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- Ärzteschaft
- Gesundheitswesen allgemein
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- Kampf gegen Privatisierung im Gesundheitswesen in diversen Kliniken
- Konflikte und Arbeitskämpfe in diversen Kliniken
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[Johanniter] Rassismus beim Rettungsdienst: Rechte Retter
Dossier
„Hass auf Geflüchtete, Nazi-Geburtstage im Kalender, rassistische Chats: Rettungskräfte haben ein Problem mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. (…) Auf der Feuerwache 9 in Köln, wo die Johanniter unter anderem einen 24-Stunden-Rettungswagen besetzen, klaffen Leitbild und Wirklichkeit weit auseinander. Die Nazi-Geburtstage im Kalender sind nur der plakative Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung: Rechtsradikale konnten ihre Weltanschauung hier ziemlich frei ausleben. Ein Mitarbeiter hingegen, der das Problem ansprach, wurde gekündigt. (…) Korpsgeist. Selbst wer sensibel für problematische Entwicklungen ist, schweigt oft lieber, aus Angst vor Konsequenzen am Arbeitsplatz. Aber manche reden dann doch. (…) Sie arbeiten in verschiedenen Organisationen, in verschiedenen Bundesländern und in verschiedenen Positionen. (…) Rechte Retter sind keine Ausnahme. Der Rettungsdienst in Deutschland hat ein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus – und kaum ein:e Vorgesetzte:r unternimmt etwas dagegen…“ Artikel von Sebastian Erb und Anne Fromm vom 16.9.2022 in der taz online mit vielen Beispielen und weitere Infos:
- Rassismus: Bericht offenbart „fragwürdige“ Einstellungen unter Johanniter-Mitarbeitern
„… Die Johanniter-Unfall-Hilfe ist nach eigenen Angaben mit rund 29.000 Beschäftigten und mehr als 46.000 ehrenamtlichen Helfern eine der größten Hilfsorganisationen in Deutschland. Nach Bekanntwerden rassistischer Vorfälle von Mitarbeitern, will sie mit einem Maßnahmenpaket künftiges Fehlverhalten von Haupt- und Ehrenamtlichen vermeiden. Medienberichten zufolge soll es bei den Kölner Johannitern unter anderem zu fremdenfeindlichen Äußerungen einzelner Mitarbeiter gekommen sein. In einen Wandkalender seien die Geburtstage von Nazi-Größen eingetragen worden. In Brandenburg an der Havel kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen einem dunkelhäutigen Lieferdienstfahrer und einem Johanniter-Mitarbeiter. Dabei erlitt das aus Kenia stammende Opfer einen Armbruch. (…) In einem am Dienstag in Köln veröffentlichten Bericht einer auf Fehlverhalten in Unternehmen spezialisierten Anwaltskanzlei heißt es, es gebe zwar keine Hinweise auf rechtsradikale Strukturen oder systematische Fremdenfeindlichkeit. Strukturelle Ursachen begünstigten jedoch das Fehlverhalten einzelner Mitarbeitender. So seien Einzelfälle belegt worden. Die in den Medien genannten Vorfälle seien „überwiegend wie beschrieben oder ähnlich passiert“. Dazu wurden mit Mitarbeitern der betroffenen Feuerwache 9 in Köln zahlreiche Gespräche geführt, hieß es. (…) Um solche Vorfälle in Zukunft zu unterbinden, will die Johanniter ein Verhaltenskodex erarbeiten, sagte Lüssem. Es gehe darum, Werte und Leitlinien des Verbandes in den Alltag zu übersetzen. Für rechtes Gedankengut, fremdenfeindliches Verhalten und Gewalt gebe es bei den Johannitern keinen Platz. Weiter sei ein „Meldesystem“ für Vorgänge und Fehlverhalten vorgesehen. Dazu soll eine „externe Ombudsperson“ zur Verfügung stehen. Zudem sollen Führungskräfte stärker für Fehlverhalten von Mitarbeitern sensibilisiert werden. Hintergrund sind den Angaben zufolge Vorwürfe gegen Mitarbeitende unter anderem in Köln und Brandenburg an der Havel.“ Meldung vom 7. Dezember 2022 im MiGAZIN - Arbeitsalltag der Rettungsdienste: »Wir sind die Lückenfüller«. Rassisten im Rettungswagen
„Über rechte Kollegen, fehlende Konsequenzen und starke Arbeitsüberlastung“ berichtet der Notfallsanitäter Guido Schäpe im Gespräch mit Jan Greve in der jungen Welt vom 5. November 2022 : „…[Das Problem] ist sehr groß und wurde bislang weitestgehend übersehen. Auch wenn ich nur über den Bereich sprechen kann, in dem ich gearbeitet habe, weiß ich von ähnlichen Fällen auf anderen Wachen. Mit dem Jahr 2015, also der Fluchtbewegung, und dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 hat sich die Lage spürbar verschärft. Rechte Aussagen erfuhren aus der Sicht einiger mehr Akzeptanz. Das eine ist, dass bestimmte unerträgliche Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sein mögen – das andere, dass vieles davon nicht zu dem Leitbild passt, das unseren Beruf auszeichnet, sei es christlich oder humanistisch begründet. Menschenfeindlichkeit hat da nichts zu suchen. (…) All die Probleme sind der Leitung bekannt gewesen. Was ich dann getan habe, war, die Lage mit mehreren E-Mails an Verantwortliche bei den Johannitern zu dokumentieren. Die erste Reaktion war zu sagen: Das geht ja überhaupt nicht, da müssen wir etwas tun. Dann entschieden sich einige Kollegen, die sich von mir auf den Schlips getreten fühlten, eine sogenannte Petition – ich würde eher sagen: ein Pamphlet – gegen mich zu verfassen. Dort wurde ich aufs übelste diffamiert. Nachdem es zunächst vielversprechende Gespräche mit der Führung gegeben hatte, flachte das Interesse im Verlauf der Monate immer weiter ab. Ich erkläre mir das so: Da der Leitung bewusst wurde, dass auch sie für Missstände verantwortlich ist, war man an weiterer Aufklärung nicht interessiert. Ich wurde dann aufgefordert, mich nicht weiter mit der Sache zu beschäftigen. Nachdem ich auch mit einem Anwalt darauf hingewiesen hatte, dass eine Aufarbeitung stattfinden muss, auch weil sie – wie bei ähnlichen Fällen bei der Polizei oder der Bundeswehr – im öffentlichen Interesse ist, wurde mir zwei Tage später die außerordentliche Kündigung übergeben. Auch dagegen bin ich mit meinem Anwalt vorgegangen. Es wurde ausgehandelt, dass mein Arbeitsverhältnis nicht schon im Sommer 2021, sondern zum 31. Dezember vergangenen Jahres beendet wurde. (…) Ich habe in Zwölfstundenschichten gearbeitet und hatte meist drei oder vier davon in der Woche. Das waren im Wechsel Tag- oder Nachtschichten. Teilweise fährt man acht, neun Einsätze in so einer Schicht, manchmal mehr. Nicht selten geht es dabei um Kleinigkeiten. (…) Viele frustriert dabei, dass wir häufig zu Einsätzen fahren müssen, bei denen wir eigentlich gar nicht gebraucht werden. Wir sind die Lückenfüller. (…) Das Aufkommen von Einsätzen muss reduziert werden, etwa indem man den Katalog an Stichwörtern verändert, bei denen die Leitstellen einen Rettungswagen losschicken. Die Rahmenbedingungen müssen besser werden, zum Beispiel durch das richtige Abrechnen von Pausen. Auch das Gesundheitsbewusstsein der Bürger muss gestärkt werden, damit sie sich selbst mehr zu helfen wissen. Wenn durch solche Maßnahmen die Einsatzzeiten reduziert werden, hätte man mehr Möglichkeiten, etwas gegen rassistische Verhaltensweisen zu tun: Trainings oder Workshops mit den Beschäftigten anbieten oder für die Mitarbeiter, die ein menschenverachtendes Weltbild an den Tag legen, ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.“ - [Johanniter Unfall-Hilfe in Brandenburg an der Havel] Angriff auf Fastfood-Lieferanten: Wegen ein paar Pommes
„Ein schwarzer Lieferfahrer bringt Essen zum Büro der Johanniter. Dort wird ihm der Arm gebrochen. Die Polizei ermittelt gegen einen Sanitäter. (…) Der Kenianer ist Lieferant bei McDonald’s in Brandenburg an der Havel. (…) In der Geschäftsstelle hat eine Besprechung zum Sanitätsdienst stattgefunden, die meisten bleiben noch zum Essen. Ein Mitarbeiter hat die Bestellung aufgegeben: fünf Burger-Menüs mit Pommes und Cola, einen extra Chicken-Burger und ein McFlurry. Gesamtbetrag: 60,68 Euro. Aber Nelson Mbugu bekommt keinen Dank oder gar Trinkgeld für diese Lieferung, sein Arbeitstag endet mit einem komplizierten Bruch im linken Arm. Er wird zehn Tage im Krankenhaus liegen und wohl für Monate arbeitsunfähig sein. Es geht in dieser Geschichte um einen Mitarbeiter der Johanniter, der offenbar ausgerastet ist, weil seine Pommes fehlten. Es geht aber auch darum, wie fragwürdig die Hilfsorganisation einmal mehr agiert. Die taz hatte Mitte September eine Recherche über Rechtsextremismus und Rassismus im Rettungsdienst veröffentlicht . (…) Anders als die damals beschriebenen Fälle ist das, was Nelson Mbugu in Brandenburg erlebt hat, strafrechtlich relevant. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen Körperverletzung. Für die Johanniter hängt an dem Fall auch ein Stück Glaubwürdigkeit als christliche Hilfsorganisation. Fünf Wochen nach dem Angriff sitzt Nelson Mbugu in seinem Wohnzimmer. Er ist 39 Jahre alt, lebt seit 2017 in Deutschland, ist mit einer Deutschen verheiratet. Den linken Arm trägt er in einer Schlaufe, noch immer nimmt er starke Schmerzmittel. Mbugu spricht leise, mischt beim Reden Deutsch und Englisch. Was am 5. September passiert ist, kann er immer noch nicht fassen. Er hat sein Auto vor dem Gebäude der Johanniter geparkt und die Bestellung abgeliefert. Eine Frau nimmt sie entgegen und fragt, ob das alles sei. Mbugu sagt, das sei alles und geht zu seinem Auto. Er ist schon ein paar Meter gefahren, da sieht er, wie aus dem Gebäude ein Mann auf ihn zuläuft und winkt. Recht klein, kräftig, mit Glatze. Er spricht Mbugu an, beschwert sich, dass Pommes fehlen würden. So erinnert sich Mbugu. Er antwortet, dass er McDonald’s anrufen solle, sie würden alles nachliefern. (…) Der Mann zieht seinen Kopf aus dem Auto, greift dabei Mbugus linken Arm und zieht den Arm aus dem Fenster. „Ich konnte nichts machen, ich war angeschnallt, ich war in einem Käfig“, sagt Mbugu. Der Angreifer sieht ihm direkt in die Augen, klemmt sein Handy, das er in der Hand hatte, zwischen die Zähne und drückt mit beiden Händen und seinem vollen Gewicht auf Mbugus ausgestreckten Arm. Mbugu hört ein Knacken, dann kommt der Schmerz. (…) „Da standen drei oder vier Frauen am geöffneten Fenster der Johanniter, wenige Meter von uns entfernt. Sie müssen Nelson gehört haben, vielleicht sogar gesehen haben, was passiert ist.“ Niemand von ihnen habe geholfen (…) Wie kann es sein, dass Ehrenamtliche einer solchen Organisation nicht helfen, wenn ein Mensch offenkundig schwer verletzt ist? Geht es hier nicht nur um einen brutalen Angriff, sondern auch um unterlassene Hilfeleistung? Ein Polizeisprecher sagt, dass deswegen nicht ermittelt werde. (…) Die Polizei veröffentlicht am nächsten Tag eine Pressemitteilung mit dem Titel „Streit um Pommes Frites eskalierte“. Es sei zu einem Wortgefecht gekommen, das in „Handgreiflichkeiten zwischen den beiden“ geendet sei. Einen Tatverdächtigen konnten sie bis dato nicht ermitteln. Den findet Nelson Mbugu selbst…“ Artikel von Anne Fromm vom 11.00.2022 in der taz online - Siehe auch eine Zusammenfassung im Thread von Anne Fromm vom 17.9.2022 : „Der Rettungsdienst ist in letzter Zeit häufig in den Schlagzeilen: Personalmangel, Überlastung, ausgebranntes Personal. Worüber kaum gesprochen wird; Rassismus und Rechtsextremismus unter Sanitäter:innen. @seberb und ich haben recherchiert…“
- Johanniter Köln untersuchen Extremismus-Vorwüfe
„Die Kölner Johanniter gehen möglichen Fällen von Rechtsextremismus in den eigenen Reihen nach. Das bestätigte die Hilfsorganisation dem WDR. Zuerst hatte die Berliner TAZ darüber berichtet, dass Mitarbeitende Nähe zu Reichsbürgern und der rechtsextremen Identitären Bewegung gezeigt hätten. Auf dem Wandkalender in einer Wache seien zudem die Geburtstage von Joseph Goebbels, Eva Braun und Adolf Hitler eingetragen gewesen. In einer Antwort auf den WDR-Tweet zu den Vorwürfen stellten die Johanniter am Samstag klar, dass ein derartiges Verhalten „unvereinbar mit unseren Werten & unserem Selbstverständnis“ sei. „Daher sind wir dabei, diesen Fall konsequent aufzuarbeiten. Verstöße werden strafrechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen“, heißt es da weiter. (…) Die Johanniter sagten am Samstag eine erneute Untersuchung zu. Zugleich verwahrte sich eine Sprecherin gegen eine Pauschalverurteilung der Mitarbeitenden und des Rettungsdienstes. Die Staatsanwaltschaft Köln sieht derweil noch keinen Grund, Ermittlungen einzuleiten. Es gebe weder den Eingang einer Anzeige noch einen Anfangsverdacht. Die Eintragung von Geburtstagen von Nazigrößen sei keine Straftat. Auch sei zum Beispiel das Zeigen eines Hitlergrußes nur in der Öffentlichkeit strafbar.“ Beitrag von Jochen Hilgers vom 17.09.2022 beim WDR - Siehe unser Dossier von 2021: Übergriffsskandal auf einen syrischen Flüchtling in Kassel: Sanitäter als Täter, Polizei schaut weg – und die Politik empört sich nach Monaten