Verbleibende wenn nicht gar wachsende Kluft: Menschen ohne deutschen Pass verdienen weniger
Dossier
„… Der Lohnunterschied zwischen Arbeitnehmern aus Deutschland und dem Ausland wird zunehmend größer. In den letzten zehn Jahren hat er sich fast verdreifacht. (…) Vollzeitbeschäftigte, die keinen deutschen Pass haben, verdienten demnach Ende 2020 durchschnittlich 2638 Euro brutto im Monat. Das sind 903 Euro weniger als jene mit deutschem Pass. 2010 lag der Unterschied noch bei 317 Euro. Besonders stark wuchs die Schere zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aus Deutschland und solchen aus dem EU-Ausland: Dieser Abstand hat sich innerhalb des letzten Jahrzehnts mehr als verzehnfacht, von 91 Euro auf 1003 Euro Lohnunterschied. Während das Durchschnittseinkommen deutscher Beschäftigter in dieser Zeit stieg, fiel das Einkommen dieser Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sogar. (…) Experten und Expertinnen nennen den Lohnunterschied »Migration Pay Gap« – analog zum Gender-Pay-Gap, der ungleiche Löhne unter den Geschlechtern beschreibt. Genau erforscht sind die Gründe dieser Lohnlücke nicht…“ Meldung vom 16. September 2021 beim Spiegel online – siehe dazu:
- Erwerbstätigkeit und Löhne steigen deutlich, aber ein Drittel der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit arbeitet in Deutschland zum Niedriglohn
- Studie: Mehr als die Hälfte der 2015 Geflüchteten erwerbstätig
„…54 Prozent der 2015 nach Deutschland Geflüchteten waren im Jahr 2021 erwerbstätig. Damit ist ihre Erwerbstätigkeit gegenüber dem Pandemiejahr 2020 um zehn Prozentpunkte gestiegen, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt. Neben der Erwerbstätigkeit steigt der Studie zufolge auch das Bildungsniveau: Immer mehr Geflüchtete üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus. So hat nach der Untersuchung jeder dritte erwachsene Geflüchtete (33 Prozent) sechs Jahre nach der Ankunft in Deutschland Schulen und Hochschulen besucht oder Ausbildungen und Weiterbildungsmaßnahmen absolviert. 70 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten üben eine qualifizierte Tätigkeit aus, für die ein Berufs- oder Studienabschluss notwendig ist. Die Studie hat aber Befunde, die mit Blick auf den Fachkräftemangel Fragen aufwerfen: Unter denjenigen, die sich seit sechs Jahren in Deutschland aufhalten, sind 41 Prozent unterhalb ihres Tätigkeitsniveaus vor ihrer Flucht beschäftigt. (…) Wie aus der Studie weiter hervorgeht, arbeiten fast zwei Drittel (65 Prozent) der erwerbstätigen Geflüchteten, die seit sechs Jahren in Deutschland sind, in Vollzeit. (…) Zwischen den Geschlechtern zeigt sich ein erhebliches Gefälle, Während 67 Prozent der männlichen Geflüchteten sechs Jahren nach der Ankunft erwerbstätig sind, sind es bei Frauen 23 Prozent.“ Meldung vom 27. Juli 2023 im MiGAZIN zum 8-seitigen IAB-Kurzbericht 13/2023 : „Erwerbstätigkeit und Löhne von Geflüchteten steigen deutlich“ – sinnvoll sind noch die kritischen Anmerkungen von Stefan Sell dazu: - Erwerbstätigkeit und Löhne von Flüchtlingen steigen deutlich, so eine neue Studie. Aber …
„… Die IAB-Forscher heben eine positive Lohnentwicklung hervor: »Das mittlere Bruttomonatsentgelt (Median, deflationiert auf das Basisjahr 2020) der vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten steigt von 1.660 Euro in den ersten beiden Jahren nach Ankunft auf 2.037 Euro im sechsten Jahr, das mittlere Bruttomonatsentgelt aller geflüchteten Beschäftigten von 664 Euro auf 1.683 Euro. Die Zunahme von Letzterem resultiert aus dem wachsenden Anteil der Vollzeitbeschäftigten, einer Erhöhung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit und einem Anstieg der Stundenverdienste.« Wie muss man diese Durchschnittszahlen einordnen? »Die mittleren Bruttomonatsverdienste von vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten belaufen sich damit sechs Jahre nach Zuzug auf 60 Prozent der mittleren Vollzeitverdienste in der Gesamtbevölkerung … Die mittleren Bruttostundenverdienste nehmen von 9,20 Euro in den ersten beiden Jahren nach Zuzug auf 10,90 Euro im sechsten Jahr nach dem Zuzug zu. Fakt ist also: Die Mehrheit der Geflüchteten verdient sechs Jahre nach dem Zuzug noch unterhalb der Schwelle zum Niedriglohnbereich (zwei Drittel der mittleren Verdienste). Das muss auch vor dem Hintergrund dieser Ausführungen gesehen werden: »… selbst wenn man sich begrenzt auf „sozialversicherungspflichtige (Teilzeit- und Vollzeit-)Beschäftigung“ könnte man hinsichtlich der Bewertung der Arbeitsmarktintegration auf die Idee kommen, nach dem über diese Tätigkeit realisierten Einkommen zu fragen oder der Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse. Denn wenn, so eine durchaus naheliegende These, Geflüchtete zwar erwerbsarbeiten, aber das nur zu (sehr) geringen Löhnen, dann wird daraus eine fortdauernde Abhängigkeit von aufstockenden Leistungen im Grundsicherungssystem resultieren, vor allem, wenn mehrere Personen versorgt werden müssen … dass es in vielen Fällen trotz einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht gelingt, aus der Hilfebedürftigkeit und der daraus resultierenden aufstockenden Leistungen herauskommen zu können.« (…) Die Werte zeigen eine extrem unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der geflüchteten Frauen. Und das kann (und wird) im Zusammenspiel mit niedrigen Löhnen selbst bei Vollzeitbeschäftigung des (männlichen) Partners dazu führen (müssen), dass der Haushalt mittel- und möglicherweise je nach weiterem Verlauf auch langfristig einzementiert bleibt in aufstockenden Transferleistungen…“ Bewertung von Stefan Sell vom 27. Juli 2023 auf seiner Homepage , siehe auch: - Ein Drittel der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit arbeitet in Deutschland zum Niedriglohn
„32,2 Prozent der vollzeitbeschäftigten Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bekommen nur einen Niedriglohn. Der Anteil ist damit doppelt so hoch wie bei deutschen Staatsbürger*innen. Das zeigen aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit. Was das konkret bedeutet und welche Ursachen dafür verantwortlich sind, hat der Sachverständigenrat für Integration und Migration erforscht. Der DGB fordert faire Bezahlung und Gute Arbeit für alle Menschen – Migrationshintergrund oder Migrationsgeschichte dürfen kein Niedriglohnrisiko sein! (…) Dazu gehört eine bessere soziale Absicherung (für die Saisonarbeit vgl. Forderungskatalog für Gute Saisonarbeit von DGB und IG BAU). Einwandernde Menschen brauchen mehr Sicherheit bei ihrem Recht, in Deutschland zu bleiben – auch dann, wenn es zu Konflikten mit dem Arbeitgeber kommt (…). Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen muss schneller und einfacher werden. Angebote für Ausgleichsmaßnahmen/Anpassungsqualifizierungen müssen flächendeckend vorhanden sein (…) Arbeitgeber sollten Werkverträge nicht mehr missbräuchlich nutzen können, um sich vor Verantwortung zu drücken (…). Die Zersplitterung der vielen, nur mit Teilen der Arbeitsmarkt- und Arbeitsaufsicht beauftragten Behörden muss beseitigt werden. Damit Beschäftigte ihre Rechte wirksamer durchsetzen können, bedarf es außerdem eines gewerkschaftlichen Verbandsklagerechtes im Arbeitsrecht (vgl. Positionspapier DGB/Justitia et Pax „Arbeitsinspektion in einer globalisierten Welt“ und DGB-Diskussionspapier zur Verbandsklage im Arbeitsrecht)“ DGB-Positionen vom 28. Juli 2023 - Studie des Europäischen Gewerkschaftsbundes: EU-Ausländer auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert
„EU-Bürger, die im Ausland arbeiten, werden gemäß einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsbundes oftmals schlechter bezahlt, sie arbeiten häufig unterhalb ihres Qualifikationsniveaus und das bei oft kurzfristigen Arbeitsverträgen. Auch die Arbeitsmigration innerhalb der EU gehe also mit „Ausbeutung und Diskriminierung“ einher, geht aus einer am Mittwoch in Brüssel erschienen Studie hervor, die vom Forschungsinstitut des Gewerkschaftsbundes erstellt wurde. In den europäischen Debatten werde darauf bestanden, dass Mobilität innerhalb der EU keine Migration sei. Die Untersuchung zeige aber, dass auch EU-Ausländer „mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen“ hätten. (…) Grundsätzlich stellt die Studie dabei große Unterschiede zwischen den Herkunftsregionen fest. So würden Arbeitnehmer aus Zentral- und Osteuropa sowie den baltischen Staaten stärker benachteiligt. Zuwanderer aus West- und Nordeuropa würden oft sogar mehr als ortsüblich verdienen.“ Meldung vom 24. Juli 2023 im MiGAZIN
- Studie: Mehr als die Hälfte der 2015 Geflüchteten erwerbstätig
- [SVR-Studie] In der Prekaritätsfalle: Ausländische Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor
„… Erwerbsarbeit gilt als Motor für gesellschaftliche Teilhabe. Im Niedriglohnsektor, wo sich viele der Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, sind Partizipationsmöglichkeiten aber oft stark eingeschränkt. „Dies gilt besonders für ausländische Arbeitskräfte, die im Niedriglohnsektor überrepräsentiert sind. Sie werden oft schlecht bezahlt, haben eine mangelnde soziale Absicherung, ein hohes Arbeitsaufkommen und nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Weiterbildung“, erläutert Dr. Holger Kolb, Leiter des SVR-Forschungsprojekts. (…) Vor allem arbeits-, sozial- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen sowie deren praktische Umsetzungen entscheiden über den Umfang der Teilhabemöglichkeiten ausländischer Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor. (…) Am Beispiel von Baubranche, Fleischindustrie, der häuslichen Betreuung und der Saisonarbeit in der Landwirtschaft legt die Studie dar, wie der Missbrauch bestimmter Beschäftigungsformen und Vertragskonstellationen nicht nur zur Entstehung, sondern auch Verfestigung prekärer Beschäftigungsverhältnisse führen kann. Besonders die Arbeitsrechte von ausländischen Arbeitskräften, die über Personalagenturen vermittelt wurden oder bei Subunternehmern beschäftigt sind, werden zum Teil systematisch unterlaufen. (…) Der wissenschaftliche Stab hat deshalb Handlungsoptionen entwickelt, mit denen die Teilhabemöglichkeiten für ausländische Arbeitskräfte verbessert werden können. „Es geht dabei nicht so sehr um neue Regelwerke, die für alle gleichermaßen umgesetzt werden müssen. Es kommt auch auf die Ziele an, die ausländische Arbeitskräfte verfolgen. Manche wollen nur für eine kurze Zeit bleiben und Geld verdienen; andere möchten sich in Deutschland ein neues Zuhause aufbauen. Grundsätzlich gilt aber: Alle müssen sich auf die geltenden Regeln zum Arbeitnehmerschutz berufen können – und diese Regeln müssen dazu besser durchgesetzt und kontrolliert werden“, erläutert Dr. Kolb. Außerdem gelte es, die Verfahren zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen weiter zu vereinheitlichen, die Anforderungen zu standardisieren und Beratungsangebote sowie Mehrsprachigkeit in diesen Verfahren auszubauen. „Der deutsche Arbeitsmarkt ist nach wie vor stark von formalen Qualifikationen geprägt. Das Anerkennungsverfahren – sofern zugänglich – kann deshalb helfen, Prekarität zu verhindern. Mit einem Gleichwertigkeitsnachweis können ausländische Arbeitskräfte einfacher eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung finden und gleichzeitig ihre Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebenden stärken.“ Um die Verfestigung von prekären Beschäftigungsverhältnissen und damit auch Segregation zu verhindern, müssen auch die sozioökonomischen und auslandsspezifischen Verwundbarkeiten der zugewanderten Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor besser berücksichtigt werden. Der Zugang zu Aufenthaltssicherheit von Drittstaatsangehörigen müsste verbessert und ein Wechsel der Arbeitsstelle erleichtert werden. Auch sollte die staatliche Vermittlung ausgebaut und die Kontrolle bestimmter Beschäftigungsverhältnisse verstärkt werden. Vor allem private Vermittlungsagenturen brauchen dabei eine verbindlichere Regulierung…“ Pressemitteilung des wissenschaftlichen Stabes beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) vom 6. Juni 2023- Alle Publikationen (inkl. Grafiken) zur Thematik ‚prekäre Beschäftigung‘ stehen auf der SVR-Seite für Downloads zur Verfügung
- Die Ausbeutung von Wanderarbeitern in Deutschland
„Armut hat viele Gesichter. Ausbeutung auch. Und es gibt sie auch in einem reichen Land wie Deutschland. Betroffene schildern, wie ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Und wie im Ernstfall keiner etwas davon wissen will. Die Datenlage ist schwierig. Wie viele Millionen Menschen in Europa ihr Land verlassen, um in einem anderen Land zu arbeiten, ist schwer zu erfassen. In der Pandemie kehrten zudem viele Wanderarbeitende gezwungenermaßen zurück in ihre Heimatländer. Eines aber lässt sich sagen: Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind oft schlecht. Schon vor vielen Jahren schrieb die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung, dass auch in Deutschland europäische Werte von sozialer Absicherung und menschenwürdiger Unterkunft mit Füßen getreten würden. Hat sich daran bis heute etwas geändert?…“ Text und Audio der Reportage von Ludger Fittkau am 21.03.2022 beim Deutschlandfunk - Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte: Wie das deutsche Arbeitsrecht unterlaufen wird
„Für Menschen aus osteuropäischen EU-Staaten gelten die gleichen Rechte wie für Deutsche auf dem Arbeitsmarkt. EU-Bürgerinnen und -Bürger dürfen – nach EU-Recht – in einem anderen Land der Europäischen Union ohne Arbeitserlaubnis arbeiten. In der Realität sieht das oft anders aus, da gibt es in Deutschland oft keine Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt. Häufig bekommen osteuropäische Arbeitskräfte keinen Lohn. Weil sie kaum Deutsch sprechen und ihnen ihr geprellter Lohn fehlt, gehen sie juristisch nicht dagegen vor. Wenn sie doch klagen, bleiben sie oft erfolglos. Es scheint, so wie Unternehmen, Gerichte und Behörden mit osteuropäischen Arbeitskräften umgehen, das hat System…“ Text und Video der Sendung von Gigi Deppe am 15.3.2022 beim SWR - Ausländischer Pass, weniger Lohn. Neue Daten zeigen: Der Abstand zu Deutschen nimmt sogar zu
„Wie viel jemand in Deutschland verdient, lässt sich am Reisepass erkennen. Deutsche Arbeitnehmer bekommen pro Stunde 13 Prozent mehr Lohn als ausländische, hat nun das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt. Noch auffälliger als dieser Unterschied ist, wie er sich entwickelt: Das Lohnminus der Ausländerinnen und Ausländer hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Das geht aus der unveröffentlichten Studie vor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Warum ein ausländischer Bürger weniger verdient, kann viele Gründe haben. Sprachbarrieren zählen dazu, genau wie Unterschiede in der Qualifikation. Oder Diskriminierung: Mit ausländischem Namen hat man es oft schwerer, für einen begehrten Job zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das erklärt noch nicht, warum der Lohnabstand größer wird. Die Qualifikationen zum Beispiel nähern sich an. Unter neu zuziehenden Migranten gab es zuletzt zwar einen höheren Anteil ohne Schulabschluss als bei Deutschen – aber auch mehr Akademiker. „Trotz weiter erheblicher Unterschiede nahmen die mittleren Bildungsunterschiede zwischen Deutschen und Ausländern über die vergangenen Jahrzehnte ab“, sagt RWI-Forscher Eduard Storm. An der Qualifikation liegt die Zunahme des Lohnabstands also nicht. Und auch nicht an den hohen Migrationszahlen seit 2015: Die ausländischen Arbeitnehmer sind im Schnitt weitaus länger im Land. Sie sind eine mehrere Millionen große Gruppe, in der sich polnische Bauarbeiter genauso finden wie indische Programmierinnen oder bosnische Paketboten. Sie stammen je zur Hälfte aus Osteuropa und zu je einem Viertel aus dem restlichen Europa und außereuropäischen Ländern. (…) Storm präsentiert eine andere Erklärung dafür, dass der Lohnabstand zunimmt: „Einheimische Arbeitnehmer zählen tendenziell zu den Gewinnern des technologischen Wandels, ausländische tendenziell zu den Verlierern.“ Demnach machen ausländische Beschäftigte unabhängig von der Qualifikation häufiger als deutsche manuelle Jobs im Service, in der Logistik oder am Bau. Und die sind inzwischen eher schlechter bezahlt als viele andere Stellen, werden häufig über Leiharbeit und von Subunternehmern vergeben. (…) Weil die RWI-Studie nach Staatsangehörigkeit unterscheidet, bildet sie die Lage der Migranten nur zum Teil ab. Wer Deutscher wird, fällt in die Gruppe der Deutschen. Und weil die Daten nur für Arbeitnehmer vorliegen, tauchen die teils sehr erfolgreichen ausländischen Selbständigen nicht auf. Trotzdem erlaubt die Studie einige Schlüsse. Qualifizierte Ausländer sollten nicht auf der falschen Seite des technologischen Wandels landen. Und wenn interaktive Jobs immer wichtiger werden, hat Deutschland beim Buhlen um ausländische Fachkräfte schlechte Karten. Denn die könnten sich häufiger für englischsprachige Länder entscheiden, weil sie mit dieser Sprache in ihrem Heimatland mehr zu tun hatten als mit Deutsch.“ Artikel von Alexander Hagelüken vom 20. Januar 2022 in der Süddeutschen Zeitung online - Soziologe Nachtwey zum Niedriglohnsektor in Deutschland: „Es gibt eine starke Zunahme der Ungleichheit“ – klassenstrukturiert und ethnisch konnotiert
„Der an der Universität Basel lehrende Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe Oliver Nachtwey hat in seinem neuen Buch „Verkannte Leistungsträger:innen“ den Niedriglohnsektor in Deutschland unter die Lupe genommen. Nachtwey analysiert die Lage von Arbeitskräften wie Friseurinnen, Wäscherinnen, Pflegepersonal, Kassiererinnen, Paket- oder Essens-Lieferanten. Diesen Sektor macht kennzeichne „eine Wiederkehr der sichtbaren Klassengesellschaft“, so Nachtwey im Deutschlandfunk. Die Menschen, die im Niedriglohnsektor tätig sind, befänden sich „knapp über der Armutsgrenze“ und „in einem Kampf um den Alltag“. (…) „Wir haben eine starke Frauenerwerbstätigkeit, einen Aufstieg der Frauen auch in die höheren Berufe.“ Zugleich werde jedoch übersehen, dass dieser Aufstieg der Frauen in die Mittelklasse eine Unterseite habe, „nämlich die häufig weibliche migrantische Unterschichtung“, so Nachtwey. Die Tätigkeiten, die notwendig sind, seien nach wie vor dieselben: „Jeder Haushalt muss in irgendeiner Form gereinigt werden, Essen muss gekocht, die Kinder gehütet, die Alten gepflegt werden. Das erledigen nach wie vor in der Regel Frauen. Meistens sind es aber jetzt Frauen aus migrantischen Haushalten, aus dem Ausland, zu sehr schlechten, sehr ausbeuterischen Bedingungen.“ Der Soziologe fasst das aktuelle Ergebnis der weiblichen Emanzipationsgeschichte so zusammen: „Die Frauenerwerbstätigkeit ist klassenstrukturiert und ethnisch konnotiert.“ Die „migrantische Unterschichtung“ sei im gesamten Niedriglohnsektor zu beobachten. Nachtwey nannte im Dlf als Beispiel die Tätigkeiten im Sektor der Essenslieferung…“ Oliver Nachtwey im Gespräch mit Michael Köhler am 26.09.2021 beim Deutschlandfunk- Siehe zu seinem Buch »Verkannte Leistungsträger:innen« Rezenssion und Infos im Dossier Systemrelevante Berufe: Applaus vom Balkon reicht nicht
- siehe auch unser Dossier: Flüchtlinge einstellen! Ist profitträchtig…