Was von offiziellen Statistiken über rechte Gewalt zu halten ist: NSU Mordserie war unpolitisch. Und die Polizeikampagne gegen die Opfer? „War halt so…“
„… Angefordert wurde die Aufstellung über politisch motivierte Gewalt in Deutschland von der AfD-Fraktion im Bundestag. Diese hatte mit einer Kleinen Anfrage Daten über politisch motivierte Straftaten seit dem Jahr 2000 in Deutschland angefordert. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage offenbart, dass keiner der insgesamt zehn Morde, die vom Nationalsozialistischen Untergrund NSU verübt wurden, in der Statistik der Bundesregierung als politisch motivierte Straftaten gelistet werden. Auch die anderen Gewalttaten, die dem NSU zur Last gelegt werden, zum Beispiel Sprengstoffattentate mit Schwerverletzten oder Bankraube, fehlen in der Erhebung. Das Bundesinnenministerium begründet das mit einer fehlerhaften Kategorisierung. Die Statistik speise sich aus den Zahlen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes für Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK). „Hierbei handelt es sich um eine Eingangsstatistik“, teilte ein Sprecher gegenüber t-online mit. Das heißt, dass die Straftaten nur nach ihrem ursprünglichen Eingangsverdacht erfasst werden. Im Fall des NSU gingen Ermittler anfangs noch von organisierter Kriminalität aus. Erst 2011 wurde klar, dass die Taten des NSU politisch motiviert waren…“ – aus der Meldung „Gewalttaten des NSU gelten offiziell nicht als politisch motiviert“ am 09. September 2019 bei der Zeit online über die „ursprüngliche“ und jahrelang andauernde Polizeikampagne und ihre Wiederspiegelung in Propaganda-Statistiken… Zur Ursprünglichkeit dieses andauernden Herangehens noch ein „Erinnerungs“-Beitrag:
- „Es musste erst ein Deutscher ermordet werden“ von Tomas Fitzel am 06. September 2019 in Deutschlandfunk Kultur erinnert aus Anlass einer Veranstaltung zum Jahrestag des Prozess-Endes: „… Aber bis zuletzt hatte man den Familien nicht zugehört, so hat Adile Şimşek von Anfang an gesagt, ihr Mann sei sicher von Nazis ermordet worden, aber niemand nahm sie ernst. Man ließ die Familien bis 2011 allein. Adile Şimşek verfiel in eine tiefe Depression und ihre damals 14-jährige Tochter Semiya musste sämtliche Kommunikation übernehmen. Şimşek sagt: „Keiner kam an die Tür und hat gefragt, ‚Wie geht es euch denn, was ist denn hier wirklich passiert?‘ Keine Beratungsstelle, niemand hat uns angesprochen. Und meine Mutter, die konnte ja kein Deutsch. Sie wusste nicht, wo sie mal hingehen kann. Aber 2011, als es dann öffentlich wurde, dass es NSU ist, sind sie bei uns angestürmt. Nach elf Jahren brauche ich doch keine Hilfe mehr. Wir sind so stark genug. Wir brauchen niemanden.“ Erst als durch den Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, ein Selbstmord, der auch bis heute noch Fragen aufwirft, die Verhaftung von Beate Zschäpe, sowie die Entdeckung der Bekennervideos die Taten aufgeklärt wurden, da stürzte sich zwar die Presse auf die Familien, aber von der Justiz, das heißt dem Staat, kam immer noch wenig. An diesem Abend im Haus der Kulturen konnte nichts Neues gesagt werden. Es ging eher darum, das Gedächtnis wach zu halten, da wir viel zu schnell vergessen. Und bis heute sind es im kollektiven Bewusstsein immer noch die Opfer der anderen und nicht unsere Opfer. Dies wurde doch sehr deutlich vor Augen geführt an diesem emotionalen Abend...“