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Mobilitätspaket: Für „fairen“ Straßengüterverkehr der Subunternehmer in der EU ausreichend?
Dossier
„Der Frust geht um (…) wird der Entwurf, den die Brüsseler Behörde am 31. Mai vorstellen wird, die Regeln über die Lenk- und Ruhezeiten für LKW-Fahrer (ebenso Reisebus-Chauffeure) sogar aufweichen. Und die Kommission plant offenbar auch, Trucker weiterhin für mehrere Tage von den Entsendevorschriften der EU auszunehmen. (…) Den Informationen zufolge, die den Gewerkschaften vorliegen, will die Kommission die Entsendevorschriften für Beschäftigte im Straßentransport für bestimmte Zeit (die Spekulationen reichen von fünf bis neun Tagen) aussetzen. Erst danach würden sie gelten und Fahrern aus dem Ausland den Mindestlohn des Landes garantieren, in dem sie gerade arbeiten…“ Beitrag von Werner Balsen vom 22. Mai 2017 bei Xing-News . Siehe dazu:
- EuGH-Entscheidung zu Mobilitätspaket: Rückkehrpflicht für Lkw fällt
„… Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Gültigkeit des EU-Mobilitätspaketes in weiten Teilen bestätigt. Allerdings fällt die Rückkehrpflicht für Fahrzeuge. Die Lkw mussten laut den EU-Regelungen bisher alle acht Wochen zu den Betriebsstätten von Logistik- und Transportunternehmen zurückkehren. Der Gesetzgeber habe nicht aufgezeigt, dass er beim Erlass der Regelungen genügend Information hatte, um beurteilen zu können, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist, so die Richter laut Mitteilung des EuGH. Unter anderem gegen die Rückkehrpflicht für Lkw hatten die Länder Zypern, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen und Malta im Oktober 2020 Klage eingereicht. Insgesamt hatten die Länder 15 neue Regelungen des Pakets beim EuGH beanstandet. (…) Bei allen übrigen beanstandeten Regelungen außer der Rückkehrpflicht für die Fahrzeuge seien die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot, die gemeinsame Verkehrspolitik, der freie Dienstleistungsverkehr, der Niederlassungsfreiheit, für den freien Warenverkehr, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie der Umweltschutz nicht offensichtlich vom Gesetzgeber überschritten worden, so die Richter. Mit dem Urteil folgen die Richter der Empfehlung des Generalanwalts vom November 2023. „Ein zentraler Bestandteil des Mobilitätspakts ist mit der gekippten Lkw-Rückkehrpflicht nicht mehr in Kraft“, reagierte der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Europäischen Parlament Jan-Christoph Oetjen (MdEP) auf die Gerichtsentscheidung. Der Wettbewerb im Binnenmarkt müsse unter fairen Spielregeln stattfinden. Ohne die Rückkehrpflicht sei das nicht mehr der Fall. „Der Ball liegt jetzt bei der Europäischen Kommission. Diese muss jetzt dringend Vorschläge machen, wie sie diese Problematik beheben will.“ (…) Auch der Internationale Transportverband IRU meldete sich zu Wort: Die Aufhebung der Rückkehrpflicht für Fahrzeuge sei eindeutig. Damit entfalle die Rechtsgrundlage für alle Sanktionen, die gegen Transportunternehmen wegen eines Verstoßes gegen diese Bestimmung verhängt wurde. Allerdings sei es aufgrund des Aufhebungsgrundes ungewiss, ob die EU einen neuen Regulierungsversuch unternehmen werde. Es sei nicht klar, ob die Europäische Kommission versuchen werde, mit einer Studie über die Verhältnismäßigkeit und Auswirkungen der Maßnahme mehr Informationen bereitzustellen und anschließend einen neuen Gesetzesvorschlag vorlegen werde, oder ob das Urteil das Ende des Versuchs sei, eine Lkw-Rückkehrpflicht in der EU durchzusetzen.“ Meldung vom 4. Oktober 2024 in Verkehrsrundschau online und dazu:- Ausbeutung von Fernfahrern: »Vorschriften kommen nicht in der Kabine an«. EuGH-Urteil zu Pausenregeln für Fernfahrer ändert nichts an ausbeuterischer Praxis
Im Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 15. Oktober 2024 erläutert Michael Wahl, Koordinator des Branchenschwerpunkts »Internationaler Straßentransport« beim DGB-Beratungsnetzwerk »Faire Mobilität« in Berlin, seine Einschätzung zur EuGH-Entscheidung zum »EU-Mobilitätspaket«, das die Arbeitsbedingungen von Fernfahrern regelt: „Nach EU-Parlament, Kommission und Rat hat auch der EuGH klar bestätigt: Die Arbeitsbedingungen von Fernfahrern müssen verbessert werden. Das ist zu begrüßen. Viele der von der EU beschlossenen Maßnahmen hat der EuGH für angemessen erklärt. (…) Die Vorschrift [dass Lkw-Fahrer die wöchentliche Ruhezeit nicht mehr im Fahrzeug verbringen dürfen] ist nicht neu. Die EU stellt erneut grundsätzlich klar, dass Menschen sich außerhalb von Autobahnlärm und am besten an ihrem Wohnort erholen sollen. Eine weitere Regel besagt, dass Fernfahrer nach vier Wochen die Möglichkeit haben müssen, die Ruhezeit an einem Ort zu verbringen, den sie selbst wählen: Wir müssen aber feststellen, dass die meisten unter dem Druck, mit dem in der Branche gearbeitet wird, das gar nicht wahrnehmen können. Unser Team von »Faire Mobilität« hat in mehreren Sprachen Gespräche mit mehr als 10.000 Fahrern an 300 Parkplätzen geführt: Arbeitgeber drängen sie oft, in mehreren Sprachen zu unterschreiben, dass sie selbst die Ruhepausen im Lkw verbringen wollen. Mit solchen Bescheinigungen versuchen sich die Arbeitgeber gegenüber Kontrollen abzusichern. (…) Parlament und Rat hätten beim Erlass der Maßnahme offenbar nicht ausreichend Informationen gehabt, um die Verhältnismäßigkeit zu beurteilen, erklärte der EuGH. Das bedeutet also nicht, dass diese nicht angemessen wäre, sondern nur, dass die EU es besser begründen muss. Tatsächlich ist die Praxis der Fahrer immer noch von struktureller Ausbeutung geprägt. Wir meinen: Es muss Kontrollen im Sinn der Fahrer geben, so dass diese mitwirken können. Aktuell ist das nicht der Fall. Beispiel: In Deutschland überwacht das Bundesamt für Logistik und Mobilität das Einhalten der Lenk- und Ruhezeiten. Wird ein Fahrer dabei erwischt, dass er das Verbot übertritt, die wöchentlich vorgesehene Pause von 45 Stunden in der Kabine zu schlafen, muss er selbst Strafe zahlen. Aus unserer Sicht ist das falsch. Immer wieder hören wir von Fahrern, dass sie sich nicht aussuchen können, wie lange sie ihre Pausen machen und wo sie diese verbringen. (…) Schutzvorschriften kommen nicht in der Kabine an. Daran ändert auch der Richterspruch nichts. Wir bieten weiterhin unsere Beratung in den Herkunftssprachen der Fahrer an und versuchen sie zu bestärken, auf ihre Rechte zu bestehen.“
- Ausbeutung von Fernfahrern: »Vorschriften kommen nicht in der Kabine an«. EuGH-Urteil zu Pausenregeln für Fernfahrer ändert nichts an ausbeuterischer Praxis
- Ausgebeutet auf Europas Straßen: Mehrere europäische Gewerkschaften fordern EU-weite Maßnahmen zur Regulierung von Subunternehmerketten
„Mitte September wurde das Urteil gegen Litauens ehemaligen stellvertretenden Verkehrsminister und Geschäftsführer von Arijus Transport von einem belgischen Gericht bestätigt. Es verhängte eine sechsmonatige Haftstrafe auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von mehr als 200 000 Euro. Sechs Lkw-Fahrer aus Litauen, der Ukraine und Belarus hatten mit Unterstützung der niederländischen Gewerkschaft FNV gegen das Unternehmen geklagt. Dem Gericht zufolge hatte es die Rechte der Arbeiter missachtet, da es den belgischen Mindestlohn unterlief und die Fahrer in ihren Kabinen übernachten mussten. Für Arijus waren diese im Auftrag der Logistikkonzerne Samskip, ECS und P&O Ferrymasters unterwegs.
Der Fall sei keine Ausnahme in der Transportbranche, unterstreicht Edwin Atema im Gespräch mit »nd«. Der niederländische Gewerkschafter ist ehemaliger Lkw-Fahrer und unterstützte die Arbeiter im belgischen Gerichtsverfahren. Mit seiner Stiftung Road Transport Due Dilligence setzt er sich europaweit für die Rechte von Fernfahrern und gegen Ausbeutung in der Logistikbranche ein. »Menschenrechtsverletzungen in den Subunternehmerketten im Straßentransport spielen eine große Rolle«, betont er. (…)
Und auch in anderen Branchen wie der Bauwirtschaft oder bei Paket- oder Lieferdiensten haben sich Geschäftsmodelle entwickelt, die auf der Ausbeutung von vielfach migrantischen Arbeiter*innen in undurchsichtigen Subunternehmerketten beruhen. Um dem etwas entgegenzusetzen, fordern die drei Gewerkschaften Föderation der Bau- und Holzarbeiter, der Verband der Gewerkschaften für Lebensmittel, Landwirtschaft und Tourismus sowie der Europäische Transportarbeiterverband mit einer Demonstration am Dienstag in Straßburg EU-weite Regelungen.
Zu den Forderungen gehören Obergrenzen von maximal ein oder zwei Nachunternehmer-Ebenen und für den Anteil von Unteraufträgen am Gesamtvolumen eines Auftrags. Mehr Befugnisse und Personal bei den entsprechenden Arbeitsschutzbehörden sollen die Kontrollen verbessern. Zudem müssten europäische Betriebsräte gestärkt werden, damit sie mehr Rechte bei der Überwachung von Unteraufträgen erhalten. Subunternehmen sollten ferner ihren Beschäftigten die gleichen Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen gewähren wie der Hauptauftragnehmer. Dadurch könnten Direkteinstellungen gefördert werden. Und analog zur Tariftreueregelung, die Arbeitsminister Hubertus Heil zuletzt in die Ressortabstimmung gegeben hat, müssten strengere Vergaberegeln und eine Tarifvertragspflicht für öffentliche Aufträge gelten. Als besonders effektiv könnte sich die Einführung einer EU-weiten Nachunternehmerhaftung erweisen. (…)
Auch Atema unterstützt den Forderungskatalog. »Aber«, betont er, »ich warne vor der Illusion, dass mehr Gesetze und Regularien automatisch die Lage der Beschäftigten verbessern.« Die Vergabe von Unteraufträgen sei nicht per se die Quelle des Übels. In der Transportbranche begingen bereits die Hauptauftragnehmer gravierende Rechtsverletzungen. »Es besteht ein Desinteresse, Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen.« Da müsse man ansetzen und bestehende Regelungen besser anwenden. »Das würde schon viele Menschenrechtsverletzungen verhindern«, ist er überzeugt und verweist unter anderem auf das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz.
Für den Straßengüterverkehr gibt es zudem das EU-Mobilitätspaket, das in Teilen schon seit 2020 in Kraft ist und Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten sowie zur Entsendung von Arbeiter*innen umfasst. Zudem regelt es Mindestlöhne bei sogenannten Kabotagefahrten. Das sind Transportdienstleistungen eines ausländischen Verkehrsunternehmens, bei dem die Mindestlöhne des zu befahrenen Landes gelten. Doch diese werden, wie im Fall von Arijus Transport, vielfach unterschritten. Das liegt auch an unzureichenden Kontrollen, sind sich alle Beteiligten einig, darunter auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik. So drohe die vorhandene Wirksamkeit des Mobilitätspaketes zu verpuffen, heißt es auf nd-Nachfrage. Auch der Verband fordert neben einer Nachunternehmerhaftung mehr und bessere Kontrollen…“ Artikel von Felix Sassmannshausen vom 16.09.2024 in ND online („Ausgebeutet auf Europas Straßen: Gewerkschaften fordern EU-weite Maßnahmen zur Regulierung von Subunternehmerketten“), siehe dazu:- Hunderte demonstrieren in Straßburg und fordern die EU auf, die Ausbeutung in Zuliefererketten zu beenden
„Mehr als 700 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich heute vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, Frankreich, versammelt, um die EU-Institutionen aufzufordern, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbeutung in Subunternehmerketten und die Arbeitsvermittlung zu beenden. Hunderte von Transportarbeiterinnen und -arbeitern nahmen mit ihren Gewerkschaften teil und kamen aus ganz Europa, um eine klare Botschaft an die neu ernannte EU-Kommission zu senden.
Die von der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBH) und der Europäischen Föderation der Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Tourismusgewerkschaften (EFFAT) organisierte europäische Aktion forderte eine verbindliche EU-Initiative zur Begrenzung der Untervergabe und zur Regulierung der Arbeitsvermittlung, einschließlich eines Verbots von Entsendeagenturen, sowie zur Erhöhung der Häufigkeit und Wirksamkeit von Arbeitsinspektionen.
Im Anschluss an die Demonstration fand eine Anhörung im Europäischen Parlament statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen harte Aussagen von Arbeitnehmern, die von ausbeuterischen Praktiken bei der Vergabe von Unteraufträgen und von skrupellosen Vermittlern betroffen sind, und die frei schildern konnten, was Arbeitnehmer durchmachen, wenn der Ausbeutung in Lieferketten keine Grenzen gesetzt sind. Den Gewerkschaften schlossen sich auch Europaabgeordnete der S&D, der Linken, von Renew und der Grünen/EFA an…“ engl. Meldung vom 18. September 2024 der European Transport Workers‘ Federation (maschinenübersetzt) und zuvor der Aufruf: - Stoppt die Ausbeutung: Gemeinsame Demonstration in Strasbourg am 17. September
„ETF, EFBH (Europäische Föderation der Bau- und Holzarbeiter) und EFFAT (Europäische Föderation der Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Tourismusgewerkschaften) werden am Dienstag, den 17. September 2024, erstmals gemeinsam vor dem Europäischen Parlament in Straßburg demonstrieren. An der Demonstration werden sich mehr als 700 Arbeitnehmer beteiligen. Die von 14:00 bis 16:00 Uhr geplante Demonstration soll die dringenden Forderungen nach einer verbindlichen EU-Initiative zu Arbeitsvermittlern und fairen Arbeitsbedingungen in den Zuliefererketten deutlich machen. Im Anschluss an die Demonstration findet von 17:00 bis 18:45 Uhr eine Anhörung im Europäischen Parlament statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen Erfahrungsberichte von Arbeitnehmern, die von ausbeuterischen Praktiken bei der Vergabe von Unteraufträgen und skrupellosen Vermittlern betroffen sind…“ engl. Aufruf bei ETF (maschinenübersetzt) - „Herzlichen Glückwunsch an @EFFAT_org, @EFBWW_, @ETF_Europe zu Ihrer großen Demonstration in Straßburg zur Bekämpfung von Sozialdumping und Arbeitsausbeutung in Subunternehmerketten und Zwischenhändlern
Wir setzen uns mit Ihnen für eine Verordnung über die Vergabe von Unteraufträgen ein“ engl. Tweet von EUROPEAN TRADE UNIONS vom 17. Sep. 2024 mit Video der Kundgebung
- Hunderte demonstrieren in Straßburg und fordern die EU auf, die Ausbeutung in Zuliefererketten zu beenden
- Umkämpfte LKW-Rückkehrpflicht und weitere Hindernisse für prekär beschäftigte Lkw-Fahrer aus Osteuropa
- Prekär beschäftigte Lkw-Fahrer: Festgefahren im Arbeitskampf
„Schärfere Regeln auf EU-Ebene und das Lieferkettengesetz sollten Ausbeutung von Lkw-Fahrern verhindern. Die Wirklichkeit sieht anders aus. (…) Für Arbeitnehmer eines deutschen Unternehmens gelten der deutsche Mindestlohn sowie alle weiteren hiesigen Arbeitsrechte, etwa zur wöchentlichen Stundenzahl und zu Urlaubsregelungen. Sitzt das Unternehmen in Polen oder Litauen, muss es jeweils den Mindestlohn des Landes zahlen, in dem der Lkw gerade fährt. Das soll über digitale Fahrtenschreiber überprüft werden können. Fahrer, die keine EU-Bürger sind, brauchen zusätzlich eine Arbeitsgenehmigung.
Übernachtung im Lkw verboten
Um die Ausbeutung ausländischer Fahrer auf europäischen Straßen zu verhindern, hat die EU-Kommission 2021 das sogenannte Mobilitätspaket verabschiedet: Fahrer sollen nicht mehr im Lkw übernachten, alle vier Wochen nach Hause fahren können und alle acht Wochen müssen die Lkws zum Firmensitz zurückgebracht werden. Dass die Realität eine andere ist, zeigen die Raststättenbesuche. (…) „Denjenigen, die am verletzlichsten sind, drängen die Arbeitgeber die schlechtesten Arbeitsbedingungen auf“, sagt Michael Wahl, Branchenkoordinator Internationaler Transport bei der Fairen Mobilität, der den Einsatz auf der Rastplätze am Freitag leitet. Wer in einem fremden Land arbeitet, kann Verträge oft nicht lesen, weil die Sprachkenntnisse fehlen. Viele kennen die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht, haben keine Netzwerke, und man kann mit einem Arbeitsvisum auch nicht einfach den Job wechseln. „Wir gehen seit sechs Jahren auf Rastplätze, die Bedingungen auf der Straße haben sich für viele immer weiter verschlechtert“, sagt Wahl.
Tricks der Lohndrücker
Oft wenden die Arbeitgeber Tricks an, um die Löhne zu drücken. Eigentlich müssen sie die Kosten für Parkplätze, die Benutzung von Toiletten, Duschen oder Unterkünften auf den Rastplätzen bezahlen. Meist jedoch ziehen sie das Geld vom Lohn ab, statt es draufzuschlagen. Und nicht selten kommt es vor, dass das Geld erst Monate später oder gar nicht gezahlt wird – wie dieses Jahr bei der polnischen Spedition Mazur. Dass Lkw-Fahrer sich wehren, kommt so gut wie nie vor. Das liegt unter anderem daran, dass sie kaum organisiert sind und oft die Verträge, die ihnen vorgelegt werden, nicht verstehen oder nicht genug Zeit haben, um sie zu lesen, bevor sie sie unterschreiben. Umso ungewöhnlicher waren die beiden wilden Streiks in Gräfenhausen – die jeweils mit einem Erfolg für die Fahrer endeten. (…) Mehrere Länder, darunter Litauen und Rumänien, haben gegen Teile des Mobilitätspakets geklagt. Sie wollen die Pflicht, dass die Lkws alle acht Wochen zurück zum Firmensitz gebracht werden muss, kippen. Leerfahrten lohnten sich nicht. Vergangene Woche gab der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs den klagenden Ländern recht. Das Urteil wird Anfang 2024 erwartet.“ Artikel von Johanna Treblin vom 21.11.2023 in der taz online - EuGH-Generalanwalt: Wichtige Stellungnahme zur LKW-Rückkehrpflicht
„… Mehrere EU-Staaten haben beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klagen gegen das EU-Gesetzespaket für den Straßengüterverkehr (Mobilitätspaket I) eingereicht, darunter Polen, Litauen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Malta, Zypern und Belgien. Eine der angefochtenen Bestimmungen war die Verpflichtung, dass LKW alle acht Wochen in das Herkunftsland zurückkehren müssen, was nach Ansicht der Mitgliedstaaten negative Auswirkungen sowohl auf die Umwelt als auch auf die Aktivitäten des Transportgewerbes und indirekt auf die Wirtschaft als Ganzes haben sollte. Am Dienstag legte Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt des EuGH, seine Schlussanträge zu der angefochtenen Bestimmung vor und gab damit den klagenden EU-Staaten Recht. Obwohl das endgültige Urteil Anfang 2024 gefällt wird, ist zu beachten, dass die Richter des EuGH den Schlussanträgen der Generalanwälte häufig folgen. (…) Nach Ansicht von Pitruzzella haben das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat gegen den im EU-Recht verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, als sie die LKW-Rückkehrpflicht beschlossen. Die Umweltauswirkungen der erhöhten Emissionen und des höheren Kraftstoffverbrauchs wurden nicht berücksichtigt, die sich aus der Verpflichtung ergeben, die Fahrzeuge alle acht Wochen zurückzuführen. Aus diesem Grund kam Pitruzzella zu dem Schluss, dass die in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung 2020/1055 enthaltene Bestimmung für nichtig erklärt werden sollte, da sie gegen die Verpflichtung aus Artikel 91 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt, wonach die EU beim Erlass von Verkehrsvorschriften den Erfordernissen des Umweltschutzes und den verkehrsspezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung tragen muss.“ Beitrag von Agnieszka Kulikowska vom 15.11.2023 in Trans.info - Ausbeutung auf der Autobahn – Trucker aus Osteuropa
„Polnische Trucker heuern in Deutschland an, dafür kommen Usbeken und Inder nach Polen. Je weiter östlich der Arbeitgeber, desto geringer der Lohn, das ist die Faustformel im EU-Transportgeschäft. Polen ist dabei die Drehscheibe im Fahrer-Roulette. Hier sind die meisten Trucker aus Nicht-EU-Staaten registriert. Sie leben teilweise über Monate in ihren LKWs. Transportieren Waren durch Westeuropa, und bekommen dafür osteuropäische Mindestlöhne. Gewerkschafter sprechen von Menschenhandel, Lohndumping und Sozialbetrug. Im Frühjahr eskalierte die Lage – auf einem deutschen Rastplatz.“ Feature von Ernst-Ludwig von Aster und Anja Schrum vom 17.11.2023 im SWR
- Prekär beschäftigte Lkw-Fahrer: Festgefahren im Arbeitskampf
- Deutschland setzt Entsenderegeln aus EU-Mobilitätspaket um
„Der Bundestag hat sich mit dem Entsenderecht im Straßenverkehrssektor beschäftigt. Der Gesetzentwurf wurde im Anschluss an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Der Bundestag hat in einer ersten Lesung über einen Gesetzentwurf beraten, der sich mit der Entsendung von Berufskraftfahrern beschäftigt. Mit dem Entwurf sollen Vorgaben aus dem EU-Mobilitätspaket zur Entsendung der Fahrer auch in Deutschland umgesetzt werden. Im Anschluss an hat das Parlament den Entwurf an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Der Gesetzesentwurf betrifft etwa Kraftfahrer, die im Inland arbeiten, aber von einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmen beschäftigt werden, wie der Bundestag mitteilt. Das Entsenderecht regelt unter anderem Aspekte wie Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und nun auch die Ruhepausenzeiten. Auch legt die EU-Straßenverkehrsrichtlinie fest, dass entsendete Kraftfahrer während ihrer Arbeit im EU-Ausland nach den dortigen Lohnregelungen vergütet werden. Von den Regelungen nicht betroffen sind Fahrer, die EU-Länder nur durchfahren sowie bilaterale Transporte durchführen. Unternehmen müssen durch die neue Regelung spätestens bei Beginn der Entsendung eine Entsendemeldung übermitteln. Dafür steht ein mehrsprachiges Portal zur Verfügung, wie der Bundestag weiter ausführt. Außerdem müssten sie ihren Fahrern für die Zeit im Ausland bestimmte Unterlagen mitgeben, die auf Verlangen vorzuzeigen seien. Hierzu zählen unter anderem Identität des Unternehmens sowie Beginn und Ende der Beschäftigung. Dafür muss das Arbeitnehmer-Entsendegesetz angepasst werden. So sieht der Gesetzentwurf vor, beispielsweise im Paragrafen 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes eine Meldepflicht für Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EU-Staat aufzunehmen, die Kraftfahrer im Inland beschäftigen…“ Beitrag von Marie Christin Wiens vom 28.04.2023 in verkehrsrundschau.de- Siehe den Gesetzentwurf auf den Seiten des Bundestages
- EuGH verhandelt Klagen gegen Mobilitätspaket
„Die EU-Staaten Litauen, Bulgarien, Rumänien, Zypern, Malta, Ungarn und Polen hatten ihre Klage wenige Wochen nach Verabschiedung des Mobilitätspakets eingereicht. Mit einem Urteil der EuGH-Richter wird gegen Ende des Jahres gerechnet. (…) Die prozessierenden Länder hatten ihre Klagen bereits im Oktober 2020, wenige Wochen nach der Verabschiedung des Mobilitätpakets, beim EuGH eingereicht. Als diskriminierend und nicht rechtens bewerten gleich mehrere von ihnen unter anderem die neuen Kabotageregeln, die Verpflichtung der Fahrer, nach spätestens vier Wochen entweder nach Hause oder zu ihrem Stammunternehmen zurückzukehren und die Rückkehrpflicht von im Ausland eingesetzten Lkw nach spätestens acht Wochen in ihr Heimatland. Auch die Entsenderegeln für Lkw-Fahrer allgemein, das Verbot für Lkw-Fahrer, ihre wöchentlichen Ruhezeiten nicht im Fahrzeug verbringen zu dürfen, die Mindestanforderungen an Niederlassungen im Ausland und die Kontrollmöglichkeiten über den Tachographen werden wiederholt als Klagepunkte genannt. Die Kläger fordern die Überarbeitung oder komplette Streichung der von ihnen beanstandeten Vorgaben des Mobilitätpakets. Sollte das nicht erfolgen, wollen einige der klagenden Staaten, dass das gesamte Mobilitätspaket zurückgenommen wird…“ Beitrag von Kay Wagner vom 26.04.2023 in verkehrsrundschau.de - Die Lehren aus dem Lkw-Streik: Ausbeutung stoppen. Der erfolgreiche Streik der Lkw-Fahrer sollte ein Lehrbeispiel sein. Auch für andere Branchen
„… Die georgischen und usbekischen Lkw-Fahrer eines polnischen Speditionsunternehmens haben mit ihrem wochenlangen Streik an der hessischen Autobahn-Raststätte Gräfenhausen gezeigt, wie sie ist – und wie erfolgreich sie sein kann. Jetzt endlich kommt ihr Chef zur Vernunft und zahlt ausstehende Löhne. Der Fall hat auch deshalb Schlagzeilen gemacht, weil das so selten vorkommt. Denn der solidarische Zusammenhalt ist schwierig auf einem zersplitterten europäischen Arbeitsmarkt.
Meistens stehen die Beschäftigten für sich allein. Wo individuelle Verträge mit angeblich Selbstständigen geschlossen werden, fehlt die Solidarität in der Gruppe. Ganz zu schweigen von internationaler Solidarität, die auch über Sprachbarrieren und verschiedene Rechtssysteme hinweg funktioniert. Lernen können daraus nicht nur Beschäftigte in grenzüberschreitenden Tätigkeiten. Auch Gewerkschaften, deutsche und europäische Institutionen sollten ihre Lehren ziehen. (…)
Ähnlich prekäre Arbeitsverhältnisse sind bei der Paketzustellung zu beklagen. Bei Fahrradboten, die unter schwierigsten Bedingungen Waren ausfahren. Auf dem Bau, wo immer wieder Fälle bekannt werden, in denen Löhne vorenthalten werden. In der Saisonarbeit, wo es üblich ist, den Beschäftigten Geld – oft viel zu viel – für ihre Unterbringung vom Lohn abzuziehen. Ähnlich in der Fleischindustrie, wie der Fall Tönnies während der Corona-Pandemie gezeigt hat. Oder in der Pflege in privaten Haushalten. In all diesen Bereichen sind auch Unternehmen unterwegs, die gute Arbeit fair entlohnen und vernünftige Arbeitsbedingungen bieten. Doch sie müssen sich der unfairen Konkurrenz erwehren.
Zwei politische Entwicklungen haben dazu beigetragen: die Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland seit der „Agenda 2010“ und die europäische Freizügigkeit. Dabei ist die Möglichkeit, in ganz Europa leben und arbeiten zu dürfen, eine großartige Errungenschaft. Die politisch Verantwortlichen haben es aber versäumt, negative Begleiterscheinungen zu stoppen…“ Leitartikel von Pitt von Bebenburg vom 17.04.2023 in der FR online - EU-Mobilitätspaket: Aufregung über Leitfaden der Kommission – Kabotagefahrten oder binationale Transporte?
„Nach Ansicht der Gewerkschaften hintertreibt die EU-Kommission mit einem kürzlich veröffentlichten Leitfaden, dass die neuen Regeln für grenzüberschreitende Lkw-Fahrten zur Anwendung kommen. Nun haben drei EU-Abgeordnete einen Brief an die Verkehrskommissarin verfasst.
Die verschärften Regeln aus dem Mobilitätspaket der EU für mehr Fairness im Straßengüterverkehr entfalten weiterhin nicht die geplante Wirkung. So werden die vorgeschriebenen Arbeits- und Sozialstandards von Transportfirmen vor allem für Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten missachtet. Besonders in Litauen und Polen sind die Arbeitsbedingungen für die Fahrer:innen kritisch. Aus einer aktuellen Studie von 2022 geht hervor, dass knapp zwei Drittel der in Litauen beschäftigten Fahrer aus Nicht-EU-Staaten stammen, in Polen sind es 18,6 Prozent.
Von den Richtlinien des Mobilitätspakets, dessen zweiter Teil im Februar dieses Jahres in Kraft getreten ist, profitieren sie nicht. Demnach müssten sie im Falle einer Entsendung nach dem Recht des Landes entlohnt werden, in dem sie die Fahrt durchführen. Außerdem ist spätestens nach acht Wochen eine Rückkehrpflicht von Lkw vorgeschrieben. Einer Befragung der Universität Wien zufolge verbringen jedoch 95 Prozent der Fahrer aus Nicht-EU-Staaten ihre wöchentliche Ruhezeit in ihrer Kabine. 35 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Arbeitgeber ihnen gefälschte Dokumente mitgeben. Knapp die Hälfte erhält keine Lohnzettel, und mehr als ein Drittel berichten von willkürlichen Gehaltsabzügen.
Der Berufsverband Camion Pro spricht in einem Brief an die EU-Kommission Mitte des Jahres von „unhaltbaren Zuständen“ im internationalen Güterverkehr. Ausländische Arbeitskräfte würden „massenhaft und systematisch“ ausgebeutet und es werde gegen EU-Standards verstoßen. Die Mitgliedsstaaten tun jedoch wenig, um dies zu unterbinden. So wurden die Richtlinien des Mobilitätspakets bis heute nicht überall in nationales Recht umgesetzt – auch in Deutschland stockt der Prozess. Die Kommission, die in solchen Fällen eigentlich aufgefordert wäre, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wird jedoch nicht aktiv – im Gegenteil. Kabotagefahrten oder binationale Transporte?
Vor kurzem hat sie die erste Ausgabe für einen Leitfaden zur Entsendung von Fahrern veröffentlicht, an dem sich Transportunternehmen und nationale Behörden orientieren sollen – auch anhand konkreter Beispiele. Der Leitfaden der Kommission ist nicht nur aus Sicht von Gewerkschaften so unklar formuliert und unterschiedlich auslegbar, dass eigentliche Kabotagefahrten nicht mehr als solche gewertet werden könnten. Stattdessen würden sie als binationaler Transport aufgefasst und wären von der Entsendung ausgenommen. Beispiel: Ein Fahrer fährt mit einem leeren Lkw von Warschau nach Berlin, von wo aus er eine Fracht nach Brüssel befördert. Von dort aus macht er eine Leerfahrt zurück nach Warschau.
Nach der Auslegung des Leitfadens wäre der Fahrer trotz des Einsatzes in Deutschland und Belgien nicht entsendet, weil er bei der Fahrt von Warschau nach Berlin keine Fracht lud oder entlud. Deutsche Arbeits- und Sozialstandards kämen dementsprechend für alle drei Fahrten nicht zur Anwendung, sondern nur polnische. Der europäische Gewerkschaftsverband ETF befürchtet, dass dies zu Sozialdumping führen könnte. „Wir sind eindeutig anderer Auffassung als die EU-Kommission“, sagt Stefan Thyroke, Bundesfachgruppenleiter bei der Gewerkschaft Verdi, die ETF-Mitglied ist. „Auch bei Leertransporten handelt es sich um klassische Kabotage“, so Thyroke zu Tagesspiegel Background.
Die drei Europaabgeordneten Karima Delli, Kateřina Konečná und Ismail Ertug haben das Thema nun in einem Brief an die rumänische EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean adressiert, der Background vorliegt. Die Vorsitzende des EU-Verkehrsausschusses und die beiden Berichterstatter:innen für das Mobilitätspaket wollen mit dem am Dienstag versandten Schreiben erreichen, dass Vălean den Sachverhalt eindeutig klärt. „Das aktive Wegschauen der Kommissarin in Sachen Mobilitätspaket 1 muss ein Ende haben“, kritisiert Ertug. „Es kann nicht sein, dass die ,Hüterin der Verträge‘ sich derart wegduckt.“…“ Artikel von Jutta Maier vom 26.10.2022 beim Tagesspiegel Background (Paywall) - EU macht Druck beim Mobilitätspaket und droht 22 EU-Mitgliedsstaaten mit Klagen
„22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten setzen das Mobilitätspaket zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Speditionsgewerbe nicht ausreichend um und haben deshalb Mahnschreiben von der Kommission bekommen. Die droht mit Klagen. Bereits im Februar hatte die EU-Kommission den EU-Mitgliedsstaaten mit Maßnahmen gedroht, falls diese die seit Februar gültigen Regeln nicht befolgen würden. In einem Brief des Leiters der Generaldirektion „Mobilität und Verkehr“ der EU-Kommission, Henrik Hololei, beschwerte sich die Kommission, dass sie aus mehreren Mitgliedsstaaten noch keine Informationen zur Umsetzung der Neuerungen habe. Damit die Bestimmungen aber wirken könnten, müssten sie von allen Mitgliedsstaaten befolgt werden… Meldung beim DGB-Bildungswerk aus Forum Migration Juli 2022 - LkW-Fahrer aus Osteuropa: Lange Fahrten für wenig Geld
„Monatelang unterwegs, ohne jemals ein Hotel zu sehen, zu Dumpinglöhnen: Die Ausbeutung von LkW-Fahrern auch auf Straßen hierzulande spitzt sich zu. Kontrollen sind schwierig und die Methoden der osteuropäischen Speditionsfirmen werden immer krimineller. (…) Oleg fährt für eine polnische Spedition. Der LkW ist zu seinem Wohnort geworden, die Autobahnraststätten sind sein Zuhause. Dort verbringt er – wie viele andere LkW-Fahrer aus Osteuropa – die Wochenenden, in der Fahrerkabine, schaut Videos auf dem Tablet, kocht für die kommende Woche vor. Viel kann man auf so einer Raststätte an der Autobahn ja nicht machen, sagt er. (…) Michael Wahl kennt diese Geschichten von LkW-Fahrern aus Osteuropa, die zu Dumpinglöhnen in Westeuropa unterwegs sind, monatelang in ihren LkW leben und auf Autobahnraststätten campieren. Wahl hält das für einen Skandal, für die Speditionen ist es ein lohnendes Geschäft. „Man nutzt immer mehr aus, dass Menschen keine Chance auf einen fairen Arbeitsplatz haben. Und aktuell scheint es so zu sein, dass man ausnutzt, wie schlecht die Lebenssituation in Weißrussland, in der Ukraine, in Moldawien, in Kirgistan ist. Und das nutzt man gnadenlos aus.“ Die Coronakrise hat die Lage der Fahrer zusätzlich verschärft. Viele Raststätten haben auf Notbetrieb umgestellt, viele Duschen sind geschlossen, auch hier in Michendorf. (…) Ohnehin hat sich die Lage vieler Fahrer verschlechtert, weil viele osteuropäische Speditionen die Löhne im vergangenen Jahr dramatisch gesenkt haben, um bis zu 40 Prozent. Bei Konstantin Shevchenko zum Beispiel, einem Fahrer aus der Ukraine. „Ich bin im letzten Jahr sehr viel gefahren, auch als die Coronakrise losging. Vor allem Lebensmittel, für Lidl und Aldi, ich hatte wirklich sehr viel zu tun. Und da kam plötzlich die Meldung von meinem Arbeitgeber: Der Lohn wird um 30 Prozent gekürzt. Das war schon eine Riesensauerei.“ 50.000 litauische LkW-Fahrer waren von den Lohnkürzungen betroffen. Einige protestierten, weigerten sich weiterzufahren – und wurden kurzerhand entlassen. (…) Auf der Suche nach billigen Arbeitskräften dringen die Speditionen immer weiter nach Osten vor, weit über die Grenzen der EU hinaus, sagt Edwin Atema. Er war früher selbst LkW-Fahrer, er arbeitet jetzt bei der niederländischen Transportarbeitergewerkschaft FNV. „Es begann vor einigen Jahren mit Fahrern aus Belarus, Ukraine und Russland. Und seit zwei, drei Jahren sehen wir einen geradezu explosionsartigen Anstieg von Fahrern aus Zentral- und Südostasien, von den Philippinen, aus Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan. Das ist unglaublich.“ Beitrag von Gerhard Schröder vom 6. April 2021 beim Deutschlandfunk Kultur (Audiolänge: ca. 30 Min.) - Reform des Güterverkehrs: Warum der Kampf gegen die Ausbeutung von Lkw-Fahrern so schwierig ist
„Im vergangenen Sommer verabschiedete die EU das Mobilitätspaket, das die Arbeitsbedingungen vor allem von osteuropäischen Fahrern verbessern sollte. Doch das Paket ist auch in OWL umstritten. (…) Horst Kottmeyer, Spediteur aus Bad Oeynhausen und Aufsichtsratsvorsitzender des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, hält viel von dem Mobilitätspaket. „Das ist ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung.“ Die neuen Regeln hätten in der Branche bereits „für eine gewisse Unruhe gesorgt.“ Vor allem in den europäischen Ländern, in denen der Güterverkehr einen großen Anteil am Bruttosozialprodukt hat, etwa in Rumänien. „Da wird sich noch einiges tun“, sagt Kottmeyer. „Die Umsetzung wird auch hoffentlich gut überwacht.“ Das ist auch aus Sicht der Gewerkschaft Verdi ein entscheidendes Kriterium. Zwar könne das Mobilitätspaket die Situation der Fahrer verbessern, allerdings sei hierfür vor allem die Kontrolle wichtig, sagt Stefan Thyroke, Leiter der für Speditionen und Logistik zuständigen Verdi-Fachgruppe. So könne etwa die Überprüfung der Rückkehrverplichtung alle vier Wochen das „Ende des Nomadentums“ bedeuten. Aber: „Die Kontrolldichte des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) liegt seit Jahren unter einem Prozent der Lkw-Fahrten“, sagt Thyroke. Gemeinsame Kontrollen von BAG, Zoll und Polizei müssten viel öfter durchgeführt werden, um abschreckend und wirksam zu sein. (…) Ganz anderer Meinung ist Stephan Westerfeld. Einen „zahnlosen Tiger“ nennt der Spediteur aus Hüllhorst das Mobilitätspaket. Die Regeln seien gut gemeint, „der Wille ist aber nicht da, das zu ändern“, sagt Westerfeld und schiebt hinterher: „Das ist Halbsklaventum, was da gemacht wird.“ Denn das neue Mobilitätspaket habe Lücken. Auch die verkürzten Wochenendruhezeiten, mindestens 24 Stunden, könnten nach wie vor im Lkw verbracht werden. Osteuropäische Fahrer seien bisweilen mehrere Wochen ununterbrochen auf den Straßen unterwegs und lebten unter widrigsten Bedingungen. „Ein Fahrer hat sechs Wochen lang weniger Platz, als ein Huhn in der Mast“, sagt Westerfeld, der eine politische Diskussion über die Größe oder Ausstattung von Fahrerhäusern für angebracht hält. Das bleibe aber auch beim Mobilitätspaket aus. „Die Hürden wurden etwas höher gehängt. Aber das ändert das Grundproblem nicht.“ Auf internationaler Ebene wird das Mobilitätspaket bereits angefochten: Die EU-Mitgliedstaaten Polen, Litauen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Zypern und Malta haben jeweils Klagen gegen das Paket beim Europäischen Gerichtshof eingereicht…“ Artikel von Sebastian Beeg vom 09.03.2021 in Neue Westfälische online - Lettischer Widerstand gegen bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer
„In Deutschland gelten osteuropäische Lkw-Fahrer, die bislang auf Parkplätzen campierten, als „Sklaven der Straße“. Ein EU-„Mobilitätspaket“ soll nun ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Lettische EU-Abgeordnete stimmten dagegen (…) Die Straßburger Abgeordnete Tatjana Zdanoka, politisch links orientiert, äußerte die Ansicht, dass geographisch und nicht nach politischen Lagern abgestimmt worden sei. Ihr EU-Kollege und politischer Kontrahent Roberts Zile, ein Nationalkonservativer, erkennt in den neuen Vorschriften die Strategie, Osteuropa aus dem Markt zu drängen: „Niemand in Brüssel, Paris oder sonstwo sorgt sich beispielsweise um einen rumänischen Fahrer, der seine Arbeit verliert, weil seine Firma nicht mehr agieren kann. Er wird als Arbeitsloser in seine Heimat zurückkehren – und dann zerbricht sich niemand in Paris oder Brüssel den Kopf darüber, dass seine sozialen Umstände noch schlechter geworden sind als jene, die sie als Sklavenarbeit auf den westeuropäischen Märkten bezeichnen.“ Zwar begrüßt Zile das Recht der Fahrer, einmal in vier Wochen nach Hause zurückzukehren, doch er fragt sich, weshalb er sein Fahrzeug mitnehmen müsse: „Das steht mit den sozialen Rechten des Fahrers in keinerlei Zusammenhang. Das erfolgt einfach deshalb, damit es für diese Speditionen von Nachteil ist, auf westeuropäischen Märkten zu agieren.“ (…) Der stellvertretenden Ver.di-Vorsitzenden Kocsis stört am Mobilitätspaket, dass „internationale Transporte zwischen zwei Ländern künftig zu den Bedingungen des Beladungsortes und nicht zu den Bedingungen der Transitstaaten ausgeführt“ werden. Das heißt, dass bei solchen Fahrten auch in Zukunft osteuropäische Löhne gezahlt werden. (…) Ein deutscher Mindestlohn machte einen lettischen Lohnabhängigen in seiner Heimat zum Besserverdiener. Gleiche Löhne in ganz Europa hätten eine Annäherung der Produktivitätsniveaus zwischen West- und Osteuropa zur Voraussetzung. Dafür müsste nach kapitalistischer Logik mehr in die osteuropäischen Industriestandorte investiert werden, in modernste Werkshallen, Maschinen und Infrastruktur. Das bedeutete aber für Westeuropäer, einen Teil der lukrativen Wertschöpfung den osteuropäischen Kolleginnen und Kollegen zu überlassen. Ist jenseits der Sonntagsreden die europäische Solidarität derart groß?…“ Beitrag von Udo Bongartz vom 1. September 2020 bei Telepolis - Rückkehrpflicht für Lkw auf dem Prüfstand
„Alle acht Wochen zurück auf Start – für die EU-Kommission ist die im Mobilitätspaket festgelegte Rückkehrpflicht von Lkw ins Niederlassungsland eine fragwürdige Lösung. Die aus Rumänien stammende Verkehrskommissarin Adina Valean lässt die Auswirkungen der Maßnahme sowie weitere Aspekte des kürzlich vom Europäischen Parlament verabschiedeten Regelwerks jetzt im Rahmen einer Studie durch den Nachhaltigkeitsberater Ricardo untersuchen. Die Studie befasse sich auch mit der Verpflichtung für Fahrer, alle drei Wochen heimzukehren und damit, wie beide Maßnahmen vereinbar sind, berichtet der europäische Speditionsverband Clecat. Sie bedauere, dass die Gesetzgebung Aspekte enthalte, die möglicherweise nicht mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und der Klimaneutralität der EU bis 2050 im Einklang stünden, hatte Valean mitgeteilt. „Im Einzelnen handelt es sich dabei um die obligatorische Rückkehr von Fahrzeugen in den Mitgliedstaat der Niederlassung alle acht Wochen und die Einschränkungen für Beförderungen im Kombinierten Verkehr.“ Die Maßnahmen seien nicht Teil der Kommissionsvorschläge gewesen und keiner Folgenabschätzung unterzogen worden. Das soll jetzt offenbar nachgeholt werden…“ Artikel von Regina Weinrich vom 28.07.2020 bei eurotransport.de - EU-Parlament beschließt Änderungen für Beschäftigte im europäischen Straßenverkehr – [DGB] „kein großer Wurf“ / [ver.di] EU-Mobilitätspaket muss zügig in nationales Recht umgesetzt werden – Kontrollkapazitäten ausbauen
- [DGB] EU-Parlament beschließt Änderungen für Beschäftigte im europäischen Straßenverkehr – „kein großer Wurf“
„Gestern hat das Europäische Parlament nach dreijährigem Ringen das Straßenverkehrspaket („Mobility Package“) beschlossen. Damit dürften sich die Arbeitsbedingungen von rund 3 Millionen Beschäftigten im Straßenverkehr verändern. (…) „Das Paket sieht zwar ein paar Verbesserungen vor – aber es ist kein großer Wurf, um der Ausbeutung des rollenden Prekariats auf Europas Straßen ein für alle Mal einen Riegel vorzuschieben“, so Piel. „Denn für das Prinzip ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ sieht die Regelung viel zu viele Ausnahmen bei internationalen Fahrten vor. Gute Nachrichten für die Beschäftigten gibt es aber beim Thema Übernachtungsverbot in Fahrzeugkabinen, Rückkehrrecht und bei den Ruhezeiten. Diese Regeln bieten eine echte Perspektive, dass Beschäftigte nicht mehr monatelang ununterbrochen auf Achse sein müssen …“ (…) „Das Mobilitätspaket ist nur mit wirksamen Kontrollen durchsetzbar, sonst bleibt es ein zahnloser Tiger“, so Körzell. „Deshalb ist die schnellere Einführung digitaler Tachographen einer der besseren Aspekte in diesem Paket. Der ursprünglich diskutierten Übergangsfrist von 15 Jahren hat das Parlament eine deutliche Absage erteilt. Jetzt brauchen Zoll, Polizei und das Bundesamt für Güterverkehr schnell mehr Personal. Gut ist auch, dass die Sozialvorschriften auch für kleinere LKW unter 3,5 Tonnen gelten – zwar erst ab 2026, aber immerhin. Denn sonst hätten die neuen Regeln den Spediteuren, die auf Lohndumping und Ausbeutung als Geschäftsmodell setzen, gleich das nächste Schlupfloch geöffnet.“ DGB-Meldung vom 9. Juli 2020 - [ver.di] EU-Mobilitätspaket muss zügig in nationales Recht umgesetzt werden – Kontrollkapazitäten ausbauen
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die Verabschiedung des EU-Mobilitätspaketes und fordert die zügige Umsetzung in nationales Recht sowie die Schaffung entsprechender Kontrollkapazitäten. (…) „Es sind jedoch immer noch nicht alle Neuregelungen des Mobilitätspakets zufriedenstellend“, so Kocsis weiter. So würden zum Beispiel internationale Transporte zwischen zwei Ländern künftig zu den Bedingungen des Beladungsortes und nicht zu den Bedingungen der Transitstaaten ausgeführt. Zudem gelte es jetzt, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen, da nicht alle neuen Gesetze per EU-Verordnung erlassen würden, sondern einige auch als Richtlinien, so dass die Nationalstaaten noch tätig werden müssten. Mit dem Mobilitätspaket muss aus ver.di-Sicht zwingend eine deutliche Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) sowie beim Zoll verbunden werden. „Die neuen Regeln müssen durchgesetzt werden. Wenn bei 363 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr in Deutschland nur 500.000 Lkw kontrolliert werden, reicht das nicht aus, um Missbrauch zu verhindern. Das ist auch erforderlich, damit regeltreue Arbeitgeber und deren Beschäftigten keine Nachteile erleiden“, erklärt Kocsis.“ ver.di-Pressemitteilung vom 9. Juli 2020
- [DGB] EU-Parlament beschließt Änderungen für Beschäftigte im europäischen Straßenverkehr – „kein großer Wurf“
- Mobilitätspaket wurde vom EU-Verkehrsausschuss gebilligt
„Der Verkehrsausschuss des europäischen Parlaments hat sein Okay zu neuen Regeln für bessere Arbeitsbedingungen und einen gerechten Wettbewerb gegeben. Im Juli könnte das Gesetz stehen. Mit dem in der Europäischen Union geplanten Mobilitätspaket soll der Transportsektor reformiert werden. Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hat diese Regelungen vor wenigen Tagen gebilligt. Neue Regeln für den EU-weiten Einsatz und die Ruhezeiten von Fahrerinnen und Fahrern gehören dazu. Mit ihnen sollen Wettbewerbsverzerrungen im Sektor Straßenverkehr beendet und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Auch die Kabotagevorschriften zur innerstaatlichen Beförderung von Transportgütern durch Speditionen aus einem anderen EU-Staat sollen neu geregelt werden. (…)Wie das Europäische Parlament in einer Pressemitteilung erklärt , werden die geplanten Regeln zunächst die Organisation von Arbeitsplänen betreffen. Die Ruhebedingungen sollen verbessert werden, Fahrerinnen und Fahrer mehr Zeit zuhause verbringen können. Je nach Arbeitsplan soll eine regelmäßige Rückkehr alle drei oder vier Wochen möglich sein, Arbeitspläne sollen entsprechend gestaltet werden. Unternehmen sollen außerdem für die Unterbringungskosten aufkommen müssen, wenn Fahrerinnen und Fahrer die obligatorische Ruhephase am Ende einer Woche außer Haus verbringen. Diese wöchentliche Ruhezeit soll nicht im Führerhaus des Lkw verbracht werden können. Die Kabotage, also die Transportdienstleistung innerhalb eines Landes, ausgeführt jedoch durch ein Speditionsunternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, ist zur Zeit auf drei Einsätze innerhalb von sieben Tag begrenzt. Diese Beschränkung bleibe auch weiterhin bestehen. Um allerdings systematische Kabotage zu verhindern, soll es eine Karenzzeit geben. Vier Tage soll es dauern, bevor eine weitere Fahrt innerhalb desselben Landes mit demselben Fahrzeug durchgeführt werden darf. (…) Vereinheitlicht werden sollen die Regelungen für die Bereitstellung von Fahrerinnen und Fahrern. Unterschiedliche Gestaltungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und eine gerechte Bezahlung sind dabei das Ziel. Dabei sollen die Vorschriften für den Kabotage- und den internationalen Verkehr gelten. Transitverkehr und bilateraler Verkehr, auch mit einer zusätzlichen Be- oder Entladung pro Richtung seien allerdings ausgenommen. „Diese Be- und Entladung kann auch addiert werden, also etwa keine Entladung auf der Hinfahrt und zwei auf der Rückfahrt“, heißt es in der Pressemitteilung. Noch ist das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen. So weit könnte es allerdings im Juli sein: Hier wird das Plenum des Parlaments über die Reform abstimmen. Würden keine Änderungsanträge mit absoluter Mehrheit, mindestens 353 Stimmen, angenommen, würden die neuen Regeln als angenommen gelten. Die Bestimmungen zur Entsendung, die Vorschriften über die Rückführung von Lkw und andere Änderungen an Marktzugangsregeln würden dann 18 Monate nach Inkrafttreten des Rechtsakts bzw. des Gesetzes über den Marktzugang greifen. Die Vorschriften zu Ruhezeiten und Rückreisen von Fahrerinnen und Fahrern würden schon früher in Kraft treten: Diese sollen 20 Tage nach der Veröffentlichung des Rechtsaktes gelten.“ Beitrag von Melvin Louis Dreyer vom 17.6.2020 im Logistik-Watchblog - Alle ins Hotel. Regelwerk zum Schutz von Fernfahrern: Keine Ruhepausen mehr im Lkw. Kritik von Gewerkschaft und EU-Kommission
„Mitte Dezember hatten sich Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten nach jahrelangem Streit auf ein neues Regelwerk zum Schutz von Fernfahrern gegen Lohndumping und unwürdige Arbeitsbedingungen geeinigt. Gemäß Vereinbarung sollen Lkw-Fahrer ihre gesetzlichen Ruhepausen nicht mehr im Fahrzeug verbringen dürfen, ihr Dienstplan soll regelmäßige Fahrten in die Heimat zulassen, und bei längeren Touren in der Fremde sollen für sie die sozialrechtlichen Bestimmungen des Aufenthaltslandes gelten. Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. Sowohl Gewerkschaften als auch die EU-Kommission übten deutliche Kritik an den Vorhaben. (…) An der Vereinbarung zum Speditionsgewerbe passen der Kommission im wesentlichen zwei Punkte nicht: Erstens, dass ein Lastwagen alle acht Wochen in seinen Heimatstaat zurückkehren muss. Zweitens missfallen ihr die geplanten Beschränkungen der sogenannten Kabotage. Damit sind Beförderungen gemeint, die Spediteure nach einer grenzüberschreitenden Lieferung außerhalb ihres Heimatlandes anbieten. Erlaubt sein sollen nach den Plänen maximal drei solcher Fahrten binnen sieben Tagen. Danach müsse eine viertägige »Karenzzeit« folgen, also eine Pause für den Lkw in dem fraglichen Staat. Dies könnte den Fernverkehr ineffizient machen, monierte Dombrovskis. Unter Verweis auf unfaire Wettbewerbsbedingungen wollen diejenigen Länder eine zügellose Kabotage eindämmen, die über vergleichsweise hohe Arbeits- und Lohnstandards verfügen, insbesondere Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten. Die beklagen, dass Spediteure aus Niedriglohnländern systematisch mit schlecht bezahlten Fahrern über Wochen Dienste in fremden Märkten offerieren würden. Staaten wie Polen, Bulgarien, Rumänien und Litauen hielten in den Verhandlungen dagegen, ihre westlichen Nachbarn würden Protektionismus und Einschränkungen des Binnenmarktes als soziale Maßnahmen tarnen. (…) Entscheidend sei vor allem, ob die neuen Regeln »so dicht kontrolliert werden, dass sie auch tatsächlich wirken«. Davon wird auch abhängen, was die Fahrer von den verheißenen Erleichterungen haben werden. Um deren Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, müsste laut der deutschen Kraftfahrergewerkschaft KFG die Einhaltung des bestehenden Arbeitszeitgesetzes stärker kontrolliert werden. Allerdings sei die Politik nicht daran interessiert, sonst »hätten wir mehr (…) Kontrollbeamte auf den Straßen«, beklagte der Bundesvorsitzende Willy Schnieders am 13. Dezember in einem Radiointerview mit dem MDR. Anders sei dies etwa in Belgien, in Deutschland mache dagegen »jeder, was er möchte«. Bestandteile der Einigung sind außerdem ein Rechtsanspruch darauf, spätestens nach drei Wochen Arbeit nach Hause kommen zu können, sowie ein Verbot, die wöchentlichen Ruhezeiten in der Kabine zu verbringen. In Deutschland müssen diese am Stück mindestens 45 Stunden andauern. Auch hier zweifelt Schnieders an der Umsetzbarkeit der Vorgabe. »Stellen Sie sich mal vor, die Lkw-Fahrer müssten jetzt alle ins Hotel, egal, wo sie gerade sind – so viele Hotels haben wir erst mal nicht.«…“ Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 24.12.2019 - EU-Unterhändler einigen sich auf Mobilitätspaket, das Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern und Wettbewerb verbessern soll
“Die EU-Unterhändler haben eine Einigung zum Mobilitätspaket erzielt, das die Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern und den Wettbewerb in der Branche verbessern soll. Nach Informationen aus Verhandlungskreisen müssen Lkw mindestens alle acht Wochen an den Firmensitz zurück, die reguläre wöchentliche Ruhezeit darf nicht in der Kabine verbracht werden, und die Fahrer haben das Recht, vor Ablauf der dritten Arbeitswoche nach Hause zurückzukehren. Der im sogenannten Trilog-Verfahren erzielte Kompromiss muss von Europäischem Parlament und Ministerrat noch gebilligt werden. Die Regelungen zu den Lenk- und Ruhezeiten bei internationalen Verkehren sehen vor, dass die Fahrer in zwei aufeinanderfolgenden Wochen zwei verkürzte wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 24 Stunden außerhalb des Niederlassungs- und Wohnsitzlandes nehmen können. Eine Ausgleichsruhezeit muss direkt vor der regulären Ruhezeit in der dritten Woche erfolgen. Bei nationalen Verkehren bleibt die Regelung bestehen, dass es eine verkürzte und eine reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden im Zeitraum von zwei Wochen geben muss. (…) Um Verstöße besser zu verhindern, soll der „smarte Tachograph“ für Lkw im internationalen Transport spätestens bis 2025 Pflicht sein, für kleinere Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 2,5 bis 3,5 Tonnen ist diese Ausstattung bis spätestens Juni 2026 vorgesehen. Beim Verstoß gegen Kabotage- und Entsenderegelungen kann die Gemeinschaftslizenz entzogen werden. Die EU-Mitgliedstaaten werden verpflichtet, künftig besser zu kontrollieren.“ Beitrag von Regina Weinrich vom 12.12.2019 bei Eurotransport online - DGB erwartet eine konsequente Durchsetzung der Arbeitszeitregeln auf Europas Straßen für das Fahrpersonal
“… Die Bundesregierung muss der Europäischen Kommission alle zwei Jahre Bericht erstatten über die Durchführung der Richtlinie 2002/15/EG, die die Arbeitszeiten für das Fahrpersonal regelt. Auch die Standpunkte der Sozialpartner müssen mitgeteilt werden. Im letzten Bericht zu den Jahren 2015 und 2016 hat sich das in zwei Absätzen in dem eher schlanken Bericht der Bundesregierung erschöpft. Der DGB hat nun seine Stellungnahme abgegeben, verbunden mit der Erwartung, dass der Bericht über die Jahre 2017 und 2018 von Regierungsseite eine ausführlichere und weniger lückenhafte Mitteilung über die Kontrollaktivitäten enthält. Die Durchführung der Richtlinie ist aus Sicht des DGB nicht losgelöst von der Revision der Entsenderichtlinie und der seit Mai 2017 laufenden Gesetzgebung im Rahmen des Mobilitätspakets der EU-Kommission zu betrachten. Denn bei den Gesetzesinitiativen zu Kabotage, Lenk- und Ruhezeiten und nicht zuletzt auch bei der Entsendung von Fahrenden im Rahmen des europaweiten Transports von Personen und Gütern geht es auch immer um die Berücksichtigung bzw. Kontrolle der Arbeitszeiten. Verkehrssicherheit und Arbeitsschutz sind Grund genug, um mit allen Mitteln die Überschreitung der täglichen bzw. wöchentlichen Höchstarbeitszeiten zu unterbinden. (…) Bisher ist die Kontrolldichte dramatisch niedrig. Bei einer im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Omnibusunternehmer wurden 2018 5.700 Hin- und Rückfahrten pro Woche gezählt, pro Jahr also 296.400 Fahrten. Dem stehen 3.469 Kontrollen durch das BAG gegenüber. Bei Arbeitszeitverstößen in 13,6 % der Fälle ist von insgesamt 40.310 Verstößen auszugehen. (…) Zudem wird bisher weder im Personen- noch im Güterfernverkehr die Arbeitszeit, in der nicht gelenkt wird, ausreichend erfasst: Ladetätigkeit, Bewachung oder Wartezeiten. Die Busfahrenden füllen Vorräte auf, verstauen das Gepäck oder verkaufen Fahrkarten. Nach jeder Fahrt muss der Bus gereinigt, der Müll entsorgt und der Motor kontrolliert werden. Auch dies wird nicht zwingend als Arbeitszeit erfasst, sondern eher als Teil der Ruhezeit zwischen Arbeitsschichten. Die Ruhezeitverstöße dürften tatsächlich wesentlich zahlreicher sein…“ Beitrag vom 12.11.2019 beim DGB
- Arbeitsbedingungen osteuropäischer Lkw-Fahrer: Knochenjob und karges Nomadenleben für wenig Geld – EU-Parlament will neue Fernfahrer-Regeln
„Lkw-Fahrer aus osteuropäischen Ländern, die in Deutschland be- oder entladen, bekommen oft nicht den deutschen Mindestlohn, obwohl sie darauf Anspruch haben. Sie bekommen viel niedrigeren Grundlohn und müssen ein karges Nomadenleben führen. Wäsche trocknen zwischen Lkw, kochen auf dem Gaskocher, schlafen in engen Kabinen: Der Arbeitsalltag vieler Fernfahrer in Europa ist belastend. Die EU will gegensteuern, kam aber bislang nur langsam voran. Das EU-Parlament hat jetzt für neuen Schwung gesorgt…“ Text und Video des Beitrags von Karen Grass (Film), Violetta Heise, dpa (Artikel) in der ZDF-Sendung WISO vom 29. April 2019 ; Video verfügbar bis 29.04.2020
- Hotelbett statt Lkw-Kabine. EU-Parlament stimmt für Mobilitätspaket. Arbeitsbedingungen für Fernfahrer sollen verbessert werden
„Nach monatelangen Verhandlungen hat sich das EU-Parlament am Donnerstag auf eine Position zum sogenannten Mobilitätspaket der Kommission verständigt. Enthalten sind Maßnahmen, die künftig die Arbeitsstandards von Lkw-Fahrern im grenzüberschreitenden Bereich regeln sollen. Nachdem die Beschlussfassung Ende März aufgrund einer nicht zu bearbeitenden Flut von mehr als 1.000 Änderungsanträgen vertagt wurde, stimmten die Abgeordneten nun in Blöcken ab. Verabschiedet wurden drei Standpunkte, denen zufolge Lkw-Fahrer in der EU künftig von Regeln profitieren sollen, die etwa festlegen, dass Ruhepausen nicht mehr in der Fahrerkabine verbracht werden dürfen und dass der Unternehmer die Kosten für eine angemessene Unterkunft tragen muss. Die Dienstpläne sollen so gestaltet werden, dass die Fahrer von nun an mindestens alle vier Wochen nach Hause zurückkehren können. Für Kabotagefahrten, also Beförderungen in einem anderen EU-Land nach einer grenzüberschreitenden Lieferung, soll eine Frist von drei Tagen und zwischen den Auslandsfahrten eine Karenzzeit von 60 Stunden gelten. Dadurch wollen die Abgeordneten eine systematische Kabotage verhindern, durch die höhere Standards bei den Arbeitsbedingungen unterlaufen werden können. Zudem wurde die teilweise Anwendung der EU-Entsenderichtlinie auf den Transportsektor beschlossen, um die Umgehung von Mindestlöhnen und Arbeitsschutzstandards zu erschweren. Ausgeweitet werden sollen die Regeln auch auf Fahrer von Kleintransportern mit einem Gewicht von bis zu 2,5 Tonnen. Sie sind bisher ausgenommen. Die Gewerkschaften ziehen ein gemischtes Fazit. (…) »Das Votum des Parlaments bringt für die Beschäftigten in der Branche einige Verbesserungen. Die Möglichkeiten des Sozialdumpings werden durch die heutige Entscheidung eingedämmt, jedoch nicht gänzlich beendet«, kommentierte die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Andrea Kocsis. Allerdings gehe der Beschluss nicht weit genug. So sei etwa eine verpflichtende regelmäßige Rückkehr der Lkw-Fahrer in die Heimat nicht angemessen geregelt worden…“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 06.04.2019 , siehe den DGB:- Mobility Package: Ergebnisse lassen zu wünschen übrig
„Der DGB begrüßt, dass das Europäische Parlament heute nach langem Ringen eine gemeinsame Position zum Straßenverkehrspaket auf den Weg gebracht hat. Damit nähert sich ein kontrovers diskutiertes Vorhaben langsam der Ziellinie, allerdings muss im Rahmen des Trilogs noch eine Einigung erzielt werden. Die Ergebnisse der Abstimmung lassen aus Sicht des DGB jedoch an vielen Stellen zu wünschen übrig. Zwar werden die Beschäftigungsbedingungen der Fahrerinnen und Fahrer auf Europas Straßen an einigen Punkten verbessert, allerdings fehlen wirklich weitreichende Regelungen zum Schutz der Beschäftigten. Zudem drohen ihnen aufgrund der beschlossenen Öffnung der Entsenderichtlinie aus gewerkschaftlicher Sicht nun handfeste Lohneinbußen. „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit in Europa kann nur funktionieren, wenn es auch gleiche Vorschriften für die Beschäftigten gibt. Für bilaterale Transporte von Waren und Passagieren gibt es künftig aber keine Mindestlohnpflicht mehr – das ist vollkommen inakzeptabel. Das führt zu einem rollenden Prekariat, auch wenn die Entsenderichtlinie im übrigen internationalen Verkehr ab dem ersten Tag gelten soll. Zudem ist fraglich, wie effektive Kontrollen zur Bekämpfung von Briefkastenfirmen künftig aussehen sollen, wenn sich die Überprüfung nur auf wenige spezifische Prüfgegenstände beschränken darf. Wenn ein Haus in Flammen steht, rufe ich ja auch nicht die Feuerwehr, damit diese einen einzelnen Brandherd bekämpft – und bei allen weiteren beide Augen zudrückt. Hier wurde die große Chance für bessere Beschäftigung und das Ende von Sozialdumping einfach vertan.“…“ DGB-PM vom 04.04.2019
- Mobility Package: Ergebnisse lassen zu wünschen übrig
- Der dreckige Alltag auf Europas Straßen und das EU-Mobilitätspaket
„… Dringender Handlungsbedarf auf europäischer Ebene ist offensichtlich, um das grenzüberschreitende Tagelöhnertum zu bekämpfen. Als wichtigsten Schritt sieht der DGB: grenzüberschreitende, zwischen der Exekutive der Mitgliedstaaten koordinierte Kontrollen. Doch davon scheint sich Europa zu entfernen. Denn das Ringen um die Verabschiedung neuer Regeln für den europäischen Straßentransport vor den Europawahlen im Mai 2019 ging wieder ohne Ergebnis aus. Was dem einen EU-Parlamentsabgeordneten zu viel an Liberalisierung war, war den anderen zu wenig – und damit gab es auf europäischer Ebene weder eine Einigung zu den Entsenderegeln noch zu den Lenk- und Ruhezeiten. Zwar hatte die deutsche Presse die Kompromisse der europäischen Verkehrsminister zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, dem sogenannten EU-Mobilitätspaket, am 4. Dezember 2018 noch positiv bewertet: „Mehr Rechte“, „EU will Fernfahrer schützen“, ihnen „soll es besser gehen“, lauteten die Überschriften. Selbst als „Nomaden“ erschienen sie zwar „müde“, aber „modern“. Wieder wurde das Bild vom Abenteuer Autobahn bedient. Aus Sicht der Gewerkschaften war dieses positive Echo jedoch von Anfang an fragwürdig: Mehr auf dem Papier heißt nicht mehr in der Realität. (…) Dass Fernfahrer nicht wie entsandte Beschäftigte behandelt werden, ist das eine. Doch ein Blick in die Statistiken zur Entsendung verrät: Auch auf dem Papier existieren die Lkw-Fahrer nicht als entsandte Beschäftigte. Die Statistiken orientieren sich an ausgestellten A1 Bescheinigungen (die Bestätigung der zuständigen Behörde des Entsendestaates, dass der Beschäftigte im Entsendeland sozialversichert ist). Für Lkw-Fahrer werden solche Bescheinigungen so gut wie nie ausgestellt. (…) Statt an einem Straßenverkehrspaket zur Überarbeitung von Regeln herumzudoktern, die jetzt schon nicht eingehalten werden, muss die illegale Praxis von Lohndumping-Unternehmen beendet werden…“ Artikel von Martin Stuber und Michael Wahl vom 14. Februar 2019 im Blog von Arbeit und Wirtschaft des ÖGB
- Neue Sozialstandards für Lkw-Fahrer
„Lkw-Fahrer sollen zukünftig nach Einsatzort bezahlt werden. Dazu soll die wöchentliche Pause nicht mehr in der Fahrerkabine, sondern in einem Hotel verbracht werden. Wir sprechen mit Beteiligten über ihre Erwartungen an das EU-Gesetzespaket.“ Bericht von und bei der ZDF-Drehscheibe vom 8. Januar 2019 (Videolänge: ca. 4 Min., aufrufbar bis 8. Januar 2020)
- Das „Nomadentum“ der Lkw-Fahrer auf den europäischen Straßen wird endlich beendet. Wirklich?
„Keine Frage – wenn man die vielen teilweise abgrundtief beunruhigenden Berichte auch in diesem Blog über die Situation vieler Lkw-Fahrer auf den europäischen Staaten Revue passieren lässt, dann freut man sich zutiefst über jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Lebenslagen der Betroffenen. (…)Die Verkehrsminister haben sich nun darauf verständigt, dass in der EU von 2024 an – zehn Jahre früher als eigentlich geplant – sogenannte smarte Tachographen eingesetzt werden müssen. In der Presse wird vor allem auf den eingangs erwähnten Aspekt hingewiesen, dass die Lkw-Fahrer »nicht mehr in ihren Fahrerkabinen schlafen dürfen«, was eine allerdings mehr als verkürzte Wiedergabe dessen ist, was man da beschlossen hat. Denn: Die Mehrheit der Verkehrsminister will erreichen, dass die Fahrer während der regulären wöchentlichen Ruhezeit nicht in der Kabine schlafen. Diese Pause muss nach spätestens 56 Stunden Arbeit hinterm Lenker für 45 Stunden genommen werden. Die Fahrer müssten sich demnächst also Hotel-/Motelzimmer nehmen, was die Kosten für Spediteure erhöht. Allerdings merkt Frank-Thomas Wenzel in seinem Artikel Nur noch ausgeschlafen im Brummi an: »Das Verbot soll aber nicht für die täglichen Ruhezeiten nach maximal zehn Stunden am Steuer gelten, dann bleibt die Kabine als Schlafstätte erlaubt.« (…) Ein weiteres und noch größeres Problem ist, dass es in Deutschland nach wie vor zu wenige geeignete Schlafmöglichkeiten für die rund eine Million Kraftfahrer auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gibt. Motels an Autobahnen sind meist zu teuer, rund 50 bis 60 Euro die Nacht werde hier schon verlangt. Außerdem seien die Parkplätze dort in der Regel nicht bewacht. Die Lkw-Fahrer übernachten auch deshalb bei ihrer Ladung. Bewachte Autohöfe gibt es zwar auch, aber viel zu wenige und diese sind dann auch meist zu teuer. Gibt es dann wenigstens bei der teilweise menschenverachtend niedrigen Bezahlung (und dem mit diesem massiven Lohndumping verbundenen existenziellen Wettbewerbsproblematik der Speditionen, die ihre Fahrer halbwegs anständig bezahlen) eine Verbesserung? Es scheint so: Künftig soll das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten. Das würde vor allem bedeuten, dass zum Beispiel bei Kabotage-Aufträgen hierzulande die Fahrer nach dem deutschen Mindestlohn bezahlt werden müssten, berichtet Frank-Thomas Wenzel in seinem Artikel. Natürlich darf auch hier das Aber nicht fehlen: »Für Fahrten über Landesgrenzen hinweg sollen hingegen zahlreiche Ausnahmeregelungen gelten.« (…) Man sieht, der angeblich Durchbruch für die vielen „Nomaden“ auf den europäischen Straßen muss doch deutlich eingedampft werden. Und selbst wenn man das Übriggebliebene als Schritt auf dem langen Weg des Fortschritts abbucht – in trockenen Tüchern ist das alles nicht nicht, denn der Beschluss der Verkehrsminister der EU zu dem bereits im Mai 2017 von der EU-Kommission vorgelegten Mobilitätspakt ist nur ein Schritt unter mehreren, damit das auch Wirklichkeit werden kann. Denn in Kraft treten kann das jetzt noch nicht…“ Bewertung vom 5. Dezember 2018 von und bei Stefan Sell
- [DGB] Mobility Package: Fauler Kompromiss für Beschäftigte im Rat – EU-Parlament muss nachbessern
„Der DGB bewertet die Einigung der Verkehrsminister zum Straßenverkehrspaket (Mobility Package) als „faulen Kompromiss“ für die Beschäftigten im europäischen Straßentransport und die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU. Die DGB-Vorstandsmitglieder Stefan Körzell und Annelie Buntenbach fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments deshalb auf, im Mitbestimmungsverfahren für deutliche Nachbesserungen zu sorgen (…) Weiter bleiben Nebentransporte im Rahmen einer Transportoperation von A nach B aus der Entsenderichtlinie ausgeklammert. Das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit wird so mit Füßen getreten und dem rollenden Prekariat der Weg geebnet. (…) Es kann nicht sein, dass osteuropäische LKW weiterhin wochen- oder sogar monatelang zu Hungerlöhnen in Westeuropa touren – wie im Fall der philippinischen LKW-Fahrer in Ense. Deshalb muss die Rückkehrpflicht nach Hause – nicht zum Sitz des Arbeitgebers – nach vier Wochen nicht nur für die Fahrer gelten, sondern auch für die LKWs…“ Pressemitteilung vom 04.12.2018
- Neue EU-Standards: Gegen raue Sitten im Trucker-Geschäft
“Mehr als 15 Stunden wurde verhandelt – bis in die Nacht. Am frühen Morgen gab es dann ein Ergebnis. „Es ist wirklich etwas Außergewöhnliches erreicht worden“, freute sich EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulz. Zufrieden war auch Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer. „Nach dem Beschluss sind sich viele um den Hals gefallen. Da ist eine große Sache gelungen“, sagte er. (…) „Die Lebensbedingungen von zwei Millionen Kraftfahrern werden jetzt deutlich verbessert“, sagte Hofer. Mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer und neue Sozialstandards, die wohl das ganze Leben der Fahrer umkrempeln werden – am Tag und in der Nacht. Übernachtungen in den Führerhäusern sollen nicht mehr erlaubt sein – die Spediteure müssen in Zukunft für Unterkünfte in Hotels, Pensionen oder angemieteten Wohnungen entlang der Route sorgen. „Es gibt ein absolutes Kabinenschlafverbot“, sagte der österreichische Verkehrsminister in der Nacht: „In der ganzen EU, und zwar ohne Ausnahme.“ Dadurch soll es auch weniger nächtliches Chaos auf vielen Raststätten und an den Zufahrten geben, die bisher noch für Übernachtungen im Fahrzeug angesteuert werden. „Wir wollen ein Ende des Nomadentums in Europa“, so Hofer…“ Beitrag von Andreas Meyer-Feist vom 04.12.2018 auf Tagesschau online
- [EVG] EU-Mobilitätspaket: Diese „Vorschläge“ müssen vom Tisch!
“… Die Vorschläge der österreichischen Ratspräsidentschaft sehen vor, die Lenk- und Ruhe-Zeiten weiter zu flexibilisieren und damit die Bedingungen für die Fahrerinnen und Fahrer weiter zu verschärfen. Außerdem soll der Straßensektor von der Entsenderichtlinie ausgenommen werden. Hintergrund: Am kommenden Montag steht das EU-Mobilitätspaket auf der Tagesordnung des EU-Verkehrsministerrates. „Die aktuellen Vorschläge fördern unfairen Wettbewerb zu Lasten des Schienengüterverkehrs und gefährden damit im erheblichen Ausmaß die erklärten Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsziele, die eine Förderung der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene als dem Verkehrsträger mit den geringsten CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer vorsehen,“ so Alexander Kircher in einem Brief an Scheuer. Der Minister solle sich zudem dafür einsetzen, dass die Entsende-Richtlinie auch für mobile Beschäftigte angewendet wird, so der EVG-Vorsitzende weiter. Darüber hinaus muss er sich für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer einzusetzen. Dazu müssen Ruhezeiten im erforderlichen Umfang vorgeschrieben werden.“ EVG-Meldung vom 30.11.2018
- Mobility Package: Diese Entscheidung betrifft die Sicherheit auf Europas Straßen
“Das EU-Mobilitätspaket („Mobility Package“) soll neue Regeln für den Güterverkehr auf Europas Straßen festlegen. In diesen Tagen beginnt die entscheidende Phase der Beratungen auf europäischer Ebene. Doch verschiedene Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, würden den Güterverkehr unsicherer statt sicherer machen – sowohl für die Beschäftigten im Transportsektor als auch für andere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. (…) Im aktuellen Textentwurf für den Europäischen Rat sind neue Regeln für die verkürzten wöchentlichen Ruhezeiten für Fahrerinnen und Fahrer vorgesehen: Statt drei Tagen Ruhezeit innnerhalb von zwei Wochen, würden die neuen Regeln zwei Tage Ruhezeit innerhalb von drei Wochen bedeuten. Im Klartext: Von 21 aufeinanderfolgenden Tagen könnten Fahrerinnen und Fahrer bis zu 19 Tage in der Fahrerkabine sitzen. Außerdem soll es Ausnahmen vom Verbot geben, die reguläre wöchentliche Ruhezeit in der Lkw-Kabine zu verbringen. Für die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer heißt das unterm Strich: Mehr Zeit auf der Straße und im Fahrzeug, weniger echte Ruhepausen. (…) Umso erschreckender ist es, dass manche Vorschläge für das Mobilitätspaket eine Lockerung der Ruhezeiten-Regelungen vorsehen – de facto würde so eine bisher illegale Praxis durch EU-Recht legalisiert. (…) Für den DGB ist deshalb klar: Das Mobilitätspaket muss für die Beschäftigten im Straßentransport echte Verbesserungen bringen, keine Verschlechterungen – vor allem bei den Lenk- und Ruhezeiten. Und die verbesserten Regelungen der Entsenderichtlinie müssen auch für die Fahrerinnen und Fahrer im Transportsektor gelten – inklusive Mindestlohn im Zielland. Diese und andere Punkte müssen auf der Zielgerade der Verhandlungen unbedingt noch umgesetzt werden.“ Beitrag vom und beim DGB vom 20.11.2018
- Das Straßenverkehrspaket der EU-Kommission strandet im Europäischen Parlament
„… Nun muss der TRAN neue Vorschläge erarbeiten, die zudem in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission zu einer Einigung beitragen können. (…) Spätestens im Oktober muss das Paket vom Parlament angenommen werden, sonst liegt es mindestens zwei Jahre auf Eis. Erschwerend kommt hinzu, dass es im Parlament wie auch im Rat weiterhin neoliberale Vorstellungen gibt, die noch hinter die Vorschläge der Kommission zurückfallen: So stimmten viele Abgeordnete dafür, dass der Schutz der Entsenderichtlinie für Beschäftigte im internationalen Transport erst nach 10 Tagen gelten soll. Das passt weder zum Ziel eines sozialen Europas noch zu den verbesserten Beschäftigungsbedingungen, die fast zeitgleich bei der Revision der Entsenderichtlinie erreicht wurden. Während also viele Millionen entsandte Beschäftigte künftig besser entlohnt und abgesichert werden, sollen die bereits jetzt massiv durch Lohn- und Sozialdumping unter Druck stehenden Bus- und Lkw-Fahrer explizit davon ausgenommen werden. Diese Trennung in Entsandte erster und zweiter Klasse hat den Widerstand zweifellos befeuert. Der mitberatende Beschäftigungsausschuss (EMPL) des Europäischen Parlaments hatte deshalb im April sein Votum für gute Arbeitsbedingungen und fairen Transport abgegeben. Dieses Petitum interessierte den TRAN-Ausschuss allerdings nicht. Er verschärfte die Kommissionsvorlage und legte dem Plenum noch marktradikalere und arbeitnehmerfeindlichere Berichte zur finalen Abstimmung vor. Treiber waren Arbeitgeberverbände und Marktakteure, die ihre Geschäftsgrundlage gefährdet sahen, wenn sie ihren Beschäftigten in Zukunft womöglich faire Lohn- und Arbeitsbedingungen bieten müssten. Unterstützt wurden sie dabei auch durch deutsche EVP-Abgeordnete, für die es mit Blick auf die Europawahlen schon jetzt auch um Mehrheiten für die Wahl des Parlamentspräsidenten zu gehen scheint…“ Beitrag vom 20.08.2018 vom und beim DGB
- Profitgier first, Bedenken second. Wenn es nach der EU geht, sollen Bus- und Fernfahrer in Zukunft bis zu 16 Stunden pro Tag auf Piste sein dürfen. Das ist unverantwortlich
„… Was auch immer „europäische Industrie“ bedeutet oder – in diesem Zusammenhang – der Begriff „Verteidigung“. Welche Feinde stehen sich hier (innerhalb der EU) gegenüber? Durch klare Frontscheiben ist hier wohl ein Konglomerat einiger weniger Marktführer zu sehen – das Fernbusunternehmen Flixbus zum Beispiel, mit Sitz in München, das dank einiger Übernahmen die Konkurrenz so ziemlich aus dem Feld geschlagen hat (und der Deutschen Bahn nun auch Konkurrenz macht). Wie war das nochmal mit dem Verkehr auf die Schiene? Vergessen wir das. Flixbus wirbt mit günstigen Fernbusreisen schon ab 5 Euro. Was Reisende nicht realisieren: Flixbus ist vor allem ein digitaler Reisemakler, nur die Plattform für die Ticketbuchung. Mittelständische Unternehmen führen die Reisen durch, die über Flixbus gebucht werden. Mit den neuen Entsenderichtlinien könnten bald Busse, die zum Beispiel von München nach Budapest fahren, von europäischen Niedriglohnkräften gelenkt werden. Vielleicht fährt dann ein in Bulgarien angestellter Busfahrer bis zu 16 Stunden am Tag für 1,57 Euro die Stunde und verteidigt heroisch europäische Arbeitsplätze, also osteuropäische Arbeitsplätze. Lohndumping ist das Wort dafür, jetzt auch EU-weit erhältlich. Für seinen Arbeitsplatz jedenfalls braucht es nur eine Briefkastenfirma. Bis zu 16 Stunden am Tag? Richtig. Die Ruhe- und Lenkzeiten im Fernverkehr sollen nämlich ebenfalls aufgeweicht werden. Durften Bus- oder LKW-Fahrer in Deutschland „nur“ bis zu 9 Stunden am Tag fahren und zweimal in der Woche gar 10 Stunden, sind zukünftig Arbeitszeiten bis zu 16 Stunden am Tag möglich – inklusive weniger Ruhepausen. Einmal Amsterdam und zurück? Kein Problem, der Fahrer liegt abends wieder in seinem Bett, sofern er die Miete seines Abfahrtsortes bezahlen kann…“ Artikel von Katharina Schmitz vom 04.07.2018 beim Freitag online
- [DGB] EU-Mobilitätspaket: Gute Arbeitsbedingungen weiter auf der Tagesordnung
„Das Europäische Parlament hat die Reformvorschläge des sogenannten Mobilitätspakets an den Verkehrsausschuss zurückverwiesen. Damit sind Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen von Bus- und LKW-Fahrern zunächst vom Tisch. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte dazu am Mittwoch in Berlin: „Es ist gut, dass die Teile des Mobilitätspakets, die die Beschäftigten im Transportbereich betreffen, im Europäischen Parlament insgesamt abgelehnt wurden. Denn einzelne Maßnahmen aus diesem Paket gehen in eine völlig falsche Richtung. So stimmten viele Abgeordnete dafür, dass der Schutz der Entsenderichtlinie für Beschäftigte im internationalen Transport erst nach 10 Tagen gelten soll. Deshalb sehen wir auch nach dieser Abstimmung keinen Grund zur Entwarnung. Vielmehr ist der Verkehrsausschuss jetzt in der Pflicht, bei seinen Vorschlägen endlich die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Mittelpunkt zu stellen. Missbrauch und Sozialdumping im Transportsektor müssen endlich bekämpft werden. Die 10 Millionen Beschäftigten des Europäischen Transportgewerbes brauchen bessere Arbeitsbedingungen. Die Lenk- und Ruhezeiten dürfen nicht aufgeweicht werden. Drei Tage Ruhezeit in zwei Wochen muss weiterhin der Standard bleiben. Das ist nicht nur wichtig für die Gesundheit des Fahrpersonals, sondern auch für die Sicherheit aller anderen Verkehrsteilnehmer. Denn mit überlangen Fahrzeiten und wenigen Ruhepausen steigt die Unfallgefahr. Der DGB fordert, dass die Regeln für die Entsendung von Beschäftigten in andere Mitgliedsstaaten, die erst im Mai dieses Jahres verbessert wurden, auch im Transportsektor vom ersten Tag an gelten sollen. Für jeden Bus- und Lkw-Fahrer muss gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – egal ob er aus Bulgarien oder Belgien kommt. Niemand soll in Deutschland für 250 Euro im Monat fahren müssen.“ DGB-Pressemitteilung vom 04.07.2018
- [ver.di] Abstimmung zum EU-Mobilitätspaket: Chance für sozialen Neuanfang
„Das Europäische Parlament hat heute (4.7.) nicht über das Mobilitätspaket entschieden, sondern das Gesetzesvorhaben an den federführenden Verkehrsausschuss zurücküberwiesen. Das komplexe Gesetzgebungsverfahren, von dem sowohl der Straßengüterverkehr wie auch die Omnibusbranche betroffen sind, steht damit wieder auf Null. „Jetzt muss die Chance für einen sozialen Neuanfang genutzt werden. Es muss gelingen, den europaweiten Wettbewerb im Interesse der Beschäftigten und ihrer Unternehmen fair und nachhaltig zu regulieren. Die sozialen Verwerfungen dürfen nicht weiter befeuert werden“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Andrea Kocsis. Aus Sicht von ver.di dürfen die bestehenden Vorschriften zu den Lenk- und Ruhezeiten weder für Busfahrer noch für LKW-Fahrer verschlechtert werden. Die Entsenderichtlinie muss ausnahmslos ab dem ersten Tag für alle Beschäftigten (Busfahrer und LKW-Fahrer) und sämtliche Transportarten (internationale Verkehre und Kabotage) gelten. Auch darf die Kabotage nicht weiter liberalisiert werden. Die Gewerkschaft hatte in den vergangenen Wochen eindringlich vor einem weiteren Lohndumping und der Vernichtung tariflich geschützter Arbeitsplätze in der Reisebusbranche und dem Speditionsgewerbe gewarnt.“ Pressemitteilung von ver.di vom 04.07.2018
- EU-Mobilitätspaket: Arbeitsbedingungen des Fahrpersonals und Verkehrssicherheit in Gefahr. Am 4. Juli stimmt das Parlament der EU über nichts weniger ab, als über die Zukunft des Transportmarktes – und damit des Fahrpersonals
„Seit langem hat sich der Widerstand der europäischen Gewerkschaften formiert gegen jene Pläne von EU-Kommission, Rat und Ausschuss zum Mobilitätspaket, die, wenn sie umgesetzt werden, die Arbeitsbedingungen des Fahrpersonals verschlechtern und den Transportmarkt ungebremst weiter liberalisieren würden. Die Gewerkschaften fordern die Lenk- und Ruhezeiten unangetastet zu lassen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort vom ersten Tag der Entsendung an und keine weitere Liberalisierung der Kabotage. Nun stimmt sa EU-Parlament am 4. Juli über das Mobilitätspaket ab. (…) Ein erster Erfolg, dass das EU-Parlament am 14. Juni in Straßburg die Vorschläge des TRAN-Ausschusses ablehnte und ihm die Mandate für die Eröffnung von Trilogverhandlungen mit dem Rat entzogen. Trilogverhandlungen, ursprünglich nur als Ausnahme in dringenden Fällen der Vermittlung zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission gedacht, sind inzwischen die Regel und sollen für eine schnelle Gesetzgebung sorgen. Nun stehen am 4. Juli diese Themen auf der Tagesordnung des EU-Parlaments. Und das Parlament der EU entscheidet über nichts weniger ab, als über die Zukunft des Transportmarktes – und damit des Fahrpersonals.“ Meldung vom 29.6.2018 bei ver.di Postdienste, Speditionen und Logistik
- Erfolg für Gewerkschaften: Europäisches Parlament weist Vorschläge zum Mobilitätspaket zurück
„Vor rund zwei Wochen hatte der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments ein aus Sicht der Gewerkschaften „fatales Zeichen für Beschäftigte im Straßentransport“ gesetzt. Statt beim so genannten Mobilitätspaket bessere Arbeitsbedingungen im Verkehrssektor zu ermöglichen, vollzog der Ausschuss eine „marktliberale Kehrtwende“. Diesen Vorschlägen hat das Europaparlament jetzt eine Absage erteilt. In seiner heutigen Sitzung (14. Juni) hat das Europäische Parlament die so genannten Trilogmandate zum Mobilitätspaket und damit auch die arbeitnehmerfeindlichen Vorschläge des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr (TRAN) zurückgewiesen…“ DGB-Pressemitteilung vom 14.06.2018
- EU-Mobilitätspaket: ver.di warnt vor einem Existenzvernichtungsprogramm für tariflich geschützte Arbeitsplätze
„Vor der entscheidenden Beratung des Europäischen Parlamentes über das Mobilitätspaket für die Beschäftigten im Straßentransportwesen am Donnerstag (14. Juni) wendet sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) an die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes. „Das Votum des Verkehrsausschusses des Parlaments ist für die Beschäftigten und Unternehmen der Branche katastrophal. Es darf nicht zur Grundlage der angestrebten neuen Regelungen bei der Entsendung und den Lenk- und Ruhezeiten gemacht werden. Wir richten daher an die Europaabgeordneten den eindringlichen Appell, den Antrag auf eine weitere Beratung der Neuregelungen im Plenum des Parlamentes zu unterstützen. Es geht um die Zukunft von Arbeitsplätzen und Unternehmen“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Das Votum des Verkehrsausschusses sieht unter anderem vor, dass LKW-Fahrer und Busfahrer im internationalen Transport von der Entsenderichtlinie ausgenommen werden. Dies würde bedeuten, dass beispielsweise ein bei einem bulgarischen Unternehmen beschäftigter Bus- oder LKW-Fahrer für den bulgarischen Mindestlohn von 235 Euro pro Monat Menschen oder Waren zwischen Deutschland und Frankreich transportieren könnte. Auch solle es bei den Lenk- und Ruhezeiten wieder möglich werden, dass die Beschäftigten sämtliche wöchentlichen Ruhezeiten in der Fahrerkabine verbringen. Damit würde dem Geschäftsmodell der Briefkastenfirma weiter Vorschub geleistet, wonach ein Unternehmen in einem EU-Staat einen Firmensitz unterhält, der nur dazu dient, Arbeitsverträge zu billigeren Konditionen abzuschließen als in dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird. „Wenn die EU solche Rahmenbedingungen schafft, ist das ein Existenzvernichtungsprogramm für sozial- und tariflich geschützte Arbeitsplätze“, warnte Kocsis. Der für die Neuregelungen zur Entsendung und den Lenk- und Ruhezeiten federführende Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hatte am 4. Juni für massive Verschlechterungen votiert und sich damit gegen die zuvor vom Beschäftigungsausschuss erarbeitete Position gestellt. Sollte das Parlament gegen eine weitere Beratung im Plenum und für die Aufnahme des so genannten Triloges stimmen, würde der Vorschlag des Verkehrsausschusses zur Grundlage eines zwischen Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament zu findenden Kompromisses sein.“ Pressemitteilung von ver.di vom 12.06.2018
- DGB fordert bessere Bedingungen für Fernfahrer von der EU
„Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert das Europäische Parlament auf, die Arbeitsbedingungen der Fernfahrer zu verbessern. In einem Brief an die Mitglieder des Brüsseler Verkehrsausschusses schreiben die DGB-Vorstandsmitglieder Annelie Buntenbach und Stefan Körzell, die Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe seien bereits jetzt inakzeptabel. „Und ohne entscheidende Korrekturen droht eine weitere Verschärfung dieser Zustände.“ In der EU laufen seit Längerem Beratungen über das sogenannte „Mobilitätspaket“, das unter anderem die Speditionsbranche regulieren soll. Am kommenden Montag soll der Verkehrsausschuss darüber entscheiden, Anfang Juli steht die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments an. Der DGB verlangt unter anderem, dass das Verbringen aller wöchentlichen Ruhezeiten in der Fahrerkabine verboten wird. Die EU will dies erlauben, sofern der Ort dafür „zertifizierte Parkplätze“ sind. Solche Orte lehnen Buntenbach und Körzell ab. Diese dienten „in erster Linie arbeitgeberseitigen Interessen, verbessern jedoch nicht die Arbeits- und Lebensbedingungen der Fahrer“. Weiter lehnen sie Bestrebungen ab, die Kontrollmöglichkeiten nationaler Behörden zu beschränken. Sie werfen der Branche – vor allem in Osteuropa – vor, ihr Geschäftsmodell sei die Umgehung von Steuer- und Sozialgesetzen. Aber im Europäischen Parlament könne es doch nicht darum gehen, „Gesetze an die illegale Praxis anzupassen, sondern geltende Regeln wirksamer durchzusetzen“….“ Artikel von Detlef Esslinger vom 31.05.2018 in der Süddeutschen Zeitung online
- Mobilitätspaket: 3 Fragen an DGB-Vorstand Stefan Körzell
„Warum ist der Transportsektor bei der Entsenderichtlinie ausgeklammert worden? Was bedeutet das für die Fahrer? Und wie kann man die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern?“ DGB-Vorstand Stefan Körzell beantwortet bei DGB-Wirtschaft vom 28. Mai 2018 die wichtigsten Fragen zum Mobilitätspaket: „… Die Kommission hat von Anfang an sektorspezifische Ausnahmen von den Mindeststandards und Schutzbestimmungen der Entsenderichtlinie vorgesehen. (…) Tatsächlich geht es darum, Unternehmen zu schützen, die vor allem auf Lohn- und Sozialdumping setzen und deshalb Fahrer auf monatelange Touren schicken. Dagegen muss der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort für Mann und Frau“ durchgesetzt werden. (…) Grundsätzlich kritisieren wir, dass die Kommission ihren Weg der Liberalisierung und Deregulierung weitergehen will, allen Versprechungen für ein sozialeres Europa zum Trotz. Bessere Kontrollen und die Durchsetzung der Regeln spielen kaum eine Rolle. Unser zentraler Kritikpunkt ist, dass die Schutzbestimmungen der Entsenderichtlinie für die Beschäftigten im Verkehrssektor erst nach mehreren Tagen gelten sollen. So würde Monat für Monat ein Dumping-Fenster geöffnet. (…) Damit wirkliche Verbesserungen für LKW-Fahrer aus Ost- wie Westeuropa erreicht werden, muss die Entsenderichtlinie auch im Verkehr vom ersten Tag an gelten – für alle Fahrten mit internationaler Beteiligung, egal, ob es sich um Kabotage, kombinierten oder grenzüberschreitenden Verkehr handelt. Die Mindestlohnregelungen müssen durchgesetzt werden. Weder die Lenk- und Ruhezeiten noch die Kabotage-Regelungen dürfen ausgeweitet werden. Wir brauchen mehr Personal für Kontrollen und die schnelle Einführung digitaler Tachographen. Alle Regeln müssen auch für Kleinbusse und LKW unter 3,5 Tonnen gelten…“ Siehe auch EU: Debatte um Durchsetzungs-Richtlinie zur Entsendung
- [DGB] Körzell: EU-Kommission liberalisiert Binnenmarkt zu Lasten der Arbeitnehmer
„Die EU-Kommission hat das so genannte Mobilitätspaket für den europäischen Straßentransport vorgestellt. Dazu sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Freitag in Berlin: „Im Mobilitätspaket ist viel von Visionen, sauberer Mobilität und smarter Maut die Rede. Aber die – von Kommissionspräsident Juncker beschworene – Stärkung der Sozialen Dimension wird gnadenlos der Liberalisierung des Binnenmarktes untergeordnet. So sollen LKW-Fahrer aus dem Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie herausgenommen und die wöchentliche Ruhezeit für Bus-, Reisebus- und LKW-Fahrer verkürzt werden. Der DGB lehnt beide Vorhaben entschieden ab. (…) Statt neue Ausnahmen von sozialen Schutzbestimmungen zu schaffen, müssen die bestehenden Regeln endlich konsequent durchgesetzt werden. Für Kontrollen muss genug Personal z.B. beim Zoll eingestellt werden, betrügerische Geschäftspraktiken von Briefkastenfirmen müssen beendet werden. Hier trägt auch die Bundesregierung Verantwortung: In Deutschland wird zu wenig kontrolliert und kaum sanktioniert.“ DGB-Pressemitteilung vom 2. Juni 2017
- Wir erinnern an die Europäische Bürgerinitiative “Fairer Transport in Europa – Gleichbehandlung aller Verkehrsbeschäftigten”
- Siehe in diesem Zusammenhang auch unser Dossier: EU: Debatte um Durchsetzungs-Richtlinie zur Entsendung