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1973 wurde nicht nur bei Ford gestreikt: Arbeitskämpfe gegen das System gespaltener Belegschaften
„Der Streik bei Ford 1973 markiert den Höhepunkt der bis heute größten Welle wilder Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik. »Gastarbeiter« traten erstmals auf breiter Front als politisches Subjekt hervor. Auch deshalb spielen sie in der Erinnerung an die Kämpfe der Migration bis heute eine herausragende Rolle. (…) Als der Betriebsrat die Unterstützung verweigert und den Streik für illegal erklärt, besetzen die Streikenden die Fabrik und wählen eine eigene Streikleitung. So beginnt der »Fordstreik«, jener berühmte wilde Streik, der sieben Tage lang bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Er markiert den Höhepunkt der bis heute größten Welle wilder Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik. Über das ganze Jahr 1973 hinweg waren es um die 300.000 Beschäftigte, die an rund 400 nicht genehmigten Streiks teilnahmen…“ Beitrag von Jan-Ole Arps vom 14. August 2022 im OXI-Blog und mehr daraus:
- Weiter im Beitrag von Jan-Ole Arps vom 14. August 2022 im OXI-Blog : „… Und in der Stadt kippt die Stimmung gegen den Streik. In den Medien ist immer öfter von »Türkenterror« die Rede – und von »linken Chaoten«, die »die Türken« aufgewiegelt hätten. Auch der Betriebsrat und die IG Metall verbreiten diese Geschichte. Die Gewerkschaft baut eine Lautsprecheranlage vor dem Tor auf, bei der sich »arbeitswillige Deutsche« sammeln. Auch die Polizei bezieht Stellung. Am Morgen des 30. August ist es so weit: Eine Demonstration »Arbeitswilliger« verschafft sich Zugang zum Werk. Es kommt zu Jagdszenen auf türkische Arbeiter_innen, mehrere Dutzend werden verletzt. Bis heute ist nicht geklärt, ob es tatsächlich deutsche Kolleg_innen oder als Arbeiter_innen verkleidete Werkschützer_innen und Polizist_innen waren, die den Streik zerschlugen. Für die Öffentlichkeit ist die Sache jedoch klar: »Deutsche Arbeiter kämpfen die Fordwerke frei!«, titelte »BILD« am nächsten Tag. Mehrere Hundert Beteiligte werden in den Folgetagen entlassen. In den Medien werden die spontanen Streiks als »Aufstand der Gastarbeiter« beschrieben – was sie häufig auch waren – und zur Mobilisierung rassistischer Stimmungen benutzt. (…) Dass die rassistische Hetze auch unter vielen Kolleg_innen verfing, lässt sich indes nicht nur mit der Wirtschaftskrise, auch nicht mit den Altnazis erklären, die 1973 noch die Unternehmen bevölkerten. Die Grundlage bildete das System gespaltener Belegschaften, das deutschen Beschäftigten einen betrieblichen Aufstieg auf Kosten nichtdeutscher Arbeiter_innen ermöglichte. (…) Zu den Erfahrungen der spontanen Streiks von 1973 gehörte, dass Solidarität deutscher Kolleg_innen die Ausnahme war. Wenn sie gelang, dann meist dort, wo Deutsche ebenfalls unter besonders schlechten Bedingungen schufteten, oft in Unternehmen mit hohem Frauenanteil wie bei Pierburg in Neuss. (…) Auch wenn die Zeit der »Gastarbeit« vorbei ist: Die betriebliche Spaltung entlang rassistischer Vor- und Nachteile existiert noch immer. In vielen Unternehmen arbeitet heute neben der oft tariflich gut abgesicherten Stammbelegschaft ein ganzer Kosmos schlechter gestellter Randgruppen. Auch das Augenmerk der Gewerkschaften liegt nach wie vor auf der Vertretung der Interessen der einheimischen »Stammbeschäftigten«, obwohl sie damit ein zentrales Machtmittel des Unternehmerlagers reproduzieren. Und selbst ein Teil der Linkspartei begreift die neuen Arbeitsmigrant_innen als »Konkurrenz« für den deutschen Arbeitsmarkt, statt als jene betriebliche Unterschicht, auf deren Ausbeutung deutsche Unternehmen seit nunmehr 77 Jahren ihren außerordentlichen Erfolg auf dem Weltmarkt aufbauen.“