vom 14.08.2022 im Migazin , siehe dazu: - Ein Jahr Taliban: Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan
„Vor einem Jahr haben westliche Truppen durch ihren übereilten und unvorbereiteten Abzug aus Afghanistan der Taliban die Macht im Land überlassen. Seitdem gehen die brutal gegen ehemalige Widersacher vor und schränken die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Ein Überblick…“ Beitrag vom 14.08.2022 im Migazin
- #DontForgetAfghanistan: Bundesweite Demonstration & Protestcamp vom 13. bis 15. August in Berlin
- US-Bericht: Journalismus in Afghanistan im Überlebenskampf
„… Unter dem Druck der Taliban-Herrschaft kämpfen die Medien in Afghanistan um ihr Überleben. Das zeigt ein vom Komitee zum Schutz von Journalisten am Donnerstag in New York veröffentlichter Bericht. In Afghanistan werde dennoch mutiger Journalismus gemacht, betonte der Verband. Nach dem übereilten und unvorbereiteten Abzug westlicher Truppen unter Federführung der USA aus dem Land hatte die Taliban im August vergangenen Jahres die Macht im Land erneut an sich gerissen. Journalisten seien seitdem weitverbreiteter Zensur ausgesetzt, hieß es. Die Autoren des Berichts kritisierten außerdem Festnahmen und Einschüchterungen von Medienschaffenden. Zahlreiche erfahrene Journalisten haben den Angaben zufolge das Land verlassen. Zudem sei aufgrund der wirtschaftlichen Lage ein dramatischer Rückgang der Zeitungen und Rundfunkstationen zu verzeichnen. (…) Bei Online-Medien hätten die Taliban indes ihre Praxis gelockert. (…) Von 2001 bis 2021 hatten US-amerikanische sowie internationale Streitkräfte die Lage in Afghanistan kontrolliert. Schon zu dieser Zeit sei Journalismus ein gefährliches Geschäft gewesen: In den 20 Jahren seien 53 Journalisten ums Leben gekommen, heißt es in dem Bericht. Damals habe jedoch auch ein Ausbau der Medien stattgefunden, der als eine „der seltenen Erfolgsgeschichten“ der ausländischen Truppenpräsenz eingestuft werden könne. Das Komitee appellierte an die Taliban-Regierung, repressive Maßnahmen gegen Medienschaffende zu stoppen und inhaftierte Journalisten freizulassen. Auch die Diskriminierung von Frauen in Medienberufen müsse beendet werden. Das Ausland müsse fliehende Journalisten aufnehmen, um ihnen zu ermöglichen, ihren Beruf weiter ausüben zu können.“ Meldung vom 11. August 2022 im MiGAZIN - Evakuierte afghanische Frauen appellieren: Vergesst nicht die anderen!
„PRO ASYL veröffentlicht und unterstützt den Appell evakuierter Frauen aus Afghanistan und fordert die Bundesregierung auf, endlich mehr für die Aufnahme gefährdeter Menschen aus Afghanistan zu tun. Das Ortskräfteverfahren muss reformiert und die Aufnahme über Humanitäre Visa muss, auch nachdem ein Bundesaufnahmeprogramm in Kraft tritt, fortgeführt werden. Die meisten von ihnen haben es geschafft: 31 Frauen der Gruppe „United Voice of Women for Peace“, die durch das ehemalige afghanische Friedensministerium ins Leben gerufen wurde, sind in Deutschland oder auf dem Weg dorthin. (…) Auf Einladung von PRO ASYL trafen sich am 4. August ein Großteil der Gruppe in Frankfurt. Schnell wurde deutlich, dass trotz der Erleichterung über die eigene Sicherheit die Sorge um die Zurückgebliebenen andauert: „Wir wurden aus der Hölle gerettet. Jetzt sind wir in Deutschland und in Freiheit. Aber die grausamen Taten der Taliban gegenüber Tausenden weiteren Frauen und Männern, die Ähnliches erleiden wie wir, gehen uns nicht aus dem Kopf. Auch ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban warten Zehntausende immer noch auf eine Aufnahmezusage und ihre Evakuierung. Der Prozess, bis eine Person endlich aus Afghanistan ausreisen darf, dauert viel zu lange.“ Daher haben die Aktivistinnen einen eindringlichen Appell an die deutsche Bundesregierung und an die Weltgemeinschaft formuliert. Unter anderem fordern sie darin, dass die Aufnahme über humanitäre Visa nach § 22 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz auch neben einem künftigen Bundesaufnahmeprogramm fortgeführt wird, dass für das Ortskräfteverfahren der Begriff „Ortskraft“ auf alle entlohnten und ehrenamtlichen Tätigkeiten für deutsche Institutionen, Organisationen und Unternehmen sowie Subunternehmen ausgeweitet wird, ein Bundesaufnahmeprogramm, eine Beschleunigung des Familiennachzugs und eine Anpassung des Begriffs Familie auf die Lebensrealität in Afghanistan. PRO ASYL schließt sich den Forderungen vollumfänglich an und befürchtet zugleich, dass das AA und das BMI planen, die Erteilung von humanitären Visa künftig wieder äußerst restriktiv zu handhaben und auf wenige handverlesene Fälle zu beschränken…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 9. August 2022 - Seit Machtübernahme der Taliban: Uno registriert mehr Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan
„… Im August jährt sich die erneute Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zum ersten Mal. Seit dem Vormarsch der Islamisten im vergangenen Jahr hat sich die Situation der Menschenrechte im Land dramatisch verschlechtert. Das zeigt ein neuer Bericht der Vereinten Nationen (Uno), der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach gab es in den vergangenen zwölf Monaten Angriffe auf 173 Journalisten und 65 Menschenrechtsaktivisten – die große Mehrheit davon geht laut Uno auf die Taliban zurück. Außerdem gab es durch die Taliban bereits 160 Tötungen von Mitarbeitern der ehemaligen Regierung und der Sicherheitskräfte. (…) Auch Frauen und Mädchen erleben eine spürbare Beschneidung ihrer Rechte. Dazu gehört, dass die Taliban entgegen ihrer Versprechungen Mädchenschulen ab der siebten Klasse geschlossen haben. In den Bereichen Arbeit, Fortbewegung und Schutz vor häuslicher Gewalt sind Mädchen und Frauen seit der Machtübernahme der Taliban sichtlich eingeschränkter. Widerspruch zu ihrer Regierungsform haben die Taliban seit Machtübernahme immer wieder gewaltsam unterdrückt. Der Uno-Bericht spricht von Verhaftungen sowie Einschüchterung, Misshandlungen und sogar Tötungen von Journalisten, Protestlern, Menschenrechtsaktivisten oder angeblichen Widerstandskämpfern. (…) Die schwierige Lage der Menschenrechte in Afghanistan wird vom Einbruch der afghanischen Wirtschaft verschärft. Rund 60 Prozent der afghanischen Bevölkerung sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen – das sind sechs Millionen mehr als noch Anfang 2021.“ Meldung vom 20. Juli 2022 beim Spiegel online , siehe auch:- Afghanistan – Gefängnis für Frauen
Video von Philipp Breu und Florian Neuhof (MISSION LIFELINE) vom 15.07.2022 auf youtube
- Afghanistan – Gefängnis für Frauen
- Keine Änderung in Sicht: Regierung ignoriert bis heute Tausende Ortskräfte
„Vor einem Jahr, am 29. Juni 2021, wurden die letzten Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan ausgeflogen – nicht aber all die Menschen, die zuvor mit der Bundeswehr zusammengearbeitet hatten. Sie leben bis heute in Angst und Schrecken. PRO ASYL hatte schon Monate zuvor deren Ausreise gefordert – und wirft den Bundesregierungen Versagen vor. (…) Mit [ihrem] Verhalten bringt die Bundesregierung Menschen in Lebensgefahr. Vom Leiden zweier Menschen, die für ein Polizeiprojekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben und dennoch keine Aufnahmezusage erhalten haben, berichtet Rechtsanwalt Matthias Lehnert im Interview mit PRO ASYL. »Ich vertrete zum Beispiel eine Person, dessen Familie bereits kurz vor der Machtübernahme durch die Taliban im Juli zuhause überfallen und misshandelt worden war. Später haben sie meinen Mandaten acht Stunden lang an einen Baum aufgehängt und ihm mehrere Knochen gebrochen. Sie sagten zu ihm, er habe gesündigt, weil er mit den Deutschen zusammengearbeitet hat. Ein anderer Mandant von mir hat mehrfach Drohbriefe von den Taliban erhalten und sie haben sein Haus verwüstet auf der Suche nach Informationen über die GIZ. Bei einem dieser »Besuche« war er nicht zuhause – aber sein Bruder wurde ermordet, weil er nicht preisgeben wollte, wo der »Kollaborateur mit den Deutschen« sich aufhält.« Das sind nur zwei Beispiele von viel zu vielen Frauen und Männern, die verfolgt werden. (…) Dabei wollte die Ampelkoalition es anders machen als die Große Koalition. (…) Nach Einschätzung von PRO ASYL und anderen Menschenrechtsorganisationen müssen jedoch Tausende von Menschen mehr zu den Ortskräften gerechnet werden. Denn sie alle sind in großer Gefahr, müssen sich im eigenen Land verstecken, weil die Taliban sie wegen ihrer Arbeit für westliche Mächte als Verräter betrachten und deshalb verfolgen. Dazu zählen unter anderem allein die rund 3.000 früheren Mitarbeiter des oben erwähnten GIZ-Polizeiprojekts (PCP), die im Februar 2022 beim Verwaltungsgericht Berlin Untätigkeitsklagen gegen die Bundesregierung eingereicht haben mit der Forderung, Visa für Deutschland zu bekommen…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 28. Juni 2022 - Monitoring Projekt Afghanistan – Bestandsaufnahme zu Afghanistan
„In fünf Monaten intensiver Arbeit ist eine beeindruckende Bestandsaufnahme von Quellen zum Afghanistankrieg unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Rolle entstanden. In zehn Kapiteln wird dieses Wissen und diese Einschätzungen zusammengefasst und eingeordnet. Mit dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan nach zwanzig Jahren ist für die afghanischen Menschen in Afghanistan, auf der Flucht oder im Exil das Leiden an der vergangenen und aktuellen Gewalt nicht zu Ende. Ein Rückblick auf den Überfall auf Afghanistan 2001 und auf den folgenden Krieg soll helfen, die Folgen für das Leben, die Sicherheit und die sozialen wie politischen Menschenrechte nicht zu verdrängen. Die daraus erwachsende Verantwortung der kriegsbeteiligten Staaten muss eingefordert werden. Die Wiederholung derartiger Versuche, Machtansprüche militärisch durchzusetzen, muss kritisiert und verhindert werden. Die Bestandsaufnahme vermittelt ein vertieftes Verständnis von Vorgeschichte, Ablauf und Folgen und unterstützt so die Suche nach Auswegen aus der militärischen Machtlogik…“ Bestandsaufnahme am 06.04.2022 beim Netzwerk Friedenskooperative - Bedroht, verdrängt, misshandelt: »Die Taliban verweigern uns Frauen alle Menschenrechte«
„Zum Internationalen Frauentag (8. März) fordern Frauen in der ganzen Welt Gleichberechtigung, politische Mitbestimmung und ein Leben ohne Gewalt. Auch die Frauen in Afghanistan. Doch sie erleiden das Gegenteil: In einem massiven Rollback drehen die Taliban das Rad der Geschichte zurück, entrechten, unterdrücken und misshandeln die Frauen. Seit Monaten drängen die Taliban afghanische Frauen aus dem öffentlichen, sozialen und politischen Leben. Und sie bedrohen, verhaften, misshandeln und töten die Frauen, die sich zuvor für Frauen- und Menschenrechte engagiert hatten. Dazu gehören auch die 33 Frauen der Gruppe »United Voice of Women for Peace«, die sich in diesen Tagen mit dem eindringlichen Appell »Holt uns hier raus!« an die deutsche Bundesregierung gewandt haben. Seit dem Zusammenbruch von Afghanistan und der Machtergreifung der Taliban lebe ich in Angst und Verzweiflung, so wie tausende afghanische Bürgerinnen und Bürger«, schreibt eine der Frauen und fährt fort: »Weil ich eine Frau bin, darf ich in Afghanistan nicht mehr arbeiten, nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten, nicht mehr reisen – die Taliban verweigern uns Frauen alle Menschenrechte. Die Taliban sehen eine Frau nur als Sexsklavin, die die Pflicht hat, die sexuellen Bedürfnisse eines Mannes zu befriedigen.«…“ Pro Asyl-Meldung vom 07.03.2022 und:- Appell der afghanischen Frauengruppe »United Voice of Women for Peace«: Holt uns hier raus!
„Seit Monaten sind wir in unserem eigenen Land auf der Flucht vor den Taliban. Wir ziehen von einem Versteck zum anderen, weil unser Leben und das unserer Familien in Gefahr ist. Als Frauenrechtlerinnen haben wir uns jahrelang für das engagiert, was die Taliban verachten und bekämpfen: gleiche Rechte für Frauen und Männer, eine demokratische Verfassung, Frieden und Freiheit. Nun verfolgen sie uns und andere Engagierte, drohen, verhaften, misshandeln und töten. Wir bekommen Drohungen per SMS und Brief. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Taliban auch an uns grausame Rache üben. Deshalb appellieren wir an die deutsche Bundesregierung für uns selbst: Holt uns hier raus! Bringt uns und unsere Familien in Sicherheit! Wartet nicht länger, jeder Tag zählt!…“ Appell am 7.3.2022 bei Pro Asyl samt Hintergrundinformationen
- Appell der afghanischen Frauengruppe »United Voice of Women for Peace«: Holt uns hier raus!
- Im Windschatten der Ukraine-Krise: Taliban verschärfen Vorgehen gegen eigene Bevölkerung
„Die Taliban nutzen die Aufmerksamkeit der Welt für die Ukraine, um die Unterdrückung und Verfolgung in Afghanistan immer weiter auszuweiten. Nun ist bekannt geworden, dass Menschen, die für westliche Organisationen gearbeitet haben, daran gehindert werden, das Land zu verlassen, Frauen dürfen, außer aus religiösen Gründen, nicht mehr reisen. Und seit zwei Wochen greifen Taliban-Kämpfer im Auftrag der Machthaber immer mehr Menschen an, durchsuchen und plündern Häuser. „Obwohl jetzt alle Blicke auf die Ukraine und die Hilfe für die Flüchtlinge dort gerichtet sind, dürfen wir die Menschen in Afghanistan nicht vergessen. Die Bundesregierung und andere Staaten dürfen nicht zulassen, dass die Taliban im Windschatten des Ukraine-Krieges immer mehr Menschen unterdrücken, verfolgen, foltern und töten“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL. „Wir fordern von der Bundesregierung, zu ihrer Verantwortung zu stehen und Verfolgte zu retten: Afghan*innen, die für deutsche Institutionen gearbeitet haben, die sich als Journalist*innen, Anwält*innen oder Menschenrechtsaktivist*innen für Demokratie und Menschenrechte stark gemacht haben, müssen gerettet werden…“ Pressemitteilung vom 01.03.2022 von und bei Pro Asyl - Seebrücke-Aktionstag: Am 26.02 gehen wir auf die Straßen: #DontForgetAfghanistan
„Heute vor knapp einem halben Jahr hat die Bundesregierung die Evakuierungsflüge aus Afghanistan beendet. Doch nach wie vor befinden sich viele Menschen in Afghanistan in akuter Lebensgefahr. Deswegen ruft die Seebrücke am 26. Februar zu einem Aktionstag auf mit dem Motto #DontForgetAfghanistan – Sichere Fluchtwege jetzt! Schließe auch Du Dich dem Protest an: Organisiere eine Kundgebung oder Demonstration oder komme zu einer Aktion in Deiner Nähe! Im Wahlkampf und in der Koalitionsvereinbarung haben die Ampel-Parteien sich für die Aufnahme aus Afghanistan ausgesprochen. Am 26.02. erinnern wir die Ampel Regierung an ihr Versprechen und fordern lautstark: Die zügige und unbürokratische Umsetzung eines umfassenden humanitären Aufnahmeprogrammes für gefährdete Afghan*innen auf Bundesebene; Die Wiedereröffnung der Menschenrechtsliste; Die Implementierung und Genehmigung von Landesaufnahmeprogrammen auf Ebene der Bundesländer; Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Afghan*innen schneller und unbürokratischer zu gestalten und Familien zu vereinen; Keine formelle Anerkennung der Taliban. Mehrere Lokalgruppen planen bereits Aktionen …“ Siehe Aufruf und Infos bei Seebrücke - Sechs Monate nach dem Fall von Kabul: »Vergesst Afghanistan nicht! Handelt jetzt!«
Pro Asyl hat „zehn konkrete Vorschläge entwickelt, wie die Bundesregierung gefährdeten Afghan*innen jetzt helfen kann. Die Bedrohungslage der Menschen in Afghanistan muss handlungsleitend sein. Wir fordern ein schnelles und entschiedenes Handeln. 1. Direkte Evakuierung aus Afghanistan: Evakuierungsflüge direkt aus Afghanistan nach Deutschland müssen mit Priorität verhandelt werden. Wir brauchen eine doppelte Luftbrücke: Auf dem Hinflug sollten die Flugzeuge humanitäre Hilfsgüter liefern, auf dem Rückflug bedrohte Menschen mitnehmen und in Sicherheit bringen. Für Menschen mit Aufnahmezusage müssen in Deutschland Visa on Arrival erteilt werden. Die für ihre Einreise notwendige Sicherheitsprüfung kann und muss angesichts der Verfolgungslage in Deutschland stattfinden. Das Bundesinnenministerium muss die bei der Vorgängerregierung entwickelte Abwehrhaltung aufgeben. 2. Abbau bürokratischer Hindernisse in den Nachbarländer: In den direkten Nachbarländern Afghanistans muss lagebezogen eine schnelle und bedarfsorientierte Verstärkung der Botschaften erfolgen. (…) 3. Einhaltung von Aufnahmezusagen: Die erteilten Aufnahmezusagen sind Verwaltungsakte der Bundesregierung und müssen eingehalten werden. (…) 4. Öffnung der Menschrechtsliste: Die Liste für bedrohte Menschenrechtsverteidiger*innen, auf der sich diese für eine mögliche Aufnahme in Deutschland registrieren konnten, wurde abrupt, ohne Ankündigung und völlig willkürlich zu Ende August vergangenen Jahres geschlossen. (…) 5. Nutzung bereits etablierter Aufnahmemöglichkeiten (…) 6. Reform Ortskräfteverfahren (…) 7. Familiennachzug beschleunigen (…) Die Stellung eines Antrages muss auch per Fax oder Mail möglich sein. Im Auswärtigen Amt und in dessen Abteilungen in Deutschland – und nicht nur in den überlasteten Botschaften in Afghanistans Nachbarländern – müssen deshalb die Visaanträge für Familienangehörige von hier lebenden Geflüchteten gestellt und bearbeitet werden. (…) 8. Keine Begrenzung des humanitären Einreisprogramms (…) 9. Anerkennung von Aufnahmeprogrammen der Bundesländer (…) 10. UN-Resettlement-Programm stärken…“ Forderungen von Pro Asyl vom 14. Februar 2022 - Rechtsanwalt Matthias Lehnert verklagt die Bundesregierung wegen Untätigkeit: »Ortskräfte aus Afghanistan zu retten, ist eine juristische Verpflichtung«
„Rechtsanwalt Matthias Lehnert verklagt die Bundesregierung wegen Untätigkeit. Sie lasse ehemalige afghanische Mitarbeiter eines GIZ-Polizeiprojekts, die extrem gefährdet sind, zu Unrecht zurück, argumentiert er. Mit Unterstützung von PRO ASYL reicht er Klage am Verwaltungsgericht Berlin ein. Im Interview spricht Lehnert über die Hintergründe. (…) Ich verklage die Bundesregierung in Vertretung von mehreren Afghanen, die in einem Polizeiprojekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben und die dringend Schutz benötigen – der ihnen aber von Deutschland verwehrt wird. Bei dem Projekt (PCP) handelte es sich um eine Kooperation zwischen der GIZ, einer halb-staatlichen deutschen Einrichtung, und dem afghanischen Innenministerium. Ziel war es, afghanische Polizist*innen auszubilden, unter anderem bei der Alphabetisierung und in Menschenrechtsfragen. Das Lehrpersonal war für Schulungen dieser Art im Auftrag der GIZ in allen Provinzen des Landes tätig. Zu ihnen gehörten auch die Kläger, die ich rechtlich vertrete. Die Bundesregierung verweigert ihre Aufnahme mit dem Argument, dass sie nur Werksverträge hatten. Ich halte das für falsch und für juristisch nicht haltbar. (…) Die Bundesregierung hat auch aus juristischer Perspektive Schutzpflichten. Häufig wird in der Debatte um die Aufnahme von bedrohten Afghaninnen und Afghanen suggeriert, dass es sich dabei um einen humanitären Gnadenakt handelt. Aber das stimmt nicht, wir reden hier von verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Denn die Verfolgung der ehemaligen Ortskräfte durch die Taliban ist Deutschland zurechenbar. (…) Klageziel ist, dass den Klägern und ihren Familien ein Visum erteilt wird. Dafür zuständig sind die Deutschen Botschaften, die dem Auswärtigen Amt unterstehen. Deshalb wird die Klage am Verwaltungsgericht Berlin eingereicht, weil das Auswärtige Amt dort seinen Sitz hat. Mit Unterstützung von PRO ASYL vertrete ich sechs ehemalige Mitarbeiter des GIZ-Polizeiprojektes vor Gericht, und eine Kollegin von mir, die ebenfalls Klage einreicht, vertritt fünf weitere Familien…“ Interview vom 7.2.2022 bei Pro Asyl - Aufruf zur internationalen Solidarität zur Unterstützung des Kampfes der Frauen in Afghanistan
„Nach dem Zusammenbruch der vorherigen Regierung in Afghanistan kam die terroristische Taliban-Regierung erneut an die Macht. Viele Afghanen flohen aus Angst vor den Taliban. Viele haben sich der Armut und dem Elend ergeben und leben nun ein hartes Leben unter dem Regime. In der Zwischenzeit wurden die Frauen in Afghanistan zur einzigen wirklichen Stimme des Volkes, zur einzigen wirklichen Kraft des Widerstands gegen die frauenfeindlichste und grausamste islamische Gruppe. Die Frauen haben die Verbrechen der Taliban in ihrem Kampf auf der Straße stets verurteilt und aufgedeckt. Die Demonstrantinnen in Afghanistan waren gezwungen, bis zum Ende mit dem Tod, der Entführung, der Demütigung und den Beleidigungen für das Brot, die Arbeit und die Freiheit zu kämpfen, auf die jeder Mensch unter allen Umständen ein Recht hat.
Gerade als dieser Kampf seinen Höhepunkt erreicht und die Aufmerksamkeit von Volksbewegungen in der ganzen Welt auf sich zieht, haben die Taliban begonnen, Demonstranten aus den afghanischen Städten zu vertreiben. Die Taliban haben in den vergangenen zwei Wochen mehrere Demonstranten über Nacht aus ihren Häusern entführt und dies bisher geleugnet. In den letzten Tagen wurde fast jeden Tag eine der protestierenden Frauen von den Taliban entführt. In der afghanischen Provinz Balkh wurden im letzten Monat 15 Frauen erschossen, die sich für die Rechte der Frauen eingesetzt hatten.
In den Provinzen Afghanistans ist die Repression inzwischen weit verbreitet. Protestierende Frauen werden getötet. Sie werden entführt und viele werden gezwungen, Afghanistan zu verlassen. Dies bedeutet, dass die Kraft, die sich gegen die Sklaverei einsetzt, die Kraft, die die wahre Stimme des Volkes war, verschwindet.
Um die Kämpferinnen in Afghanistan zu begleiten, ist es notwendig, eine Reihe von Protesten in verschiedenen Städten der Welt zu organisieren. Gemeinsame lokale Organisationen mit afghanischen Immigranten sollten in verschiedenen Städten gebildet werden und die Stimmen der entführten, inhaftierten und verschwundenen Frauen sein, so wie sie die Stimmen aller Menschen in Afghanistan sind.
Für die Solidarität mit den protestierenden Frauen in Afghanistan und für unsere globale Solidarität gegen die Verbrechen der Regierungen und ihr 20-jähriges Produkt in Afghanistan, nämlich die Terrorregierung der Taliban!“ Maschinenübersetzung des (engl.) Aufrufs der Föderation der Ära des Anarchismus vom 5.2.2022 - Pro Asyl: Wir brauchen eine Luftbrücke für Afghanistan!
„Anlässlich der heute beginnenden Afghanistan-Konferenz im Europäischen Parlament und des informellen Treffens der EU-Innenminister*innen am 3. und 4. Februar fordert PRO ASYL die EU-Länder auf, ihre Zusagen zur Aufnahme schutzbedürftiger Afghan*innen einzuhalten und die Zahl der Aufzunehmenden substanziell zu erhöhen. Neue Erkenntnisse der Vereinten Nationen zeigen die Dringlichkeit dessen auf. Die Taliban haben einem UN-Bericht zufolge seit ihrer Machtübernahme im August 2021 mehr als hundert ehemalige Regierungsmitarbeiter*innen und Ortskräfte der internationalen Truppen in Afghanistan getötet. In dem Bericht, der der Nachrichtenagentur AP in einer Vorabversion vorliegt, wird auch darauf hingewiesen, dass „Menschenrechtsverteidiger und Medienschaffende weiterhin Angriffen, Einschüchterungen, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Tötungen ausgesetzt [sind]“. Angesichts dessen appelliert PRO ASYL an die Innenminister*innen der EU, die Aufnahme gefährdeter Afghan*innen bei ihrem informellen Treffen am 3. und 4. Februar weit oben auf die Agenda zu setzen. „Die EU und ihre Mitglieder müssen die neuen Erkenntnisse der Vereinten Nationen ernst nehmen und endlich handeln“, fordert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. „Europa muss bedrohten Menschen aus Afghanistan schnell und unbürokratisch Schutz bieten. Ihre Aufnahme stockt schon viel zu lange – es darf keine weitere Zeit verloren werden.“ Stattdessen scheint es so, als ob die EU nur auf Grenzabwehr an ihren Außengrenzen setzt. Die Schutzbedürftigen sitzen in Afghanistan in der Falle. (…) EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte Mitte Dezember mitgeteilt, dass 15 EU-Staaten rund 40.000 Menschen aus dem Land aufnehmen wollen. Deutschland hatte allein 25.000 Plätze zugesagt. „Wir erwarten von den EU-Innenminister*innen, dass die Aufnahmezusagen der Realität angepasst werden und sich nach der tatsächlichen Bedrohungslage richten“, sagt Burkhardt. „Solange mutige Frauenrechtsaktivistinnen, kritische Journalisten und andere Menschenrechtler in Afghanistan akut in Lebensgefahr sind, darf ihnen die Aufnahme nicht mit dem Argument verwehrt werden, die Zahl von 40.000 sei bereits erreicht“, präzisiert er.“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 1. Februar 2022 - Solidarität mit den Menschen in Afghanistan und insbesondere den Frauen
„Die Mitgliedsorganisationen des International Labor Network of Solidarity and Struggle bekräftigen ihre Unterstützung für die Menschen in Afghanistan und insbesondere für die Frauen dieses Landes. Die Situation ist dramatisch: Nahrung, Gesundheit, Bildung, die grundlegendsten Rechte sind für einen großen Teil der Bevölkerung nicht gesichert. Dies ist die Feststellung wenige Monate nach der Rückkehr der Taliban an die Macht; es ist auch das Ergebnis der jahrelangen amerikanischen Besatzung. Wir begrüßen die Arbeit unserer Genossinnen und Genossen in Rawa, deren Informationen wir über die Website unseres Internationalen Arbeitsnetzwerks für Solidarität und Kampf und über die Mitgliedsorganisationen in unseren jeweiligen Ländern weitergeben. Die Situation des afghanischen Volkes, der afghanischen Frauen und die Aktionen von Bewegungen wie Rawa bekannt zu machen, ist Teil unserer internationalen gewerkschaftlichen Solidarität.
Vor zwanzig Jahren, im Dezember 2001, freute sich die Revolutionäre Vereinigung der afghanischen Frauen (Rawa, die seit 1977 besteht) über den Sturz der Taliban in Afghanistan und prangerte gleichzeitig die Nordallianz von Kommandant Massoud im Dienste der amerikanischen Streitkräfte an. Rawa prangerte deren Beteiligung an Massenvergewaltigungen an und machte sich über ihre Behauptung lustig, sie würden die Demokratie und die Rechte der Frauen in einer neuen, von den Besatzungstruppen eingesetzten Regierung verteidigen. Sie erinnerte sie daran, dass „das Ende der demütigenden Pflicht, die Burka zu tragen, nicht ausreicht, um einen echten Mentalitätswandel in Bezug auf die Rechte und Freiheiten der Frauen zu beweisen. Im März 2002 sagte Rawa das Scheitern eines rein militärischen Krieges und die Korruption der amtierenden Regierung voraus und rief das afghanische Volk auf, sich gegen alle Fundamentalisten zu erheben.
Wir schließen uns demütig dem Gedenken an den 35. Märtyrertag von Meena, der Gründerin von Rawa, an, die 1985 vom afghanischen Geheimdienst ermordet wurde. Der Kampf um das Leben und die Freiheit der afghanischen Frauen geht heute weiter.“ Maschinenübersetzung der (engl.) Solidaritätserklärung vom 25.1.2022 des International Labour Network of Solidarity and Struggles (alternativen gewerkschaftlichen Netzwerks für Solidarität und Kampf, dem auch LabourNet Germany angehört) - Der Westen trägt Mitschuld an der Hungerkatastrophe in Afghanistan: Dessen Wirtschaft wurde während der Besatzungszeit abhängig gemacht; US-Sanktionen verhindern humanitäre Hilfe
„Die aktuelle Hungerkatastrophe in Afghanistan ist maßgeblich von den westlichen Mächten mitverursacht worden. Das zeigen Berichte von Hilfsorganisationen wie auch Analysen der afghanischen Wirtschaft während der Zeit der westlichen Besatzung. Demnach haben die westlichen Mächte das Land bei ihrem Abzug im August 2021 zum einen in einem Zustand umfassender Abhängigkeit von Hilfsgeldern vor allem aus dem Westen zurückgelassen, die eine logische Folge der Besatzungsökonomie war. Zum anderen haben die unverändert gültigen US-Sanktionen Afghanistan von lebensnotwendigen Einfuhren – etwa von Medikamenten – wie auch vom globalen Finanzsystem abgeschnitten; selbst Hilfsorganisationen haben große Probleme, Hilfsgüter ins Land zu bekommen und ihr Personal vor Ort zu bezahlen. Sondererlaubnisse für humanitäre Hilfe nützen wegen fortbestehender anderer Sanktionen nichts. Inzwischen haben 98 Prozent der Afghanen nicht mehr genug zu essen. US-Medien erinnern an die Äußerung von Außenministerin Madeleine Albright im Jahr 1996, die US-Ziele bei der Sanktionspolitik im Irak seien den damaligen sanktionsbedingten Tod einer halben Million Kinder „wert“…“ Bericht vom 20. Januar 2022 von German-Foreign-Policy (Hunger wird gemacht (II)) - War da was? Afghanistan steuert auf eine humanitäre und politische Katastrophe zu. Darüber muss gesprochen werden
„… Wie im November schon vermeldet, rechnen die Vereinten Nationen mit einer ungeheuren humanitären Katastrophe. Da die nach mehrjähriger Dürre sowieso eher ärmliche Ernte des vergangenen Jahrs zum größten Teil verloren ging, seien 23 der 55 Millionen Afghan:innen, darunter 5 Millionen Kinder, lebensbedrohlichem Hunger ausgesetzt. Zum Hunger kommen im Winter die Kälte und beißende Winde, ebenfalls Millionen bedrohend, besonders die mehreren Zehntausend, die während der Flucht der westlichen Truppen und dem Siegeszug der Taliban neu in die Flucht getrieben wurden, die Zahl derer vergrößernd, die zuvor schon Haus und Hof verloren. Dabei treffen Hunger und Kälte ein Land, in dem der Geld- und der Güterverkehr völlig zusammengebrochen sind, weil beide seit Jahren schon nahezu vollständig an ausländischen Zuflüssen hingen, die jetzt gänzlich versiegt sind. Seit nunmehr fünf Monaten werden in Afghanistan keine Gehälter mehr ausgezahlt, auch an die Taliban-Kämpfer nicht. Deren Gewalt ist deshalb nicht mehr nur politisch-religiös motiviert, sondern dient zunehmend auch dem Raub von Gütern zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die bewaffneten Koranschüler im Ganzen eine radikal politische Kraft sind: radikal in einem Maß, das in den meisten Ländern dieser Welt unvergleichlich ist. So ließ Mullah Mohammed Hassan Akhund, ihr regierender Premierminister, den Untertanen seines Islamischen Emirats mitteilen, dass sie sich in den Überlebensfragen des Brotes und der Unterkunft direkt an Allah wenden sollen – die Taliban hätten ihnen die Freiheit gebracht, das allein sei ihre Aufgabe.
Der Premierminister der Rechtgläubigen spricht damit in aller Offenheit aus, was in den nächsten Wochen und Monaten geschehen kann. Tatsächlich könnte es in Afghanistan mit der humanitären auch zu einer politischen Katastrophe kommen. Zugleich unfähig und unwillig zum Führen von „Regierungsgeschäften“ könnten die Taliban sich willentlich an ihren eigenen glorreichen Untergang machen und diesen Untergang zugleich zur nationalen „Endlösung“ machen: zum wortwörtlich finalen Beweis ihres wahren Glaubens. Im Weg steht einer solchen Katastrophe allein nur der Umstand, dass die Bewegung selbst gespalten ist, dass noch nicht ausgefochten ist, wer sie führen und was ihr letztes Ziel sein wird. (…)
Frauen sind aus öffentlichen Ämtern entfernt. Mädchen ist der Zugang zu weiterführender Bildung versperrt. Die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen ist jetzt auch formell massiv eingeschränkt: längere Strecken sind in ihnen wenn überhaupt dann nur noch in männlicher Begleitung möglich. Verschleierung ist ausnahmslos Pflicht. Gewaltsame Übergriffe sind an der Tagesordnung, im Dezember bereits waren über 100 Tote nachgewiesen. Die Angehörigen der ethnisch-religiösen Minderheiten, vor allem die Hazara, werden systematisch bedroht, oft direkt angegriffen, es kommt zu Verhaftungen, Verschleppungen, Folterungen, zu gewaltsamen Vertreibungen und Umsiedlung, zu aggressiven Landnahmen seitens der Paschtunen, der vorherrschenden ethnischen Gruppe. (…)
In all‘ dem zeigt sich, dass die dreifache Tiefengrammatik des afghanischen Konflikts ungebrochen fortwirkt: der ethnische Konflikt zwischen der paschtunischen Mehrheit gegen alle anderen, und der Konflikt der Männer gegen ausnahmslos alle Frauen, der Konflikt zwischen Stadt und Land. Nichts davon ist zu ende, und deshalb treibt die Gewalt konsequent auf ihr Ende. Eigentlich gibt es da nichts zu verhandeln, weder mit den Taliban noch unter den Taliban. (…)
Zugleich kommt es nach wie vor zu aufsehenerregenden, wenn auch sofort gewaltsam beendeten zivilen Protesten. So gelang am 28. Dezember in Kabul dreißig Frauen ein friedlicher Protestmarsch, der von Taliban-Kämpfern erst nach mehreren hundert Metern gestoppt wurde. Die namentlich genannte Demonstrantin Laila Basam verlas eine Erklärung, in der sie für ihre Mitstreiterinnen wörtlich verlangte, dass „die kriminelle Maschinerie der Taliban gestoppt“ werden müsse. Begleitende Journalist:innen wurden festgenommen, ihrer Kameras beraubt, das Filmmaterial zerstört.Der bewaffnete Widerstand und der zivile Protest stellen dieselben Forderungen. Menschen-, Frauen- und Minderheitenrechte müssen geschützt werden. Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sollen gelten. Eine inklusive Übergangsregierung soll an die Stelle des Taliban-Regimes treten. Freie Wahlen. Dezentralisierung und Kommunalisierung der Sicherheit…“ Beitrag von Thomas Rudhof-Seibert am 03. Januar 2022 bei medico - Die Zurückgelassenen
„Im August 2021 ist ganz Afghanistan unter die Kontrolle der Taliban geraten. Tausende sind geflohen, doch viel mehr Menschen fürchten nun unter den Islamisten um ihr Leben. Sie wollen raus, doch es fehlt an Geld, an Infrastruktur und vor allem an politischem Willen Deutschlands, das 20 Jahre lang Krieg im Land geführt hat. Mission Lifeline ist nach Afghanistan gefahren, um die Geschichten jener zu hören, die zurückgelassen wurden…“ Beitrag vom 02. Januar 2022 von und bei Mission Lifeline - Hilfsorganisation „Save the Children“ warnt vor einer beispiellosen Hungerkrise und Wintereinbruch: Sanktionen gegen Taliban schaden auch Bevölkerung
„… In Afghanistan leidet die Bevölkerung laut „Save the Children“ unter den gegen die Taliban verhängten Sanktionen. Das Gesundheitswesen sei in vielen Provinzen zusammengebrochen, sagte die Direktorin für humanitäre Hilfe der Organisation, Gabriella Waaijman, am Freitag in Kabul bei einer Pressekonferenz. Ärztinnen und Ärzte von Save the Children versorgten zurzeit bis zu 200 Menschen am Tag und damit deutlich mehr als vor der Machtergreifung der Taliban. Der Bedarf steige auch, weil das Gesundheitswesen aufgrund der finanziellen Sanktionen nicht mehr finanziert werden könne. „Es muss eine Lösung gefunden werden.“ Der Bedarf in der Bevölkerung könne nicht allein durch humanitäre Hilfe gestillt werden, sagte Waaijman. Nach der Machtübernahme der Taliban im August hatten mehrere Staaten ihre Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan ausgesetzt, darunter Deutschland. Auch die Weltbank hatte die für 2021 vorgesehenen Mittel in Höhe von 784 Millionen US-Dollar (667 Millionen Euro) blockiert. UN-Organisationen und Hilfsorganisationen sind im Land, um der notleidenden Bevölkerung zu helfen. Zudem versuchen laut der stellvertretenden Landesdirektorin von „Save the Children“ in Afghanistan, Nora Hassanien, afghanische Ärztinnen und Lehrer die Not zu lindern, indem sie ohne Bezahlung weiterarbeiteten. Angesichts des Winters warnte die Hilfsorganisation vor einer beispiellosen Hungerkrise. Viele Eltern könnten ihre Kinder nicht ausreichend ernähren. Das führe auch zu einem Anstieg von Depressionen bei Müttern. „Die Frauen sehen sich zu Entscheidungen gezwungen, die sie unter anderen Umständen so nie getroffen hätten“, sagte Hassanien. Immer mehr Familien seien zu verzweifelten Maßnahmen gezwungen. So häuften sich Fälle von unfreiwilligen Adoptionen, wenn Eltern keinen anderen Ausweg wüssten, als ihre Kinder anderen Menschen anzuvertrauen. In diesem Winter könnte die Zahl hungernder Kinder demnach auf 14 Millionen steigen…“ Meldung vom 14. Dezember 2021 im MiGAZIN – siehe von Save the Children: Afghanistan: Wintereinbruch gefährdet Hunderttausende Kinder - „Ausharren in größter Angst“ – Tausende afghanische Ortskräfte mit Zusage noch nicht eingereist
„… Mehr als drei Monate nach der Machtübernahme der Taliban warten immer noch Tausende ehemalige afghanische Ortskräfte und ihre Familien auf die Einreise nach Deutschland. Zwischen dem 15. Mai und dem 26. November seien 1.319 ehemalige Mitarbeiter deutscher Institutionen und 5.711 Familienangehörige nach Deutschland gelangt, heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken, die dem „Evangelischen Pressedienst“ vorliegt. Demnach gab es für den Zeitraum 24.556 Aufnahmezusagen. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe darüber berichtet. Die Aufnahmezusagen beziehen sich den Angaben zufolge auf insgesamt 4.590 Ortskräfte des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums, des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums sowie 19.966 Familienangehörige. Unklar ist, wie viele davon sich noch in Afghanistan aufhalten. „Wie viele Ortskräfte und deren Familienangehörige mit einer Aufnahmezusage Afghanistan mit Hilfe deutscher Stellen verlassen haben, kann nicht beziffert werden“, heißt es in der Antwort des Innenministeriums. (…) Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut kritisierte die Bundesregierung. Viele gefährdete Ortskräfte hätten die Aufnahmezusage zu spät erhalten, sagte sie. „Diese Menschen müssen in größter Angst und Unsicherheit in Afghanistan ausharren.“ Sie seien verzweifelt, weil es kaum Ausreisemöglichkeiten gebe. Auch die Initiative Kabul Luftbrücke hatte die Bundesregierung zuletzt scharf kritisiert. Im Rahmen der von der Gruppe organisierten Evakuierungen wurden nach eigenen Angaben bereits 1.000 schutzbedürftige Afghanen außer Landes gebracht.“ Meldung vom 9. Dezember 2021 von und bei MiGAZIN - Afghanische Journalisten: Deutschland macht dicht
„Aus Afghanistan werden nur noch solche Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen, die sich aktiv für die Menschenrechte eingesetzt haben. Journalisten gehören offenbar nicht dazu. Das teilt das Auswärtige Amt mit. Seit Monaten vergeht kein Tag ohne Hilferufe von afghanischen Journalisten an den DJV. Tenor: Helft uns, den Taliban zu entkommen. Ebenfalls seit Monaten leitet der DJV die Hilferufe an das Auswärtige Amt weiter. Ohne Resonanz. Am 25. Oktober schließlich schrieben wir an Bundesaußenminister Heiko Maas und forderten ihn auf, sich um das Schicksal der Kollegen in Afghanistan zu kümmern. Jetzt, vier Wochen später, antwortete der Bürgerservice seines Ministeriums. Zum einen wurde plötzlich ganz offen erklärt, dass am 14. September eine Liste der besonders gefährdeten Menschen abgeschlossen wurde, die nach Deutschland ausreisen dürfen. 2.600 Namen soll sie enthalten haben. Zum anderen stellt die Behörde klar, wer überhaupt noch nach Deutschland kommen darf: „ganz besondere, hervorgehobene Ausnahmefälle mit einem singulären Einzelschicksal, die von besonderer politischer Bedeutung sind“. Und das heißt im Klartext? „In Betracht für eine solche Aufnahme kommen nur gut dokumentierte Fälle von Personen, die in besonders herausragender und langjähriger Weise in der Menschenrechts- bzw. Oppositionsarbeit aktiv waren und dadurch einer massiven Gefährdung ihrer körperlichen Unversehrtheit unmittelbar ausgesetzt sind und einer solchen allein durch eine Aufnahme in Deutschland nachhaltig entgehen können. Ihre Gefährdungssituation muss sich ganz erheblich von der Gefährdungssituation anderer Personen in Afghanistan unterscheiden.“ Damit steht fest, dass Journalistinnen und Journalisten, die in der Hindukusch-Republik kritisch und unabhängig berichtet haben, keine Chance haben, nach Deutschland ausreisen zu dürfen. Dass die Taliban Jagd auf Journalisten und ihre Familien machen, interessiert das Auswärtige Amt offenbar nicht. Wieviel sind Ihnen, Herr Maas, eigentlich Pressefreiheit und Menschenrechte wert?“ Kommentar von Hendrik Zörner vom 22. November 2021 im DJV-Blog - Konferenz der Friedensbewegung: 20 Jahre NATO-Krieg in Afghanistan – eine vorläufige Bilanz
„Militärinterventionen dürfen kein Mittel deutscher Außenpolitik sein. Sie verletzten das Völkerrecht, sind inhuman, menschenverachtend und lösen kein politisches Problem. Die Friedensbewegung zog auf der Konferenz „20 Jahre NATO-Krieg in Afghanistan – eine vorläufige Bilanz“ mit knapp 200 Teilnehmer*innen am 31. Oktober 2021 Resümee: „Kriege – wie auch der in Afghanistan – werden um geostrategische, handelspolitische Interessen, um Ressourcen und politischen Einfluss geführt. Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr sind deshalb umgehend zu beenden. Stattdessen ist ein Paradigmenwechsel zu einer zivilen Sicherheits- und Friedenspolitik notwendig.“ Die Invasion und Besetzung Afghanistans sei keineswegs eine legitime Maßnahme gegen terroristische Angriffe gewesen, da von Afghanistan kein Angriff auf die USA ausgegangen war. Die Konferenz zeigte auf, dass die behauptete Förderung von Demokratie und Menschenrechten eine vorgeschobene Rechtfertigung blieb. Stattdessen wurden mit terroristischen Luftangriffen, Drohnen-Beschuss und Massakern die elementaren Rechte der Bevölkerung auf Leben, körperliche Unversehrtheit und friedliche Entwicklung massiv verletzt. Mehrere Hunderttausend Tote und eine noch größere Zahl von Verwundeten und Vertriebenen sind die Folge. Unter den angeblichen Zielen der Terrorbekämpfung und des Staatsaufbaus wurden geostrategische Großmachtinteressen, Zugriff auf Rohstoffressourcen und Subventionierung des militärisch-industriellen Komplex‘ durchgesetzt. Deutschland habe sich bei der völkerrechtswidrigen Invasion in Afghanistan mitschuldig gemacht. Die Konferenz sei ein Beitrag gegen die Täuschung der Öffentlichkeit über die wahren Motive von USA und der NATO. Der Krieg sei keine Selbstverteidigung, sondern eine völkerrechtswidrige Aggression gewesen. Die Trägerorganisationen forderten die Einstellung militärischer Interventionen zur Durchsetzung eigener Großmachtinteressen und ein Ende des Versuchs, anderen Ländern die eigene politische Ordnung überstülpen zu wollen. Die eigenständige Entwicklung anderer Länder müsse respektiert werden. Die Organisationen treten ein für ein Zusammenwirken auch mit der Taliban-Regierung, unter Beachtung der Prinzipien der UN-Menschenrechtscharta und der UN-Frauenrechtskonvention…“ IPPNW-Pressemitteilung vom 01. November 2021 - Hungersnot durch Sanktionen. Friedensorganisation fordert rasche Hilfen für afghanische Bevölkerung
„Die Zahl der Opfer des vor knapp zwei Monaten aufgegebenen, 20jährigen NATO-Kriegs in Afghanistan steigt weiter an. Innerhalb von sieben Tagen wurden mindestens 27 Menschen durch Sprengsätze an Straßenrändern oder durch Blindgänger verwundet, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Bericht der UN-Agentur OCHA hervorgeht. Der seit der Machtübernahme der Taliban gegen Kabul geführte Wirtschaftskrieg der USA und ihrer Verbündeten führt dazu, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und Lebensmitteln landesweit in einem katastrophalen Zustand ist. Darauf wies Ataullah Zulfacar vom Ärzteverein für afghanische Flüchtlinge am Freitag bei einer Pressekonferenz hin, zu der die internationale Ärztevereinigung IPPNW geladen hatte. Zwar würde die Ausbildung medizinischen Personals teils von den Taliban geduldet und finanziert, wie im Fall von Hebammen. Allerdings reiche dies in keinster Weise aus, um die humanitäre Krise zu bewältigen. Es müssten nun dringend Mittel und Wege gefunden werden, um Hilfslieferungen sowie Fördermittel für zivile Projekte ins Land zu bekommen. (…) Väter würden verstärkt ihre Töchter zur Heirat zwingen wollen. Die Unterernährung sei vor allem im Süden Afghanistans exponentiell angestiegen, Frauen und Kinder stünden oft vor der Wahl, in den Ballungszentren zu betteln oder ausschließlich im ehelichen Haushalt zu arbeiten. Perspektiven auf von den Männern unabhängige Lohnarbeit hätten viele Frauen derzeit keine.“ Artikel von Marc Bebenroth in der jungen Welt vom 30.10.2021 - Frauen in Afghanistan: Ich muss mich vor Leuten verstecken, die nach mir suchen
„Vor zwei Monaten hat der Westen Afghanistan verlassen. Wie sieht das Leben von Frauen dort nun aus? Unsere Autorin, deren Identität wir schützen, lebt in Kabul. (…) Seit die Taliban das Land übernommen haben, fühle ich mich auch in Kabul nicht mehr sicher. Meine Cousins sind Talibankämpfer und können sich jetzt in der Stadt frei bewegen. Sie waren schon im Haus meines Vaters und haben nach mir gefragt: „Wo ist deine Tochter, die einen Hazara geheiratet hat?“ Ich habe jede Verbindung zu meiner Familie abgebrochen. Ich bin deprimiert und weiß nicht, ob ich je ein Leben ohne Angst und Bedrohung führen werden kann.“ Beitrag vom 22. Oktober 2021 in der Zeit online in einer Reihe von Berichten der 10-nach-8-Redaktion - [„Migrationsmanagement“] Afghanistan-Konferenz: EU will mit einer Milliarde helfen – damit Flüchtlinge bleiben
„Afghanistan droht nach der Eroberung durch die Taliban eine humanitäre Katastrophe. Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer stellen Hilfe in Aussicht. Auch die Nachbarländer bekommen Geld, damit Flüchtlinge in der Region bleiben. Angesichts einer drohenden Hungerkatastrophe will die EU-Kommission die Menschen in und um Afghanistan mit rund einer Milliarde Euro unterstützen. Das verkündete Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag mit Blick auf das G20-Sondertreffen zu dem Land am Hindukusch. 300 Millionen Euro dieser Summe waren als humanitäre Hilfe bereits zuvor angekündigt worden. Hinzukommen sollen unter anderem mindestens 250 Millionen Euro für gesundheitliche Maßnahmen. Das Geld soll sowohl Menschen in Afghanistan als auch in den Nachbarstaaten zugute kommen. In den Nachbarstaaten sollen damit auch das „Migrationsmanagement“, der Kampf gegen Menschenschmuggel und organisiertes Verbrechen sowie Terrorismusprävention gefördert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Ankündigung aus Brüssel und bekräftigte zugleich, dass Deutschland in diesem Jahr 600 Millionen Euro bereitstelle. (…) Ein Teil der deutschen Hilfe geht ebenfalls an die Nachbarländer. Gemeinsam werde man alles tun, dass die Menschen in der Nähe ihrer Heimat leben könnten, sagte die Kanzlerin…“ Meldung vom 13.10.2021 beim Migazin mit aktuellen Informationen zur humanitären Lage - EU-Resettlement-Forum zu Afghanistan: PRO ASYL mit vier konkreten Vorschlägen
„… Folgende Schritte zur Aufnahme sind nötig: 1. Bundesaufnahmeprogramme für besonders gefährdete Verteidiger*innen von Demokratie und Menschenrechten aus Afghanistan müssen realisiert werden. Dies ist eine Aufgabe für die noch amtierende Bundesregierung, denn es kommt auf jeden einzelnen Tag an. Die Evakuierungsliste des Bundes, für die sich bedrohte Menschenrechtsaktivist*innen binnen weniger Wochen registrieren konnten und die Ende August überraschend geschlossen wurde, muss wieder geöffnet werden. PRO ASYL begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, in den kommenden Monaten zweihundert gefährdete Afghanen pro Woche über Pakistan evakuieren zu wollen, kritisiert aber die viel zu niedrige Zahl. (…) 2. Landesaufnahmeprogramme für Afghan*innen, die einen Bezug zu Deutschland haben, müssen vom Bundesinnenministerium endlich genehmigt werden. Gefährdete Afghan*innen, die Verwandte in Deutschland haben, sollten von den entsprechenden Bundesländern unbürokratisch aufgenommen werden. Hierzu muss das Innenministerium sein OK geben. „Statt die Aufnahme aller Gefährdeten effektiv zu organisieren, überbieten sich die EU-Staaten darin, die Zahl der Gefährdeten kleinzureden“, kritisiert Burkhardt. Statt diesen Kurs fortzusetzen, müssen die Bundesländer und die Regionen in Europa stärker eingebunden werden. 3. Der Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Afghan*innen muss beschleunigt und vereinfacht werden, um die Menschen sicher zu ihren Verwandten zu holen. (…) Der Familiennachzug stockt s eit Jahren. Die Kapazitäten zur Bearbeitung der Visaanträge müssen gesteigert werden. Angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan muss jeder Spielraum genutzt werden. Außerdem dürfen beim Familiennachzug ledige erwachsene Töchter und Söhne, die alleine zurückbleibend oft stark gefährdet wären, nicht außen vor bleiben. Über den § 36 Abs. 2 AufenthG können auch Familienmitglieder außerhalb der Kernfamilie aufgenommen werden. Dies muss aktiv genutzt werden, denn „die Taliban interessieren sich nicht für deutsche Definitionen von Kernfamilie“, so Burkhardt. 4. Resettlement aus der gesamten Region muss als langfristige Komponente gestärkt werden. Hierfür braucht es verbindliche Zusagen und eine ambitionierte Haltung. Zusagen speziell zu Afghanistan dürfen nicht mit vorherigen Zusagen verrechnet werden. Sie müssen eine deutliche Erweiterung des Resettlementprogramms sein. Das ist insbesondere auch für Erstaufnahmeländer ein wichtiges Signal. Im vergangenen Jahr war die Zahl der über Resettlement umgesiedelten Flüchtlinge mit rund 15.000 (weltweit) auf einem Rekordtief…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 6. Oktober 2021 - [Afghanistan] Taliban-Tribunal soll offenbar über Ex-Ortskräfte richten
„Die Taliban hatten internationalen Ortskräften eine Generalamnestie versprochen. Nun werden einem Medienbericht zufolge Vorladungen für ein Tribunal verschickt. »Verrätern« solle »eine Lektion erteilt werden«. (…) Das berichtet der niederländische Fernsehsender NOS unter Berufung auf schriftliche Vorladungen, die offenbar von der radikalislamischen Gruppierung verschickt worden sind. Ein SPIEGEL-Reporter, der sich zurzeit in Afghanistan befindet, konnte den Vorgang zunächst nicht bestätigen. (…) Der Sender zeigt in seinem Bericht eine der Vorladungen. Sie ist an einen früheren einheimischen Mitarbeiter der ehemaligen EU-Polizeimission in Afghanistan (EUPOL Afghanistan) gerichtet. Dem Mann wird darin vorgeworfen, er habe als Übersetzer für Ausländer gearbeitet und deren »entehrendes und verbotenes Geld« angenommen. In einem anderen Brief an einen ehemaligen Dolmetscher heißt es: »Wir werden uns rächen. Wenn es uns nicht gelingt, Sie zu fassen, werden wir das mit Ihren Angehörigen regeln.« (…) NOS hat nach eigenen Angaben Kontakt zu rund einem Dutzend ehemaliger Ortskräfte der Niederlande. Ihre Lage in dem Land werde immer dramatischer, heißt es in dem Bericht…“ Meldung vom 2. Oktober 2021 beim Spiegel online - Rechtsbruch beenden! Erfüllung der menschenrechtlichen Verpflichtung gegenüber lokal Beschäftigten, Familienangehörigen und Schutzsuchenden aus Afghanistan
Pro Asyl, Rechtsanwält*innen, Jurist*innenorganisation und nationale sowie europäische Anwält*innenorganisationen erklären und fordern: Die zugespitzte Lage in Afghanistan wurde für den Fall des Abzugs der westlichen Streitkräfte von Expert*innen einhellig vorhergesehen. Davon unbeeindruckt führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) in einer Stellungnahme in einem gerichtlichen Verfahren noch am 10.08.2021 aus: »Die Bedingungen, auf die Rückkehrer nach Kabul treffen, sind nicht derartig schlecht, dass sie in schrecklichen humanitären Zuständen existieren müssten.« In einem weiteren Schriftsatz vom 11.08. stellt das BAMF fest: »In Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist einerseits auszuführen, dass die meisten Städte und Provinzen derzeitig kampflos übergeben werden. Demnach ist doch sehr fraglich, ob die Intensität der Kampfhandlungen und damit die Gefahrendichte tatsächlich zugenommen hat.«…“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 18.8.2021 von RAV, DAV, EDA, Pro Asyl, VDJ, Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände - Reporter ohne Grenzen: Deutschland hat Evakuierung blockiert
„… „Reporter ohne Grenzen“ wirft der Bundesregierung ein unkoordiniertes und intransparentes Vorgehen bei der Rettung afghanischer Medienschaffender vor. Journalistinnen und Journalisten vor Ort müssten unter den Taliban um ihr Leben fürchten und sollten so schnell und unbürokratisch wie möglich Afghanistan oder unsichere Drittländer verlassen können, sagte „Reporter ohne Grenzen“-Geschäftsführer Christian Mihr am Mittwoch in Berlin. Die Gespräche, die die Organisation in den vergangenen Wochen auf unterschiedlichen Ebenen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium geführt habe, spiegelten diese Dringlichkeit aber nicht wider. „Stattdessen haben sich die beiden Ministerien gegenseitig die Verantwortung zugeschoben und damit Evakuierungs- und Aufnahmeverfahren blockiert“, kritisierte Mihr. Er begrüßte die pauschale Aufnahmezusage des Innenressorts vom Mittwoch vergangener Woche für mehr als 2.000 Menschen aus Afghanistan. Wie viele der Medienschaffenden auf der Liste stehen, sei aber unklar. Unklar sei auch, warum diese Liste „geschlossen“ werden soll. „Dabei ist bekannt, dass immer noch Medienschaffende verzweifelt versuchen, das Land zu verlassen“, sagte Mihr. (…) Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margit Stumpp von Anfang September hin spricht auch das Bundesinnenministerium von nur einer afghanischen Journalistin, die von der Bundeswehr nach Deutschland gebracht wurde. Bis zum Ende der militärischen Evakuierungsaktion habe die Bundesregierung besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen identifiziert, für die eine vereinfachte Aufnahme in Deutschland erfolgen könne. Diese Aufnahmemöglichkeit sei aber gesetzlich eng begrenzt auf ganz besondere, hervorgehobene Ausnahmefälle…“ Meldung vom 20. September 2021 im MiGAZIN- Über 100 afghanische Journalisten bitten um Hilfe
„Mehr als 100 afghanische Journalistinnen und Journalisten haben anonym über Reporter ohne Grenzen (RSF) einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet. Ihr Aufruf ist mit „Der Journalismus in Afghanistan ist vom Aussterben bedroht“ überschrieben. Unterzeichnet haben ihn insgesamt 103 Medienschaffende, darunter 20 Frauen, mit verschiedenen politischen und ethnischen Hintergründen. Die meisten von ihnen arbeiten derzeit noch in der Hauptstadt Kabul oder in den afghanischen Provinzen. Einige sind aus Angst um ihre Sicherheit in den Untergrund gegangen, zehn der 103 Unterzeichnenden haben es geschafft, aus dem Land zu fliehen. Alle von ihnen haben sich entschieden, anonym zu bleiben, weil sie Repressalien gegen sich selbst oder gegen noch in Afghanistan lebende Familienmitglieder befürchten. Sie eint die Befürchtung, dass Journalismus und Medienpluralismus vollständig aus Afghanistan verschwinden könnten. „Der dramatische Appell unterstreicht, was wir und andere Organisationen seit Wochen fordern: unbürokratische Hilfe, Schutzgarantien vor allem für Journalistinnen und konkrete Unterstützung für geflüchtete Medienschaffende“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Taliban haben gezeigt, dass sie keine freie Presse dulden werden, weder in Kabul noch in den Provinzen. Reporterinnen und Journalisten in Afghanistan sind akut bedroht, es droht ein Rückfall in die finsteren fünf Jahre der ersten Taliban-Herrschaft.“ (…) Was sie am dringendsten benötigten, seien Schutzgarantien, insbesondere für Journalistinnen. Ebenso wichtig sei ganz konkrete Unterstützung, die es afghanischen Redaktionen ermögliche, ihre Arbeit fortzuführen oder wiederaufzunehmen. Auch Geflüchteten müsse geholfen werden, damit sie außer Landes weiterhin als Journalisten oder Journalistinnen arbeiten können. Wer dringend Zuflucht brauche, müsse auf die volle Unterstützung westlicher Länder zählen können…“ Beitrag vom 18. September 2021 von und bei Reporter ohne Grenzen , siehe auch: - Afghanische Journalisten nicht im Stich lassen
„… „Die Aufnahmezusage des BMI ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, er reicht jedoch nicht aus. Denn Überlegungen, die Sicherheitsüberprüfungen in Kabul durchführen zu lassen, sind angesichts der Lage vor Ort weltfremd”, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Für viele bedrohte Medienschaffende in Afghanistan schwindet gerade die Hoffnung, einem der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit noch zu entkommen. Dabei hatte Bundesaußenminister Heiko Maas noch kürzlich gesagt, er wolle dazu beitragen, dass verzweifelte Menschen nicht im Stich gelassen werden. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer wollen wir an seine Worte erinnern, besonders schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Die Bundesregierung muss endlich transparent offenlegen, inwieweit sie die von RSF übermittelten hoch gefährdeten afghanischen Journalistinnen und Journalisten als schutzbedürftig ansieht und schnell beginnen, Lösungen umzusetzen, die Menschenleben retten“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. (…) RSF hat in den vergangenen vier Wochen eine mehrmals aktualisierte Namensliste mit zuletzt mehr als 152 hoch gefährdeten Medienschaffenden an das Auswärtige Amt übermittelt. Auf der Liste standen auch Dutzende Reporterinnen, die in zweifacher Hinsicht gefährdet sind: Als Frau und als Journalistin. Nach RSF-Informationen wurde bisher nur eine Journalistin, die auf der Liste der Organisation stand, jedoch auch gute Kontakte zur Bundeswehr hatte, aus Kabul ausgeflogen. Im Rahmen der zivilgesellschaftlichen „Luftbrücke Kabul“ wurden fünf Medienschaffende und ihre Angehörigen von der US-Armee ausgeflogen. Bis zuletzt hatte die Bundesregierung nicht transparent offengelegt, ob sie die Medienschaffenden auf dieser Liste als schutzbedürftig ansieht und inwiefern diese Liste bereits bearbeitet wurde…“ Beitrag vom 15. September 2021 von und bei ‚Reporter ohne Grenzen‘
- Über 100 afghanische Journalisten bitten um Hilfe
- Besatzungsökonomie ohne Besatzer: Afghanistans Wirtschaft liegt nach 20 Jahren westlicher Besatzung am Boden und steht nach dem Stopp westlicher Hilfszahlungen vor dem Kollaps
„Nach dem Abzug des Westens aus Afghanistan suchen die Vereinten Nationen die Bevölkerung des Landes mit dem Nötigsten zu versorgen. Eine UN-Geberkonferenz in Genf konnte am gestrigen Montag Hilfszusagen von mehr als einer Milliarde US-Dollar einwerben; die Bundesrepublik stellte 100 Millionen Euro in Aussicht. Hintergrund ist, dass es dem Westen während der 20-jährigen Besatzungszeit nicht gelungen ist, die afghanische Wirtschaft aufzubauen: Sie blieb von umfangreichen Zahlungen aus dem Ausland abhängig, die bestimmte Sektoren aufblähten – etwa Dienstleistungen für westliches und Regierungspersonal -, aber nicht für den Aufbau einer auch nur annähernd eigenständigen Produktion sorgten. Während korrupte Regierungsfunktionäre unter den Augen des Westens Milliardensummen nach Dubai schleusten, verarmte die Bevölkerung zusehends; bereits vor dem Abzug des Westens war gut die Hälfte der Afghanen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dass die Hilfsgelder nach der Machtübernahme der Taliban nicht mehr fließen und die USA Sanktionen in Kraft gesetzt haben, versetzt der afghanischen Wirtschaft den Todesstoß. (…) Die Lage ist hochbrisant – vor allem aus humanitärer, für den Westen besonders aus politischer Perspektive. Bleiben die Sanktionen gegen die Taliban in Kraft und die westlichen Zahlungen aus, droht eine humanitäre Katastrophe; die Vereinten Nationen schlossen zuletzt nicht aus, dass 97 Prozent der afghanischen Bevölkerung Mitte 2022 unter die Armutsschwelle rutschen könnten. Das brächte immenses menschliches Leid. Der Westen sucht, davon unbeeindruckt, sein Geld als Druckmittel gegen die Taliban einzusetzen. Außenminister Heiko Maas bekräftigte auf der Afghanistan-Geberkonferenz der Vereinten Nationen am gestrigen Montag in Genf, Berlin werde sich auf „reine Nothilfe“ für die Bevölkerung beschränken; sämtliche weiteren Zahlungen blieben ausgesetzt. Sollte damit die Spekulation verbunden sein, ein Ausbleiben der gewohnten Gelder werde die Bevölkerung veranlassen, den Druck auf die Taliban zu erhöhen und sie womöglich zu stürzen, dann könnte dies – darauf weist etwa das AAN hin – nicht nur zu einer Massenflucht in Richtung Europa führen, sondern auch die Bereitschaft der Taliban zunichte machen, Terroristen, etwa diejenigen des ISKP (Islamic State Khorasan Province), von Angriffen auf westliche Ziele abzuhalten…“ Bericht vom 14. September 2021 von und bei German-Foreign-Policy.com - Afghanistan unter der Armutsgrenze
„Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Ohne fremdes Geld droht nicht nur Hunger, sondern auch die Schließung der meisten Schulen und Kliniken. Doch die Sanktionen gegen die Islamisten stehen Hilfen entgegen. (…) Wie es nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August mit der Arbeit der Helferinnen und Helfer weitergeht, ist unklar. Kaum ein Land der Welt ist so abhängig von internationaler Unterstützung wie Afghanistan. Schätzungen der Weltbank zufolge macht die nicht-militärische Hilfe ausländischer Geber etwa 21 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) warnte, dass bereits Mitte des kommenden Jahres 97 Prozent der insgesamt 38 Millionen Afghaninnen und Afghanen unter die Armutsgrenze fallen könnten. Der UN-Sicherheitsrat rief Ende August dazu auf, weiter humanitäre Unterstützung zu leisten. Doch dies ist nicht einfach. Sanktionen gegen die Taliban als Organisation bestehen weiter, die afghanischen Staatskonten sind eingefroren. Von den 33 Ministern der Taliban-Regierung steht mehr als die Hälfte auf Sanktionslisten der USA und der Vereinten Nationen (…) Laut den UN musste in der ersten Jahreshälfte etwa eine halbe Million Menschen fliehen, vor allem Frauen und Kinder, zusätzlich zu den fünf Millionen Flüchtlingen davor. Tausende schlafen in Kabul unter freiem Himmel an Straßen oder in Parks. Und bald setzt der Winter ein. Und die Wirtschaft steht vor dem Kollaps. Gerade in Kabul haben viele Menschen ihre Arbeit verloren. Geschäfte sind geschlossen, Gehälter für Millionen staatliche Angestellte sind nicht gezahlt worden. Gleichzeitig werden Waren knapp, Apotheken und Kliniken haben keine Arzneimittel mehr, die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl und Speiseöl sind um 30 Prozent gestiegen. Vor den Banken bilden sich lange Schlangen, weil die Taliban eine strikte Grenze erlassen haben, wie viel Geld pro Woche ausgezahlt werden kann. Etwa neun Milliarden US-Dollar in Staatsreserven liegen eingefroren auf ausländischen Konten, das meiste davon in den USA, die aber keinerlei Anstalten machen, diese Gelder wieder freizugeben. (…) Etwa sieben Millionen afghanische Kinder gehen zur Schule, unterrichtet von rund 220.000 Lehrern. Die jährlichen Kosten für diesen Sektor belaufen sich auf 800 Millionen US-Dollar, die fast ausschließlich von ausländischen Gebern kommen. Ähnlich prekär sieht es im Bereich Gesundheitsversorgung aus. Alle der etwa 2.500 Kliniken in Afghanistan wurden bislang von der Weltbank finanziert, die wiederum das Geld dafür von der EU und den USA erhielt. Auch damit ist nun Schluss…“ Beitrag von Agnes Tandler am 14.09.2021 beim Migazin – siehe auch:- Hilfskonferenz: Zugesagte Gelder kommen in Afghanistan nicht an
„Auch nach der Machtübernahme der Taliban will die internationale Staatengemeinschaft die Menschen in Afghanistan weiter unterstützen. Mehr als eine Milliarde US-Dollar werden bei einer UN-Konferenz in Aussicht gestellt. Vieles bleibt jedoch vage und das Geld kommt nicht an…“ Meldung vom 15.09.2021 beim Migazin
- Hilfskonferenz: Zugesagte Gelder kommen in Afghanistan nicht an
- „Rettet unsere Familien!“ Flüchtlingsrat fordert Aufnahme und Unterstützung für afghanische Familienangehörige / Ansprechstelle und Evakuierung jetzt!
„Am heutigen Montag, den 13.09.2021, veranstaltete der Bayerische Flüchtlingsrat eine Protestaktion gegen die Verantwortungslosigkeit der bayerischen Staatsregierung. Bayern hatte lange Zeit mit bundesweitem Abstand am meisten Geflüchtete nach Afghanistan abgeschoben und dabei immer die Mär verbreitet, Afghanistan sei ein sicheres Land. Selbst nach Abzug der westlichen Truppen sei die Lage stabil genug, um abgeschobene Afghanen aufzunehmen. Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gehen unzählige Anrufe und Emails mit Hilferufen beim Bayerischen Flüchtlingsrat ein. Viele Afghan:innen, die in Bayern leben, versuchen, ihre Familienangehörigen zu retten und suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, sie aus Afghanistan zu evakuieren. Doch niemand in Deutschland will dafür zuständig sein. Beim Auswärtigen Amt gibt es lediglich eine Emailadresse, an die man bedrohte Menschen melden kann – die automatische Antwort teilt jedoch mit, dass es keine Unterstützung mehr gibt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat ein Kontaktformular auf seiner Website, doch auch dort gibt es keine Informationen über das weitere Verfahren. Die bayerische Staatsregierung geht komplett auf Tauchstation. (…) Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt über die Kaltschnäuzigkeit der bayerischen Staatsregierung. Wenn es um Flüchtlingsabwehr geht, baut Bayern sogar eine eigene Grenzpolizei mit stolzen 1.000 Personalstellen auf, obwohl der Freistaat keinerlei Kompetenzen beim Grenzschutz hat. Wenn es jedoch um die Aufnahme von Geflüchteten geht, duckt sich Innenminister Joachim Herrmann vor seiner Verantwortung mit der dürftigen Begründung, die Aufnahme bedrohter Menschen sei alleinige Bundesangelegenheit. Nicht einmal eine kleine Anlaufstelle mit wenigen Personalstunden darf es geben, um nur ja nicht den Anschein zu erwecken, dass betroffene Afghan:innen Hilfe bekommen könnten…“ Meldung vom 13. September 2021 des Bayerischen Flüchtlingsrats und auch ein Bericht mit Fotos – sieht in anderen Ländern nicht anders aus… - [Aufruf und Petition] Regierung muss Hilferufe aus Afghanistan ernst nehmen – Breites Bündnis für Aufnahmeprogramme
„Am 26. August ist die deutsche Evakuierungsaktion aus Afghanistan beendet worden – und Tausende Menschen harren nun in Verstecken aus, fürchten um ihr Leben und das ihrer Kinder. Andere sind auf der Flucht. Deshalb fordern PRO ASYL und 55 weitere Organisationen: die Aufnahme fortsetzen, Landes- und Bundesaufnahmeprogramme darauf aufbauen! Unabhängig davon müssen der Familiennachzug schnell und unbürokratisch ermöglicht und die Aufnahme der Ortskräfte umgesetzt werden. Auf harte Kritik stößt bei PRO ASYL und den unterzeichnenden Organisationen aus der Zivilgesellschaft, dass die Bundesregierung die Registrierung aufzunehmender gefährdeter Menschen am 26. August willkürlich beendet hatte: »Die Listen des Auswärtigen Amtes mit besonders gefährdeten Personen müssen weitergeführt werden. Eine Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG muss auch Menschen offen stehen, die es bisher nicht geschafft haben, sich beim Auswärtigen Amt registrieren zu lassen«, heißt es in dem Statement mit dem Titel »Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig!«…“ Pressemitteilung vom 09.09.2021 von Pro Asyl , siehe den Aufruf und Petition:- Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig!
„Vor zwei Wochen, am 26. August 2021, ist die deutsche Evakuierungsaktion aus Afghanistan nach der Machtergreifung der Taliban eingestellt worden. Viele gefährdete Menschen sitzen aber mit ihren Familien immer noch in Afghanistan fest: Mitarbeitende lokaler Partnerorganisationen und deutscher Organisationen, Frauenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsaktivistinnen, Journalistinnen, bei Subunternehmen beschäftigte Ortskräfte und Regierungsangestellte, die für einen demokratischen Staat und eine unabhängige Justiz eingetreten sind. Zudem sind Angehörige von in Deutschland lebenden Afghaninnen und Deutschen in Gefahr, sie werden zum Teil bereits von den Taliban gesucht. Für sie sieht die Bundesregierung aktuell keine Aufnahme vor. In den vergangenen Wochen erreichten Tausende verzweifelte Hilferufe die unterzeichnenden Organisationen. Diesen Menschen muss schnellstmöglich eine Aufnahme ermöglicht werden!...“ Pressemitteilung vom 09.09.2021 beim Flüchtlingsrat NRW zum gemeinsamen Aufruf von Flüchtlingsräten und zivilgesellschaftlicher Organisationen - Petition zum Mitzeichnen : Afghanistan: Weitere Aufnahme JETZT!
- Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig!
- Widerstand in Kabul: »Der nächste Schritt sind Schüsse auf Menschen«
„Woche drei der Taliban-Herrschaft begann mit den bislang größten Gegendemonstrationen im Land. Es gab Stockschläge gegen Frauen, Schüsse in die Luft zur Einschüchterung. SPIEGEL-Reporter Christoph Reuter war in Kabul dabei – seine Eindrücke im Video.“ Video-Reportage von Christoph Reuter und Janita Hämäläinen (Video) vom 09.09.2021 im Spiegel online - Wie auch immer: Afghanistans Frauen trotzen den Taliban
„Für viele Frauen in Afghanistan hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. Für die anderen lässt die Machtübernahme der Taliban Schlimmstes befürchten. Dennoch wollen viele weitermachen. Wie auch immer. „Die vergangenen 20 Jahre habe ich studiert und für eine bessere Zukunft gearbeitet“, sagt Azita Nazimi. „Ich werde nicht zulassen, dass all diese Erfolge verloren gehen.“ Die afghanische Journalistin erinnert sich im Gespräch mit dem TV-Sender Tolo News noch zu gut, wie es beim letzten Mal war, als die Taliban in den 90er Jahren in Afghanistan an der Macht waren. Sie durfte wie viele andere Mädchen nicht mehr zur Schule gehen. Nun droht sich die Geschichte zu wiederholen. Zwar geben die Taliban sich diesmal weniger radikal als vor 20 Jahren. So erlauben sie Studentinnen den Universitätsbesuch, solange sie einen Nikab tragen und von den Männern mindestens durch einen Vorhang getrennt werden. Doch gegen Frauenproteste gingen die neuen Machthaber schnell sehr entschieden vor. Als Azita Nazimi mit einer Gruppe von Frauen in Kabul zwei Tage lang gegen die Pläne der Taliban protestierte, keine Frauen an ihrer Regierung zu beteiligen, setzten die Radikalislamisten Tränengas und Elektroschocker ein. Frauen-Demonstrationen gab es auch in anderen Städten, etwa in Herat, im Westen Afghanistans…“ Beitrag von Agnes Tandler vom 08.09.2021 beim Migazin - Zusammenstöße bei Frauen-Demo in afghanischer Hauptstadt Kabul
„In Kabul demonstrieren den zweiten Tag in Folge Frauen gegen die Taliban-Herrschaft. Es kommt zu chaotischen Szenen. Auch in der noch nicht unter der Kontrolle der Taliban stehenden Provinz Pandschir dauert der Widerstand an. In Afghanistan regt sich Widerstand gegen die Herrschaft der militant-islamistischen Taliban. Bei einer Demonstration für Frauenrechte in der afghanischen Hauptstadt Kabul kam es zu Zusammenstößen. Mindestens eine Frau sei dabei verletzt worden, berichteten lokale Journalisten am Samstag. In der einzigen von den Taliban noch nicht eroberten Provinz Pandschir dauern die Kämpfe an. Videos von lokalen TV-Sendern und Aktivistinnen zufolge kam es bei der Demonstration zu chaotischen Szenen. Rund zwei Dutzend Frauen hatten zunächst friedlich in der Nähe des Präsidentenpalastes demonstriert, wie auf Bildern, die in sozialen Medien geteilt wurden, zu sehen war. Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen etwa stand: „Wir sind nicht die Frauen von vor 20 Jahren“ oder „Gleichheit – Gerechtigkeit – Demokratie!“. Auf Videos ist zu sehen, wie die Frauen von 50 oder mehr Sicherheitskräften der Taliban umzingelt sind und sich Schreiduelle mit Taliban liefern. Mehrere von ihnen husten. Ein Taliban-Kommandeur fragt über einen Lautsprecher „… wartet, was ist das Problem, was wollt Ihr, es gibt kein Problem Mädchen, okay?“, während im Hintergrund eine junge Frauenstimme zu hören ist, die fragt: „Warum schlagt ihr uns?“ Lokale Journalisten teilten das Video einer Frau, der Blut vom Kopf läuft. In einem Video von Aktivistinnen, etwas abseits der Demo aufgenommen, sagt eine Frau, Frauen hätten sich gebildet, um in hochrangigen Regierungspositionen zu arbeiten. „Was ist unsere Schuld, dass sie uns heute ins Abseits drängen?“, fragt sie. Die Frau, die das Video aufnimmt, sagt weiter, der friedliche Protest von Frauen sei wieder von den Taliban unterdrückt worden. Diese hätten Warnschüsse abgegeben und Tränengas eingesetzt…“ Agenturmeldung vom 04.09.2021 in der FAZ online - Die Ära der Straflosigkeit. Westliche Militärs töteten in Afghanistan tausende Zivilisten und begingen Kriegsverbrechen. Fast nichts davon wurde vor dem endgültigen Abzug gesühnt
„Mit dem endgültigen Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan am morgigen Dienstag gehen auch zwei Jahrzehnte tödlicher westlicher Angriffe auf Zivilisten sowie systematischer westlicher Kriegsverbrechen am Hindukusch zu Ende. Bis zum Abschluss des US-Abzugsabkommens mit den Taliban im Februar 2020 kamen durch Luftangriffe westlicher Streitkräfte und Spezialkräfteoperationen laut UN-Angaben jährlich hunderte Zivilisten zu Tode – mindestens 559 im Jahr 2019. Zahllose Unbeteiligte wurden bei US-Drohnenattacken getötet; laut Unterlagen, die ein Whistleblower durchstach, war zeitweise nur eines von zehn Drohnenopfern ein von den US-Militärs zur Ermordung freigegebenes „Ziel“. Informationen, die für die Drohnenangriffe benötigt wurden, wurden auch von deutschen Stellen an US-Militärs weitergeleitet; dies gilt auch für Informationen, die zu Verschleppung und Folter von Verdächtigen durch die CIA führten. Australische Spezialtrupps begingen Morde an wehrlosen Zivilisten als Initiationsritual. Westliche Kriegsverbrechen blieben in aller Regel straflos – bis heute…“ Bericht vom 30.8.2021 von „Informationen zur Deutschen Außenpolitik“ (german-foreign-policy.com) - [Petition] Afghanistan: Retten statt Reden. Weitere Aufnahme JETZT!
„Tausende verzweifelte Zurückgelassene: Das ist die bittere Bilanz der deutschen Evakuierungsaktion aus Afghanistan. Es handelt sich um Familienangehörige von in Deutschland lebenden Afghanen. Um Ortskräfte deutscher Institutionen, von denen viele bei Subunternehmern beschäftigt waren. Um Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben. Etliche von ihnen haben Bezüge zu Deutschland. Ihre Namen sind bekannt. Diese Menschen müssen in Sicherheit gebracht werden! Die nach dem Ende der Evakuierung geplanten Maßnahmen greifen zu kurz. Wir fordern von der Bundesregierung: Die Fortsetzung der Evakuierung aus Nachbarstaaten; Schriftliche Aufnahmezusagen für gefährdete Personen; Humanitäre Visa für Ortskräfte & andere nach § 22 Satz 2 AufenthG; Schnellen und unbürokratischen Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Schutzberechtigten; Ein Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen (auch aus Anrainerstaaten) nach § 23 Abs. 2 AufenthG und die Zustimmung zu Landesaufnahmeprogrammen.“ Petition von Pro Asyl - Informationen zu Ausreisemöglichkeiten aus Afghanistan nach Ende der militärischen Luftbrücke
Die Referentin für Migrationssozialarbeit des Paritätischen Gesamtverbands gibt Hinweise des Auswärtigen Amts weiter. Beitrag vom 28. August 2021 bei GGUA Flüchtlingshilfe - Das Ortskräfte-Debakel hat im Innenministerium seinen Ursprung. Über die migrationspolitische Blockadehaltung des Bundesministeriums des Inneren und seine Gründe
„Das Innenministerium hat offenbar beim Ortskräfte-Desaster die Schlüsselrolle gespielt und die Evakuation der Ortskräfte aus Afghanistan seit Monaten behindert und blockiert. Obwohl Kanzlerin Angela Merkel offenbar schon Mitte Juni und Mitte Juli auf Maßnahmen gedrängt hatte, sperrte sich insbesondere das Innenministerium gegen eine Aufnahme ohne vorherige Sicherheitsprüfung. Es beharrte auf der „Forderung nach eindeutiger Identifikation der Passagiere und einer Berechtigungsprüfung für eine Ausreise nach Deutschland noch vor dem Betreten des Flughafengeländes.“ Diese Forderungen tragen die Handschrift der Abteilungen „Migration, Flüchtlinge, Rückkehrpolitik“, kurz „M“, und Öffentliche Sicherheit (ÖS) und entsprechen den bekannten Haltungen dieser Abteilungen. Wenn sich das Innenministerium hinter der Regierung insgesamt versteckt, verschweigt es, dass es diese Linie maßgeblich herbeigeführt hat…“ Artikel von Werner Schiffauer vom 27. August 2021 beim Verfassungsblog - Afghanistan: EU-Innenminister wollen Flucht nach Europa verhindern
„Sechs Jahre ist der Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung nach Europa her, der auch vom Streit der EU um eine gemeinsame Linie geprägt wurde. Bei Afghanistan demonstrierten die Innenminister nun schnell Einigkeit: Grenzschutz. Pro Asyl zur EU-Linie: „Unfassbar“. Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben die EU-Innenminister möglichen Migranten und Flüchtlingen signalisiert, sich nicht auf den Weg nach Europa zu machen. Die Union sei entschlossen, „die Wiederkehr unkontrollierter illegaler Migrationsbewegungen in großem Maßstab zu verhindern“, erklärten sie am Dienstag nach einem Sondertreffen in Brüssel. Österreichs Innenminister Karl Nehammer hatte vor dem Treffen an die Menschen in der Region appelliert: „Macht Euch nicht auf den Weg.“…“ Beitrag vom 01.09.2021 beim Migazin , siehe auch:- Treffen der EU-Innenminister: So will die EU Afghanistan-Flüchtlinge draußen halten
„Die EU versucht mit aller Macht zu verhindern, dass erneut viele Menschen nach Europa fliehen. Das altbekannte Rezept: Nachbarländer sollen Schutzsuchende aus Afghanistan aufnehmen und von Europa fernhalten – für viel Geld. (…) »Aufgrund früherer Erfahrungen«, heißt es in der anschließend veröffentlichten Erklärung, seien die EU-Länder »entschlossen, gemeinsam zu handeln, um eine erneute große illegale Zuwanderungsbewegung zu verhindern«. Die Botschaft in Richtung Afghanistan ist klar: Mit der Evakuierung der eigenen Bürger und jener Afghanen, die dem Westen in den vergangenen Jahren geholfen haben, ist das Soll der EU erst einmal erfüllt. Wer immer sonst vor den radikalislamischen Taliban fliehen will, die nach 20 Jahren wieder die Macht im Land übernommen haben, soll in der Region bleiben – und keinesfalls nach Europa kommen. Dazu will man in der EU zu jenem Mittel greifen, mit dem man schon Länder wie die Türkei und Libyen dazu bewegt hat, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen und sie an der Weiterreise in die EU zu hindern: viel Geld, Material und Personal…“ Artikel von Markus Becker vom 01.09.2021 beim Spiegel online
- Treffen der EU-Innenminister: So will die EU Afghanistan-Flüchtlinge draußen halten
- Ende der Evakuierung in Afghanistan: PRO ASYL fordert umfassende Bundes- und Landesaufnahmeprogramme
„Willkürlich gesetzte Fristen und einengende Kriterien sorgen dafür, dass Zehntausende bedrohte Afghan*innen keine Chance auf Einreise nach Deutschland haben werden. Mit dem heutigen Tag endet die militärische Evakuierungsaktion aus Kabul, die von westlichen Staaten nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August begonnen wurde. Die deutschen Flüge wurden bereits nach 10 Tagen, am 26. August, eingestellt. Pro Asyl wirft der Bundesregierung und den Innenministerien der Länder vor, bereits jetzt wieder alle Kriterien zur Aufnahme so auszurichten, dass der Kreis der Aufzunehmenden möglichst klein bleibt. „Es ist empörend, dass die Bundesregierung hinter den Kulissen mit allen Mitteln versucht, die Zahl der Schutzbedürftigen möglichst gering zu halten. Das Versprechen von Außenminister Heiko Maas, für die Bundesregierung abgegeben, niemanden im Stich zu lassen, für den Deutschland Verantwortung trägt, wird so zur Worthülse“, kritisiert Burkhardt. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass – von den Ortskräften abgesehen – nur Menschen eine Chance haben, in Deutschland Schutz zu finden, die bis zum Ende der deutschen Evakuierungsmission (also bis 26.8.) für die Evakuierungsliste gemeldet wurden. Dieses willkürlich festgelegte Datum war vorher nie kommuniziert worden. All jene etwa, die sich zum Beispiel im Norden Afghanistans versteckt hielten und nicht sofort versuchten, auf die Liste zu kommen, da sie keine Chance hatten, bis zum 31.8. Kabul zu erreichen, sind außen vor. Sie haben nun keine Möglichkeit mehr, sich registrieren zu lassen und in Deutschland Zuflucht zu finden. Journalist*innen, Menschen- und Frauenrechtsverteidiger*innen sowie Familienangehörige von in Deutschland lebenden Schutzberechtigten, die von den Taliban massiv bedroht sind, aber bisher noch auf keiner Liste der Bundesregierung auftauchen, werden einfach ihrem Schicksal überlassen…“ Pressemitteilung vom 31.08.2021 - Deutsche Bürokraten: Berlin hat nur 1,6 Prozent seiner Ex-„Ortskräfte“ und ihrer Familienangehörigen vom Flughafen Kabul abgeholt und stellt nun eine halbe Milliarde Euro zur Flüchtlingsabwehr bereit
„Zum wiederholten Mal werden schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung wegen der Blockade der Aufnahme afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr laut. Demnach hat Berlin bei den militärischen Evakuierungsflügen aus Kabul lediglich 138 frühere afghanische Mitarbeiter der deutschen Streitkräfte sowie weiterer deutscher Stellen in die Bundesrepublik geholt – zuzüglich Familienangehörigen insgesamt 634 Personen. Dies sind lediglich 1,6 Prozent der – inklusive Familienangehörigen – ungefähr 40.000 Afghanen, die laut Regierungsangaben prinzipiell einreiseberechtigt sind. Zudem beklagt die Initiative „Luftbrücke Kabul“, das Auswärtige Amt habe sie „aktiv“ daran gehindert, per Charterflug knapp 200 Afghanen aus dem Land zu bringen; die Flüchtlinge hätten letzten Endes mit einem US-Militärflugzeug ausgeflogen werden müssen. Zugleich bemüht sich das Auswärtige Amt mit aller Kraft um die systematische Abwehr afghanischer Flüchtlinge. Außenminister Heiko Maas, der aktuell auf einer Rundreise durch Afghanistans Nachbarstaaten ist, hat dafür gut eine halbe Milliarde Euro in Aussicht gestellt. (…) Bereits seit einiger Zeit wird spekuliert, die drei Nachbarstaaten könnten afghanische Flüchtlinge in großer Zahl aufnehmen, um sie an der nicht erwünschten Weiterreise nach Europa zu hindern. (…) Gegenwärtig verhandelt die Türkei mit den Taliban darüber, eine tragende Rolle bei der Sicherung des Flughafens sowie bei der Gewährleistung des Flugbetriebs zu übernehmen. Ob die Taliban einer derartigen Kooperation mit Ankara zustimmen, ist jedoch nicht klar. Überlegungen, die EU könne diese Aufgabe erledigen, waren vergangene Woche am Rande gestreift, aber – unabhängig von der Frage, ob die Taliban das gestatten würden – umgehend ad acta gelegt worden: „Schon die internen Prozeduren“ in Brüssel seien „viel zu langwierig“, hieß es.[7] Gelingt es der Türkei, von den Taliban die Erlaubnis zur Sicherung des Flughafens in Kabul zu erhalten, dann wäre Berlin bei der Einreise seiner ehemaligen Ortskräfte nicht nur von den neuen Machthabern in Kabul abhängig, sondern einmal mehr von Ankara, auf das es bereits bei der Abwehr von Flüchtlingen aus Syrien abhängig ist.“ Bericht vom 31. August 2021 von und bei German-Foreign-Policy.com - Luftbrücke wirft Regierung Blockade vor: Initiative wollte Hunderte Menschen aus Kabul retten – das Auswärtige Amt habe dies jedoch verhindert
„Die zivilgesellschaftliche Initiative »Luftbrücke Kabul« hat mehrere Dutzend Schutzsuchende aus Afghanistan gerettet. So habe man am Wochenende 189 Menschen mit US-amerikanischer Unterstützung in Bussen in den Kabuler Flughafen bringen können, hieß es in einer Erklärung der Gruppe. Von dort seien sie mit einer Militärmaschine der USA ausgeflogen worden. Derzeit befänden sie sich in Doha und Riad und würden auf ihre Weiterreise warten. Zusätzlich habe man mit »immensem Aufwand« 18 gefährdete Ortskräfte aus Kabul in Sicherheit bringen können, so die Initiative. Aus Sicht der »Luftbrücke Kabul« waren das jedoch viel zu wenige gerettete Menschen. 180 Sitze blieben in dem von der Initiative gecharterten Flugzeug leer. »Es hätten Hunderte mehr sein können, wenn unsere Rettungsaktion nicht aktiv vom Auswärtigen Amt blockiert worden wäre«, schrieb die Gruppe und erhob schwere Vorwürfe gegenüber der Regierung. Für Hunderte Menschen habe man schließlich sichere Unterkünfte organisiert, die Gefährdeten offiziell auf Listen des Auswärtigen Amtes registrieren und absegnen lassen, über die katarische Botschaft habe ein Bustransport bereit gestanden. »Wir hätten Menschen innerhalb weniger Stunden an den Flughafen und auf unser Flugzeug bringen können«, so die Luftbrücke Kabul. Die Regierung habe sich letztlich jedoch geweigert, »eine E-Mail zu schreiben«, um den Transport freizugeben. »Unser Flugzeug stand bereit – doch niemand sollte evakuiert werden.« Die Initiative habe so vor in Kabul eine »bürokratische und politische Verhinderungstaktik« erlebt, hieß es weiter. Deutsche Diplomaten hätten demnach offenbar auch bei ausländischen Partnern versucht zu erzwingen, dass das Flugzeug niemanden evakuiert. Portugal habe so das Evakuierungsangebot der Initiative annehmen wollen. »Wir sollten nicht erfolgreicher sein, als die Bundesregierung. Wir sollten scheitern, damit das Kartenhaus der Evakuierungsaktion der Bundesregierung nicht in sich zusammenfällt«, kritisierte die »Luftbrücke Kabul« . (…) Hinter der »Luftbrücke«, haben sich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, Flüchtlingsräte und Initiativen versammelt, darunter die Bewegung Seebrücke, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und die Kampagne #LeaveNoOneBehind.“ Artikel von Sebastian Bähr vom 30. August 2021 in neues Deutschland online - Bundeswehr beendet Luftbrücke: Außenamt schätzt Zahl Zurückgebliebener in Afghanistan auf über 10.000
„Viele Menschen mit einer Aufnahmegarantie in Deutschland harren noch in Afghanistan aus. Außenminister Maas will sich bei einer Reise in die Region um eine Lösung bemühen. Unterdessen wird vor neuen Anschlägen auf den Flughafen von Kabul gewarnt. (…) Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, forderte weitere Rettungsflüge aus der Region um Afghanistan und leichtere Visa-Vergaben. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung und andere Staaten die teils schwer traumatisierten evakuierten Menschen jetzt weiterhin zügig aus der Region ausfliegen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass Familien nicht auseinandergerissen werden. Hier sei ein unbürokratisches Vorgehen gefragt. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fordert von der Bundesregierung Erleichterungen bei den Asylverfahren und beim Familiennachzug für afghanische Flüchtlinge. Wenn man mehr als ein Jahr auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warten müsse, verkenne das die Lebensrealität von Flüchtlingen…“ Meldung vom 30.08.2021 beim Migazin , siehe dazu:- Die Zurückgelassenen
„Rund 5200 Menschen hat Deutschland aus Afghanistan evakuiert, aber Unzählige wurden zurückgelassen. Wir stellen einige besonders dramatische Beispiele vor…“ Beitrag vom 27.08.2021 bei Pro Asyl
- Die Zurückgelassenen
- Ein offener Brief an die Bundesregierung: Luftbrücke nach Kabul jetzt!
„Wir, ein Zusammenschluss von Afghan*innen in der Diaspora und Menschen aus Kunst, Kultur, Politik und Wissenschaft fordern die Bundesregierung umgehend dazu auf die afghanische Zivilbevölkerung vor der islamistischen Machtübernahme der Taliban zu beschützen!...“ Offener Brief bei luftbruecke.org - Oranienplatz: Geflüchtete besetzen Baum für Bleiberecht und Offene Grenzen „Zusammen mit einem afghanischen Aktivisten protestiert Napuli Langa seit Freitag, dem 27. August 2021, erneut auf dem Baum am O-Platz. Was muss passieren, damit Napuli und der afghanische Aktivist den Baum verlassen? Napuli wird den Baum erst verlassen, wenn der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine verbindliche, schriftliche Zusage macht, dass Geflüchtete auf dem symbolträchtigen Oranienplatz einen dauerhaften Ort des Protests einrichten können. Derweil kämpft der afghanische Aktivist um die Rettung seiner Familie: Auf politischer Ebene muss eine Möglichkeit geschaffen werden, seine Verwandten in Kabul und im Iran in Sicherheit zu bringen, denn seit einem Jahr versucht er erfolglos, seine Familie nach Deutschland zu holen. Insbesondere fordert er den Berliner Senat auf, die geforderte Luftbrücke und das Landesaufnahmeprogramm umzusetzen…“ Pressemitteilung und weitere Informationen dokumentiert am 29.8.2021 bei Klasse gegen Klasse , siehe auch weitere Informationen bei International Women’s Space (IWS)
- DAV, RAV und VDJ: Sofortige Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger in dt. Auslandsvertretungen Visa umgehend erteilen!
„Angesichts der Beendigung der Evakuierung fordern Anwält*innen und Jurist*innenvereinigungen: Alle deutschen Auslandsvertretungen müssen ab sofort für Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger zuständig sein und Visa umgehend erteilen. Die Kapazitäten in den Auslandsvertretungen sind sofort ausreichend aufzustocken. Über 3.000 afghanische Staatsangehörige warteten im Mai 2021 auf einen Termin zur Vorsprache in den deutschen Visastellen in Neu-Delhi und Islamabad. Wie viele Angehörige sich über diese hinaus im überaus langwierigen Verfahren auf Erteilung eines Visums befanden, wird nicht erfasst (die Zahlen ergeben sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion). (…) DAV, RAV und VDJ fordern, dass diese, für Friedenszeiten vorgesehene und mit langen Wartezeiten verbundene Praxis sofort geändert wird, und nehmen hierzu Bezug auf den Forderungskatalog hinsichtlich der Situation in Afghanistan von DAV, RAV, Pro Asyl und anderen (…) Ergänzend verweisen wir auf die Forderung von Amnesty International, die Visapflicht für Afghan*innen auszusetzen (…) Das Ende der Evakuierungen darf nicht das Ende aller Hoffnungen für Schutzsuchende und ihre Familien sein, in naher Zukunft in Sicherheit und wieder zusammenleben zu können!“ Gemeinsame Pressemitteilung von DAV, RAV und VDJ vom 27. August 2021 - Afghanistan: RAWA reagiert auf die Machtübernahme der Taliban
„Es ist ein Witz zu sagen, dass Werte wie „Frauenrechte“, „Demokratie“, „Nationenbildung“ usw. Teil der Ziele der USA/NATO in Afghanistan waren! Die Afghan Women’s Mission hat sich mit RAWA in Verbindung gesetzt, um deren Bedürfnisse in dieser dringenden Zeit anzusprechen. In dieser kurzen Frage und Antwort mit der AWM-Ko-Direktorin Sonali Kolhatkar erklärt RAWA die sich entwickelnde Situation vor Ort, wie sie sie sehen…“ Siehe das (engl.) Interview vom 20.8.21 bei RAWA, the Revolutionary Association of the Women of Afghanistan , siehe auch bei World March of Women: International Feminist Solidarity with the Women and People of Afghanistan: No to Taliban No to Imperialists! (Internationale Feministische Solidarität mit den Frauen und dem Volk von Afghanistan: Nein zu den Taliban Nein zu den Imperialisten!) - Nach Toten bei IS-Explosionen und vorzeitigem Ende der Evakuierungsflüge: Zu spät für all die Aufrufe, wie z.B. „Save Afghanistan People. NOW!“ ??
- Tote bei Explosionen – Bundeswehr beendet Evakuierungsflüge am Kabuler Flughafen
„Detonationen am Flughafen Kabul: Während westliche Staaten am Donnerstag ihre letzten Evakuierungsflüge vorbereiten, detonierten zwei Sprengsätze. Es gab Tote und Verletzte. Derweil beendete die Bundeswehr ihre Rettungsflüge. (…) Die Anschläge hätten deutlich gemacht, „dass eine Verlängerung der Operation in Kabul nicht möglich war“, sagte Kramp-Karrenbauer. Die Sicherheitslage und die Entscheidung der Taliban, die militärischen Evakuierungen nach dem 31. August nicht mehr zu dulden, würden das nicht ermöglichen. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte indes nach den Explosionen auf einer Pressekonferenz in Dublin, dass Frankreich die Evakuierungen fortsetzen wolle. „Wir werden weitermachen, so lange es die Lage am Flughafen erlaubt.“ (…) Das Welternährungsprogramm kündigte eine Luftbrücke zur Versorgung bedürftiger Menschen in Afghanistan an. Die Flugzeuge sollen zwischen der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und Kabul pendeln…“ Beitrag vom 27.08.2021 beim Migazin - Erklärung zum Abzug der NATO-Truppen und der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan: Save Afghanistan People. NOW!
„Der Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan markiert das endgültige Scheitern des 20 jährigen Krieges, den die USA und ihre Verbündeten am Hindukusch geführt haben. Der „War on Terror“ der USA und der NATO-Militäreinsatz in Afghanistan unter Beteiligung der Bundeswehr hat hunderttausenden Menschen das Leben gekostet und gleichzeitig den Terrorismus weiter befördert. Die NATO-Truppen hinterlassen ein verwüstetes und verarmtes Land, in dem rund 9 Millionen Menschen an Unterernährung leiden. USA und NATO haben Afghanistan zum größten Heroinproduzenten und zum korruptesten Land der Welt gemacht. Der Grund für das jetzt von allen Seiten beklagten „Desaster“ sind nicht irgendwelche Fehler der NATO-Strategie oder der übereilte Abzug, sondern der in Afghanistan gescheiterte Versuch des Westens, mit militärischer Gewalt seine machtpolitischen Interessen weltweit durchzusetzen. Den US-geführten Interventionstruppen in Afghanistan ging es nie darum, Menschenrechte oder Demokratie in Afghanistan herzustellen, sondern ausschließlich um die geostrategische Vorherrschaft er NATO-Staaten in Zentralasien, in unmittelbarer Nähe zu Russland, Iran und der VR-China, die von den USA zu ihren Feinden erklärt werden. (…) Die Friedensbewegung hat seit Jahren die Beendigung des Krieges und den Abzug der NATO-Interventionstruppen gefordert. Die NATO-Staaten müssen jetzt die Verantwortung für die von ihnen angerichtete Katastrophe übernehmen und humanitäre Hilfe leisten. Wir solidarisieren uns mit den fortschrittlichen und emanzipatorischen Kräften in Afghanistan, die für Demokratie und gegen jede ausländische Einmischung kämpfen. Aktuell fordern wir von der Bundesregierung: – Alle, deren Leben in Afghanistan bedroht ist, muss die Einreise nach Europa ermöglicht werden. – Die nach Europa Flüchtenden dürfen nicht länger kriminalisiert werden! – Schluss mit allen Abschiebungen nach Afghanistan! – Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr! Beteiligt Euch an der Kundgebung Antikriegstag am Mittwoch 1. September 2021 um 18:30 am Stachus in München – Veranstalter: Münchner Friedensbündnis – Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus in Kooperation mit Sympathisanten der Solidaritätspartei Afghanistans in Europa“ Erklärung und Aufruf verfasst von Thomas Trueten am 26. August 2021 samt dem Aufruf: Beteiligt Euch an der Kundgebung Antikriegstag am Mittwoch 1. September 2021 um 18:30 am Stachus in München - Patenschaftsnetzwerk Afghanischer Ortskräfte: Afghanische Ortskräfte wurden bewusst zurückgelassen
„ Es mehren sich Berichte, dass ehemalige Ortskräfte von den internationalen Soldaten am Flughafen abgewiesen werden. Das Patenschaftsnetzwerk Afghanischer Ortskräfte erhebt schwere Vorwürfe. Der Verband binationaler Familien fordert in einer Online-Petition unbürokratische Lösungen. Ehemalige Ortskräfte von deutscher Polizei oder Entwicklungsorganisationen würden derzeit von den internationalen Soldaten am Flughafen wieder abgewiesen, weil sie nicht auf den Listen stünden. Dem Vereinsvorsitzenden Marcus Grotian zufolge erfolgt die Abweisung, weil diese Menschen zu einer Zeit für ein deutsches Ressort gearbeitet haben, die „nicht bürokratisch erfasst“ sei. (…) Der Verein, der sich seit Jahren um afghanische Ortskräfte kümmert, warnt seit Monaten davor, dass die radikalislamischen Taliban sich an Helfern ausländischer Organisationen und deren Familien rächen könnten. „Ich habe den Eindruck, wir haben hier Menschen bewusst und wissentlich zurückgelassen“, sagte Grotian. Nach Einschätzung des Patenschaftsnetzwerks wären 8.000 Menschen – Ortskräfte und ihre Familienangehörigen – berechtigt, einen Antrag auf ein Visum für Deutschland zu stellen, weil sie direkt bei deutschen Unternehmen beschäftigt waren. Doch diese Zahl wurde seinen Angaben nach „durch bürokratische Hürden“ um etwa 50 Prozent reduziert. (…) Grotian wies darauf hin, dass unterlassene Hilfeleistung eine Straftat sei und forderte eine Verantwortungsübernahme dafür, „dass Handlungen, Aussagen und Untätigkeit“, nun „Menschenleben in die Hände der Taliban“ spielten. Er spreche dabei von der Zeit vor der aktuellen Evakuierungsaktion, „wo es offensichtlich war, dass wir die Menschen dort zurücklassen“ und wo Hilfsangebote und Warnungen ignoriert worden seien. (…) Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften wiederholte am Dienstag abermals seine Forderung, den Familiennachzug aus Afghanistan nach Deutschland zu ermöglichen. In einer Online-Petition fordert der Verband unbürokratische Lösungen und sofortige Ausreisemöglichkeit alle Familienangehörigen. „Die deutschen Behörden machen sich mitschuldig am Schicksal der Familienangehörigen. Hier geht es um Menschenleben“, erklärte Chrysovalantou Vangeltziki, Bundesgeschäftsführerin des Verbands. Sie wirft der Bundesregierung vor, Familienzusammenführungen viele Jahre verhindert zu haben. Jetzt dränge die Zeit. Beim Verband gingen derzeit zahlreiche verzweifelte Anrufe und Mails ein.“ Meldung vom 25. August 2021 von und bei MiGAZIN - Schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan: Paritätischer fordert mehr Einsatz bei der Rettung Gefährdeter
„… Der Paritätische Wohlfahrtsverband zeigt sich tief besorgt über die UN-Berichte zu schweren Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan und appelliert im Vorfeld der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zur Lage in Afghanistan eindringlich an die Bundesregierung, für eine schnellstmögliche und unbürokratische Rettung gefährdeter Personen zu sorgen. “Wenn Menschen massenhaft hingerichtet werden und ein Bild verzweifelter Fluchtversuche das nächste jagt, muss ein für alle Mal klar sein, dass die Rettung möglichst vieler Menschen jetzt oberste Priorität haben muss – und zwar unbürokratisch und so schnell wie möglich”, fordert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Vor dem Hintergrund eines sich schließenden Zeitfensters für die Evakuierung von Menschen aus Kabul müsse der Kreis derer, die für eine Evakuierung in Frage kommen, großzügig ausgelegt werden. Der Verband fordert außerdem die Schaffung sicherer Fluchtwege. Die Luftbrücke in Kabul müsse so lang wie möglich aufrecht erhalten werden, gleichzeitig müssten dringend Vorbereitung getroffen werden, damit Menschen auch nach einem möglichen Ende der Luftbrücke gerettet werden könnten. Die Unterstützung der Nachbarstaaten bei der Versorgung afghanischer Flüchtlinge im Wege humanitärer Hilfe sei unerlässlich, reiche aber bei weitem nicht aus. Die Bundesregierung müsse jetzt den Weg bereiten, um besonders schutzbedürftige Menschen auch aus Nachbarstaaten aufzunehmen. Hierbei müssten alle Möglichkeiten, wie etwa Aufnahmeprogramme, eine großzügige Vergabe humanitärer Visa und die Erleichterungen beim Familiennachzug ausgeschöpft werden. Dies sei nicht nur in wichtiges Zeichen internationaler Solidarität, Deutschland habe hierfür auch die erforderlichen Kapazitäten, so der Verband.“ Pressemitteilung des Paritätischen Gesamtverbands vom 25. August 2021 - Afghanistan: Taliban erbeuten Biometrie-Geräte und -Datenbanken
„Bei ihrem Vormarsch in Afghanistan haben die Taliban angeblich auch Geräte zur biometrischen Identifizierung erbeutet. Die enthalten auch Daten. In Afghanistan haben die radikalislamistischen Taliban offenbar auch Gerätschaften des US-Militärs zur biometrischen Personenidentifizierung erbeutet – inklusive der enthaltenen Daten. Das berichtet das US-Magazin The Intercept unter Berufung auf mehrere ungenannte Quellen. Die Geräte mit dem Namen „Handheld Interagency Identity Detection Equipment“ (HIIDE) seien demnach vergangene Woche in die Hände der Taliban gefallen. Unklar sei, in welchem Umfang auch die biometrischen Datenbanken für die Terrorgruppe zugänglich sind, heißt es noch. Diese enthalten wohl auch Daten zur Identifizierung von Afghanen und Afghaninnen, die den US-Truppen geholfen haben. Warum die Geräte beim Abzug der Truppen zurückgelassen wurden, ist unklar…“ Artikel von Martin Holland vom 18.08.2021 bei heise news
- Tote bei Explosionen – Bundeswehr beendet Evakuierungsflüge am Kabuler Flughafen
- PRO ASYL appelliert an Merkel: Evakuierung fortsetzen und auf Nachbarstaaten ausweiten
„PRO ASYL Geschäftsführer Günter Burkhardt fordert die Fortsetzung der Ad hoc Evakuierung von gefährdeten Afghan*innen über den 31.8. hinaus. PRO ASYL hat überdies gemeinsam mit Jurist*innen herausgearbeitet, wie Schutzsuchenden aus Afghanistan schnell die Aufnahme in Deutschland ermöglicht werden kann und sollte. „Die Gefährdeten dürfen nicht in Afghanistan zurückgelassen werden. Ein Ende der Evakuierung ist unverantwortlich. Es dürfen nicht erneut Menschen im Stich gelassen werden, für die Deutschland und andere Staaten eine Verantwortung tragen“, sagt Günter Burkhardt anlässlich der heute bevorstehenden Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel. Gleichwohl ist ein Ende der Evakuierung leider absehbar, auch wenn der Zeitpunkt hoffentlich nicht der 31. August ist. (…) „Wir fordern schriftliche Aufnahmezusagen für alle Afghanen, die auf den Evakuierungslisten stehen. Sie müssen auch nach dem Ende der Militäraktion aus Afghanistan oder aus Nachbarstaaten zur Einreise nach Deutschland berechtigt sein. Dies muss jetzt sofort vorbereitet werden, um den Betroffenen Hoffnung zu geben. Ein Ende der militärisch gesicherten Luftbrücke darf nicht das Ende der Aufnahme nach Deutschland sein“, fordert Burkhardt. PRO ASYL fordert zudem, die Aufnahmekriterien auszuweiten…“ Pressemitteilung vom 25.08.2021 - Keine weiteren Truppenentsendungen nach Afghanistan! Offener Brief an die Abgeordneten des Bundestags zur anstehenden, nachholenden Mandatierung eines neuen Einsatzes der Bundeswehr
„[Fast] 20 Jahre hat sich die sog. „westliche Staatengemeinschaft“ der Illusion hingegeben, durch die Entsendung bewaffneter Kräfte nach Afghanistan in der Region Einfluss geltend zu machen und die Situation zu beeinflussen. Aktuell müssen wir feststellen, dass der Einsatz von zeitweise mehr als 100.000 Soldat*innen aus NATO-Staaten, Angriffe mit bewaffneten Drohnen, die Luftschläge von Kundus 2009 und der Einsatz der bislang größten konventionellen Bombe durch die Trump-Regierung 2017 sowie all die militärischen und zivilen Opfer die NATO und ihre Verbündeten ihrem Ziel keinen Schritt näher gebracht haben. Selbst der seit sechs Jahren als Exit-Strategie verfolgte Aufbau der sog. Afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces, ANSF) hat sich in den letzten Wochen als Popanz und grandioser Fehlschlag erwiesen, der letztlich von der NATO gelieferte Rüstungsgüter in die Hände der Taliban überführte. Der Einsatz bewaffneter Kräfte diente in all dieser Zeit dem Ziel, „Handlungsfähigkeit“ zu simulieren, wo sie de facto nie existierte. (…) Die Medienberichte und noch deutlicher die – Ihnen vorliegenden – Lageberichte der Bundesregierung lassen keinen Zweifel daran, dass auch die zwischenzeitliche, prekäre und tödliche „Stabilisierung“ am Flughafen Kabul primär auf das Agieren der Taliban zurückzuführen ist. De facto besteht vor Ort längst eine Kooperation der NATO-Kräfte und der am Flughafenzugang ihre Peitsche schwingenden Taliban. (…) Was nun dem Bundestag in einer Sondersitzung im Wahlkampf als Mandat zur Abstimmung vorgelegt wird, ist das robusteste und wahrscheinlich auch gefährlichste Mandat in der Geschichte der Bundeswehr. Es ist allenthalben von einer „komplexen“, „dynamischen“ und „sich stündlich verändernden“ Lage die Rede, in der der Waffeneinsatz gegen Zivilist*innen geradezu naheliegend ist. Das kleine Kontingent wird von einem eigens eingeflogenen Brigadegeneral geführt, dem das BMVg in Kramp-Karrenbauer „vollstes Vertrauen, jegliche operationelle Freiheit und meine politische Rückendeckung“ zugesichert hat. Im Mittelpunkt dieses Mandates stehen Spezialkräfte und insbesondere das Kommando Spezialkräfte (KSK), das noch zu Beginn des Jahres aufgrund rechtsextremer Umtriebe sowie seiner Resilienz gegen parlamentarische und rechtliche Kontrolle kurz vor der Auflösung stand. Warum es diese Spezialkräfte sein müssen, die in dieser Lage „berechtigte“ und „unberechtigte“ Ausreisewillige separieren, ist erklärungsbedürftig. Im Grunde wären hier kompetente und erfahrene zivile Organisationen deutlich sinnvoller. Diese haben Erfahrung damit, Mitarbeiter*innen zu evakuieren. (…) Nach aktueller Planung würden die Flüge dieser, auf Spezialkräfte ausgerichteten, Hubschrauber von den US-Spezialkräften ihrerseits abgesichert. Damit bestimmen diese auch mit. Und wenn etwas schief läuft, werden „wir“ vermutlich auch wieder „solidarisch“ sein müssen. Dann fängt der Krieg in Afghanistan von Neuem an – und „wir“ sind mit dabei…“ IMI-Standpunkt 2021/048 von Jacqueline Andres, Christoph Marischka und Jürgen Wagner vom 23. August 2021 - Nato-Waffen in Taliban-Hand: Wie die Islamisten zur bestgerüsteten Terrorgruppe der Welt werden konnten
„Schlimmer hätte es wahrlich nicht kommen können: (…) Unkompliziert und kostenfrei – einfacher hätte dieser aus Nato-Sicht ganz und gar ungewollte Waffendeal nicht ablaufen können. Mit der nahezu reibungslos verlaufenen Machtübernahme fielen der „Islamischen Talibanbewegung Afghanistans“, kurz Taliban, in wenigen Tagen im August in gewaltigem Umfang Kriegsmaterial der US-Army und ihrer Verbündeten in die Hände. Dabei handelt es sich um Groß- und Kleinwaffen (wie Flugzeuge und Gewehre), um Rüstungsgüter (wie militärische Geländefahrzeuge) und um Munition in riesiger Menge. Da die afghanischen Regierungstruppen ihre Stellungen zumeist kampflos aufgegeben haben, verfügen die Taliban ab jetzt über ein erschreckendes Arsenal voll einsatzfähiger Hightechwaffen. (…) Fortan können die Taliban auch deutsches Kriegsgerät nutzen, denn „seit Anfang 2002 bis heute wurden Rüstungsexporte für 418,8 Millionen Euro in das zentralasiatische Land genehmigt“. Letzte Ausfuhrerlaubnisse wurden noch 2021 erteilt, berichtet Zeit-online (vom 22.08.2021)…“ Beitrag von Jürgen Grässlin vom 23. August 2021 aus ZivilCourage 3/2021 - [„Sterbegeld“ oder „Fernhaltegeld“?] GIZ zahlt Bleibeprämie für afghanische Ortskräfte
„Die Entwicklungshilfeagentur GIZ bietet Ortskräften, die in Afghanistan bleiben ein Jahresgehalt an. Ex-Ortskräfte kritisieren die mangelnde Hilfe der Organisation. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bietet afghanischen Ortskräften, die im Land bleiben wollen, finanzielle Unterstützung an. Es handle sich um ein Jahresgehalt zur Überbrückung der schwierigen Lage, sagte am Sonntag ein Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Hauptauftragbeber der GIZ. (…) Es sei „einfach nur niederschmetternd, wie die Deutschen agierten“, habe eine afghanische GIZ-Mitarbeiterin am Telefon gesagt. Sie habe den Eindruck, der Bundesregierung gehe es vor allem darum, die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, möglichst niedrig zu halten. „Wir wollen kein Geld, sondern Sicherheit“, zitiert der S piegel die Frau, die aus Angst vor den Taliban nicht mit Namen genannt werden wolle.“ Agenturmeldung vom 22. August 2021 in der Zeit online - Flucht aus Afghanistan – Was Deutschland jetzt machen muss
„In Afghanistan herrschen wieder die Taliban, viele Menschen sind in Lebensgefahr. (…) Während vielen Afghan*innen also vor Ort um ihr Leben und ihre Sicherheit bangen, panisch versuchen noch über den Flughafen in Kabul das Land zu verlassen und ihre Angehörigen in Deutschland krank vor Sorge sind, haben manche Politiker*innen in Deutschland nichts Besseres zu tun, als das rechtspopulistische Mantra »2015 darf sich nicht wiederholen« aus der Schublade hervorzukramen. (…) Was sich von 2015 wirklich nicht wiederholen darf ist, dass Tausende Menschen auf der Flucht sterben. Es müssen jetzt sichere Fluchtwege geschaffen und Afghan*innen geschützt werden. (…) Eine besondere Verantwortung gibt es für Bedrohte mit Bezug zu Deutschland. Hierzu gehören u.a.: – Alle Afghan*innen, die für deutsche Ministerien, deutsch finanzierte Organisationen und Einrichtungen gearbeitet haben – unabhängig davon zu welchem Zeitpunkt diese Tätigkeit war. Dies muss auch für bei Subunternehmen Beschäftigten gelten. Es kann nicht sein, dass jemand der jahrelang die deutsche Botschaft geschützt hat, jetzt nicht im Gegenzug von Deutschland geschützt wird! – Hinzu kommen Familienangehörige von in Deutschland lebenden Afghan*innen, auch sie sind nun akut gefährdet. Zum Teil warten sie bereits seit Jahren auf Visa zum Familiennachzug warten. Journalist*innen, die für deutsche Medien gearbeitet oder sich ihn ihnen kritisch geäußert haben. – Wissenschaftler*innen, die in Deutschland studiert oder geforscht haben. Es müssen zudem alle aufgenommen werden, die sich in den letzten Jahren für ein freies und demokratisches Afghanistan eingesetzt haben, wie Frauenrechts- und Menschenrechtsverteidiger*innen, Autor*innen, Künstler*innen, Sportler*innen, und deswegen stark gefährdet sind oder besonders schutzbedürftig sind, wie Angehörige religiöser, ethnischer und sexueller Minderheiten. Die gefährdeten Personen müssen mit ihren Familien gerettet werden! Beim Familienbegriff darf nicht auf die deutsche Kernfamilie (Vater, Mutter, minderjähriges Kind) abgestellt werden, denn dies entspricht auch nicht der Gefährdungslage! (…) Der Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Afghan*innen muss dringend vereinfacht werden, um die Menschen sicher zu ihren Verwandten zu holen. (…) Angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan muss jeder Spielraum genutzt werden und von gewissen Erteilungsvoraussetzungen, wie z.B. Sprachnachweisen, abgesehen werden. Außerdem dürfen beim Familiennachzug ledige erwachsene Töchter und Söhne, die alleine zurückbleibend oft stark gefährdet wären, nicht außen vor bleiben. Über den § 36 Abs. 2 AufenthG können auch Familienmitglieder außerhalb der Kernfamilie aufgenommen werden und dies muss aktiv genutzt werden…“ Position von Pro Asyl in deren Pressemitteilung vom 20. August 2021 , siehe auch: - Vietnam 2.0. Von den Verbrechen des Westens in Afghanistan und der Not, die bleibt
Artikel von Fabian Scheidler vom 21. August 2021 bei Telepolis - Kabul, das zweite Saigon
Artikel von Matin Baraki am 19.08.2021 bei der RLS über den Krieg des Westens in Afghanistan und was davon übrig bleibt - Kein Plan. Afghanistan, jetzt. Ein Versuch, die Lage in Kabul aus Deutschland zu beschreiben.
„Seit Tagen dieselben Bilder, alle wenigstens mit diesen Beiworten zu belegen: erschütternd, empörend, beschämend. Auch heute früh um 6 Uhr, gleich nach Ende der Ausgangssperre, machen sich abertausende Afghan:innen zum Flughafen Kabul auf. Ungezählte scheitern an den immer zahlreicheren Checkpoints der Taliban, werden dort beschimpft, geschlagen, verprügelt, ausgepeitscht, ins Ungewisse weggeführt oder einfach in die dichten Reihen derer zurückgestoßen, die sich hinter jedem zusammenballen. Wir geben hier weiter, was uns unsere Partner:innen am Telefon, in Emails oder Textnachrichten berichten. (…) Warum davon sprechen, warum das hier festhalten? Weil es seit Tagen Tote und Verwundete gibt. Weil es gerade jetzt, in dieser Minute, Tote und Verwundete gibt. Weil es wenigstens diese Toten und Verwundeten nicht hätte geben müssen, denn es gab schon viel zu viele. (…) Auch wenn der Kollaps sie hinweggerissen und in die Flucht, vor den Flughafen getrieben hat, haben sie dem wohlfeil einbekannten „Scheitern“ eine Grenze, ihre Grenze gesetzt. Die Grenze der wirklichen Bewegung der afghanischen Demokratie. Die gab es, noch vor wenigen Tagen. Der Westen und mit ihm die Bundesregierung haben mit der Auslieferung Afghanistans an die Taliban also nicht einfach die überfällige Konsequenz aus einem längst offensichtlichen „Scheitern“ gezogen. Sie haben all die im Stich gelassen und der Gewalt ausgeliefert, die über Jahre hinweg ihr Leben eingesetzt haben, damit aus den hohlen Versprechungen des Westens Wirklichkeit wird.“ Beitrag von Thomas Rudhof-Seibert vom 19. August 2021 bei medico international samt dem Spendenstichwort: Afghanistan - Hungerstreik aus Sorge. Afghanen haben Angst um ihre Angehörigen und fordern ihre Aufnahme in Berlin
„»Ich habe neun Jahre für die Bundeswehr in Afghanistan gearbeitet. Rettet meine Frau und meine Familie.« Dieser Appell steht auf den Schildern, die zwei in Afghanistan geborene Männer, die schon länger in Deutschland leben, geschrieben haben. Der Adressat ihres Hilferufs sind Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein Ministerium. Deshalb haben sie sich am Donnerstagvormittag mit den selbst gemalten Schildern in Sichtweite des Auswärtigen Amtes in Berlin-Mitte postiert. Mit dabei haben sie Dokumente, die beweisen sollen, dass ihre Angehörigen für die Nato und die Internationalen Truppen (ISAF) gearbeitet haben. Die Protestaktion sei spontan erfolgt, erzählen die beiden Männer, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, dem »nd«. »Wir sorgen uns um unsere Angehörigen und Freund*innen, die jetzt nicht wissen, was in der nächsten Zukunft in Afghanistan mit ihnen geschieht«, sagt der eine. Noch habe man über die sozialen Medien Kontakt. Doch auch da müsse man vorsichtig sein. Ihre Angehörigen würden nie länger als eine Minute per Handy telefonieren, weil sie Angst hätten, von den Taliban und ihrer Polizei geortet zu werden. Die Versprechungen der Taliban, dass den Menschen nichts passiert werde, halten die beiden Männer für Propaganda. Alle afghanischen Unterstützer*innen der Nato und der ISAF müssen die Möglichkeit haben, per Luftbrücke das Land zu verlassen, lautet ihre Forderung…“ Artikel von Peter Nowak vom 19.08.2021 im ND online - [Demo in Berlin am 22.08.] Afghanistan: Verantwortung übernehmen – Aufnahme jetzt!
„… Die jetzige Katastrophe war abzusehen und ist direktes Ergebnis von internationalen machtpolitischen Auseinandersetzungen. Jetzt überrascht zu tun, ist beschämend. Noch vor ein paar Monaten hieß es von der Bundesregierung “Wir lassen niemanden zurück”: Anstatt aber gefährdete Menschen frühzeitig zu evakuieren, wurden ein 20 Tonnen schwerer Gedenkstein und über 20.000 Liter Bier, Wein und Sekt ausgeflogen. (…) Alle Afghan*innen, die sich seit Jahren für ein friedliches und demokratisches Afghanistan einsetzen, sind in akuter Lebensgefahr. Deutschland trägt die Verantwortung, für den Schutz dieser Menschen und ihrer Angehörigen zu sorgen! Deshalb fordern wir: Die Bundesregierung muss die Luftbrücke zur Evakuierung mit aller Kraft aufrecht erhalten – und möglichst viele Menschen aufnehmen. Innerhalb Afghanistans müssen Fluchtwege zum Flughafen Kabul für gefährdete Personen geschaffen werden. Afghan:innen müssen in Deutschland Flüchtlingsschutz bekommen. Der Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Afghan:innen muss unbürokratisch und schnell erfolgen. Bundes- und Landesaufnahmeprogramme für Afghan:innen aus den Anrainerstaaten Afghanistans müssen eingerichtet werden. Politische Veränderungen schaffen wir nur durch den kollektiven Druck auf der Straße. Deswegen schließt euch uns an: Schutz für Afghaninnen und Afghanen jetzt!“ Aufruf bei Seebrücke zur Demo am 22.08.2021 13:00 — 16:00 Uhr im Berlin Regierungsviertel unterstützt von: Seebrücke // Jugendliche Ohne Grenzen // Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum (AKKZ) // Afrique Europe Interact // Adopt a Revolution // Fish in Water Films // Solidarisch geht anders! // Flüchtlingsrat Bremen e.V. // Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V. // Flüchtlingsrat Berlin e.V. // PRO ASYL – und LabourNet - Rechtsbruch beenden! Erfüllung der menschenrechtlichen Verpflichtung gegenüber lokal Beschäftigten, Familienangehörigen und Schutzsuchenden aus Afghanistan. Aufnahme jetzt!
„Pro Asyl, Rechtsanwält*innen, Jurist*innenorganisation und nationale sowie europäische Anwält*innenorganisationen erklären und fordern: Die zugespitzte Lage in Afghanistan wurde für den Fall des Abzugs der westlichen Streitkräfte von Expert*innen einhellig vorhergesehen. (…) Das BAMF, welches unter Fachaufsicht des Bundesinnenministeriums steht, reagiert auf die Entwicklung der letzten Wochen – wenn überhaupt – mit dem bekannten Muster: Entscheidungsstopp. Das ist nicht nur zynisch, sondern rechtswidrig. (…) Wir wenden uns gegen Lageberichte und eine Behördenpraxis, die das Ausmaß des brutalen Bürgerkriegs und die daraus folgende humanitäre Katastrophe auch jetzt noch systematisch leugnet und die rechtlichen Verpflichtungen missachtet…“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 18.08.2021 von RAV, DAV, EDA, Pro Asyl, VDJ, Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände mit umfangreichen Forderungen - Luftbrücke jetzt! Schafft sichere Fluchtwege aus Afghanistan!
„Seit letzter Woche waren die Taliban auf Vormarsch und haben mittlerweile Afghanistan komplett unter Kontrolle. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, Menschen jetzt sofort vor den brutalen Extremisten der Taliban zu retten – bevor es zu spät ist. Die deutsche Bundesregierung hat versagt, die Menschen vor den Taliban zu schützen. Afghanistan war und ist nicht sicher. Alle, die das Land verlassen möchten, müssen dies tun können. Es geht jetzt um Menschen und nicht um Papiere und Grenzen! Deswegen ruft die Seebrücke zu Demonstrationen und Aktionen auf und appelliert an die deutsche Bundesregierung: Baut eine Luftbrücke – schafft sichere Fluchtwege aus Afghanistan! Noch vor ein paar Monaten hieß es von der Bundesregierung: “Wir lassen niemanden zurück”. Jetzt sind alle Afghan*innen, die sich für ein friedliches und demokratisches Afghanistan eingesetzt haben, in akuter Lebensgefahr. Deutschland muss gefährdete Menschen schützen und sofort evakuieren. Deswegen fordern wir von der Bundesregierung: Sofortige Einrichtung einer Luftbrücke, um akut gefährdete Menschen und ihre Familien nach Deutschland zu holen; Schutz und Aufnahmeprogramme für alle Afghan*innen, die von den Taliban verfolgt werden; Direkte Aufnahme der Menschen aus Afghanistan durch die bereitstehenden Länder und Kommunen in Deutschland ermöglichen; Die Einrichtung von sicheren Fluchtwegen für alle Menschen, die das Land verlassen wollen; Sicherheit und dauerhaftes Bleiberecht für afghanische Menschen, die in Deutschland leben und kommen werden. Deswegen gehen wir in ganz Deutschland und Europa auf die Straßen und sagen laut und klar: Holt die Menschen raus, baut eine Luftbrücke nach Deutschland – sichere Fluchtwege für alle Menschen aus Afghanistan! Innerhalb kürzester Zeit sind jetzt schon bereits fast 20 Aktionen der Seebrücke Lokalgruppen geplant – und es kommen immer mehr dazu…“ Aufruf und Demoliste bei Seebrücke und auf deren Twitter-Kanal , siehe auch https://www.kabulluftbruecke.de/ und die Spendensammlung vom Afghanischen Frauenverein e.V. - Der Sieg der Taliban und die neuen Prioritäten des Westens: US- und Nato-Truppen verlassen Afghanistan – die Bilanz ihres Krieges ist verheerend
„Die Niederlage des Westens ist so umfassend, dass sich die Taliban nicht einmal zum Schein an Friedensgesprächen beteiligen müssen. Die ausländischen Streitkräfte ziehen nun nahezu Hals über Kopf ab«, schrieb Peter Carstens am 24. April in der FAZ. Die USA hatten die Taliban für diesen Tag zu einer Friedenskonferenz nach Istanbul eingeladen. Die Islamisten sahen daran keinen Sinn und lehnten eine Beteiligung ab. (…) Den USA und ihren Nato-Verbündeten ist es nicht gelungen, selbst unter Einsatz von bis zu 150.000 Soldaten, die Taliban zu besiegen. Der Krieg hat in seinen Hochzeiten, in den Jahren zwischen 2001 und 2014, jede Woche 1,5 Milliarden US-Dollar gekostet. Er war auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Zwanzig Jahre Krieg haben zudem unvorstellbare Verheerungen angerichtet. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders TOLO-TV vom 18. April sollen nach Zählungen der afghanischen und der US-Regierung sowie der UNO 160.000 Menschen seit 2001 ums Leben gekommen sein. Darüber hinaus wurden laut FAZ »66.000 afghanische Sicherheitskräfte, 4.000 internationale Soldaten und 80.000 Islamisten« getötet. Hinzu kommt noch, dass durch die Zusammenarbeit und direkte Unterstützung der Warlords durch die Nato-Länder, Korruption, Vetternwirtschaft, ethnische Fragmentierung und so weiter besonders gut gedeihen konnten. Der gesamte Staatsapparat, sowohl die Judikative als auch die Exekutive, die Legislative wie auch die Sicherheitsorgane, sind durch und durch mit dem Virus der Korruption verseucht. Die Elite hat längst ihre Dollars auf die Banken in Dubai transferiert und sitzt nun auf gepackten Koffern. Wer kann, verlässt das Land. (…) In Afghanistan ging es der US-Imperialmacht, ebensowenig wie ihren Verbündeten, darunter Deutschland, von Anfang an weder um Frauen- noch um Menschenrechte. Auch Afghanistan selbst scherte sie nicht. Ihnen waren ihre strategischen Interessen in der Region, die Umzingelung der Russischen Föderation und ein Regimechange in Iran wichtig. Nun haben sich aber die Rahmenbedingungen geändert und damit die Prioritäten der US-Strategie. In absehbarer Zeit wird die VR China die USA ökonomisch, aber auch militärisch, wenn nicht überholen, so doch mit ihr gleichziehen können. Ende 2017 wurde in der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA China als »strategischer Rivale« eingestuft. Die USA werden versuchen, nun auch unter Präsident Biden China militärisch zu umzingeln und den Aufstieg des Landes zur künftigen Weltmacht mindestens zu verzögern…“ Artikel von Matin Baraki vom 17. August 2021 aus ‚analyse & kritik‘ (ak) 673 - So humanitär endet die Intervention
„Die Prioritäten beim Rückzug aus Kabul machen offensichtlich, was jeder ahnen konnte: Bei der Militärintervention ging es nie um die Rechte der Menschen in Afghanistan. Der Westen hat seine Verbündeten verraten.
Verzweifelte Menschen klammern sich an Flugzeuge und Hubschrauber, werden in die Luft gerissen und fallen in den Tod: Die Geschehnisse am Flughafen von Kabul sind selbsterklärend, die Schande des Westens offensichtlich. Lokale Verbündete sind den westlichen Regierungen und Militärs in diesem Moment vollkommen egal – es gilt auch heute, was die letzten Jahrzehnte immer galt: Menschliches Leben in Afghanistan ist für sie wertlos und entbehrlich. Wer unter diesen Umständen versucht, aus dem Land zu fliehen, tut dies nicht aus Kalkül und nicht aus vielschichtigen Motiven: Die Ortskräfte, die es jetzt nicht aus dem Land schaffen, erwarten Folter und Tod, weil ihre Assoziation mit den westlichen Besatzern entweder allgemein bekannt ist oder schnell auffliegen wird. Auch jene Menschen, die nicht aktiv mit dem Westen kooperiert, sondern sich lediglich offen dem Islamismus entgegengestellt haben, etwa Feministinnen, müssen um ihr Leben fürchten. Es gibt für sie kein Versteck und keine Anonymität. Wenn diesen politisch Verfolgten in Deutschland und Europa kein Recht auf Asyl gewährt wird, kann man sich das Feigenblatt des Asylrechts auch ganz sparen. Der Krieg in Afghanistan war von Anfang an ein Fehler, eine Intervention des Westens hätte niemals stattfinden dürfen. Doch ob der Krieg nun richtig oder falsch war, die moralische Schuld des Westens gegenüber seinen lokalen Verbündeten besteht: Sie nun im Stich zu lassen, während Asylverfahren verschleppt, verhindert oder offen abgelehnt werden, ist jenseits jeder politischen Bewertung der Intervention menschlich widerwärtig und verbrecherisch…“ Artikel von Alexander Brentler vom 17.08.2021 bei Jacobin.de - Flucht aus Kabul und Deutschlands „Verantwortung“
„… Bei denjenigen, die nun teilweise mit Waffengewalt zugunsten des westlichen Botschaftspersonals davon abgehalten werden, Kabul in den Militärmaschinen der NATO-Staaten zu verlassen, dürfte es sich also v.a. um Angehörige jener Zivilgesellschaft handeln, deren Aufbau v.a. in Deutschland immer wieder als großer Erfolg des NATO-Einsatzes hervorgehoben wurde. So sprach Winfried Nachtwei, entschiedener Befürworter der Afghanistan-Mission während der Regierungsbeteiligung der Grünen kürzlich von „einer vitalen Zivilgesellschaft“, die sich in den Städten gebildet habe. Auch in den Debatten im Bundestag zur Verlängerung der Bundeswehr-Mandate wurde stets die Verantwortung für diese Zivilgesellschaft hervorgehoben, so etwa von Aydan Özoğuz (SPD) in ihrem Plädoyer für die Mandatsverlängerung im Februar 2020: „Es gibt unglaublich starke und mutige Frauen in Afghanistan, die jeder Unterdrückung trotzen und trotz ständiger Drohung zu den Versammlungen gehen, um dort deutlich zu machen, dass ihnen ihre Rechte zustehen. Immer wieder bitten sie uns um Unterstützung. Wir dürfen sie hierbei nicht alleine lassen“. Wie Deutschland nun mit dieser Verantwortung umgeht, zeigt sich am Flughafen von Kabul. Da war ihr Fraktions-Kollege Fritz Felgentreu (SPD) in seiner anschließenden Rede schon ehrlicher, als er die tatsächlichen Handlungsparameter des Bundeswehr-Einsatzes benannte: „Der Grundsatz ‚Zusammen rein, zusammen raus‘ gilt, sowohl aus politischen wie aus militärischen Gründen und aus Gründen der Sicherheit“. Überhaupt war in den letzten Jahren zu bemerken, dass der Begriff der „Verantwortung“ in den Afghanistan-Debatten sich immer weiter weg von Afghanistan hin zu den NATO-Verbündeten bewegte. (…) Caritas International und allen anderen Hilfsorganisationen, die eine Distanz zur NATO wahren konnten und (auch deshalb) weiterhin in Afghanistan aktiv bleiben können, ist für die kommenden Monate und Jahre alles Gute und alle erdenkliche Unterstützung zu wünschen.“ Artikel von Bernhard Klaus vom 16. August 2021 als IMI-Standpunkt 2021/045 - Liveticker: Taliban beherrschen Afghanistan wieder / „Schande über die ganze Welt!“
„Islamisten nehmen Präsidentenpalast in Kabul ein, Präsident Ghani flieht. Panik in westlichen Staaten und Notevakuierungen…“ Liveticker der Redaktion Telepolis , siehe auch die gute Berichterstattung (samt Videos) im Twitter-Kanal von medico international und hier einige Artikel dazu:- Afghanistan: „Schande über die ganze Welt!“
„Afghanistan ist wieder allein: Während die Taliban das Land erobern, kämpfen medicos Partnerorganisationen ums Überleben…“ Artikel von Thomas Rudhof-Seibert vom 13. August 2021 bei medico international - Wie Dominosteine: Taliban nehmen Afghanistan ohne Gegenwehr ein
„Die Taliban versprechen eine friedliche Übernahme. Doch die Menschen in Afghanistan haben Angst. Und die Veränderungen lassen nicht auf sich warten. (…) Ungläubig hatten die USA und andere westliche Staaten der raschen Abfolge der Ereignisse zugesehen, in der Provinzen und Städte nacheinander wie Dominosteine fielen. Bis zum Sonntagmorgen lag die bange Frage in der Luft, ob die Taliban Kabul mit Gewalt einnehmen wollten. Blutige Straßenkämpfe in der Vier-Millionen-Stadt wären einer humanitären Katastrophe gleichgekommen. Afghanistans Präsident Ashraf Ghani hatte sich noch am Samstag trotz massiven Drucks geweigert, zurückzutreten. Am Sonntag verließ er Medienberichten zufolge das Land. Dem 72-Jährigen Ghani, der 2014 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, war es nicht gelungen, seine Anti-Taliban-Koalition aus Milizenführern und anderen Regionalfürsten zusammenzuhalten, in einem Land, in dem Stammeszugehörigkeiten und regionale Loyalitäten die alles entscheidende Rolle spielen. Mit eigenwilligen Personalentscheidungen hatte Ghani zuletzt viel Sympathien verspielt. Hingegen konnten die Taliban, die selbst ebenfalls ein lockerer Zusammenschluss lokaler Kommandanten mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Interessen sind, ihre Männer deutlich besser bei der Stange halten. Am Ende siegte der Opportunismus. Die afghanische Armee machte von Beginn der Taliban-Offensive an keinerlei Anstalten zur Gegenwehr. Die 300.000 Mann starke Truppe, die über zwei Jahrzehnte mit Milliarden US-Dollar unterstützt und ausgebildet wurde, ergab sich kampflos statt für die Regierung in Kabul zu streiten. Für viele Soldaten ist die Regierung nur ein unbedeutendes Konstrukt fremder Mächte. Widerstand schworen alleine die alten Milizenführer, die noch in den 1980er und 1990er Jahren gegen die Taliban ins Feld gezogen waren. Doch auch diese Front bröckelte rasch, als klar wurde, dass die Tage der Regierung in Kabul angesichts des fehlenden Kampfgeistes gezählt waren…“ Artikel von Agnes Tandler vom 16.08.2021 beim Migazin - Taliban in Kabul: Afghanistan – „Das ist gescheitert“
„Die Taliban haben offenbar die Macht in Afghanistan übernommen. Am Sonntag drangen sie bis nach Kabul vor. Präsident Ghani hat Medienberichten zufolge das Land verlassen. Derweil harren afghanische Ortskräfte weiter im Land aus. Maas verspricht Evakuierung. Es hagelt Kritik. Die Lage in Afghanistan spitzt sich immer weiter zu. Während die Taliban am Sonntag bis nach Kabul vorrückten, herrschte in der Bevölkerung Panik. Präsident Aschraf Ghani soll angesichts der Situation Medienberichten zufolge das Land verlassen haben. In einer Erklärung versicherten die Taliban, ihre Kämpfer würden die Vier-Millionen-Metropole nicht mit Gewalt einnehmen und den Menschen eine Ausreise ermöglichen. (…) Innerhalb kürzester Zeit hatten die Taliban alle großen Städte unter ihre Kontrolle gebracht, oftmals ohne Gegenwehr. Derzeit seien Verhandlungen über einen friedlichen Machtwechsel im Gange, teilten die Aufständischen in den sozialen Netzwerken mit. Sie kontrollieren inzwischen fast alle der 34 Provinzen…“ Beitrag vom 16.08.2021 beim Migazin - Afghanistan: Ende mit Schrecken nach 20 Jahren Lügen und Morden
„Kabul steht vor dem Fall. Der drohenden Gräuel durch die Taliban hat die internationale Militärkoalition den Weg durch ihr brutales Besatzungsregime geebnet…“ Artikel von Marius Rautenberg vom 15.8.2021 bei Klasse gegen Klasse – ein guter Rückblick
- Afghanistan: „Schande über die ganze Welt!“
- Der Zwanzigjährige Krieg: Die Bundeswehr hat Afghanistan verlassen. Kriegsbilanz: eine Viertelmillion Todesopfer, eine schwer geschädigte Bevölkerung, die Taliban rasant auf dem Vormarsch
„Der zweitlängste und bislang blutigste Militäreinsatz der Bundesrepublik Deutschland ist zu Ende. Nach einem knapp zwanzigjährigen Krieg trafen am gestrigen Mittwoch die letzten Soldaten der Bundeswehr, die in der Nacht zuvor Afghanistan verlassen hatten, auf dem Luftwaffenstützpunkt Wunstorf nahe Hannover ein. In den Kämpfen am Hindukusch sind dem „Costs of War Project“ an der US-Elitehochschule Brown University zufolge ungefähr eine Viertelmillion Menschen ums Leben gekommen; hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Opfern, die an direkten Kriegsfolgen verstarben. Fast sieben Millionen Afghanen sind auf der Flucht; zahllose Menschen sind verletzt oder verstümmelt, darunter Zehntausende Kinder. Allein die US-Aufwendungen für das Gemetzel belaufen sich auf mehr als 2,2 Billionen US-Dollar; die Bundesregierung gibt die Ausgaben für den Bundeswehreinsatz mit 12,2 Milliarden Euro an. (…) Die voluminösen Finanzmittel – zu den US-amerikanischen und den deutschen Beträgen kommen diejenigen diverser weiterer westlicher Mächte sowie ihrer Verbündeten hinzu – sind in einen Krieg geflossen, der nicht zur zahllose Menschenleben gekostet, kaum bezifferbare soziale Schäden und immense materielle Zerstörung verursacht hat, sondern der zudem de facto verloren, also sogar nach den Maßstäben der kriegführenden Staaten erfolg- und damit sinnlos gewesen ist. Dies belegt, dass inzwischen sogar der ranghöchste Kommandeur der abziehenden US-Truppen, General Austin „Scott“ Miller, einen rasanten Vormarsch der Taliban einräumt. Laut Schätzungen von Experten kontrollieren die Taliban mittlerweile rund 140 der insgesamt 370 Distrikte des Landes und verfügen in 170 weiteren über signifikanten Einfluss. „Fast täglich“, heißt es, „fallen mehr Distrikte an die Taliban, entweder in gewaltsamen Zusammenstößen oder durch friedliche Kapitulation.“[8] Miller spricht von einer „landesweiten Offensive“, die eine Entwicklung wie diejenige in den 1990er Jahren nach dem Abzug der sowjetischen Armee befürchten lasse. Nach Lage der Dinge kämen dann in absehbarer Zeit die Taliban in Kabul an die Macht. Damit wäre im Wesentlichen der Zustand des Landes unmittelbar vor Beginn des Krieges im Jahr 2001 erreicht.“ Bericht vom 1. Juli 2021 von und bei German-Foreign-Policy.com - Pro Asyl: Afghanische Ortskräfte jetzt ausfliegen!
„… Angesichts des heute erfolgten, vollständigen Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan fordert PRO ASYL die Verteidigungsministerin auf, „offenzulegen, wie und auf welchem Wege die bedrohten Ortskräfte gerettet werden“. Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, kommentiert: „Sie brauchen Schutz, sie müssen ausgeflogen werden.“ Allein zu verkünden, Deutschland trage eine Verantwortung für die Ortskräfte, reicht nicht aus. Noch immer ist für die Betroffenen unklar, an wen sie sich wenden können und wie die Bundesregierung sie bei der Ausreise unterstützt. Eine solche Rettungsmaßnahme kann nicht mit einem bürokratisierten Antragsverfahren erfolgen. Wenn die Bundesregierung den Vorwurf entkräften will, Deutschland lasse die Ortskräfte im Stich, muss sie dringend dafür sorgen, dass das weitere Vorgehen transparent wird und die Ausreise schnell möglich ist. „Es ist mehr als irritierend, dass die Bundeswehr rund 22 000 Liter Bier, Wein und Sekt ausgeflogen hat, aber viele Menschen, die für Deutschland gearbeitet haben, zurückgelassen werden“, sagt Burkhardt. PRO ASYL ist in großer Sorge, dass auch der Familiennachzug von Afghanistan zu in Deutschland lebenden Schutzberechtigten vollständig zum Erliegen kommt. Denn die Visa-Abteilung der Deutschen Botschaft in Kabul hat geschlossen, Visaanträge auf Familiennachzug müssen in Islamabad oder Neu-Delhi gestellt werden, was zeitnah nicht möglich ist. Auch hier müssen unbürokratische Lösungen gefunden werden. Angesichts der sich zuspitzenden Lage in Afghanistan fordert PRO ASYL die Bundesländer zudem auf, eigenständig einen Abschiebestopp für drei Monate zu erlassen. „Niemand darf jetzt abgeschoben werden. Die Abschiebeflüge müssen eingestellt werden“, erklärt Burkhardt. In dieser Zeit muss das Auswärtige Amt einen aktuellen Lagebericht zu Afghanistan erstellen, auf dessen Grundlage Gerichte und das Bundesamt für Migration die Situation angemessen einschätzen und beurteilen können.“ Pressemitteilung vom 30. Juni 2021 von und bei Pro Asyl - Kapitulation am Hindukusch
„Merkwürdig still und gelassen wurde die Nachricht in der westlichen Öffentlichkeit aufgenommen: Bis zum 11. September sollen alle US-amerikanischen Truppen aus Afghanistan abgezogen werden. Die verbündeten NATO-Soldaten verschwinden ebenfalls, sie wären ohne die Amerikaner ohnehin wehrlos. (…) Erinnert sich noch jemand daran, wie unermüdlich uns in den vergangenen zwanzig Jahren von unseren Regierungen erklärt wurde, der Militäreinsatz in Afghanistan sei notwendig und erfolgreich? Auch Deutschland werde am Hindukusch verteidigt? Ursprünglich aus dem Rachebedürfnis der USA nach den Anschlägen von 2001 hervorgegangen, überdauerte die Besetzung Afghanistans auch die Tötung des Terroristenführers Osama bin Laden in Pakistan, der doch ursprünglich als Grund für den Einmarsch angeführt worden war. Alle wissen es und murmeln es auf Anfrage auch kleinlaut: Der Krieg in Afghanistan war ein katastrophaler Fehlschlag, nur im Ausmaß verschieden von der Niederlage der USA in Vietnam. (…) Es ist unmöglich, in einem Land zwangsweise die Demokratie einzuführen, in dem es noch nicht einmal eine bürgerliche Gesellschaft gibt. War diese deprimierende Einsicht das Blut wert, das vergossen worden ist? Das Schicksal von Afghanistan ist eine Tragödie. Und Deutschland trägt munter dazu bei, die Zahl ihrer Opfer noch zu erhöhen. Beherzt schieben die deutschen Behörden auch während der Corona-Pandemie weiterhin Afghanen in eine Zukunft ab, die nun immerhin nicht mehr ungewiss ist, sondern ganz sicher aus Krieg und Tod bestehen wird. Ein Ende dieser Praxis ist nicht in Sicht, die Politikerinnen und Politiker haben zu große Angst vorm deutschen Volkszorn…“ Kolumne von Michael Bittner vom 04. Mai 2021 bei Mission Lifeline