Polizeiproblem im Bundestag: Mehrere Bundestagspolizisten haben sich rechtsextrem geäußert oder verfassungsfeindlich betätigt

Dossier

VVN: Den Naziklüngel zerschlagen!„Die Polizei, die für den Schutz des Bundestags zuständig ist, hat ein Problem mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. Wie Recherchen der taz ergeben haben, arbeiten bei der Bundestagspolizei mehrere Beamte, die sich rechtsextrem geäußert oder verfassungsfeindlich betätigt haben. Es gab in diesen Fällen aber offenbar keine Konsequenzen. Ein Bundestagspolizist hat sich in einer Reichsbürgerpartei engagiert, die das Grundgesetz ablehnt, und soll gegenüber Kollegen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet haben. Ein anderer Beamter hat zu Demonstrationen der sogenannten Querdenken-Bewegung aufgerufen und auch im August 2020 an jener Demo teilgenommen, die im versuchten Sturm auf den Reichstag gipfelte. Ein weiterer Polizeibeamter hat nach Aussage eines Kollegen mehrfach im Pausenraum den Hitlergruß gezeigt und dabei die Radiostimme von Adolf Hitler imitiert (…) Nach übereinstimmenden Schilderungen ist eine rassistische und diskriminierende Wortwahl auch in Gesprächen während des Dienstes alltäglich. Problematische Einstellungen und Vorfälle gibt es den taz-Recherchen zufolge auch beim Personal, das an den Pforten des Bundestags eingesetzt wird, sowie im Besucherdienst des Parlaments. (…) Wie die taz-Recherchen weiter zeigen, hat die Bundestagspolizei eine Art Spezialeinheit gegründet, das „Team besondere Aufgaben“, das öffentlich bisher nie erwähnt wurde…“ Artikel von Sebastian Erb und Kersten Augustin vom 18. Juni 2021 in der taz online externer Link und dazu:

  • Rechte bei der Parlamentspolizei: Neuer Sicherheitschef für Bundestag New
    „… Der Bundestag hat einen neuen Sicherheitschef. Zum 1. März hat der Beamte die Leitung des Sicherheitsreferats und damit der Parlamentspolizei und des Einlasskontrolldienstes übernommen. Dies bestätigte die Pressestelle des Bundestages auf taz-Anfrage. Der Beamte war zuvor als Leiter eines Personalreferats verantwortlich für die internen Ermittlungen zu rechtsextremen Vorfällen in der Bundestagspolizei. Diese steht infolge von taz-Recherchen in der Kritik. Der bisherige Referatsleiter Norman P., der das Amt erst im Dezember übernommen hatte, leitet nun ein Referat der Wissenschaftlichen Dienste. Im Januar hatte die taz berichtet, dass Norman P. aktives Mitglied der ultrarechten Berliner Burschenschaft Gothia ist und 1998 für die rechtspopulistische Partei Bund Freier Bürger für den Bundestag kandidiert hatte. Nachdem die taz die Bundestagsverwaltung mit der Recherche konfrontiert hatte, war Norman P. noch im Januar von seinen Aufgaben entbunden worden. Nun wurde er versetzt, weitere Konsequenzen sind nicht bekannt. Die Pressestelle begründet die Entscheidung damit, dass kein Zweifel entstehen dürfe, dass bei der Aufarbeitung der Vorwürfe rechtsextremer Vorfälle in der Bundestagspolizei mit der nötigen „Konsequenz und Sensiblität“ vorgegangen werde. Allerdings gebe es „keine Anhaltspunkte für ein disziplinarrechtlich vorwerfbares Verhalten des Beamten“. (…) Die taz hatte im vergangenen Jahr über weitere Mitglieder der Burschenschaft Gothia in der Verwaltung berichtet. (…) Der neue Leiter der Parlamentspolizei gilt im Bundestag als „strammer Sozialdemokrat“. Dass er bisher das Personalreferat ZV2 leitete, ist bemerkenswert, weil er dort die internen Ermittlungen führte, die nach den taz-Recherchen im vergangenen Sommer eingeleitet wurden. Im Zuge dieser Ermittlungen ließ er alle 200 BundestagspolizistInnen einzeln mit einem standardisierten Fragebogen befragen. Neben suggestiven Fragen, ob Kollegen einen Hitlergruß als „Imitation, Rumalbern“ gezeigt hätten, wurden die Polizisten befragt, ob sie mit der taz gesprochen hatten. Dieses Befragung wurde auch intern kritisiert…“ Artikel von Kersten Augustin und Sebastian Erb vom 26. April 2022 in der taz online externer Link
  • Bursche und Bauernopfer: Nach einem Rechtsextremismus-Skandal wurde ein neuer Sicherheitschef im Bundestag eingesetzt. Der steht politisch selbst rechts außen 
    „Fünf Seiten lang ist der Fragebogen, ganz oben auf der Seite prangt der Bundesadler. Die Überschrift lautet: „Verwaltungsermittlungen zum Pressebericht der Tageszeitung (taz)“. Alle Po­li­zis­t:in­nen des Bundestags mussten einzeln zum Gespräch erscheinen und 15 Fragen beantworten. Fragen wie: „Existieren Chatgruppen der Kolleginnen und Kollegen?“ oder: „Haben Sie davon gehört, dass jemand den Hitlergruß gezeigt hat?“
    Im Juli 2021 hatte die taz eine Recherche über Rechtsextremismus bei der Bundestagspolizei externer Link veröffentlicht. Es ging um einen Reichsbürger in Uniform, einen Hitlergruß im Reichstag und rassistische Aussagen in Chatgruppen. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble kündigte daraufhin an, den Vorwürfen nachzugehen. Mehr als 200 Beamt:innen wurden seitdem befragt, darunter sogar 30 ehemalige. Das ist ein ungewöhnlich großer Aufwand. Hat die Bundestagsverwaltung die Tragweite des Problems also erkannt? Wer den Fragebogen und die Ergebnisse der internen Ermittlungen genauer betrachtet, bekommt Zweifel. Und auch eine aktuelle Personalie zeigt, dass es offenbar wenig Interesse daran gibt, sich wirklich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Neuer Leiter des Sicherheitsreferats und damit Vorgesetzter aller Polizist:innen im Bundestag wurde nun ausgerechnet ein Beamter, der politisch selbst weit rechts verortet ist. (…) Statt Polizist:innen darin zu ermutigen, gegen Diskriminierung einzustehen, entsteht der gegenteilige Eindruck: Die Aufklärung der Vorfälle ist unerwünscht. Die Pressestelle betont, dass nach der taz-Veröffentlichung eine interne Vertrauensperson für Bundestagsmitarbeitende bestimmt wurde. Der Druck auf Whistleblower:innen jedenfalls steigt: Ein Polizist berichtet der taz, dass Kolleg:innen sich gegenseitig verdächtigen. Die Kolleg:innen, gegen die disziplinarisch vorgegangen werde, seien „Bauernopfer“. An den Strukturen ändere sich nichts, leitende Beamte, die zum Teil seit Jahrzehnten in den Leitungspositionen seien, blieben auf ihren Posten. (…) Dass es in der Bundestagsverwaltung weiterhin an Sensibilität mangelt, zeigt auch die schon erwähnte Personalentscheidung: Das Referat ZR3, das für die Sicherheit im Parlament zuständig ist, hat seit Anfang Dezember einen neuen Leiter. (…) Doch ist Norman P. geeignet, die Bundestagspolizei nach einem Rechtsextremismusskandal zu führen? Recherchen der taz ergeben, dass Norman P. Mitglied der Berliner Burschenschaft Gothia ist. Gothia ist eine politisch weit rechts stehende Verbindung. Sie ist Teil des Dachverbands Deutsche Burschenschaft, den andere Verbindungen verlassen haben, nachdem extrem Rechte das Ruder übernahmen. Ins Gothia-Haus wurden unter anderem der Holocaustleugner Horst Mahler und mehrfach Referenten des Instituts für Staatspolitik eingeladen, das heute vom Verfassungsschutz beobachtet wird…“ Artikel von Kersten Augustin und Sebastian Erb vom 21. Januar 2022 in der taz online externer Link
  • Hitlergruß im Reichstag: Die Bundestagspolizei soll das Parlament schützen. taz-Recherchen zufolge arbeiten dort Reichsbürger, Rassisten und Coronaleugner
    „… Der Bundestag braucht Schutz. Aber wer sind die Personen, die ihn schützen? Die taz hat mit einem Dutzend aktuellen und ehemaligen Beamt*innen der Bundestagspolizei und weiteren Personen gesprochen, die für die Sicherheit im Parlament zuständig sind. Wir sind auf eine Gefahr von innen gestoßen. Auf Reichsbürger in Uniform, die das Parlament schützen sollen, aber glauben, dass die Bundesrepublik nicht existiert. Auf Coronaleugner und Rassisten, die Namibia noch heute als Deutsch-Südwestafrika bezeichnen. Auf Pförtner*innen, die aktuell für die AfD-Fraktion arbeiten und bald wieder an einem der Eingänge sitzen könnten. Es geht dabei auch um rechte Memes in dienstlich genutzten Chatgruppen. In einem weiteren Fall soll ein Beamter im Pausenraum der Bundestagspolizei den Hitlergruß gezeigt haben. Doch wir sind nicht nur auf Rechtsextremismusfälle gestoßen, denen bislang offenbar niemand nachgegangen ist. Je länger wir uns mit der Polizei des Bundestags beschäftigen, desto stärker bekommen wir den Eindruck: Das ist eine Organisation, die sich verselbstständigt hat. In der Parlamentspolizei mit ihrer historischen Sonderstellung mischen sich eine gute finanzielle Ausstattung mit regelmäßiger Unterforderung im Alltag. Das führt beispielsweise dazu, dass die Polizei des Bundestags Scharfschützengewehre angeschafft hat, die sonst nur ein SEK besitzt. Und eine mysteriöse Spezialeinheit gegründet hat, die öffentlich noch nie erwähnt wurde und von der selbst im Bundestag kaum einer weiß. (…) Der Bundestag ist der kleinste Polizeibezirk der Republik, rund 200 Beamt*innen arbeiten hier. Sie sind ausschließlich für die Liegenschaften des Bundestags verantwortlich. Die Bundestagspolizei untersteht dem Bundestagspräsidenten, Wolfgang Schäuble von der CDU. Nur mit seiner Zustimmung dürfen Beamt*innen in den Parlamentsgebäuden Personen festnehmen oder Büros durchsuchen. Die Polizei des Landes Berlin oder die Bundespolizei sind nicht zuständig, so will es das Grundgesetz. Die Idee ist gut: Im Falle eines Staatsstreichs soll das Parlament nicht schutzlos sein. Das bedeutet aber auch: Es muss sich im Zweifelsfall selbst schützen können. „Am Ende“, sagt ein Bundestagspolizist, „sind wir die mit den Knarren im Haus.“ Und: „Es ist wie bei Troja: Wer hat den Schlüssel zur Tür?“ (…) Hat die Verwaltung des Bundestags die Gefahr von rechts jahrelang nicht ernst genommen? Die Pressestelle des Bundestags antwortet auf taz-Anfrage, man handle bei rechtsextremen Verdachtsfällen „klar und konsequent“. Eine verdachtsunabhängige Überprüfung finde jedoch nicht statt. (…) Für Anfang Juli rufen Initiativen aus dem Querdenken-Spektrum wieder zu einer Demo am Brandenburger Tor auf. „Eure letzte Chance“, heißt es in einem Mobilisierungsvideo, auf dem Szenen früherer Proteste zu sehen sind. „Widerstand heißt, dorthin zu laufen“, sagt ein Redner in dem Video und zeigt Richtung Reichstag, und zur Polizei sagt er: „Schließt euch an!“ Artikel von Kersten Augustin und Sebastian Erb vom 18. Juni 2021 in der taz online externer Link
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