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Pfarrer Peter Kossen: Arbeitsmigranten sind Hochrisikogruppe
Dossier
„Pfarrer Peter Kossen warnt angesichts der Corona-Pandemie vor einer massenweisen Infizierung der großen Gruppe ost- und südosteuropäischer Arbeitsmigranten. In Deutschland gehören zu dieser Bevölkerungsgruppe dreieinhalb bis vier Millionen Menschen. „Aufgrund vielfach unmenschlich harter Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, in Ausstallkolonnen oder als Paketzusteller und im Hinblick auf äußerst prekäre Wohnverhältnisse muss mit einer Vielzahl schwerer und tödlicher Verläufe der Corona-Erkrankung bei den Arbeitern und Arbeiterinnen in diesen Branchen gerechnet werden“, so Kossen. Er verweist auf die Erfahrungen seines Bruders, des Arztes Dr. Florian Kossen, der als Internist und Allgemeinmediziner tagtäglich Frauen und Männer behandelt, die als Arbeitsmigranten z. B. in Großschlachtereien beschäftigt sind. „Die Totalerschöpfung dieser Menschen ist die Normalität“, sagt Kossen. „Dazu kommen zahlreiche Schnittverletzungen, aber auch wiederholte und hartnäckige Infekte durch mangelhafte hygienische Zustände in den Unterkünften und durch gesundheitswidrige Bedingungen an den Arbeitsplätzen.“ Ihre Schwerstarbeit in der Fleischindustrie, in Ausstallkolonnen, bei Gebäudereinigern und bei Paketdiensten wolle hier ja sonst auch keiner tun, so Kossen. (…) „Niemand fühlt sich zuständig“, sagt Kossen, „die Kommunen nicht und die Landkreise auch nicht, und die Leidtragenden sind wie immer die Schwächsten – die Kinder.“ Kossen fordert von den Unternehmen und den Behörden schnellstmöglich umfassende und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsmigranten…“ Pressemitteilung von Pfarrer Peter Kossen vom 17.3.2020 bei Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg , siehe Vorschläge dazu und eine neue PMs (auch wenn wir radikal antiklerikal sind):
- Offener Brief: „… zunehmend begründete Angst vor einer massenweisen Infizierung der großen Gruppe ost- und südosteuropäischer Arbeitsmigranten…“
„… In der Corona-Pandemie habe ich zunehmend begründete Angst vor einer massenweisen Infizierung der großen Gruppe ost- und südosteuropäischer Arbeitsmigranten. Aufgrund vielfach unmenschlich harter Arbeitsbedingungen zum Beispiel in der Fleischindustrie, in Ausstallkolonnen oder als Paketzusteller muss mit einer Vielzahl schwerer und tödlicher Verläufe der Corona-Erkrankung bei den Arbeitern und Arbeiterinnen in diesen Branchen gerechnet werden. Der Menschenhandel ist zwar vorübergehend zum Stillstand gekommen. Aber schon gibt es Forderungen, die Restriktionen zu lockern. Der Markt verlangt nach billigem Fleisch, Gratispaketen und billiger 24-Stunden-Pflege. Im Zweifel sollen die, die da sind, mehr arbeiten dürfen. Kaum vorhandene Minimalstandards in Sachen Arbeitsschutz, Entlohnung und Wohnung dürfen jetzt nicht noch unterlaufen werden! Die verbliebenen Migranten müssen davor beschützt werden, dass man sie noch mehr als bisher auspresst und verschleißt, um sie dann wie Maschinenschrott zu entsorgen. Ich verweise auf die Erfahrungen meines Bruders, des Arztes Dr. Florian Kossen, der als Internist und Allgemeinmediziner tagtäglich Frauen und Männer behandelt, die als Arbeitsmigranten z. B. in Großschlachtereien beschäftigt sind. „Die Totalerschöpfung dieser Menschen ist die Normalität“, sagt mein Bruder. „Dazu kommen zahlreiche Schnittverletzungen, aber auch wiederholte und hartnäckige Infekte durch mangelhafte hygienische Zustände in den Unterkünften und durch gesundheitswidrige Bedingungen an den Arbeitsplätzen.“ In den Schrottimmobilien, die häufig als Unterkunft dienen, und ihren oft viel zu kleinen, schlecht belüfteten und mehrfach belegten Zimmern findet man nicht selten ausgeprägte Schimmelbeläge an den Wänden, direkt neben den als Betten dienenden Pritschen. Wenn jetzt die Pandemie auf diese ausgelaugten, angeschlagenen und gedemütigten Menschen aus Ost- und Südosteuropa trifft, wird sie zahlreiche Opfer fordern. Die mangelnde Sprachkenntnis verschärft das Problem. Viele sprechen wenig oder gar nicht Deutsch. Da kommen Warnungen und Sicherheitsvorschriften nur bruchstückhaft oder überhaupt nicht bei den Adressaten an. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass zunehmend ganze Familien von Arbeitsmigranten mit ihren Kindern in gesundheitsgefährdenden Unterkünften hausen. Die Wirklichkeit sind immer noch überbelegte Sammelunterkünfte und Sammeltransporte zur Arbeit in vollgestopften Bullis und Bussen. Zwölf-Stunden-Schichten an sechs Tagen die Woche, körperliche Schwerstarbeit unter ständigem physischen und psychischen Druck sowie Behausungen, die Erholung und Regeneration nicht zulassen, sondern die Gesundheit zusätzlich gefährden – solche Arbeits- und Lebensbedingungen liefern die Betroffenen und ihre Angehörigen wehrlos einer hochansteckenden und sehr gefährlichen Krankheit aus. (…) „Für die Unterbringung in Sammelunterkünften sind möglichst kleine, feste Teams festzulegen, die auch zusammenarbeiten. (…) Grundsätzlich ist eine Einzelbelegung von Schlafräumen vorzusehen. Eine Mehrfachbelegung von Schlafräumen ist grundsätzlich nur für Partner bzw. enge Familienangehörige statthaft. Es sind zusätzliche Räume zur frühzeitigen Isolierung infizierter Personen vorzusehen…“ Ich kann nicht erkennen, dass diese wichtige Vorschrift umgesetzt wird. Zur Arbeitsplatzgestaltung fordert der Erlass: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ausreichend Abstand (mindestens 1,5 m) zu anderen Personen halten. Wo dies auch durch Maßnahmen der Arbeitsorganisation nicht möglich ist, müssen alternative Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Transparente Abtrennungen sind bei Publikumsverkehr und möglichst auch zur Abtrennung der Arbeitsplätze mit ansonsten nicht gegebenem Schutzabstand zu installieren…“ Wer kontrolliert das z. B. in der Fleischindustrie? Wer setzt das durch? (…) Ich bin fest davon überzeugt, dass viele der prekär beschäftigten Arbeitsmigrant*innen zurzeit bei Krankheitssymptomen weiterhin zur Arbeit gehen, weil völlig unklar ist, wovon sie leben können, wenn sie in Quarantäne gehen oder ein Arzt ihre Arbeitsunfähigkeit feststellt. Mehrsprachige Hinweise auf Unterstützungsangebote durch die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter schafft Klarheit und wirkt der Existenzangst der Betroffenen entgegen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister, wir sind uns darin einig, dass Arbeitsmigrant*innen nicht wie Verschleißmaterial oder wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden dürfen, deren Gesundheit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als der ihrer deutschen Kolleg*innen…“ Aus dem Offenen Brief von Peter Kossen vom 20.4.2020 an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und den nordrheinwestfälischen Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann - Breites Bündnis fordert sofortige Schutzmaßnahmen für Arbeitsmigranten: Alternativen zu Massenunterkünften nötig, Schutzabstände bei der Arbeit sicherstellen, Corona-Tests in allen Schlachthöfen…
„In einem dringenden gemeinsamen Appell fordert ein breites Bündnis von Verbänden, Arbeitnehmervertreter*innen, Gewerkschafter*innen, Migranten-Berater*innen und Menschenrechtler*innen die Politik, Behörden und die Wirtschaft auf, unverzüglich wirksame Schutzmaßnahmen anzuordnen und durchzusetzen, um in der Fleischindustrie, in der Landwirtschaft, in der Logistik, auf dem Bau und in der häuslichen Pflege Arbeitsmigrant*innen vor der Ansteckung durch das Corona-Virus zu schützen. (…) Die Diözesanverbände Aachen, Paderborn, Osnabrück und Münster der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) fordern Menschenwürde und Gleichbehandlung ein: „Arbeitsmigrant*innen dürfen nicht wie Verschleißmaterial oder wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, deren Gesundheit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als der ihrer deutschen Kolleg*innen. In der Corona- Pandemie fällt mehr denn je auf, dass unsere Wirtschaft fundamental auf die Arbeitsmigrant*innen angewiesen ist. Umso mehr muss das ein Grund sein, sie nicht wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln“, betont der katholische Sozialverband. Es gehe um das Leben und die Unversehrtheit mehrerer hunderttausend Menschen. Nur unverzügliches entschlossenes Handeln könne die massenhafte Infizierung noch abwenden.“ Pressemitteilung vom 04.04.2020 von Peter Kossen (Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ e. V., Lengerich) dokumentiert bei ALSO e. V. Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg mit allen Unterzeichnenden - Kossen: Arbeitsmigranten sind betrogene Verlierer
„Im Rahmen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus ist die Arbeitnehmer-Freizügigkeit innerhalb der EU stark eingeschränkt. Konkret heißt das: Der Nachschub an frischen Arbeitskräften aus Ost- und Südosteuropa bleibt aus. Außer der Landwirtschaft werden zurzeit auch Fleischindustrie, Paketdienste, Ausstallkolonnen, Reinigungsgewerbe und Privathaushalte nicht mehr mit billigen Arbeiterinnen und Arbeitern „beliefert“. Der Menschenhandel ist zum Stillstand gekommen. Und schon gibt es Forderungen, die Restriktionen zu lockern. Der Markt verlangt nach billigem Fleisch, Gratispaketen und billiger 24-Stunden-Pflege. Im Zweifel sollen die, die da sind, mehr arbeiten dürfen. Peter Kossen warnt: „Kaum vorhandene Minimalstandards in Sachen Arbeitsschutz, Entlohnung und Wohnung dürfen jetzt nicht noch unterlaufen werden. Die verbliebenen Migranten müssen davor beschützt werden, dass man sie noch mehr als bisher auspresst und verschleißt, um sie dann wie Maschinenschrott zu entsorgen.“ Das niedersächsische Sozialministerium habe Kontrollen angeordnet. Bisher hätten Kontrollen zu keiner erkennbaren Verbesserung der Wohn- und Arbeitssituation geführt. Die aktuelle Gefahr ließe jetzt keinen Aufschub mehr zu. „Der Corona-Pandemie sind die von unmenschlicher Arbeit ausgelaugten und häufig gesundheitsschädlich untergebrachten Migranten schutzlos ausgeliefert. Dass zunehmend Kinder mitbetroffen sind, verschärft das Problem und macht die Lösung noch dringlicher.“ Die Arbeitsmigranten seien auch gleich die ersten, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens auf der Straße stünden. „Wer zahlt für sie, wenn sie in Quarantäne gehen müssen?“, fragt Kossen. „Wenn es keiner tut, bleibt den Betroffenen nichts weiter übrig, als arbeiten zu gehen.“ Jetzt zeige sich, was alle wüssten, dass die Geisterarmee am Rande der Gesellschaft aus sehr realen Menschen bestehe, aus EU-Mitbürgern, denen Würde und Gerechtigkeit bei uns nicht selten vorenthalten werden. „Lange haben Wirtschaft, Politik und Gesellschaft über schwere Menschenrechtsverletzungen unter dem Deckmantel der Arbeitnehmerfreizügigkeit hinweggesehen. In der Pandemie ist es vielleicht schon zu spät, die modernen Sklaven vor der Ansteckung und vor schweren Krankheitsverläufen jetzt noch schützen zu wollen. So haben sie doppelt verloren, sind betrogene Verlierer.“ Kossen fragt: „Will man einfach zusehen, wie Lücken geschlossen werden und die Ausbeutungsmaschinerie für billiges Fleisch weiterläuft oder ist jetzt nicht der Zeitpunkt, die Räder anzuhalten und den Systemwechsel herbeizuführen?“ Das System einer Wertschöpfung, die weitgehend auf der Ausbeutung von Arbeitsmigranten aufgebaut ist, sei krank und mache krank. „Die Abkehr von diesem kranken System ist längst überfällig!“ Nur Kontrollen und gesetzlich erzwungene Mindeststandards von Leben und Arbeiten in Würde und Gerechtigkeit könnten die Wende herbeiführen. Für viele Betroffene werde das aber bereits zu spät sein!“ Pressemitteilung von Peter Kossen vom 28.03.2020 (per e-mail) - Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg: Was jetzt notwendig ist:
- Die sofortige Einstellung aller Arbeit der WerkvertragsarbeiterInnen in Schlachthöfen
- Quarantäne für alle osteuropäischen WerkvertragsarbeiterInnen
- Sofortige Aufklärung der WerksvertragsarbeiterInnen über die Corona-Pandemie in ihrer jeweiligen Muttersprache in Wort und Schrift
- Weitere Zahlung ihrer Löhne durch den Subunternehmer oder den Konzern
- Belieferung mit allen notwendigen Lebensmitteln in ihre Wohnstätten/Behausungen
- Abschaffung des Werkvertragssystems!
- Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Fleischindustrie – zu Lasten von Menschen und Tieren und Erzeugerpreisen. Dr. Florian Kossen und Prälat Peter Kossen: „Menschen werden verschlissen und entsorgt“