Alltagsrassismus macht Geflüchteten das Leben schwer – auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt
„… Rassismus und Diskriminierung erschweren Geflüchteten in Deutschland die Integration in den Arbeitsmarkt. Zu diesem Schluss kommt eine politikwissenschaftliche Studie der Universität Tübingen (…) In Berufsschulen könnten Rassismuserfahrungen psychosomatische Beschwerden und Bildungsabbrüche verursachen, so Autor Nikolai Huke. In den Betrieben komme es zu Konflikten zwischen Beschäftigen. „In einigen Fällen wurden die von Diskriminierung Betroffenen entlassen, während diejenigen, die sich rassistisch äußerten, keine Sanktionen befürchten mussten. In Behörden erschweren Vorurteile und fehlende Sprachkenntnisse den Geflüchteten immer wieder Zugang zu Unterstützungsleistungen und machten sie von externer Unterstützung (z.B. durch Ehrenamtliche) abhängig.“ (…) Die Tatsache, dass ein Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes unter Umständen das Aufenthaltsrecht bedrohe, erschwere es Geflüchteten zusätzlich, sich gegen Rassismus in der Schule oder im Betrieb zu wehren. „Wo es keinen gleichberechtigten Zugang gibt, stehen die Türen für ausgrenzende und rassistische Handlungen in Betrieben weit offen“, sagt Andrea Kothen von der Organisation Pro Asyl. „Ein Staat, der einen Teil der Bevölkerung diskriminierenden Regelungen unterwirft, muss wissen, dass das System in den Betrieben alltäglich Wirkung entfaltet.“ (…) Als Gegenmaßnahmen schlägt die Studie unter anderem vor, professionelle Antidiskriminierungs- und Rechtsberatungsstellen flächendeckend aufzubauen, die ehrenamtliche Begleitung von Flüchtlingen im Alltag zu fördern und Arbeitsmarktakteure wie Behörden und Berufsschulen für dieses Thema zu sensibilisieren.“ Mitteilung vom 27. November 2020 der Eberhard Karls Universität Tübingen zur 52-seitigen Studie von Nikolai Huke : „Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete“. Siehe auch:
- Rassismus verhindert Integration in den Arbeitsmarkt – Neue Studie der Universität Tübingen belegt: Diskriminierung im Alltag erschwert das Leben Betroffener enorm
„Rassismus erschwert Flüchtlingen auf vielfältige Weise das Leben. Die Diskriminierung gefährdet beispielsweise die Integration in die Arbeitswelt. Auch bei der Wohnungssuche müssen Betroffene rassistische Erfahrungen mit weitreichenden Auswirkungen erleben. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Tübingen. Der Politologe Nikolai Huke und sein Team führten 64 Interviews mit Geflüchteten, Behördenmitarbeiter*innen, Beratungsstellen und Gewerkschafter*innen. Darin wurden wiederholt Rassismuserfahrungen in Behörden, Berufsschulen, Betrieben oder bei der Wohnungssuche thematisiert. »Rassismus und Diskriminierung erschweren Geflüchteten in Deutschland die Integration in den Arbeitsmarkt«, resümiert Huke gegenüber »nd«. Dabei gibt es gerade im Mittelstand und beim Handwerk demografische Gründe, die die Integration von Geflüchteten in die Betriebe erleichtern würden: Es fehlen einfach Arbeitskräfte. Doch manchmal werden rassistische Gründe gegen betriebswirtschaftliche Erwägungen gestellt, wie bei einem in der Studie erwähnten Handwerksbetrieb in Bautzen. Dort sitzt die Arbeitgeberseite am Tisch mit dem Landrat und sagt: »Wir haben schon keine Polen und Tschechen angestellt, warum sollten wir da Geflüchtete einstellen?« Doch das sind Ausnahmen. In den meisten Fällen verlaufe die Integration in den Betrieben konfliktarm, heißt es in der Studie. Zudem gebe es Fälle, wo die gesamte Belegschaft eines mittelständischen Betriebs protestiert, wenn migrantische Kolleg*innen abgeschoben werden sollen. Solchen positiven Berichten stehen allerdings viele Beispiele gegenüber, die zeigen, wie Erfahrungen des Alltagsrassismus, die die Geflüchteten in der Freizeit machen, auch die Integration in das Arbeitsleben behindern. (…) Als eine der Gegenstrategien benennt die Studie die Stärkung der Solidarität unter den Beschäftigten im Betrieb, unabhängig von ihrer Herkunft. Huke sieht hier auch eine große Aufgabe für die Gewerkschaften. Daher ist es erfreulich, dass das Ressort Migration und Teilhabe der IG Metall zu den Mitherausgebern der Studie gehört.“ Artikel von Peter Nowak vom 10.12.2020 in neues Deutschland online