Der Bulgare Vitali N. erstickt nach Polizeieinsatz in Niederlehme, Brandenburg, in matschiger Erde, mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt…
Dossier
„… Mediziner stellten Erde sowohl im Mund als auch in der Lunge des 45-Jährigen fest. Es sei denkbar, dass der Mann „gewaltsam“ und für mehrere Minuten mit dem Gesicht in matschige Erde gedrückt wurde und so die Erde eingeatmet haben könnte‼ Im Polizeibericht dazu jedoch kein Wort. Warum wurde Vitali N. nicht geholfen? Welche Konsequenzen gibt es für die Polizist*innen, die ihn offenbar zu Tode erstickt haben? Welche Konsequenzen gibt es für die Anwohner*innen, die offenbar der Polizei bei der tödlichen Fixierung geholfen haben? Das Polizeipräsidium in Potsdam hat laut Tagesspiegel mitgeteilt, dass derzeit nicht etwa gegen die beteiligten Polizist*innen, sondern noch immer wegen der angeblichen Widerstandshandlungen des Getöteten (?!) Vitali N. ermittelt wird… Aus dem Thread von Death In Custody DE vom 15.4. , siehe weitere Informationen:
- Ein Jahr nach dem Tod von Vitali Novacov bei Einsatz: Fragen an Polizei bleiben offen
„Vor einem Jahr starb der Moldauer Vitali Novacov nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen. Die Beamten wurden bis heute nicht befragt.
Ivan Novacov hat das Vertrauen in die deutschen Behörden verloren. Vor einem Jahr ist sein Bruder Vitali nach einem Polizeieinsatz in Brandenburg gestorben, aber die Aufklärung geht nicht voran. Ivan Novacov lebt in Moldau, knapp 2.000 Kilometer entfernt von dem Ort, an dem sein Bruder am 12. April 2023 zu Tode kam. Er will endlich wissen, was passiert ist. „Niemand gibt uns Informationen“, erzählt er am Telefon. „Nicht einmal eine Entschuldigung haben wir erhalten, nichts. Wir werden einfach ignoriert.“ (…) Auch ein Jahr später sind nach taz-Information nicht alle wichtigen Zeugen vernommen. Das bestätigt auch Julian Muckel vom Verein Opferperspektive Brandenburg, der die Familie Novacov berät. Die Staatsanwaltschaft habe bis heute keine der beteiligten Polizeibeamten vernommen. Die Beamten befänden sich weiter im Dienst, heißt es in einer Meldung der Opferperspektive zum ersten Todestag von Novacov. Gegenüber der taz äußert sich die Staatsanwaltschaft Cottbus nicht. Diese Erfahrung macht auch der Anwalt der Familie von Novacov, Falko Drescher. Im August hatte er die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg gebeten, den Fall zu übernehmen. Die Ermittlungen der Polizei seien „tendenziös und unbrauchbar“, bei der Staatsanwaltschaft sei kein Aufklärungsinteresse zu erkennen, eine weitere Verdunklung müsse verhindert werden, schrieb er in einer Fachaufsichtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte seine Bitte ab. Für die Familie von Vitali Novacov ist das Schweigen der Behörden kaum auszuhalten. Sein Vater, erzählt Ivan Novacov, der Bruder des Toten, sei über die ganze Geschichte herzkrank geworden. Er frage ihn immer wieder, was es Neues aus Deutschland gibt. Ivan sagt, er halte es kaum aus, ihm nichts sagen zu können.“ Artikel von Anne Fromm und Erica Zingher vom 12.4.2024 in der taz online - [Warum ist Vitali Novacov gestorben?] Ausbeutung von Arbeitsmigrant:innen: Deutschlands Schattenwelt
„Die Existenznot treibt Menschen aus Osteuropa in den Westen. Statt des erhofften besseren Lebens treffen sie auf Ausbeutung und Entrechtung. (…) Auch Vitali Novacov ist diesem Versprechen gefolgt. Ein 45-jähriger Mann mit bulgarischem Pass, geboren in Moldau. Nach einem Polizeieinsatz in Brandenburg ist Novacov am 12. April auf der Intensivstation eines Neuköllner Klinikums in Berlin gestorben. Allein. Meine Kolleg:innen und ich haben diesen Fall recherchiert. Denn es gibt viele Fragen, Ungereimtheiten. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht aufgeklärt. War es Polizeigewalt? War er in psychischer Not? Und wenn ja, wurde mit dieser richtig umgegangen?
Für viele war Vitali Novacovs Tod nur ein kurzer Bericht, eine Randnotiz. In Novacovs Heimatort hingegen ist seitdem die Welt stehen geblieben. In Moldau, wo ich herkomme, wo auch Vitali Novacov geboren wurde, verwaisen ganze Dörfer. Kinder wachsen ohne Eltern auf; sie sind für sie nur noch Gesichter auf Smartphonebildschirmen, denen sie zuwinken alle paar Tage. Fast eine Million Menschen haben Moldau auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen bisher verlassen, und das bei einer Gesamtbevölkerung von rund 3,5 Millionen Menschen. (…) Arbeitsmigrant:innen sind so gut wie rechtlos. Sie werden ausgenutzt, bis von ihnen nichts mehr übrig ist. Vielleicht wollte Vitali Novacov diesem Schicksal entfliehen. Er wollte legal in Deutschland arbeiten, das erzählte uns ein Freund und auch die Familie. Für ihn hat sich das Versprechen auf ein besseres Leben nie eingelöst. Zurück nach Hause kam er in einem Sarg.“ Kolumne von Erica Zingher vom 23.6.2023 in der taz online - An der Darstellung der Polizei gibt es Zweifel… Kundgebung am Sonntag 23.04.23 in Berlin: Gerechtigkeit für Vitali Novacov! So viele Einzelfälle haben System!
- „Gerechtigkeit für Vitali Novacov! Er wurde getötet durch rassistische #Polizeigewalt. So viele Einzelfälle haben System! Kommt alle zur Kundgebung am Sonntag, 23. April 2023, um 17 Uhr auf dem Oranienplatz #Berlin #Justice4Vitali #WasGeschahMitVitali #Polizeiproblem…“ Thread von Death In Custody DE vom 20. Apr. 2023
- Vorwürfe gegen Polizei in Brandenburg: Wie starb Vitali N.?
„In Königs Wusterhausen kommt ein Mann nach einem Polizeieinsatz ums Leben. taz-Recherchen zeigen: An der Darstellung der Polizei gibt es Zweifel. (…) Die Berliner Polizei ermittelt nun, die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Leiche obduzieren lassen. Am Dienstagmittag lag ein erstes Ergebnis vor: Es gebe vorerst keine Hinweise auf Fremdverschulden oder Gewalteinwirkung, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Man untersuche aber weiter. Nach taz-Recherchen gibt es allerdings erhebliche Zweifel an der Schilderung der Polizei zum Ablauf der Festnahme. Der taz liegen interne Unterlagen vor, Teile der Patientenakte, ein Durchsuchungsprotokoll der Polizei sowie der Einsatzbericht des Notarztes, der Vitali N. in Königs Wusterhausen erstversorgt hat. Die Polizeidirektion Süd in Cottbus gibt am Tag nach der Festnahme eine knappe Mitteilung heraus. Darin heißt es, der Festgenommene habe auf Gegenstände und Autos eingeschlagen. Er sei aggressiv und psychisch auffällig gewesen. Die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt. Mit Hilfe von Anwohnern sei er gefesselt worden, dann sei er ohnmächtig geworden, ein Notarzt sei gerufen worden. Dass der Mann zu diesem Zeitpunkt offenbar schon in Lebensgefahr schwebte, steht nicht in der Meldung. Auch den Tod vermeldet die Polizei nicht. (…) In Berlin kommt er auf die Intensivstation, sein Blut wird untersucht. Der Laborbericht zeigt: Der Mann ist nüchtern. Kein Alkohol im Blut, kein Kokain, keine Amphetamine, Opiate oder andere Drogen, auf die die Mediziner*innen testen. In der Nacht schickt die Brandenburger Polizei ein Amtshilfegesuch an die Berliner Polizei. Die Berliner Beamten sollen Kleidungsstücke mitnehmen und eine Blutprobe „bitte dringend“ auf Alkohol, Betäubungsmittel und Medikamente testen. So ordnet es die Staatsanwaltschaft Cottbus an. Die Berliner Polizisten nehmen aus dem Klinikum Neukölln einen weißen, zerschnittenen Pullover mit, eine Jeans, eine Unterhose und schwarze Schuhe. Das geht aus dem Durchsuchungs-Protokoll der Polizei hervor. Auf taz-Anfrage äußert sich die Berliner Polizei nicht. (…) Der Tod von Vitali N. wird in der kommenden Woche auch den Innenausschuss des Brandenburger Landtags beschäftigen. Dessen Vorsitzende, die Linkspartei-Abgeordnete Marlen Block, sagt gegenüber der taz, sie fände es „mehr als bedenklich“, wenn die Darstellung der Polizei „deutlich von der vom Notarzt vorgefundenen Lage abweicht“. Das Ermittlungsverfahren dazu müsse bei der Berliner Polizei verbleiben. Aus dem Klinikum Neukölln heißt es, Vitali N. sei allein gestorben. Angehörige konnten nicht ermittelt werden. Vitali N. wurde in Moldawien geboren und war bulgarischer Staatsbürger. Er wurde 45 Jahre alt.“ Artikel von Anne Fromm vom 18.4.2023 in der taz online
- Mann erstickt offenbar nach Polizeieinsatz – Schwere Vorwürfe gegen die Polizei in Brandenburg: Nach einem Einsatz der Beamten kommt ein Mann bewusstlos in eine Klinik. Kurz darauf ist er tot.
„Ein 45-jähriger Mann ist am Dienstagabend in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Zuvor war er Beamten in Niederlehme (Dahme-Spreewald) durch „aggressives Verhalten“ aufgefallen. Zudem soll er auf einem Grundstück des Ortes randaliert haben. Als ihn die Beamten festgenommen hatten, kollabierte der Mann, teilte ein Sprecher der Polizei in einer Mitteilung mit. Wie der „Tagesspiegel“ nun berichtet, stellten Mediziner im behandelnden Krankenhaus offenbar Erde in Mund und Lunge des Bulgaren fest. Erstickte der 45-Jährige aufgrund zu harten Eingreifens der Polizei? (…) „Er verhielt sich aggressiv, biss und war psychisch auffällig“, so ein Sprecher. Durch die Polizisten sei dann Pfefferspray zum Einsatz gekommen. Der 45-Jährige sei mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt worden, „unmittelbar danach wurde er ohnmächtig, die Handfesseln wurden gelöst, Erste Hilfe geleistet und ein Notarzt hinzugerufen“, hieß es weiter. Die Beamten schreiben, der Mann kam zur weiteren Behandlung in eine Klinik. Nach „Tagesspiegel“-Informationen sei der Mann zu diesem Zeitpunkt bereits hirntot gewesen, die Ärzte hätten einen hypoxischen Hirnschaden festgestellt. Zu diesem komme es bei massivem und länger anhaltendem Sauerstoffmangel des Gehirns. (…) Wie der Bericht weiter ausführt, hätten die Mediziner Erde sowohl im Mund als auch in der Lunge des 45-Jährigen festgestellt. Es sei denkbar, dass der Mann „gewaltsam“ und für mehrere Minuten mit dem Gesicht in matschige Erde gedrückt wurde und so die Erde eingeatmet haben könnte. Im Polizeibericht verlieren die Beamten darüber jedoch kein Wort. Laut Bericht starb der 45-Jährige am Mittwochabend eines „unnatürlichen Todes“, bereits nächste Woche soll der Leichnam obduziert werden. Das sei außergewöhnlich schnell, so der „Tagesspiegel“. Federführend bei den Ermittlungen sei die Polizei Berlin.“ Meldung vom 15. April 2023 bei t-online - Polizeigewalt in Brandenburg?: An Erde erstickt, hirntot, wiederbelebt und in Berlin gestorben
„Ist in Brandenburg ein Polizeieinsatz außer Kontrolle geraten? Das Opfer, ein 45-jähriger Bulgare, starb später im Klinikum Neukölln. Nach Tagesspiegel-Recherchen ist er an Erde erstickt…“ Artikel von Alexander Fröhlich vom 14.04.2023 im Tagesspiegel online – auf den sich alle beziehen, lieder immer noch hinter Bezahlschranke - „UNFASSBAR ! Schon wieder #Polizeigewalt !
Wenn ein Mensch bis zum ersticken mit dem Kopf in den Matsch gedrückt wird, so deuten Mediziner die gefundene Erde in der Lunge des Opfers, dann ist es Mord ! R.I.P. VITALI
Beim Personal im Klinikum Berlin-Neukölln herrscht pures Entsetzen. Ein Mann, der dort nach einem Einsatz der Brandenburger Polizei am Dienstagabend eingeliefert wurde, ist verstorben. Grund sind nach Einschätzung der Mediziner schwerste Schäden, die dem 45-jährigen Bulgaren durch Brandenburger Beamte zugefügt worden sein sollen. Nun ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft in Berlin zur Todesursache. Die Brandenburger Beamten selbst stellten den Vorfall in ihrem Einsatzprotokoll offenbar ganz anders dar, als ihn die Mediziner später einschätzten. Denn im offiziellen Pressebericht der Polizeidirektion Süd in Cottbus ist fast nichts vom Ausmaß des Falls zu lesen, wie ihn die Mediziner sehen. Vielmehr muss die Polizei in ihrem Bericht entscheidende Details verschwiegen haben. Tatort ist Niederlehme, ein Ortsteil von Königs Wusterhausen. Laut offiziellem Bericht riefen Anwohner um 21.15 Uhr die Polizei, Beamte fuhren in die Karl-Marx-Straße, wo Vitali N. seit 1. April offiziell seine Meldeadresse hatte. „Dort hielt sich ein Mann unberechtigt auf einem Grundstück auf, trat gegen Gegenstände und schlug auf PKW ein“, heißt es im Polizeibericht. „Der Mann war nach der Aufforderung von Polizeibeamten nicht bereit, von seinem Handeln zu lassen. Er verhielt sich aggressiv, biss und war psychisch auffällig. Durch die Polizisten kam Pfefferspray zum Einsatz.“
Weiter ist im Bericht der Polizei zu lesen: „Der 45-Jährige konnte mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt werden. Unmittelbar danach wurde er ohnmächtig, die Handfesseln wurden gelöst, erste Hilfe geleistet und ein Notarzt hinzugerufen. Der Mann wurde zur medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus gebracht.“
Vitali N. war bereits hirntot, als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Tatsächlich war Vitali N. nach Tagesspiegel-Informationen bereits hirntot, als er auf die Intensivstation in Neukölln kam. Die Ärzte dort stellten einen hypoxischen Hirnschaden fest. Dazu kommt es durch massiven Sauerstoffmangel, etwa beim Ersticken. Im Klinikum wird davon ausgegangen, dass N. erstickt ist. Das entscheidende Detail, das in der Darstellung der Polizei fehlt: In den Atemwegen und in der Lunge haben die Mediziner Erde gefunden. Auch im Gesicht sei Erde gewesen, als der Mann eingeliefert wurde. Offenbar, zu diesem Schluss kommen die Mediziner, muss der Mann gewaltsam und für längere Zeit mit dem Gesicht in matschige Erde gedrückt worden sein. Er sei an der Erde erstickt, hieß es von mehreren mit dem Fall vertrauten Personen. Die These, dass der Mann mit dem Gesicht über mehrere Minuten auf den Boden gedrückt wurde, deckt sich mit der Witterung: Am Dienstag hat es in der Hauptstadtregion ausgiebig geregnet, der Boden ist aufgeweicht und stellenweise matschig.
Leiche wird obduziert
Am Mittwochabend um 17.57 Uhr verstarb Vitali N. im Klinikum Neukölln. Die Ärzte vermerkten im Totenschein, dass er eines unnatürlichen Todes gestorben, die Ursache unklar sei. Regulär wird dann von den Behörden ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Zuständig ist die Polizei Berlin, wie eine Sprecherin bestätigte. Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt den Fall überaus ernst. Sie hat eine Obduktion des Leichnams für nächste Woche angeordnet. Das Brandenburger Polizeipräsidium in Potsdam ließ eine Anfrage unbeantwortet. Ein Sprecher verwies auf die Staatsanwaltschaft Cottbus. Dort aber ist der Todesfall noch gar kein Thema: Bislang werde zu den Widerstandshandlungen von Vitali N. ermittelt, sagte eine Sprecherin
Weil die Brandenburger Behörden schweigen, bleibt unklar, ob die Einschätzung der Mediziner zutrifft oder ob die Erde auf ganz andere Weise in die Atemwege von Vitali N. gelangt ist.“ Thread von Wohnungslosen Protest (Homeless Antifa) vom 15. Apr. 2023 - „#JUSTICE4VITALI
#Polizeigewalt tötet immer wieder. Diese Woche wurde Vitali N. in #Brandenburg auf brutalste Weise von der #Polizei erstickt. Das muss endlich aufhören! Wir haben es so satt, dass Menschenleben so egal sind. #defundthepolice #polizeigewalt #Polizeiproblem…“ Thread von Solidaritätskreis Mouhamed vom 16. Apr. 2023 - Siehe auch #JusticeForVitaliN /#Justice4Vitali / #WasGeschahMitVitali