Mehr Schein als Sein: Amazon gibt sich gern weltoffen. Doch bei näherem Hinsehen nutzt das Unternehmen vor allem die prekäre Lage ausländischer Beschäftigter

MakeAmazonPay international: Streiks bei Amazon zum "Prime Day" am 11./12. Juli 2023 (Foto: Amazon Streiksoli Hamburg)„Wer bei Amazon einen Job sucht, trifft auf den Internetseiten auf ein Bild der Vielfalt, auf Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Haut- und Haarfarben. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie strahlen in die Kamera, als gäbe es nichts Schöneres, als Kartons hin- und  herzuschieben, zu sortieren oder auszutragen. Amazon legt viel Wert auf sein weltoffenes Image – und pflegt es in millionenschweren Werbekampagnen. Laut Unternehmensangaben setzen sich die 36 000 Beschäftigten in Deutschland aus über 100 Nationalitäten zusammen. Die Website verheißt: „Wir setzen uns für Vielfalt und Integration ein.“ Doch mit der Arbeitswelt von Menschen aus anderen Nationen hat diese heile Welt bei Amazon – aber längst nicht nur dort – oft wenig gemeinsam…“ Beitrag von Hugh Williamson aus dem HBS-Magazin Mitbestimmung 01/2024 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Beitrag von Hugh Williamson aus dem HBS-Magazin Mitbestimmung 01/2024 externer Link: „… Der Anteil ausländischer Arbeitskräfte in den untersten Entgeltgruppen in Deutschland steigt. Laut Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichem Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) arbeiteten 2022 rund 3,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte im Segment der Geringverdiener (Bruttomonatsverdienst unter 2.431 Euro). Während 2014 586 000 dieser Geringverdiener ausländischer Herkunft waren, stieg ihre Zahl bis 2022 auf 1,1 Millionen. Stefan Thyroke, Leiter der Fachgruppe Logistik bei Verdi, stellt fest: „Die Beschäftigung im Logistiksektor wird in Deutschland immer prekärer, und Amazon ist Teil davon.“ Früher haben Unternehmen „Gastarbeiter“ rekrutiert, dann entsendete Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern, und jetzt setzen sie auf günstige Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten. Amazon ist in Deutschland mit über 100 Standorten vertreten. Beschäftigte aus Ländern des Nahen Ostens, aus Afrika und anderen Teilen der Welt machen oft zwei Drittel der Belegschaft aus. In den niedrigsten Entgeltgruppen liegt der Anteil sogar noch höher. (…) Amazon nutzt die schwierige Situation der ausländischen Neueinsteiger – ungeklärter Aufenthaltsstatus, mangelnde Deutschkenntnisse und kaum Erfahrung mit vergleichbarer Arbeit – und stuft sie bei der Entlohnung erst mal ganz unten ein. Das erscheint seltsam vertraut. Ähnlich praktizierten es Auto- und Stahlkonzerne, mittelständische Fabrikherren und Müllabfuhren mit den „Gastarbeitern“ schon vor 50 Jahren. Aber immerhin: Ein Niedriglohnjob bei Amazon ist ein erster Schritt aus dem Transfersystem in den regulären Arbeitsmarkt – allerdings zu kärglichen Bedingungen. Die geringe Bezahlung ist für die meisten Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund das größte Problem. Das bestätigt auch Hedi Tounsi. Der Einstiegslohn liege bei 13 bis 14 Euro pro Stunde und damit nur wenig über dem Mindestlohn. „Die Kernforderung lautet: Mehr Geld für harte Arbeit!“, sagt er.(…) Unsichere Beschäftigungsverhältnisse sind ein weiteres Problem für Menschen ohne gesichertes Aufenthaltsrecht. Viele Amazon-Standorte setzen Leihbeschäftigte ein und übernehmen nur wenige von ihnen in Festanstellung. An anderen Standorten stellt der Onlinehändler oft nur befristetet ein. Doch wer in Deutschland nur geduldet ist, braucht einen Arbeitsvertrag, um bleiben zu können. Tounsi berichtet: „Aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, arbeiten viele Beschäftigte hart und halten die Klappe.“ Beschäftigte, deren Aufenthaltsgenehmigung abläuft, haben von Amazon wie auch von vielen anderen Arbeitgebern in der Regel keine Unterstützung zu erwarten, erzählt ein Betriebsrat, der wie einige andere lieber anonym bleiben möchte. Auch Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für das Amazon-Projekt in Niedersachsen und Bremen, berichtet von Fällen, „in denen Amazon bei drohender Abschiebung untätig blieb“. In Wunstorf bei Hannover drohte einem Verdi-Mitglied und Betriebsratsnachrücker aus Westafrika 2022 dieAbschiebung. Amazon lehnte es ab, tätig zu werden, aber Verdi startete eine Kampagne: Die Aufenthaltsgenehmigung des Kollegen wurde verlängert…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=218336
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